Der Bestseller aus Japan: eine Bibliothekarin, die verborgene Wünsche erkennt. Lektüre, die Leben verändert. "Wonach suchen Sie?" Diese Frage stellt Sayuri Komachi allen Besuchern in ihrer kleinen Gemeindebibliothek in Tokio. Und sie meint die Frage durchaus im übertragenen Sinne. Denn die weise Bibliothekarin spürt genau, wonach die Menschen im Leben suchen: von der rastlosen Verkäuferin, die mit ihrem Job hadert, dem schüchternen Buchhalter, der davon träumt, ein Antiquitätengeschäft zu eröffnen, oder der frischgebackenen Mutter, die sich zwischen Beruf und Familie aufreibt ... Sie alle befinden sich in einer Sackgasse. Und alle führt es früher oder später zu Frau Komachi in die Bibliothek. Ihre überraschenden Buchempfehlungen haben ungeahnte Folgen. Die Lektüre entpuppt sich als Katalysator für eine andere Denkweise und eröffnet neue Wege. Und letztlich hilft sie den Besuchern, ihre aktuelle Lebenskrise zu meistern. Denn Frau Komachi weiß: Bücher haben magische Kräfte und sind eine verlässliche Quelle der Inspiration. Ein Hörbuch, das großes Hörglück beschert - gelesen von Jana Kozewa und Tim Gössler.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2023Heilung im Krabbengang
Michiko Aoyamas doppelbödiger Roman
"Wonach suchen Sie?" Die scheinbar triviale Frage der burschikosen Bibliothekarin Komachi in einer Tokioter Gemeindebibliothek ist philosophisch bis hinterhältig-provokant. Neben der gewünschten Fachliteratur empfiehlt Frau Komachi ihren Interessenten stets ein mysteriöses Buch, das aus der Reihe tanzt. Die 1970 geborene japanische Bestsellerautorin Michiko Aoyama schildert in fünf Episoden, deren Bindeglied die Erweckungserlebnissen ähnelnden Besuche in Komachis Bibliothek sind, Menschen in Umbruchsituationen. Mit leiser Systemkritik und Bibliotherapie beschwört sie die in der Metropole zwischen Neonlichtern und Neoliberalismus verschwundene Menschlichkeit.
Jedes Kapitel erörtert einen Typus von im Spiel des Marktes oder der Macht der Konvention Abgehängten. Da wären die in ihrem uniformierten Kaufhausjob verlorene Single-Frau, der um einen Lebenssinn ringende Buchhalter, die zwischen Mutterschaft und Beruf zerrissene Redakteurin, ein Neet ("Not in Education, Employment or Training") und der für die Gesellschaft irrelevant gewordene Frischverrentete.
Aoyamas Prosa der Heilung atmet die Nostalgie der Bücherei, den Retro-Charme von Buchhandlungen, die Patina der Antiquitätenläden. Ein modernes Unbehagen, ein Hang zum Verweilen im Moratorium der Jugend umspielt dagegen ihre Glückssucher, Selbstzweifler, Otakus und Drop-outs. Das Werk um die einem Bodhisattwa ähnelnde Bibliothekarin vereint esoterische und buddhistische Ideen, wenn die Rede ist von dem "einen schicksalhaften Moment", der "nicht zu verpassen" sei, und der Interdependenz aller Geschöpfe.
Komachis kreative Buchtipps - Bildbände, Kinderbücher und Gedichtsammlungen - geben den Antihelden ihr Lebensrecht, den Optimismus und in Sätzen wie "Der Weihnachtsmann, von dem die Eltern ihren Kindern erzählen, ist keineswegs eine Lüge, sondern vielmehr eine größere Wahrheit" den verlorenen Wunderglauben zurück. So wird dem arbeitslosen Hiroya die Lektüre eines Buchs über Evolutionstheorien empfohlen, wobei ihn der im Schatten Darwins stehende und doch aufrecht seinen Weg gegangene Wallace fasziniert. Eine Enzyklopädie der "Royal Horticultural Society" führt den von der Eröffnung eines Trödelladens träumenden Buchhalter Ryo ein in die "Wunder der Botanik" mit ihrem verwurzelten Erdreich, das ihn zu einer Parallelkarriere inspiriert: "Welche Rolle spielen Pflanzen in der oberirdischen und in der unterirdischen Welt? Und ergänzen sich die beiden? Angestellter und Ladeninhaber?" Ein taoistischer Ratgeber lässt die wegen ihrer Schwangerschaft unter Repressalien leidende Verlagsangestellte Natsumi zu einer Work-Life-Balance zurückfinden.
Aoyama verwendet starke Bilder: etwa das Karussell der Eifersucht, wenn Singles Paare beneiden, diese wiederum Verheiratete mit Kindern und Letztere dann Alleinstehende. Oder das Aquarium als Symbol einer Gesellschaft dies- und jenseits der Glasscheibe - wie es schon bei Proust geschah. Die japanische Schriftstellerin vergleicht Süßwasserkrabben im Bassin mit Angestellten, die, solange sie im Becken schwimmen, gut angesehen sind, doch vom Unternehmen über kurz oder lang "auch nur geschluckt" werden.
Entschleunigung und Entsagung von Begierden eröffnen den Helden - wie etwa dem Pensionär, der die Schönheit der Poesie Shinpei Kusanos für sich entdeckt - die Erkenntnis, "dass sich draußen eine Welt ausdehnte". Das Buch lehrt seine Leser, im Seitwärtsgang der Krabbe die Welt "wie ein Weitwinkelmotiv" wahrzunehmen. Auswege aus der labyrinthisch-materiellen Moderne bieten darin die Kunst und das Kunsthandwerk: "Wonach ich suchte?", sinniert der junge Mann, dessen Pläne zur Eröffnung eines Trödelladens sich mittels Crowdfunding als Solidargemeinschaft der Träumer konkretisieren: "Vermutlich nach einem Ort, an dem ich meinen mich plagenden Traum deponieren konnte." STEFFEN GNAM
Michiko Aoyama: "Frau Komachi
empfiehlt ein Buch". Roman.
Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Kindler Verlag,
Hamburg 2023.
288 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Michiko Aoyamas doppelbödiger Roman
"Wonach suchen Sie?" Die scheinbar triviale Frage der burschikosen Bibliothekarin Komachi in einer Tokioter Gemeindebibliothek ist philosophisch bis hinterhältig-provokant. Neben der gewünschten Fachliteratur empfiehlt Frau Komachi ihren Interessenten stets ein mysteriöses Buch, das aus der Reihe tanzt. Die 1970 geborene japanische Bestsellerautorin Michiko Aoyama schildert in fünf Episoden, deren Bindeglied die Erweckungserlebnissen ähnelnden Besuche in Komachis Bibliothek sind, Menschen in Umbruchsituationen. Mit leiser Systemkritik und Bibliotherapie beschwört sie die in der Metropole zwischen Neonlichtern und Neoliberalismus verschwundene Menschlichkeit.
Jedes Kapitel erörtert einen Typus von im Spiel des Marktes oder der Macht der Konvention Abgehängten. Da wären die in ihrem uniformierten Kaufhausjob verlorene Single-Frau, der um einen Lebenssinn ringende Buchhalter, die zwischen Mutterschaft und Beruf zerrissene Redakteurin, ein Neet ("Not in Education, Employment or Training") und der für die Gesellschaft irrelevant gewordene Frischverrentete.
Aoyamas Prosa der Heilung atmet die Nostalgie der Bücherei, den Retro-Charme von Buchhandlungen, die Patina der Antiquitätenläden. Ein modernes Unbehagen, ein Hang zum Verweilen im Moratorium der Jugend umspielt dagegen ihre Glückssucher, Selbstzweifler, Otakus und Drop-outs. Das Werk um die einem Bodhisattwa ähnelnde Bibliothekarin vereint esoterische und buddhistische Ideen, wenn die Rede ist von dem "einen schicksalhaften Moment", der "nicht zu verpassen" sei, und der Interdependenz aller Geschöpfe.
Komachis kreative Buchtipps - Bildbände, Kinderbücher und Gedichtsammlungen - geben den Antihelden ihr Lebensrecht, den Optimismus und in Sätzen wie "Der Weihnachtsmann, von dem die Eltern ihren Kindern erzählen, ist keineswegs eine Lüge, sondern vielmehr eine größere Wahrheit" den verlorenen Wunderglauben zurück. So wird dem arbeitslosen Hiroya die Lektüre eines Buchs über Evolutionstheorien empfohlen, wobei ihn der im Schatten Darwins stehende und doch aufrecht seinen Weg gegangene Wallace fasziniert. Eine Enzyklopädie der "Royal Horticultural Society" führt den von der Eröffnung eines Trödelladens träumenden Buchhalter Ryo ein in die "Wunder der Botanik" mit ihrem verwurzelten Erdreich, das ihn zu einer Parallelkarriere inspiriert: "Welche Rolle spielen Pflanzen in der oberirdischen und in der unterirdischen Welt? Und ergänzen sich die beiden? Angestellter und Ladeninhaber?" Ein taoistischer Ratgeber lässt die wegen ihrer Schwangerschaft unter Repressalien leidende Verlagsangestellte Natsumi zu einer Work-Life-Balance zurückfinden.
Aoyama verwendet starke Bilder: etwa das Karussell der Eifersucht, wenn Singles Paare beneiden, diese wiederum Verheiratete mit Kindern und Letztere dann Alleinstehende. Oder das Aquarium als Symbol einer Gesellschaft dies- und jenseits der Glasscheibe - wie es schon bei Proust geschah. Die japanische Schriftstellerin vergleicht Süßwasserkrabben im Bassin mit Angestellten, die, solange sie im Becken schwimmen, gut angesehen sind, doch vom Unternehmen über kurz oder lang "auch nur geschluckt" werden.
Entschleunigung und Entsagung von Begierden eröffnen den Helden - wie etwa dem Pensionär, der die Schönheit der Poesie Shinpei Kusanos für sich entdeckt - die Erkenntnis, "dass sich draußen eine Welt ausdehnte". Das Buch lehrt seine Leser, im Seitwärtsgang der Krabbe die Welt "wie ein Weitwinkelmotiv" wahrzunehmen. Auswege aus der labyrinthisch-materiellen Moderne bieten darin die Kunst und das Kunsthandwerk: "Wonach ich suchte?", sinniert der junge Mann, dessen Pläne zur Eröffnung eines Trödelladens sich mittels Crowdfunding als Solidargemeinschaft der Träumer konkretisieren: "Vermutlich nach einem Ort, an dem ich meinen mich plagenden Traum deponieren konnte." STEFFEN GNAM
Michiko Aoyama: "Frau Komachi
empfiehlt ein Buch". Roman.
Aus dem Japanischen von Sabine Mangold. Kindler Verlag,
Hamburg 2023.
288 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Steffen Gnam preist Michiko Aoyamas Roman wegen seiner Hintersinnigkeit. Wie die Autorin hier in fünf Episoden eine Bibliothekarin als lebens- und literaturbewanderte Führerin aus den Untiefen der Moderne einführt, die ihren Besuchern, Zweifler, Glückssucher und Drop-outs allesamt, Ideen, Lektüre und allerhand kuriose Ratschläge mit auf den Weg gibt, das findet Gnam lesenswert. Mit "starken Bildern" lehrt Aoyama so auch den Leser ein wenig Optimismus und Wahrheit, versichert der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Die bezaubernde Geschichte einer Gemeindebibliothekarin in Tokio mit einem besonderen Gespür für die Nöte ihrer Besucher. Ludwigsburger Wochenblatt 20240104