Bei Gottfried Benn kann es nie um reine Liebe gehen. Wer sich seit über zwei Jahrzehnten so intensiv mit Benn beschäftigt wie Florian Illies, der erlebt zahlreiche Enttäuschungen angesichts der politischen Verirrungen und der menschlichen Kälte des Autors - und doch wird er immer wieder gefangen genommen vom einzigartigen Klang der Benn'schen Verse. Von dieser so leidenschaftlichen wie wechselhaften Beziehungsgeschichte erzählt Florian Illies in diesem Buch. Davon, wie ihn einst Frank Schirrmacher mit dem Untergangspropheten vertraut machte, wie er Benns zwei letzten Geliebte besuchte, denen der sonderbare Dichter ein einziges Rätsel blieb. So sind es dann eben doch am Ende allein die Worte Benns, die einen berühren können, ihre Weisheit und ihr Klang. "Leben ist Brückenschlagen über Ströme, die vergehn" etwa, oder "Es ist ein Knabe, dem ich manchmal trauere". Illies durchwandert die Untiefen des Lebensweges von Benn, beleuchtet seine Freundschaften, seine Irrwege - und seine späte Wehmut. Illies zweifelt, wo Benn sich sicher ist, und schwärmt, wo Benn unsicher wird. Es ist also vor allem ein Versuch, die Bennschen Verse vor ihrem Schöpfer in Sicherheit zu bringen.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin und Literaturwissenschaftlerin Friederike Reents liest die ersten zwei Bände der von Volker Weidermann herausgegebenen Reihe "Bücher meines Lebens" im Direktvergleich, wobei ihr Mithu Sanyals "Über Emily Brontë" deutlich besser gefällt als Florian Illies' "Über Gottfried Benn". Denn Illies' Liebeserklärung an seinen Lieblingsschriftsteller irritiert sie in mehrerlei Hinsicht: erst einmal durch die "schonungslose", dabei recht ergebnislose Distanzlosigkeit, mit der der Bestseller-Autor und Zeit-Herausgeber hier seinem Idol begegne - Illies werde ganz zum staunenden Jungen; die kritische Auseinandersetzung mit Benns Sympathisieren für den Nationalsozialismus etwa fällt der Kritikerin deutlich zu flach aus. Auch, wie der Autor vom "Initiationsmoment" seiner Benn-Liebe durch seinen Chef Frank Schirrmacher erzählt, der, Einschusslöcher aus dem zweiten Weltkrieg in Berliner Wänden berührend, Benn zitierte, löst bei Reents einen unangenehmen "Schauder" aus. Viel besser macht es für ihr Gefühl da Mithu Sanyal, die sich Emily Brontë "wahrhaftig" annähere, ohne mit ihr verschmelzen zu wollen, so Reents. Hier gehe es zwar auch subjektiv, aber trotzdem bedachter zu; gerne liest die Kritikerin Sanyals Ausführungen über die verschiedenen Gesichter von "Wuthering Heights". Die Bezüge zu "Class", "Race" und "Sex" scheinen sie ebenso zufrieden zu stellen wie die Einordung als "postmigrantischer Roman".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.12.2022Helga Schubert
Schriftstellerin
In diesem Jahr las ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nur berufsbezogen, also das, was ich unmittelbar zum eigenen Schreiben brauchte. Das war zum einen die Taschenbuch-Ausgabe der Briefe Anton Tschechows, übertragen und herausgegeben von Peter Urban (Diogenes Verlag, 1983). Diese Briefe zeigen in überwältigender Klarheit Tschechows Sicht auf die Düsternis, das menschliche Potenzial, das Ausgeliefertsein an die Hierarchien im zaristischen Russland von seinem 17. Lebensjahr 1877 an bis zu seinem Tod mit 44 im Jahre 1904. Für mich Erkenntnisgewinn für die heutige Kriegssituation. Und zum anderen Florian Illies’ „Über Gottfried Benn“ (Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022, 112 Seiten, 20 Euro), das erste Buch in der von Volker Weidermann herausgegebenen Reihe „Bücher meines Lebens“. Die ersten Sätze lauten: „Was für ein rätselhafter und unangenehmer Mensch war dieser Benn. Was für ein großer Dichter.“ Für mich ein Buch gegen mein Schwarz-Weiß-Denken, wie Illies mit dieser Ambivalenz umgeht und wie er den Respekt vor Benns Gedichten bewahrt.
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Schriftstellerin
In diesem Jahr las ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nur berufsbezogen, also das, was ich unmittelbar zum eigenen Schreiben brauchte. Das war zum einen die Taschenbuch-Ausgabe der Briefe Anton Tschechows, übertragen und herausgegeben von Peter Urban (Diogenes Verlag, 1983). Diese Briefe zeigen in überwältigender Klarheit Tschechows Sicht auf die Düsternis, das menschliche Potenzial, das Ausgeliefertsein an die Hierarchien im zaristischen Russland von seinem 17. Lebensjahr 1877 an bis zu seinem Tod mit 44 im Jahre 1904. Für mich Erkenntnisgewinn für die heutige Kriegssituation. Und zum anderen Florian Illies’ „Über Gottfried Benn“ (Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022, 112 Seiten, 20 Euro), das erste Buch in der von Volker Weidermann herausgegebenen Reihe „Bücher meines Lebens“. Die ersten Sätze lauten: „Was für ein rätselhafter und unangenehmer Mensch war dieser Benn. Was für ein großer Dichter.“ Für mich ein Buch gegen mein Schwarz-Weiß-Denken, wie Illies mit dieser Ambivalenz umgeht und wie er den Respekt vor Benns Gedichten bewahrt.
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»Illies widmet [Gottfried Benn] ein Buch von steckender Begeisterung.« Oliver Pfohlmann Fränkischer Tag 20221117
Rezensentin und Literaturwissenschaftlerin Friederike Reents liest die ersten zwei Bände der von Volker Weidermann herausgegebenen Reihe "Bücher meines Lebens" im Direktvergleich, wobei ihr Mithu Sanyals "Über Emily Brontë" deutlich besser gefällt als Florian Illies' "Über Gottfried Benn". Denn Illies' Liebeserklärung an seinen Lieblingsschriftsteller irritiert sie in mehrerlei Hinsicht: erst einmal durch die "schonungslose", dabei recht ergebnislose Distanzlosigkeit, mit der der Bestseller-Autor und Zeit-Herausgeber hier seinem Idol begegne - Illies werde ganz zum staunenden Jungen; die kritische Auseinandersetzung mit Benns Sympathisieren für den Nationalsozialismus etwa fällt der Kritikerin deutlich zu flach aus. Auch, wie der Autor vom "Initiationsmoment" seiner Benn-Liebe durch seinen Chef Frank Schirrmacher erzählt, der, Einschusslöcher aus dem zweiten Weltkrieg in Berliner Wänden berührend, Benn zitierte, löst bei Reents einen unangenehmen "Schauder" aus. Viel besser macht es für ihr Gefühl da Mithu Sanyal, die sich Emily Brontë "wahrhaftig" annähere, ohne mit ihr verschmelzen zu wollen, so Reents. Hier gehe es zwar auch subjektiv, aber trotzdem bedachter zu; gerne liest die Kritikerin Sanyals Ausführungen über die verschiedenen Gesichter von "Wuthering Heights". Die Bezüge zu "Class", "Race" und "Sex" scheinen sie ebenso zufrieden zu stellen wie die Einordung als "postmigrantischer Roman".
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