Erstmals spricht der ehemalige FBI-Chef darüber, wie gefährlich die Lage im Weißen Haus wirklich ist Gefeuert von Donald Trump wegen angeblicher Illoyalität, von Barack Obama zum FBI-Direktor ernannt, stellvertretender Justizminister unter George W. Bush: Der Weg des parteilosen New Yorker Vorzeigejuristen gleicht einer politischen Achterbahnfart. James Comeys brisante Erinnerungen an die vergangenen 20 Jahre im Zentrum der Macht klingen wie ein Kriminalstück der Extraklasse. Sie zeigen ihn als unbeugsamen Ermittler, der gegen die Mafia, gegen CIA-Folter und NSA-Überwachung, und zuletzt im Wahlkampf 2016 gegen Hillary Clintons Umgang mit dienstlichen Emails und Donald Trumps Russland-Verbindungen vorgegangen ist. Ein eindrückliches Lehrstück über den aufrechten Gang in einer verantwortungslosen Regierung. Gelesen von Frank Arnold. (Laufzeit: 11h 55)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.04.2018Ein Rechtschaffener und der Präsident
Wie der ehemalige FBI-Direktor James Comey seine historische Rolle sieht
Ende des Jahres 2016 wussten die meisten Amerikaner, wie sie den FBI-Direktor James Comey bewerten sollen. Sie orientierten sich dabei strikt an den Parteilinien. Den Demokraten war der politisch den Republikanern nahestehende Mann eine Hassfigur - er war derjenige, der ihre Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton um den Sieg gebracht hatte. Die Republikaner stimmten zwar damit überein, dass er Clinton den Sieg gekostet habe, für sie war das aber ein Grund zur Freude - Comey also ein guter Mann. Diese Bewertung hat sich jedoch verändert. Comey ließ das FBI die Einmischung Russlands in den Wahlkampf untersuchen und wurde wahrscheinlich deswegen von Präsident Donald Trump entlassen. Seitdem arbeitete sich der Präsident an ihm ab, was Comey in den Augen der Liberalen ein gutes Stück rehabilitiert. Für die Trump-Anhänger ist er nun aber eine Persona non grata, deren Glaubwürdigkeit sie mit allen Möglichkeiten zu unterminieren versuchen.
Comey war durchaus klar, dass er es sich mit einem der beiden politischen Lager in Amerika verscherzen werde, als er elf Tage vor der Präsidentenwahl einen Brief an den Kongress sandte. Doch dass beide Seiten wütend auf ihn sein würden, habe er nicht kommen sehen, schreibt er in seinem Buch "Größer als das Amt: Auf der Suche nach der Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor klagt an" (Originaltitel: "A Higher Loyalty - Truth, Lies, And Leadership"), das zum Teil auf den Aufzeichnungen basiert, die er sich nach Gesprächen mit Trump gemacht hatte.
Die Fakten sind bekannt: Comey schrieb als FBI-Direktor kurz vor der Wahl einen Brief an das amerikanische Parlament, in dem er ankündigte, das FBI werde die Untersuchung gegen Hillary Clinton in der E-Mail-Affäre wiederaufnehmen, weil neue Beweise aufgetaucht seien. Nun beschreibt Comey die Gewissensnöte, die er vor der Entscheidung gehabt habe. Die eine Möglichkeit sei gewesen, nichts verlautbaren zu lassen und damit möglicherweise die Wahl einer Politikerin zu begünstigen, gegen die eine Untersuchung der Bundespolizei lief. Die andere, für die er sich entschieden hat, war, die Parlamentarier - und damit die Öffentlichkeit - zu informieren und möglicherweise auf diese Weise Einfluss auf die Wahl zu nehmen. Comey sagt heute, er bete, dass das nicht der Fall gewesen sei, denn das FBI müsse immer unparteiisch sein. Seinen eigenen Ansprüchen an sich selbst nach habe er aber nicht anders handeln können, schreibt er.
Einer, der Comeys Ansprüchen nicht genügt, ist Donald Trump. Der Präsident der Vereinigten Staaten regiere das Land wie ein Mafia-Boss, so Comey. Er erwarte absolute Loyalität von seinen Mitarbeitern und denke in einfachen Freund-Feind-Kategorien. Dass der Direktor des FBI ihm nicht huldigen wollte, habe Trump nicht verstanden. Dieser sei nicht fähig, das Amt des Präsidenten angemessen auszuführen, und eine Gefahr für die amerikanischen Werte. Er agiere völlig losgelöst von Moral und Wahrheit, versuche im Gegenteil "einen Kokon alternativer Realität" um sich und seine Mitarbeiter zu weben. Trump werde nur von seinem Ego angetrieben, schreibt Comey.
Seine Zusammenkünfte und Gespräche mit dem Präsidenten sind aus Comeys Aussagen im Kongress bekannt. Genauso wie Trumps Frage, ob Comey die Untersuchung gegen dessen kurz zuvor entlassenen Sicherheitsberater Michael Flynn fallenlassen könne. Diese Aufforderung wird derzeit vom Sonderermittler Robert Mueller dahingehend untersucht, ob Trump damit die Justiz behindern und die Ermittlungen in der Russland-Affäre unterminieren wollte, was strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Bislang nicht so eingehend ist Trumps Obsession mit dem "Steele Dossier" bekannt. Immer wieder habe der Präsident Comey darauf angesprochen, ihn gar aufgefordert, dieses zu untersuchen, um zu beweisen, dass es falsch sei. Die Vorstellung, dass besonders seine Frau Melania glauben könne, er habe in einem Moskauer Hotel Umgang mit Prostituierten gehabt und diese aufgefordert, auf das Bett zu urinieren, schien den Präsidenten stark zu beschäftigen - weniger die Behauptung, der russische Geheimdienst besitze Videoaufnahmen davon.
James Comey versucht in seinem Buch darzulegen, was ethische Führung ist und wie er im Laufe seines Lebens diese Standards entwickelt hat. Gute Führung hat für ihn viel mit Kritikfähigkeit und moralischer Integrität zu tun. Eigenschaften, die der gegenwärtige Präsident nicht besitze. Doch auch Comey muss sich fragen lassen, ob er seinen eigenen Ansprüchen immer gerecht wird. Auch wenn er nachvollziehbar aufzeigt, warum er bestimmte Dinge getan hat, ist nicht zu erkennen, dass er Kritik an seinem Verhalten gelten lässt. Bis auf ein paar Kleinigkeiten würde er immer wieder so handeln, schreibt der ehemalige FBI-Direktor. Diese Pose des rechtschaffenen Mannes, in die Comey sich immer wieder wirft, sorgt spätestens ab der Mitte des Buches für einen leichten Überdruss.
Nichtsdestotrotz ist Comey ein Buch gelungen, das nicht nur wegen der Passagen über Clinton und Trump, sondern auch wegen der eingestreuten Anekdoten und der kursorischen Beschreibung seines Lebensweges lesenswert ist. Von dem reißerischen Untertitel und Klappentext sollte man sich dabei weder blenden noch abhalten lassen.
OLIVER KÜHN
James Comey: Größer als das Amt. Auf der Suche nach der Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor klagt an, Droemer-Verlag, München 2018, 384 Seiten.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie der ehemalige FBI-Direktor James Comey seine historische Rolle sieht
Ende des Jahres 2016 wussten die meisten Amerikaner, wie sie den FBI-Direktor James Comey bewerten sollen. Sie orientierten sich dabei strikt an den Parteilinien. Den Demokraten war der politisch den Republikanern nahestehende Mann eine Hassfigur - er war derjenige, der ihre Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton um den Sieg gebracht hatte. Die Republikaner stimmten zwar damit überein, dass er Clinton den Sieg gekostet habe, für sie war das aber ein Grund zur Freude - Comey also ein guter Mann. Diese Bewertung hat sich jedoch verändert. Comey ließ das FBI die Einmischung Russlands in den Wahlkampf untersuchen und wurde wahrscheinlich deswegen von Präsident Donald Trump entlassen. Seitdem arbeitete sich der Präsident an ihm ab, was Comey in den Augen der Liberalen ein gutes Stück rehabilitiert. Für die Trump-Anhänger ist er nun aber eine Persona non grata, deren Glaubwürdigkeit sie mit allen Möglichkeiten zu unterminieren versuchen.
Comey war durchaus klar, dass er es sich mit einem der beiden politischen Lager in Amerika verscherzen werde, als er elf Tage vor der Präsidentenwahl einen Brief an den Kongress sandte. Doch dass beide Seiten wütend auf ihn sein würden, habe er nicht kommen sehen, schreibt er in seinem Buch "Größer als das Amt: Auf der Suche nach der Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor klagt an" (Originaltitel: "A Higher Loyalty - Truth, Lies, And Leadership"), das zum Teil auf den Aufzeichnungen basiert, die er sich nach Gesprächen mit Trump gemacht hatte.
Die Fakten sind bekannt: Comey schrieb als FBI-Direktor kurz vor der Wahl einen Brief an das amerikanische Parlament, in dem er ankündigte, das FBI werde die Untersuchung gegen Hillary Clinton in der E-Mail-Affäre wiederaufnehmen, weil neue Beweise aufgetaucht seien. Nun beschreibt Comey die Gewissensnöte, die er vor der Entscheidung gehabt habe. Die eine Möglichkeit sei gewesen, nichts verlautbaren zu lassen und damit möglicherweise die Wahl einer Politikerin zu begünstigen, gegen die eine Untersuchung der Bundespolizei lief. Die andere, für die er sich entschieden hat, war, die Parlamentarier - und damit die Öffentlichkeit - zu informieren und möglicherweise auf diese Weise Einfluss auf die Wahl zu nehmen. Comey sagt heute, er bete, dass das nicht der Fall gewesen sei, denn das FBI müsse immer unparteiisch sein. Seinen eigenen Ansprüchen an sich selbst nach habe er aber nicht anders handeln können, schreibt er.
Einer, der Comeys Ansprüchen nicht genügt, ist Donald Trump. Der Präsident der Vereinigten Staaten regiere das Land wie ein Mafia-Boss, so Comey. Er erwarte absolute Loyalität von seinen Mitarbeitern und denke in einfachen Freund-Feind-Kategorien. Dass der Direktor des FBI ihm nicht huldigen wollte, habe Trump nicht verstanden. Dieser sei nicht fähig, das Amt des Präsidenten angemessen auszuführen, und eine Gefahr für die amerikanischen Werte. Er agiere völlig losgelöst von Moral und Wahrheit, versuche im Gegenteil "einen Kokon alternativer Realität" um sich und seine Mitarbeiter zu weben. Trump werde nur von seinem Ego angetrieben, schreibt Comey.
Seine Zusammenkünfte und Gespräche mit dem Präsidenten sind aus Comeys Aussagen im Kongress bekannt. Genauso wie Trumps Frage, ob Comey die Untersuchung gegen dessen kurz zuvor entlassenen Sicherheitsberater Michael Flynn fallenlassen könne. Diese Aufforderung wird derzeit vom Sonderermittler Robert Mueller dahingehend untersucht, ob Trump damit die Justiz behindern und die Ermittlungen in der Russland-Affäre unterminieren wollte, was strafrechtliche Konsequenzen haben könnte. Bislang nicht so eingehend ist Trumps Obsession mit dem "Steele Dossier" bekannt. Immer wieder habe der Präsident Comey darauf angesprochen, ihn gar aufgefordert, dieses zu untersuchen, um zu beweisen, dass es falsch sei. Die Vorstellung, dass besonders seine Frau Melania glauben könne, er habe in einem Moskauer Hotel Umgang mit Prostituierten gehabt und diese aufgefordert, auf das Bett zu urinieren, schien den Präsidenten stark zu beschäftigen - weniger die Behauptung, der russische Geheimdienst besitze Videoaufnahmen davon.
James Comey versucht in seinem Buch darzulegen, was ethische Führung ist und wie er im Laufe seines Lebens diese Standards entwickelt hat. Gute Führung hat für ihn viel mit Kritikfähigkeit und moralischer Integrität zu tun. Eigenschaften, die der gegenwärtige Präsident nicht besitze. Doch auch Comey muss sich fragen lassen, ob er seinen eigenen Ansprüchen immer gerecht wird. Auch wenn er nachvollziehbar aufzeigt, warum er bestimmte Dinge getan hat, ist nicht zu erkennen, dass er Kritik an seinem Verhalten gelten lässt. Bis auf ein paar Kleinigkeiten würde er immer wieder so handeln, schreibt der ehemalige FBI-Direktor. Diese Pose des rechtschaffenen Mannes, in die Comey sich immer wieder wirft, sorgt spätestens ab der Mitte des Buches für einen leichten Überdruss.
Nichtsdestotrotz ist Comey ein Buch gelungen, das nicht nur wegen der Passagen über Clinton und Trump, sondern auch wegen der eingestreuten Anekdoten und der kursorischen Beschreibung seines Lebensweges lesenswert ist. Von dem reißerischen Untertitel und Klappentext sollte man sich dabei weder blenden noch abhalten lassen.
OLIVER KÜHN
James Comey: Größer als das Amt. Auf der Suche nach der Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor klagt an, Droemer-Verlag, München 2018, 384 Seiten.
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"Comey schreibt mit der Präzision eines Staatsanwalts, dem Talent eines Romanciers und dem Ehrgeiz eines begabten Narzissten." 20180421