TANGO mit GANGSTERN Winter 1933/34, eine wahre Geschichte: Waldemar Velte und Kurt Sandweg aus Wuppertal wollen weg. Weg aus Nazi-Deutschland, weg, um in Indien ein neues Leben zu beginnen. Das nötige Geld soll bei einer Bank in Stuttgart besorgt werden; die Aktion fordert versehentlich einen Toten. Doch ihre Flucht endet schon in Basel, denn dort verliebt sich Waldemar unsterblich in eine Schallplattenverkäuferin. Von da an kaufen die beiden Tag für Tag eine Tango-Platte – so lange, bis das Geld aufgebraucht ist und ein neuer Banküberfall notwendig wird … (Laufzeit: 54 min)
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»So wehmütig und liebevoll, dass es einem fast das Herz bricht. So ist das mit verpasstem Glück: Schwer zu verkraften, aber schön zu lesen.«
"Alex Capus zeigt sich auch in diesem Roman als der Erzähler, der die leichte Tonlage mit ihren ironisierenden Nuancen schätzt und die Alltagswelt für ebenso bedeutsam hält wie die aussergewöhnlichen Phänomene." Neue Zürcher Zeitung, 03.04.12
"Dank szenisch aufbreiteter Details entsteht eine atmosphärische Dichte und Spannung, die das Buch zu einem Pageturner machen (...) ein herausragendes erzählerisches Talent..." Peter Jungwirth, Wiener zeitung, 09.06.12
"Dank szenisch aufbreiteter Details entsteht eine atmosphärische Dichte und Spannung, die das Buch zu einem Pageturner machen (...) ein herausragendes erzählerisches Talent..." Peter Jungwirth, Wiener zeitung, 09.06.12
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2002Kurzes Glück mit Walter Kollo
Basler Kriminaltango: Alex Capus verfolgt ein Gangsterpärchen
Als Bonnie und Clyde Amerika in Atem hielten, im Winter 1933/34, machte auch hierzulande ein Desperado-Pärchen von sich reden. Waldemar Velte und Kurt Sandweg sind keine Mythen aus dem kollektiven Verbrecheralbum; arbeitslose Ingenieure aus Wuppertal besitzen nun einmal wenig romantische Aura. Aber ihre kriminelle Energie war beträchtlich, und ihr aus Nietzsche, unglücklicher Liebe und einer Portion Anarchismus zusammengebrauter Weltschmerz ließen seinerzeit junge Sozialistinnen schwärmen und schmachten. Am Ende aber lagen neun Menschen tot in ihrem Blute: Bankangestellte, Schweizer Polizeimänner und nicht zuletzt die Täter selbst, die sich am 21. Januar 1934 ihrer Verhaftung durch Selbstmord entzogen. Der Fall erregte in ganz Europa Aufsehen. Nicht nur, weil die Täter sich als politische Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland stilisiert hatten: Den kaltblütigen Mördern war die zärtliche Verehrung für eine kleine Kaufhausangestellte zum Verhängnis geworden.
Auf ihrer ziellosen Flucht - mal wollten sie im republikanischen Spanien ihr Glück, mal "den Seeweg von Wuppertal nach Indien" suchen - waren die beiden Deutschen in Basel gestrandet. Wochenlang machten der kleine, ernste Velte und sein großer, allzeit fröhlicher Komplize Sandweg der "Globus"-Plattenverkäuferin Dorly Schupp den Hof. Tagsüber kauften sie ihr die neusten Tango-Schnulzen ab; Walter Kollos Schlager ("In Deine Hände leg' ich mein ganzes Glück / S' ist nur ein kleines Stück, behüt es fein") war so etwas wie die heimliche Hymne ihrer "platonischen Liebe". Nach Dienstschluß holten sie das Mädchen ab, um Schlittschuh zu laufen oder durch die kalten Straßen zu spazieren. Fräulein Dorly mochte die sanftmütigen Tango-Bubis, aber als sie ihnen auf die Schliche kam, zögerte sie als brave Schweizerin keine Sekunde: Die Übergabe eines "Pfundlaibli Schwarzbrot" an die Hungernden war das Signal zum polizeilichen Zugriff, der Basler Margarethenpark der Garten Gethsemane, in dem die selbsternannten Erlöser ihren Judaskuß erhielten.
Der gelernte Journalist Alex Capus hat aus dieser authentischen Geschichte einen kleinen Kriminaltango gemacht. Ähnliches hatte er schon in seinem Debütroman "Munzinger Pascha" versucht: Werner Munzinger aus Olten hatte es einst im heutigen Eritrea vom Commis voyageur zum Pascha der Khediven und "Schweizer Lawrence von Arabien" gebracht. Das orientalische Dekor des Romans blieb zwar blaß, die erzählerische Distanz zu dem mutmaßlichen Sklavenhändler unterentwickelt; aber so wie der am gleichen Ort verschollene Rimbaud konnte Capus' Pascha von sich behaupten: "Ich bin ein anderer." Sein Alter ego war damals der Oltener Lokaljournalist Max, ein konvertierter Hippie und überzeugter Harley-Fahrer. Manche Kritiker fanden diese Mischung aus ethnologisch-biographischer Studie, sanftmütigem Humor und röhrendem Karl-May-Kitsch "federleicht" und ganz bezaubernd. Tatsächlich aber verbindet Capus nur journalistischen Spürsinn mit unzynischer Menschenfreundlichkeit und einer durchaus sympathischen erzählerischen Arglosigkeit.
"Rette mich vor Weinkennern und Literaturliebhabern, vor fliegenfischenden Deutschen, Tango tanzenden Schweizerinnen und - vor allem - von untreuen Ehefrauen", schrieb er zuletzt in "Mein Studium ferner Welten". Jetzt hat er die beiden Wuppertaler Tangoliebhaber ausgegraben und damit wieder ein glückliches Händchen bewiesen: Immerhin kann er das Gangstermelodram so mit einer Prise unaufdringlicher Zeitkritik würzen und den exakt recherchierten Kriminalfall mit sentimentalen Sehnsuchtsliedern orchestrieren. Capus hat Tatorte besucht, noch lebende Augenzeugen und Verwandte befragt, Polizeiprotokolle, Gerichtsakten und Zeitungsberichte studiert und die Erzählkonstruktion gegenüber seinem "Munzinger Pascha" verfeinert: Er fährt nun nicht mehr als schreibgehemmter Motor-Fuzzi auf den Spuren seiner abenteuerlicheren Hälfte durch ein inneres Afrika, sondern hält sich als Enkel von Dorlys bester Freundin Marie mehr und leiser im Hintergrund auf. Die Collage aus dokumentarischen, erzählenden und autobiographischen Elementen liest sich spannend und gäbe in jedem Falle eine brauchbare Vorlage für ein Fernsehspiel ab.
"Fast ein bißchen Frühling" ist darum aber noch kein literarischer Hochsommer. Wo der reflektierende Erzähler, der Psychologe und Erfinder atmosphärischer Details gefordert wäre, bricht Capus gern mit einem "Undsoweiter" ab. Die beiden Raubmörder werden entweder nach Aktenlage oder aus der Mädchenperspektive beschrieben und bleiben doch immer Scherenschnitte ohne historische oder menschliche Tiefenschärfe. Die Rahmenhandlung - wie Großvater die Großmutter Marie freite und ihr ein Leben lang fremd blieb - bleibt auch im Roman der sanften Mörder ein Fremdkörper.
Am besten ist Capus immer dort, wo er auf die Kraft der Dokumente baut. Veltes Abschiedsbrief etwa ist, bei aller Verworrenheit und Eitelkeit, das ergreifende Zeugnis eines Menschen, der von Abenteuerlust, Arbeitslosigkeit und einem instinktiven Haß auf die neuen "Herren Volksverführer" in einen verzweifelten Amoklauf getrieben wird: "Überall, wo die erbärmliche Kreatur Mensch ihre Hand im Spiel hat, da ist alles verhunzt und verhauen", heißt es darin. "So enden ideale Menschen! Oder muß man mit den Weltverbrechern ins selbe Horn blasen. Unsere Ehrlichkeit hielt uns hiervon ab. Wir sterben gerne."
Die Basler Presse kannte kein Erbarmen. Das Blatt der Kommunisten klagte den "Massenschlächter" Göring als Vater der "kleinen Bestien" an; das "Katholische Volksblatt" machte die allgemeine Sittenverwilderung, die Sozialdemokraten den depressiv gewordenen Kapitalismus verantwortlich, und das "Intelligenzblatt" hetzte gegen die "ausländischen Elemente". Nur in der Jugendbeilage der "Basler Arbeiter-Zeitung" fand sich ein Mädchen, das in den beiden Kriminellen Opfer der Gesellschaft, ja sogar "Menschen von Format", Mut und "innerster Güte und Vornehmheit" entdeckte: wenigstens ein Fräulein Dorly, das ihrem Wuppertaler Bonnie über den Tod hinaus die Treue hielt.
MARTIN HALTER.
Alex Capus: "Fast ein bißchen Frühling". Roman. Residenz Verlag, Salzburg 2002. 175 S., geb., 17,90 [Euro].
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Basler Kriminaltango: Alex Capus verfolgt ein Gangsterpärchen
Als Bonnie und Clyde Amerika in Atem hielten, im Winter 1933/34, machte auch hierzulande ein Desperado-Pärchen von sich reden. Waldemar Velte und Kurt Sandweg sind keine Mythen aus dem kollektiven Verbrecheralbum; arbeitslose Ingenieure aus Wuppertal besitzen nun einmal wenig romantische Aura. Aber ihre kriminelle Energie war beträchtlich, und ihr aus Nietzsche, unglücklicher Liebe und einer Portion Anarchismus zusammengebrauter Weltschmerz ließen seinerzeit junge Sozialistinnen schwärmen und schmachten. Am Ende aber lagen neun Menschen tot in ihrem Blute: Bankangestellte, Schweizer Polizeimänner und nicht zuletzt die Täter selbst, die sich am 21. Januar 1934 ihrer Verhaftung durch Selbstmord entzogen. Der Fall erregte in ganz Europa Aufsehen. Nicht nur, weil die Täter sich als politische Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland stilisiert hatten: Den kaltblütigen Mördern war die zärtliche Verehrung für eine kleine Kaufhausangestellte zum Verhängnis geworden.
Auf ihrer ziellosen Flucht - mal wollten sie im republikanischen Spanien ihr Glück, mal "den Seeweg von Wuppertal nach Indien" suchen - waren die beiden Deutschen in Basel gestrandet. Wochenlang machten der kleine, ernste Velte und sein großer, allzeit fröhlicher Komplize Sandweg der "Globus"-Plattenverkäuferin Dorly Schupp den Hof. Tagsüber kauften sie ihr die neusten Tango-Schnulzen ab; Walter Kollos Schlager ("In Deine Hände leg' ich mein ganzes Glück / S' ist nur ein kleines Stück, behüt es fein") war so etwas wie die heimliche Hymne ihrer "platonischen Liebe". Nach Dienstschluß holten sie das Mädchen ab, um Schlittschuh zu laufen oder durch die kalten Straßen zu spazieren. Fräulein Dorly mochte die sanftmütigen Tango-Bubis, aber als sie ihnen auf die Schliche kam, zögerte sie als brave Schweizerin keine Sekunde: Die Übergabe eines "Pfundlaibli Schwarzbrot" an die Hungernden war das Signal zum polizeilichen Zugriff, der Basler Margarethenpark der Garten Gethsemane, in dem die selbsternannten Erlöser ihren Judaskuß erhielten.
Der gelernte Journalist Alex Capus hat aus dieser authentischen Geschichte einen kleinen Kriminaltango gemacht. Ähnliches hatte er schon in seinem Debütroman "Munzinger Pascha" versucht: Werner Munzinger aus Olten hatte es einst im heutigen Eritrea vom Commis voyageur zum Pascha der Khediven und "Schweizer Lawrence von Arabien" gebracht. Das orientalische Dekor des Romans blieb zwar blaß, die erzählerische Distanz zu dem mutmaßlichen Sklavenhändler unterentwickelt; aber so wie der am gleichen Ort verschollene Rimbaud konnte Capus' Pascha von sich behaupten: "Ich bin ein anderer." Sein Alter ego war damals der Oltener Lokaljournalist Max, ein konvertierter Hippie und überzeugter Harley-Fahrer. Manche Kritiker fanden diese Mischung aus ethnologisch-biographischer Studie, sanftmütigem Humor und röhrendem Karl-May-Kitsch "federleicht" und ganz bezaubernd. Tatsächlich aber verbindet Capus nur journalistischen Spürsinn mit unzynischer Menschenfreundlichkeit und einer durchaus sympathischen erzählerischen Arglosigkeit.
"Rette mich vor Weinkennern und Literaturliebhabern, vor fliegenfischenden Deutschen, Tango tanzenden Schweizerinnen und - vor allem - von untreuen Ehefrauen", schrieb er zuletzt in "Mein Studium ferner Welten". Jetzt hat er die beiden Wuppertaler Tangoliebhaber ausgegraben und damit wieder ein glückliches Händchen bewiesen: Immerhin kann er das Gangstermelodram so mit einer Prise unaufdringlicher Zeitkritik würzen und den exakt recherchierten Kriminalfall mit sentimentalen Sehnsuchtsliedern orchestrieren. Capus hat Tatorte besucht, noch lebende Augenzeugen und Verwandte befragt, Polizeiprotokolle, Gerichtsakten und Zeitungsberichte studiert und die Erzählkonstruktion gegenüber seinem "Munzinger Pascha" verfeinert: Er fährt nun nicht mehr als schreibgehemmter Motor-Fuzzi auf den Spuren seiner abenteuerlicheren Hälfte durch ein inneres Afrika, sondern hält sich als Enkel von Dorlys bester Freundin Marie mehr und leiser im Hintergrund auf. Die Collage aus dokumentarischen, erzählenden und autobiographischen Elementen liest sich spannend und gäbe in jedem Falle eine brauchbare Vorlage für ein Fernsehspiel ab.
"Fast ein bißchen Frühling" ist darum aber noch kein literarischer Hochsommer. Wo der reflektierende Erzähler, der Psychologe und Erfinder atmosphärischer Details gefordert wäre, bricht Capus gern mit einem "Undsoweiter" ab. Die beiden Raubmörder werden entweder nach Aktenlage oder aus der Mädchenperspektive beschrieben und bleiben doch immer Scherenschnitte ohne historische oder menschliche Tiefenschärfe. Die Rahmenhandlung - wie Großvater die Großmutter Marie freite und ihr ein Leben lang fremd blieb - bleibt auch im Roman der sanften Mörder ein Fremdkörper.
Am besten ist Capus immer dort, wo er auf die Kraft der Dokumente baut. Veltes Abschiedsbrief etwa ist, bei aller Verworrenheit und Eitelkeit, das ergreifende Zeugnis eines Menschen, der von Abenteuerlust, Arbeitslosigkeit und einem instinktiven Haß auf die neuen "Herren Volksverführer" in einen verzweifelten Amoklauf getrieben wird: "Überall, wo die erbärmliche Kreatur Mensch ihre Hand im Spiel hat, da ist alles verhunzt und verhauen", heißt es darin. "So enden ideale Menschen! Oder muß man mit den Weltverbrechern ins selbe Horn blasen. Unsere Ehrlichkeit hielt uns hiervon ab. Wir sterben gerne."
Die Basler Presse kannte kein Erbarmen. Das Blatt der Kommunisten klagte den "Massenschlächter" Göring als Vater der "kleinen Bestien" an; das "Katholische Volksblatt" machte die allgemeine Sittenverwilderung, die Sozialdemokraten den depressiv gewordenen Kapitalismus verantwortlich, und das "Intelligenzblatt" hetzte gegen die "ausländischen Elemente". Nur in der Jugendbeilage der "Basler Arbeiter-Zeitung" fand sich ein Mädchen, das in den beiden Kriminellen Opfer der Gesellschaft, ja sogar "Menschen von Format", Mut und "innerster Güte und Vornehmheit" entdeckte: wenigstens ein Fräulein Dorly, das ihrem Wuppertaler Bonnie über den Tod hinaus die Treue hielt.
MARTIN HALTER.
Alex Capus: "Fast ein bißchen Frühling". Roman. Residenz Verlag, Salzburg 2002. 175 S., geb., 17,90 [Euro].
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