Ich hatte in der Vergangenheit am Rande mitbekommen, dass Matthew unter Alkoholproblemen litt, ich wusste also im Vorfeld, dass Alkoholismus und daraus resultierende gesundheitliche Probleme in diesem Werk eine Rolle spielen würden - aber ich hatte ja keine Ahnung, dass es tatsächlich so knapp
gewesen war.
"Nachdem Dad fort war, verstand ich bald, dass ich eine Rolle zu spielen hatte. Meine…mehrIch hatte in der Vergangenheit am Rande mitbekommen, dass Matthew unter Alkoholproblemen litt, ich wusste also im Vorfeld, dass Alkoholismus und daraus resultierende gesundheitliche Probleme in diesem Werk eine Rolle spielen würden - aber ich hatte ja keine Ahnung, dass es tatsächlich so knapp gewesen war.
"Nachdem Dad fort war, verstand ich bald, dass ich eine Rolle zu spielen hatte. Meine Aufgabe war es, zu unterhalten, zu erheitern, andere zum Lachen zu bringen, zu trösten, zu gefallen, der Hofnarr zu sein. […] Schon mit drei Jahren hatte ich gelernt, der Mann im Haus zu sein."
Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst Mutter bin und ALLES für das Glück meines Kindes tun würde, oder daran, dass ich grundsätzlich viel Mitgefühl für andere hege, doch mir standen beim Lesen zeitweise echt die Tränen in den Augen, weil mir dermaßen das Herz brach, als ich von Matthews Jugend las. Ich sage nicht, dass ich Drogenkonsum jeglicher Art gutheiße. In Bezug auf Matthew erschien mir jedoch alles so erschreckend nachvollziehbar, dass ich nur dachte 'I totally get it.' Diese Abwärtsspirale war bei ihm fast vorprogrammiert, einfach nur tragisch.
"Meine Mutter war gestresst von ihrer Arbeit, hochemotional (und verlassen worden), und wenn ich sie zum Lachen brachte, beruhigte sie sich genug, um Essen zu kochen, sich zu mir an den Tisch zu setzen und mir zuzuhören, wenn ich von meinem Tag erzählte […]."
Man kann und sollte nicht alle Probleme auf die Erziehung schieben - und ich finde, er betrachtet diesen Punkt mit erstaunlich viel Klarheit, Rationalität und Selbstreflexion -, trotzdem wurde mir mal wieder bewusst, wie elementar es für ein Kind ist, dass es sich bedingungslos geliebt und sicher fühlt.
"[…] so oft habe ich diese quälenden Gedanken: ich bin nicht genug, ich bin nicht wichtig, ich verlange zu viel. […] Ich brauche Liebe, aber ich traue ihr nicht. Wenn ich meine Chandler-Maske ablege, wenn ich zeige, wer ich wirklich bin, dann würde man mich wirklich sehen, oder schlimmer noch, mich sehen und verlassen. Und das ertrage ich nicht. Das würde ich nicht überleben. Nicht mehr."
Trotz meines Mitgefühls gab es auch Inhalte, die mich in ein moralisches Dilemma gestürzt haben, denn: Manche Dinge, die Matthew so abgezogen hat, gehen nun mal gar nicht, egal wie man es dreht und wendet. Ich habe zwar einen soft spot für ihn, aber das darf kein Freibrief für gewisse Verhaltensweisen und Aussagen sein. Da wären z.B. seine völlig unangebrachten Kommentare in Bezug auf den Schauspieler Keanu Reeves:
"Offenbar sind es immer die wirklich Begabten, die unter die Räder geraten. Wie kommt es, dass so Begnadete wie River Phoenix und Heath Ledger sterben, aber Keanu Reeves immer noch unter uns weilt?"
Selbiges gilt für Matthews Verhalten gegenüber den vielen Frauen, die er verletzt hat. Ich glaube ihm, dass er ihnen nicht aus Bosheit wehgetan hat, sondern die Beziehungen eher aus einer Art Selbstschutz heraus beendete, à la 'Ich-verlasse-dich-bevor-du-womöglich-mich-verlässt'. Macht diese Erkenntnis die Situation für die betreffenden Damen im Nachhinein auf irgendeine Weise besser? Nope.
Unglaublich beeindruckend fand ich seine Offenheit, was seinen noch immer andauernden Kampf mit der Sucht angeht. Es ist keine typische Erfolgsstory à la: 'Ich hab’s geschafft, IHR könnt es auch schaffen', sondern er gesteht ehrlich, dass jeder Tag eine neue Herausforderung für ihn darstellt. Bestimmt gibt es zahlreiche Menschen, die gerade in einer ähnlichen Situation stecken, denen Matthews Geschichte Mut machen wird. Man kann ihm einiges vorwerfen, aber kapituliert hat er nie.
Der Schreibstil - schonungslos ehrlich, mitreißend, wortgewandt, detailliert, umgangssprachlich und dennoch deep - war genau mein Ding. Kapitellänge, Übergänge & Co. haben gepasst (abgesehen von ein paar thematischen Wiederholungen), in der Mitte gab es sogar einen Bildteil mit ausgewählten Schnappschüssen. Es ist kein rundum leichtherziger, humorvoller Read, sondern beinhaltet viele sehr ernste Passagen, die jedoch größtenteils mit einem Augenzwinkern erzählt bzw. mit Galgenhumor abgemildert werden. Wer rein auf Infos zu FRIENDS aus ist (Co-Stars, Drehalltag, etc.): Diese Zeit in Matthews Leben kommt natürlich zur Sprache, ist aber nicht das Hauptthema. Man lernt den Menschen DAHINTER kennen, und genau darauf hatte ich gehofft.
Fazit:
Die wohl traurigste Aussage dieses Buches (auf die sich in meinen Augen viele von Matthews Problemen zurückführen lassen) war: "Mein ganzes Leben lang hatte ich Angst, verlassen zu werden." Auf jeden Fall freue ich mich für ihn, dass er mittlerweile gesünder lebt und dass er uns mit diesem gleichermaßen schockierenden wie zum Nachdenken anregenden Werk genau das erlaubt, wovor er sich eigentlich am meisten fürchtet: ihn wirklich zu sehen, nachdem er seine Chandler-Maske abgelegt hat.