Oskar ist neun, er ist Erfinder, Pazifist, Schmuckdesigner und Tamburinspieler - und er hat eine Menge Fragen, auf die er dringend eine Antwort braucht. Wieso gab es den Anschlag vom 11. September? Warum musste sein Vater eines der Opfer sein? Oskar läuft durch New York, immer auf der Suche nach Antworten und nach etwas, dass ihn von den vielen Gedanken in seinem Kopf ablenkt. Safran Foer raubt mit seinem Tempo, seiner Sprachgewalt und seinem halsbrecherischen Witz dem Hörer den Atem. Und er lässt einen verstehen, dass manchmal nur Phantasie hilft, den Irrsinn der Welt zu ertragen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2005Eloquenz auf leeren Seiten
Eheliches Romanduell in New York: Die Bücher von Nicole Krauss und Jonathan Safran Foer
NEW YORK, Anfang August
Altbewährte Eheleute sind dafür bekannt, in der noch nichtolympischen Sportart des Synchrondenkens keine Konkurrenz fürchten zu müssen. Bevor der oder die eine noch richtig zum Anlauf ansetzt, hat der oder die andere den Satz schon zu Ende gedacht. Jüngere Paare, naturgemäß nicht derart durchtrainiert, haben dagegen keine Chance. Wie allen Regeln fehlen aber auch dieser nicht die Ausnahmen. Ein besonders eindrucksvolles Exemplar halten nun die beiden gefeierten amerikanischen Jungschriftsteller Nicole Krauss und Jonathan Safran Foer parat. Ihre Verehelichung hat sich außerordentlich rasch nicht nur in diesem oder jenem koproduzierten Satz niedergeschlagen, sondern gleich in zwei Romanen, die, obwohl noch brav nach Autor und Autorin getrennt, aus ein und derselben Feder stammen könnten.
Dabei ist das neue Traumpaar des literarischen Amerika subtil genug, nicht auch schon im Plot nach Kongruenz zu streben. Foers "Extremely Loud and Incredibly Close" (Extrem laut und unglaublich nah) gehört zu dem anschwellenden Strom von 9/11-Literatur. Protagonist ist der kleine Oskar, der statt einer Blechtrommel lieber ein Tamburin traktiert und sich auf seiner Visitenkarte als "Erfinder, Schmuckhersteller, Amateurentomologe, Frankophiler, Veganer, Origamikünstler, Pazifist, Perkussionist, Amateurastronom, Computerberater, Amateurarchäologe, Sammler von: raren Münzen, Schmetterlingen, die eines natürlichen Todes starben, Miniaturkakteen, Beatles-Memorabilien, Halbedelsteinen und anderen Dingen" empfiehlt. Wichtig für die Handlung ist vor allem, daß Oskar beim Terroranschlag aufs World Trade Center den Vater verloren hat und nun versucht, die Erinnerung an ihn wachzuhalten.
Wer Foers sensationell erfolgreichen Erstling "Alles ist erleuchtet" kennt (F.A.Z. vom 18. März 2003), wird kaum davon überrascht sein, wenn in "Extrem laut und unglaublich nah" der Haupthandlungsstrang sich durch ein Labyrinth von Geschichten und Beobachtungen, Erklärungen und Erfahrungen, Informationen und gewollten und ungewollten Klischees, Wortspielereien und Geständnissen, elegischen Abschweifungen und schrulligem Humor zieht. Der Hinweis auf Hiroshima darf ebensowenig fehlen wie die Bombardierung Dresdens, aus der sich die Hauptnebenhandlung herleitet, oder das private Panorama einer verwundeten Stadt. Sie soll New York anno 2003 darstellen, wäre aber eher in einem surrealen, fast dörflich überschaubaren, auf jeden Fall zuvor von Gabriel García Márquez und Isaac Bashevis Singer beispielhaft vermessenen Landstrich zu suchen. Und in der einsamen Fremde, die J. D. Salinger sich für Holden Caulfield ausgedacht hatte.
So vollgestopft ist Foers neues Buch mit gefundenem, erfundenem und phantastisch verpacktem Material, daß der Leser nicht selten darüber schier verzweifeln möchte. Nicole Krauss macht ihm in "The History of Love" (Die Geschichte der Liebe), das in diesen Tagen ebenfalls in deutscher Übersetzung erscheint, die Orientierung nicht leichter. Auch sie begibt sich auf die Suche. Wie Foer, der in "Everything is Illuminated" seinen Doppelgänger in die Ukraine schickt, wo er die Frau aufspüren soll, die den Großvater anscheinend vor den Nazis gerettet hatte, und wie Oskar Schell, der über den toten Vater nicht genug in Erfahrung bringen kann und sich auf einer Odyssee durch New York nach seiner Nähe sehnt, bis hinein ins leere Grab. Bei Nicole Krauss wird nach dem Verfasser der "History of Love" gesucht. Denn der einprägsame Titel ihres - nach dem Debüt "Man Walks Into A Room" zweiten - Romans ist auch der einer mysteriösen, bald romanhaften, bald essayistischen, bald kulturphilosophischen Abhandlung, einer metaphysisch skurrilen Gebrauchsanweisung für die Liebe und das Leben, die sich in Auszügen durch den Roman windet.
Sein geheimnisvoller Kern ist das Buch im Buch, dennoch nur zu verstehen als ein Teilchen in einem Plot-Puzzle, das Krauss mit einer geradezu diabolisch virtuosen Lust am Kombinieren und Konstruieren ausbreitet. Bevor die Geschichte des alten Leopold Gursky und des Mädchens Alma Singer ihr Feuerwerksfinale erreicht, ist viel aufzuklären, nicht zuletzt das Schicksal des Manuskripts von "The History of Love", das im Gepäck eines jüdischen Flüchtlings von Slonim im heutigen Weißrußland ins chilenische Valparaiso reist, dort in spanischer Übersetzung erstmals erscheint und keine weitere Aufmerksamkeit erregt, bis Almas Mutter, eine New Yorker Übersetzerin, von einem Fremden den Auftrag erhält, das obskure Buch, das Almas Vater einst zufällig auch in einer südamerikanischen Buchhandlung aufgestöbert hatte, für das sagenhafte Honorar von hunderttausend Dollar zu übersetzen.
So weit, so vertrackt. Aber das ist erst der grobe Umriß eines Plots, der in seinem Faible für Komplikation Leopold Gursky, den Verfasser der "History of Love", ahnungslos in New York als Schlosser werkeln läßt, während sein Jugendfreund Zvi Litvinoff das Manuskript ein wenig südamerikanisiert und unter eigenem Namen veröffentlicht, um die Liebe seiner Frau Rosa zu erringen. Auch diese Volten und Enthüllungen sind nichts gegen die Sache mit Gurskys verlorenem und halb wiedergefundenem Sohn, der zum berühmten Romancier aufgestiegen ist, oder mit Gurskys Freund Bruno, der seine sehr spezielle Wirklichkeit beansprucht, oder mit Almas Bruder, der sich zum Messias berufen fühlt, oder mit zahllosen anderen Figuren und Ereignissen, die dieses Roman-Kaleidoskop ausmachen.
Nicole Krauss schlägt weniger mit psychologischen Einsichten und ausgereifter Charakterisierungskunst in Bann als mit einer Erzähltechnik, die wohl postmodern zu nennen wäre, über ihre Artifizialität hinaus aber einen unwiderstehlichen Drive entwickelt. Wie da Perspektiven gewechselt, Handlungsstränge verwoben und Schicksalswenden inszeniert werden, das übertrifft selbst die Brillanz, mit der ihr Mann in "Extrem laut und unglaublich nah" aufwartet. Krauss und Foer schießen weit über die geschriebene Sprache hinaus, lassen in sogar typographisch identischer Form manchmal nur einen Satz oder ein paar Wörter auf einer sonst leeren Seite stehen. Im Vergleich mit Foers rot umkringelten Sätzen und Zeilen, farbigem Gekritzel, durchgestrichenen Wörtern, Zahlenkolonnen, kursiven Einsprengseln, Majuskelsignalen, immer enger bedruckten Seiten, die schließlich den totalen Sieg der Druckerschwärze verkünden, bemüht Nicole Krauss sich um einen Rest von graphischer Reserve. Dafür hat ihr Roman mehr innere Aufregung zu bieten.
Beide Autoren bauen ihre Handlungsstrukturen aus Zitaten aus Briefen, Notiz- und Tagebüchern, beide verwandeln New York in einen Ort, der dem Schtetl so nah ist wie einer lateinamerikanischen Phantasmagorie, beide liefern bizarre Geschichten als Standardware, beide verlangen von ihren Helden detektivischen Spürsinn, beide bürden einen Großteil der Last ihrer Bücher zwei Kindern auf, die für lexikalische Exkursionen anfällig sind und damit allzu oft direkt in die Banalität schlittern.
Vom Tonfall und der strukturellen Anlage her sind sich die Bücher derart ähnlich, daß sie in der Erinnerung leicht ineinander verschwimmen. Ist Oskar nicht mit dem alten Gursky auf Entdeckungsreise durch New York gegangen? Hat Alma das Schweizer Armeemesser des Vaters bekommen, oder war es doch Oskar? Foer, der dem Terrorangriff des 11. September jede politische Dimension verweigert, ihm vielmehr in der Selbsterkundung nachspürt, läßt seine Erzählungen und Überlegungen in ein schwaches Ende münden. Um den Weg aus der Trauer ins Leben zu finden, schlägt er vor, den Rückwärtsgang der Geschichte einzulegen und "den schlimmsten Tag" dem Kalender zu entreißen. Zum Kitsch geraten ihm so die Schlußseiten, eine umgekehrte Bilderfolge, in der ein Mensch, der aus einem der Türme in den Tod springt, nun hinauf in den himmlischen Äther schweben darf.
Solche Ausrutscher passieren Nicole Krauss nicht. Dem Schelmenroman ihres Mannes stellt sie einen virtuosen Versuch über die Spielarten der Liebe entgegen. Am herausragenden Talent des gerade achtundzwanzig Jahre alten Foer ist auch nach diesem unvollkommenen, zwischen Terror und Niedlichkeit schwankenden Buch nicht zu zweifeln. Seine nicht minder talentierte Gattin, die drei Jahre älter ist als er, war diesmal aber besser.
JORDAN MEJIAS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eheliches Romanduell in New York: Die Bücher von Nicole Krauss und Jonathan Safran Foer
NEW YORK, Anfang August
Altbewährte Eheleute sind dafür bekannt, in der noch nichtolympischen Sportart des Synchrondenkens keine Konkurrenz fürchten zu müssen. Bevor der oder die eine noch richtig zum Anlauf ansetzt, hat der oder die andere den Satz schon zu Ende gedacht. Jüngere Paare, naturgemäß nicht derart durchtrainiert, haben dagegen keine Chance. Wie allen Regeln fehlen aber auch dieser nicht die Ausnahmen. Ein besonders eindrucksvolles Exemplar halten nun die beiden gefeierten amerikanischen Jungschriftsteller Nicole Krauss und Jonathan Safran Foer parat. Ihre Verehelichung hat sich außerordentlich rasch nicht nur in diesem oder jenem koproduzierten Satz niedergeschlagen, sondern gleich in zwei Romanen, die, obwohl noch brav nach Autor und Autorin getrennt, aus ein und derselben Feder stammen könnten.
Dabei ist das neue Traumpaar des literarischen Amerika subtil genug, nicht auch schon im Plot nach Kongruenz zu streben. Foers "Extremely Loud and Incredibly Close" (Extrem laut und unglaublich nah) gehört zu dem anschwellenden Strom von 9/11-Literatur. Protagonist ist der kleine Oskar, der statt einer Blechtrommel lieber ein Tamburin traktiert und sich auf seiner Visitenkarte als "Erfinder, Schmuckhersteller, Amateurentomologe, Frankophiler, Veganer, Origamikünstler, Pazifist, Perkussionist, Amateurastronom, Computerberater, Amateurarchäologe, Sammler von: raren Münzen, Schmetterlingen, die eines natürlichen Todes starben, Miniaturkakteen, Beatles-Memorabilien, Halbedelsteinen und anderen Dingen" empfiehlt. Wichtig für die Handlung ist vor allem, daß Oskar beim Terroranschlag aufs World Trade Center den Vater verloren hat und nun versucht, die Erinnerung an ihn wachzuhalten.
Wer Foers sensationell erfolgreichen Erstling "Alles ist erleuchtet" kennt (F.A.Z. vom 18. März 2003), wird kaum davon überrascht sein, wenn in "Extrem laut und unglaublich nah" der Haupthandlungsstrang sich durch ein Labyrinth von Geschichten und Beobachtungen, Erklärungen und Erfahrungen, Informationen und gewollten und ungewollten Klischees, Wortspielereien und Geständnissen, elegischen Abschweifungen und schrulligem Humor zieht. Der Hinweis auf Hiroshima darf ebensowenig fehlen wie die Bombardierung Dresdens, aus der sich die Hauptnebenhandlung herleitet, oder das private Panorama einer verwundeten Stadt. Sie soll New York anno 2003 darstellen, wäre aber eher in einem surrealen, fast dörflich überschaubaren, auf jeden Fall zuvor von Gabriel García Márquez und Isaac Bashevis Singer beispielhaft vermessenen Landstrich zu suchen. Und in der einsamen Fremde, die J. D. Salinger sich für Holden Caulfield ausgedacht hatte.
So vollgestopft ist Foers neues Buch mit gefundenem, erfundenem und phantastisch verpacktem Material, daß der Leser nicht selten darüber schier verzweifeln möchte. Nicole Krauss macht ihm in "The History of Love" (Die Geschichte der Liebe), das in diesen Tagen ebenfalls in deutscher Übersetzung erscheint, die Orientierung nicht leichter. Auch sie begibt sich auf die Suche. Wie Foer, der in "Everything is Illuminated" seinen Doppelgänger in die Ukraine schickt, wo er die Frau aufspüren soll, die den Großvater anscheinend vor den Nazis gerettet hatte, und wie Oskar Schell, der über den toten Vater nicht genug in Erfahrung bringen kann und sich auf einer Odyssee durch New York nach seiner Nähe sehnt, bis hinein ins leere Grab. Bei Nicole Krauss wird nach dem Verfasser der "History of Love" gesucht. Denn der einprägsame Titel ihres - nach dem Debüt "Man Walks Into A Room" zweiten - Romans ist auch der einer mysteriösen, bald romanhaften, bald essayistischen, bald kulturphilosophischen Abhandlung, einer metaphysisch skurrilen Gebrauchsanweisung für die Liebe und das Leben, die sich in Auszügen durch den Roman windet.
Sein geheimnisvoller Kern ist das Buch im Buch, dennoch nur zu verstehen als ein Teilchen in einem Plot-Puzzle, das Krauss mit einer geradezu diabolisch virtuosen Lust am Kombinieren und Konstruieren ausbreitet. Bevor die Geschichte des alten Leopold Gursky und des Mädchens Alma Singer ihr Feuerwerksfinale erreicht, ist viel aufzuklären, nicht zuletzt das Schicksal des Manuskripts von "The History of Love", das im Gepäck eines jüdischen Flüchtlings von Slonim im heutigen Weißrußland ins chilenische Valparaiso reist, dort in spanischer Übersetzung erstmals erscheint und keine weitere Aufmerksamkeit erregt, bis Almas Mutter, eine New Yorker Übersetzerin, von einem Fremden den Auftrag erhält, das obskure Buch, das Almas Vater einst zufällig auch in einer südamerikanischen Buchhandlung aufgestöbert hatte, für das sagenhafte Honorar von hunderttausend Dollar zu übersetzen.
So weit, so vertrackt. Aber das ist erst der grobe Umriß eines Plots, der in seinem Faible für Komplikation Leopold Gursky, den Verfasser der "History of Love", ahnungslos in New York als Schlosser werkeln läßt, während sein Jugendfreund Zvi Litvinoff das Manuskript ein wenig südamerikanisiert und unter eigenem Namen veröffentlicht, um die Liebe seiner Frau Rosa zu erringen. Auch diese Volten und Enthüllungen sind nichts gegen die Sache mit Gurskys verlorenem und halb wiedergefundenem Sohn, der zum berühmten Romancier aufgestiegen ist, oder mit Gurskys Freund Bruno, der seine sehr spezielle Wirklichkeit beansprucht, oder mit Almas Bruder, der sich zum Messias berufen fühlt, oder mit zahllosen anderen Figuren und Ereignissen, die dieses Roman-Kaleidoskop ausmachen.
Nicole Krauss schlägt weniger mit psychologischen Einsichten und ausgereifter Charakterisierungskunst in Bann als mit einer Erzähltechnik, die wohl postmodern zu nennen wäre, über ihre Artifizialität hinaus aber einen unwiderstehlichen Drive entwickelt. Wie da Perspektiven gewechselt, Handlungsstränge verwoben und Schicksalswenden inszeniert werden, das übertrifft selbst die Brillanz, mit der ihr Mann in "Extrem laut und unglaublich nah" aufwartet. Krauss und Foer schießen weit über die geschriebene Sprache hinaus, lassen in sogar typographisch identischer Form manchmal nur einen Satz oder ein paar Wörter auf einer sonst leeren Seite stehen. Im Vergleich mit Foers rot umkringelten Sätzen und Zeilen, farbigem Gekritzel, durchgestrichenen Wörtern, Zahlenkolonnen, kursiven Einsprengseln, Majuskelsignalen, immer enger bedruckten Seiten, die schließlich den totalen Sieg der Druckerschwärze verkünden, bemüht Nicole Krauss sich um einen Rest von graphischer Reserve. Dafür hat ihr Roman mehr innere Aufregung zu bieten.
Beide Autoren bauen ihre Handlungsstrukturen aus Zitaten aus Briefen, Notiz- und Tagebüchern, beide verwandeln New York in einen Ort, der dem Schtetl so nah ist wie einer lateinamerikanischen Phantasmagorie, beide liefern bizarre Geschichten als Standardware, beide verlangen von ihren Helden detektivischen Spürsinn, beide bürden einen Großteil der Last ihrer Bücher zwei Kindern auf, die für lexikalische Exkursionen anfällig sind und damit allzu oft direkt in die Banalität schlittern.
Vom Tonfall und der strukturellen Anlage her sind sich die Bücher derart ähnlich, daß sie in der Erinnerung leicht ineinander verschwimmen. Ist Oskar nicht mit dem alten Gursky auf Entdeckungsreise durch New York gegangen? Hat Alma das Schweizer Armeemesser des Vaters bekommen, oder war es doch Oskar? Foer, der dem Terrorangriff des 11. September jede politische Dimension verweigert, ihm vielmehr in der Selbsterkundung nachspürt, läßt seine Erzählungen und Überlegungen in ein schwaches Ende münden. Um den Weg aus der Trauer ins Leben zu finden, schlägt er vor, den Rückwärtsgang der Geschichte einzulegen und "den schlimmsten Tag" dem Kalender zu entreißen. Zum Kitsch geraten ihm so die Schlußseiten, eine umgekehrte Bilderfolge, in der ein Mensch, der aus einem der Türme in den Tod springt, nun hinauf in den himmlischen Äther schweben darf.
Solche Ausrutscher passieren Nicole Krauss nicht. Dem Schelmenroman ihres Mannes stellt sie einen virtuosen Versuch über die Spielarten der Liebe entgegen. Am herausragenden Talent des gerade achtundzwanzig Jahre alten Foer ist auch nach diesem unvollkommenen, zwischen Terror und Niedlichkeit schwankenden Buch nicht zu zweifeln. Seine nicht minder talentierte Gattin, die drei Jahre älter ist als er, war diesmal aber besser.
JORDAN MEJIAS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Jonathan Safran Foers zweiter Roman erfüllt all unsere Erwartungen. Er ist ehrgeizig, brillant, geheimnisvoll und vor allem in der Schilderung des verwaisten Oskar zutiefst bewegend. Eine ungewöhnliche Leistung." Salman Rushdie
"Jonathan Safran Foer ist eine ungewöhnliche neue Stimme - virtuos, visionär, naiv, urkomisch und herzzerreißend." The Village Voice
"Temperamentvoll, eindringlich und wunderbar unterhaltsam bringt Foer den Leser dazu, die Welt mit all ihrem Grauen und all ihren Möglichkeiten aus der Perspektive eines Kindes neu zu sehen." National Post
"Jonathan Safran Foer ist eine ungewöhnliche neue Stimme - virtuos, visionär, naiv, urkomisch und herzzerreißend." The Village Voice
"Temperamentvoll, eindringlich und wunderbar unterhaltsam bringt Foer den Leser dazu, die Welt mit all ihrem Grauen und all ihren Möglichkeiten aus der Perspektive eines Kindes neu zu sehen." National Post
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Anhänger der realistischen Literatur sollten den zweiten Roman von Jonathan Safran Foer lieber gleich wieder aus der Hand legen, meint Rezensent Georg Diez. Denn Foer beschwört in bekannter Manier nicht nur den Schrecken des 11. September, sondern den "der gesamten Welt", und präsentiert ihn in der Sprache eines kleinen Jungen. Dieser hat seinen Vater in den Trümmern des World Trade Centers verloren und kämpft nun gegen die "große Tragödie seines Lebens". Das Schicksal des Jungen vernetzt der Autor mit zahlreichen anderen Geschichten vom Suchen - das Hauptmotiv, wie der Rezensent herausfindet. In seiner "kindlichen" Lust am Sammeln von Begebenheiten und Eindrücken liege die Schönheit, aber auch "ein Teil der Probleme". Gelegentlich wirken die Menschen und Schicksale nämlich wie "ausgedachte Wesen". Dafür aber findet die Sprache Foers - von Übersetzer Henning Ahrens "flüssig" übertragen - die volle Zustimmung des Kritikers. Die "Lust an Dialogen" und die Freude an der "krummen" Sprache machen Foers neues Buch zu einer "brillanten" Erzählung, die "so sentimental ist, wie unsere Zeit es verlangt."
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Sein erster Roman war eine Sensation, der zweite ist noch besser. Ein nahezu beängstigend schönes, sentimentales und schlaues Buch...ebenso eingängig wie stimmig wie unvergeßlich.« Welt am Sonntag