Fuchs, du stiehlst allen die Show Fuchs 8 war immer schon neugierig und ein bisschen anders als die anderen Füchse seiner Gruppe. So hat er die menschliche Sprache gelernt, weil er sich gern in den Büschen vor den Häusern versteckte und zuhörte, wenn die Menschen ihren Kindern Gutenachtgeschichten vorlasen. Die Macht der Worte und Geschichten befeuert seine Neugier auf diese Wesen, bis Gefahr am Horizont auftaucht: Der Bau eines riesigen Einkaufszentrums zerstört den Wald, in dem die Füchse leben, und sie finden kaum noch Nahrung. Dem stets belächelten Tagträumer Fuchs 8 bleibt nur eines: Er beschließt, seine Fuchsfamilie zu retten, und macht sich auf den Weg zu den Menschen …
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.2020Was für ein ausgefabeltes Antimärchen!
Bei George Saunders liest uns ein Schlaufuchs die Leviten
Dagegen kommt kein Goethe an. "Reineke Fuchs" war eben bloße Fabel, ein verschlagenes Lob auf Vulpes vulpes vielleicht noch, den Isegrim-Austrickser, aber letztlich nichts als Allegorie. "Fuchs 8" hingegen ist ein "J'accuse" von welterschütterndem Format, das die schwerste aller literarischen Kategorien, das Naive, bravourös beherrscht. Bezwingend einfach und vollständig kitschfrei erzählen zu können, wie die Natur in Gestalt ihres (dann doch) schlausten Vertreters zu einer Stimme findet, die das einzige Tier, das bewusst böse sein kann (und sich deshalb moralisch für überlegen hält), versteht, das erfordert einen Meisterliteraten wie George Saunders.
Und wenn dieses Metamärchen auch im Deutschen so gut funktionieren soll, wie das hier der Fall ist, dann braucht es noch einen Meisterübersetzer wie Frank Heibert, der die rührend lakonische Ausdrucksweise des Fuchses, der durch Zuhören die Menschensprache erlernt hat (und auch nicht falscher schreibt als die meisten Grundschüler nach der Macht-doch-was-ihr-wollt-Methode), "perfekk" nachempfunden hat: "Zuers möchte ich sagen, Entschuldigung für alle Wörter die ich falsch schreibe. Weil ich bin ein Fuks!"
Fuchs 8, der Schlaufuchs, kann seiner Gruppe denn auch mitteilen, was er auf einem Schild gelesen hat: dass in Kürze "ein Fuksblikk Zenter" eröffnet wird, und zwar just da, wo der heimatliche Forst steht. Ängstlich fragt man sich im Bau: "Wird uns das jagen?" Das war fuchsnaiv, denn was geschieht, ist "vil schlimmer". Alles verschwindet: Wald, Fische, "fette lang sarme Moise". Fuchs 8 bringt die Misere auf den Punkt: "Niks zu beisen." Man muss es also wagen, um nicht zu krepieren: den Gang zu den Menschen.
Das ist eine zunächst beglückende, aber bald so schmerzhaft-tragische Erfahrung, dass kein Fuchsgehirn sie zu erfassen vermag. Die herzensreinen Tiere, die selbst mit Hühnern "ein super fären Dil" haben (Fressen nur bei klar ausgedrückter Zustimmung), stehen erschüttert vor der sich selbst genügenden Grausamkeit. Und immer noch unterstellen sie zu unseren Gunsten, so etwas, wie es in der Geschichte Tieren widerfährt, tue ein Mensch wohl keinem Menschen an.
Wenn sie wüssten, was es heißt, dass sich der Planet mit Homo sapiens infiziert hat! Saunders lässt seinen kindlich weisen Vierbeiner aber nicht einfach "How dare you?" fragen, sondern legt ihm einen Ratschlag in die Schnauze, den wir uns, sofern wir auf ein "Heppi Ent" hoffen, hinter die Löffel schreiben sollten. Und der hier natürlich nicht verraten wird.
OLIVER JUNGEN
George Saunders: "Fuchs 8".
Mit Illustrationen von Chelsea Cardinal. Aus dem Englischen von Frank Heibert. Luchterhand Literaturverlag, München 2019. 56 S., geb., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bei George Saunders liest uns ein Schlaufuchs die Leviten
Dagegen kommt kein Goethe an. "Reineke Fuchs" war eben bloße Fabel, ein verschlagenes Lob auf Vulpes vulpes vielleicht noch, den Isegrim-Austrickser, aber letztlich nichts als Allegorie. "Fuchs 8" hingegen ist ein "J'accuse" von welterschütterndem Format, das die schwerste aller literarischen Kategorien, das Naive, bravourös beherrscht. Bezwingend einfach und vollständig kitschfrei erzählen zu können, wie die Natur in Gestalt ihres (dann doch) schlausten Vertreters zu einer Stimme findet, die das einzige Tier, das bewusst böse sein kann (und sich deshalb moralisch für überlegen hält), versteht, das erfordert einen Meisterliteraten wie George Saunders.
Und wenn dieses Metamärchen auch im Deutschen so gut funktionieren soll, wie das hier der Fall ist, dann braucht es noch einen Meisterübersetzer wie Frank Heibert, der die rührend lakonische Ausdrucksweise des Fuchses, der durch Zuhören die Menschensprache erlernt hat (und auch nicht falscher schreibt als die meisten Grundschüler nach der Macht-doch-was-ihr-wollt-Methode), "perfekk" nachempfunden hat: "Zuers möchte ich sagen, Entschuldigung für alle Wörter die ich falsch schreibe. Weil ich bin ein Fuks!"
Fuchs 8, der Schlaufuchs, kann seiner Gruppe denn auch mitteilen, was er auf einem Schild gelesen hat: dass in Kürze "ein Fuksblikk Zenter" eröffnet wird, und zwar just da, wo der heimatliche Forst steht. Ängstlich fragt man sich im Bau: "Wird uns das jagen?" Das war fuchsnaiv, denn was geschieht, ist "vil schlimmer". Alles verschwindet: Wald, Fische, "fette lang sarme Moise". Fuchs 8 bringt die Misere auf den Punkt: "Niks zu beisen." Man muss es also wagen, um nicht zu krepieren: den Gang zu den Menschen.
Das ist eine zunächst beglückende, aber bald so schmerzhaft-tragische Erfahrung, dass kein Fuchsgehirn sie zu erfassen vermag. Die herzensreinen Tiere, die selbst mit Hühnern "ein super fären Dil" haben (Fressen nur bei klar ausgedrückter Zustimmung), stehen erschüttert vor der sich selbst genügenden Grausamkeit. Und immer noch unterstellen sie zu unseren Gunsten, so etwas, wie es in der Geschichte Tieren widerfährt, tue ein Mensch wohl keinem Menschen an.
Wenn sie wüssten, was es heißt, dass sich der Planet mit Homo sapiens infiziert hat! Saunders lässt seinen kindlich weisen Vierbeiner aber nicht einfach "How dare you?" fragen, sondern legt ihm einen Ratschlag in die Schnauze, den wir uns, sofern wir auf ein "Heppi Ent" hoffen, hinter die Löffel schreiben sollten. Und der hier natürlich nicht verraten wird.
OLIVER JUNGEN
George Saunders: "Fuchs 8".
Mit Illustrationen von Chelsea Cardinal. Aus dem Englischen von Frank Heibert. Luchterhand Literaturverlag, München 2019. 56 S., geb., 12,- [Euro].
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»Wenn Sie noch wenigstens ein bisschen Kind im Herzen haben, ist das das Allerallerschönste, was Sie sich, Ihren Lieben und überhaupt antun können.« Thea Dorn / ZDF - Das Literarische Quartett