An sich ist nichts weder gut noch schlecht;
das Denken macht es erst dazu.
William Shakespeares, Hamlet
"Das Dunkle in mir" ist der Auftakt zu einer fantastischen Trilogie, in der Sally Green das Erbe des Hexens thematisiert als gesellschaftliche Bestimmung oder Vorbelastung, da das Erbe der
schwarzen Hexen als Böse angesehen wird. Der Hexer wird reduziert auf die Gene, die er in sich…mehrAn sich ist nichts weder gut noch schlecht;
das Denken macht es erst dazu.
William Shakespeares, Hamlet
"Das Dunkle in mir" ist der Auftakt zu einer fantastischen Trilogie, in der Sally Green das Erbe des Hexens thematisiert als gesellschaftliche Bestimmung oder Vorbelastung, da das Erbe der schwarzen Hexen als Böse angesehen wird. Der Hexer wird reduziert auf die Gene, die er in sich trägt, auf die Vorfahren, von denen er abstammt. Wie im Holocaust, als die Juden ihren Glauben mit dem Davidstern nach außen hin zeigen mussten, wird hier der Junge Nathan, der halb weiß, halb schwarz ist, dazu verdammt eine Codierung zu tragen, die offen zeigen soll, dass er ein Halbcode ist und neben dem Erbe des Weißen Hexen auch das der Schwarzen in sich trägt.
Sally Greens Debüt beginnt sehr emotional fesselnd aus der Sicht Nathans, die Sprache wirkt sehr reduziert und einfach, Nathan hat Probleme mit dem Lesen und Schreiben und dies vermittelt auch die Geschichte aus seiner Sicht. Trotz der sperrigen Erzählweise ging mir aber gerade der Einstieg in die Geschichte sehr nahe, da nicht intensiver und näher als aus der des Betroffenen die Situation geschildert werden kann. Und vor allem tut es weh, die Ablehnung eines Menschen aus der eigenen Familie zu erfahren. Nathans Vater - der Schwarze Hexer Marcus - lernt man zunächst nur aus Erzählungen kennen, er hat den ersten Mann von Nathans Mutter und Vater von Nathans Halbgeschwistern getötet. Nathans Mutter hat Selbstmord begangen. Nathans Großmutter, seine Schwester Deborah und sein Bruder Arran lieben Nathan und nehmen ihn vorurteilslos an, aber seine Schwester Jessica ist erfüllt von Hass gegen ihn und lastet ihm den Selbstmord ihrer Mutter an.
"Nein, das bist du nicht. Das ist dein Körper, das bist nicht du. Dein wahres Ich hat nichts mit einem Schwarzen Hexer zu schaffen. Du hast einige von Marcus' Genen in dir und einige von Sabas Genen. Aber das ist körperlich. Und die körperlichen Dinge, die Dinge, deine Gabe, sie sind nicht das, was dich zu einem Schwarzen Hexer macht. Daran musst du glauben. Es ist die Art, wie du denkst und wie du dich benimmst, die zeigt, wer du bist. Du bist nicht böse, Nathan. Nichts an dir ist böse. [...]" (S.126)
Leider konnte mich "Das Dunkle in mir" nach dem starken Einstieg nicht mehr völlig begeistern. Sally Green verliert ein wenig den roten Faden, nachdem sich die Geschichte nicht mehr auf Nathans Familie oder die Einzelhaft in Nathans Gefangenschaft bei einer Weißen Hexe konzentriert. Nachdem Sally Green mit Nathans Familie wirklich starke Charaktere geschaffen hat und den mutigen sprachlichen Einstieg gewählt hat, der das Innere Nathans so offen dem Leser darlegt, fehlt ab der Mitte des Buches das, was den Beginn so besonders gemacht hat.
Sally Greens Stärke ist die Grundidee ihrer "Half Bad"-Trilogie und die Fokussierung auf einzelne Charaktere, in der Ausarbeitung der Dramaturgie und der Vielzahl der Charaktere, die im Laufe der Handlung dazustoßen, verliert sich leider das gewisse Etwas von Nathans Geschichte. Ich hoffe, Sally Green gelingt es mit den Fortsetzungen, dass ich wieder das Besondere fühle, das Eingesogen werden in Nathans Welt, das Eins sein mit Nathan. Sally Green hat ein Wahnsinnstalent, den Leser an ihre Hauptfigur zu binden, man fühlt eine sehr intensive Empathie zu Nathan. Nun muss es ihr nur noch gelingen, den Radius zu vergrößern, denn über die Komplexität der Handlung verliert sich dieses Können in ihrem Debüt leider noch etwas.
Trotz vorhandener Schwächen beinhaltet der Auftakt zur Half Life Trilogie einen äußerst interessanten und lesenswerten Aufhänger, der Kritik an der Gesellschaft übt in einer fantastischen Verkleidung. Die Parallelen zu unseren Problemen in der Gegenwart oder der näheren Vergangenheit sind unüberlesbar und damit bietet Sally Greens Debüt viel Diskussionsstoff.