Teil III. Goethes zweiter berühmter Roman hat wie der Briefroman Die Leiden des jungen Werthers, der in ganz Europa für Aufsehen sorgte, ebenfalls Maßstäbe gesetzt und das Modell einer Gattung geschaffen, die bis ins 20. Jahrhundert ein bedeutendes Leitbild der deutschen Literatur darstellt. Wilhelm Meisters Lehrjahre ist der exemplarische Bildungsroman, in dem der Romanheld nach Ausbildung seiner individuellen Fähigkeiten und der eigenen Vervollkommnung strebt. Goethe hat sich Formen der Abenteuerliteratur und der religiösen Prosa zunutze gemacht und eine Erzählform geschaffen, die das Abenteuer der Persönlichkeitsbildung darstellbar macht.
"Bei jetziger Wiederlesung meines Romans hätte ich fast zu mir selbst – wie einst zu Ariosto der Kardinal von Este – sagen mögen: Meister Ludwig, wo, Henker, habt Ihr all das tolle Zeug ... hergenommen? Der Meister belegt, in welcher entsetzlichen Einsamkeit er verfaßt worden, bei meinem stets aufs Allgemeinste gerichteten Streben. Wilhelm ist freilich ein ›armer Hund‹, aber nur an solchen lassen sich das Wechselspiel des Lebens und die tausend verschiedenen Lebensaufgaben recht deutlich zeigen, nicht an schon abgeschlossenen, festen Charakteren." Goethe zu Friedrich von Müller
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