Frech, abenteuerlustig und extravagant: Kaum eine andere Frau verkörpert die Goldenen Zwanzigerjahre so sehr wie Zelda Fitzgerald. Mit ihrem Ehemann F. Scott Fitzgerald führte sie ein ausschweifendes, turbulentes Leben, das sie am Ende zerstörte. Ihre Erzählungen führen mitten hinein in die glamouröse und schillernde Welt der Tänzerinnen, Sängerinnen und Schauspielerinnen New Yorks. Atmosphärisch dicht und wunderbar sinnlich erzählt sie von der hohen Kunst, sich selbst zu inszenieren, und von dem Preis, den man dafür zahlt. Mit ihrer tiefen rauchigen Stimme lässt Hörbuchpreisträgerin Bibiana Beglau die Roaring Twenties wiederaufleben.
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Pose und Porzellan
Erstmals auf Deutsch: In Zelda Fitzgeralds Erzählungen über Frauen in den Zwanzigerjahren
dankt die romantische Seele ab – und der Körper übernimmt die Regie über die Schicksale
VON JÖRG HÄNTZSCHEL
Fliederfarbener Einband, fliederfarbenes Lesebändchen, und auf dem Umschlag eine glamouröse Schönheit in fliederfarbenen Federn: Die erstmals auf Deutsch erschienenen Erzählungen von Zelda Fitzgerald aus den Zwanzigern sind verpackt wie chick lit für schwelgerische 14-Jährige. Umso herber dürfte der Schock sein, wenn sie das Buch öffnen. Die Erzählerin bekennt, sie sei „selbstredend ein zynischer Mensch“. Die Frauen, aus deren Leben Fitzgerald erzählt, sind abgebrüht und gnadenlos. Und in Männer verlieben sie sich wie in Handtaschen oder Autos. Bei Nichtgefallen werden sie umgetauscht.
Fitzgerald selbst hat es so ähnlich gehalten. Sie wurde im Jahr 1900 geboren, war Tochter eines hohen Richters in Montgomery, Alabama, und das It-Girl der Südstaaten-Kleinstadt. Als F. Scott Fitzgerald dort während des Ersten Weltkriegs stationiert war, verliebten sich die beiden. Doch Zelda wartete ab, bis er mit seinem ersten Roman „Diesseits vom Paradies“ genug Geld und Erfolg hatte, um ihre Ansprüche zu befriedigen. In New York war das Glamourpaar vom ersten Tag an Stadtgespräch.
Zelda war schön und begabt. Sie malte, sie wollte zum Ballett (und bekam später auch ein Engagement an der Oper von Neapel) – nur ihr literarisches Können, das hier aus jeder Seite spricht, war damals kaum bekannt. Die meisten ihrer für Zeitschriften geschriebenen Erzählungen, darunter auch fast alle in diesem Band versammelten, erschienen unter seinem oder unter beider Namen.
Sie handeln von Lou, die Mann und Kind verlässt, um sich als Tänzerin in Paris und an der Côte d’Azur feiern zu lassen. Von Gay, die „die beste Figur von New York hatte“, aber dann in Paris an einer Lungenentzündung stirbt. Von Caroline, die aussah „wie eine Tatarin“ und ihrem schwerreichen New Yorker Ehemann davonläuft, um in Hollywood Karriere zu machen. Von Helena, der das Nähren und Steuern ihrer Schönheit Lebensinhalt genug ist. Es sind lauter Seelenverwandte, mutig, ehrgeizig und berechnend. Statt auf Selbstsuche zu gehen, wie es heute Pflicht ist, erfinden sie sich aufregende Biografien.
Kaum haben sie dann die mal feucht-heißen, mal in Frost erstarrten Käffer ihrer Herkunft zugunsten des lauen New York verlassen, leben sie ihren eigenen Film. Über ihren Erfolg oder Misserfolg entscheidet nur, ob sie schön und hart genug sind, ihre Rollen überzeugend zu spielen. Alles ist Inszenierung: ihre Broadway-Karrieren, ihre Partys, ihre Krisen – und natürlich sie selbst. Nur diese Performance interessiert auch Zelda Fitzgerald. Ihr Verhältnis zu den Figuren ist wie das zu Partybekanntschaften. Man kennt sich seit Jahren, verfolgt atemlos Schachzüge, Liebschaften, Aufstiege und Abstürze der Freundinnen. Doch vom wenig attraktiven Rumoren der Seele möchte man doch lieber verschont bleiben. Ohnehin wird ja in der nächsten Saison wieder ein neues, frisches Gesicht die Bühne betreten.
Man kann diese Haltung unsympathisch finden, sie ist auch ihrerseits eine Pose, doch sie erzeugt die eisige Faszination dieser Erzählungen. Der Weg von erregter Bewunderung zu hocheleganter Arroganz ist nie weit. Fitzgerald schreibt für ihre Leser, nicht für ihre Protagonistinnen. Helena sah für sie nie anders aus als „eine sehr junge Frau mit sehr sauberen Ohren“. Und über Eloise, eine der wenigen, die ihre Träume vom Berühmtwerden begräbt, konstatiert sie maliziös, diese arbeite nun „im örtlichen Kraftwerk, wo sie die Position des hübschen Mädchens bekleidete“. Doch weder macht sie sich wirklich über die Frauen lustig, noch fällt sie ein moralisches Urteil. Ihr Leben ist wie ein sportlicher Wettkampf, den sie abgeklärt und unparteiisch kommentiert.
Und wie im Sport entscheidet außer der Willenskraft vor allem der Körper über Triumph oder Niederlage. An seine Überhöhung und Degradierung zum Objekt, Fetisch und Konsumprodukt hat man sich längst gewöhnt. Doch die Klarheit, mit der Fitzgerald diese Entwicklung vor fast hundert Jahren kommen sah, und ihre Entschlossenheit, diese voranzutreiben, ist erstaunlich. Eine ihrer Heldinnen erinnert sie „an jene kolorierten Damen, die schicke Handschuhschachteln zieren“, andere an „Porzellanpuppen“.
Und wie mit dem Seziermesser zerlegt sie Frauenkörper und arrangiert die Teile zu kunstvollen Installationen: „Ihre zarten Füße mit dem hohen Spann, kühl und glatt wie eine winterliche Schneewehe, steckten im Sommer in weißen Leinenschuhen.“ Dass das Menschliche dabei aus ihnen schwindet, ist eher spannend als beklagenswert: Eine hat Augen „wie blank poliertes Kupfer“, die Augen einer anderen „waren so klar, dass man die Mechanik dahinter zu erkennen glaubte“. Zelda Fitzgerald hat selbst übrigens genauso hoch gepokert wie ihre Protagonistinnen – und verloren. Von New York zogen Zelda und F. Scott nach Paris, wo sich die beiden immer mehr zerrieben. Von 1930 an verbrachte sie fast jedes Jahr Monate in Nervenheilanstalten. In einer von ihnen kam sie 1948 – ihr Mann war da schon acht Jahre tot – bei einem Brand ums Leben.
Statt auf Selbstsuche zu gehen, wie
es heute Pflicht ist, erfinden sich
die Figuren aufregende Biografien
Dieses Bild zeigt, was es nicht gab: Die Fitzgeralds im Format der Familienidylle.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Zelda Fitzgerald:
Himbeeren mit Sahne im Ritz. Erzählungen. Aus dem Englischen von Eva Bonné. Manesse Verlag, München 2016. 224 Seiten, 24,95 Euro. E-Book 19,99 Euro.
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Erstmals auf Deutsch: In Zelda Fitzgeralds Erzählungen über Frauen in den Zwanzigerjahren
dankt die romantische Seele ab – und der Körper übernimmt die Regie über die Schicksale
VON JÖRG HÄNTZSCHEL
Fliederfarbener Einband, fliederfarbenes Lesebändchen, und auf dem Umschlag eine glamouröse Schönheit in fliederfarbenen Federn: Die erstmals auf Deutsch erschienenen Erzählungen von Zelda Fitzgerald aus den Zwanzigern sind verpackt wie chick lit für schwelgerische 14-Jährige. Umso herber dürfte der Schock sein, wenn sie das Buch öffnen. Die Erzählerin bekennt, sie sei „selbstredend ein zynischer Mensch“. Die Frauen, aus deren Leben Fitzgerald erzählt, sind abgebrüht und gnadenlos. Und in Männer verlieben sie sich wie in Handtaschen oder Autos. Bei Nichtgefallen werden sie umgetauscht.
Fitzgerald selbst hat es so ähnlich gehalten. Sie wurde im Jahr 1900 geboren, war Tochter eines hohen Richters in Montgomery, Alabama, und das It-Girl der Südstaaten-Kleinstadt. Als F. Scott Fitzgerald dort während des Ersten Weltkriegs stationiert war, verliebten sich die beiden. Doch Zelda wartete ab, bis er mit seinem ersten Roman „Diesseits vom Paradies“ genug Geld und Erfolg hatte, um ihre Ansprüche zu befriedigen. In New York war das Glamourpaar vom ersten Tag an Stadtgespräch.
Zelda war schön und begabt. Sie malte, sie wollte zum Ballett (und bekam später auch ein Engagement an der Oper von Neapel) – nur ihr literarisches Können, das hier aus jeder Seite spricht, war damals kaum bekannt. Die meisten ihrer für Zeitschriften geschriebenen Erzählungen, darunter auch fast alle in diesem Band versammelten, erschienen unter seinem oder unter beider Namen.
Sie handeln von Lou, die Mann und Kind verlässt, um sich als Tänzerin in Paris und an der Côte d’Azur feiern zu lassen. Von Gay, die „die beste Figur von New York hatte“, aber dann in Paris an einer Lungenentzündung stirbt. Von Caroline, die aussah „wie eine Tatarin“ und ihrem schwerreichen New Yorker Ehemann davonläuft, um in Hollywood Karriere zu machen. Von Helena, der das Nähren und Steuern ihrer Schönheit Lebensinhalt genug ist. Es sind lauter Seelenverwandte, mutig, ehrgeizig und berechnend. Statt auf Selbstsuche zu gehen, wie es heute Pflicht ist, erfinden sie sich aufregende Biografien.
Kaum haben sie dann die mal feucht-heißen, mal in Frost erstarrten Käffer ihrer Herkunft zugunsten des lauen New York verlassen, leben sie ihren eigenen Film. Über ihren Erfolg oder Misserfolg entscheidet nur, ob sie schön und hart genug sind, ihre Rollen überzeugend zu spielen. Alles ist Inszenierung: ihre Broadway-Karrieren, ihre Partys, ihre Krisen – und natürlich sie selbst. Nur diese Performance interessiert auch Zelda Fitzgerald. Ihr Verhältnis zu den Figuren ist wie das zu Partybekanntschaften. Man kennt sich seit Jahren, verfolgt atemlos Schachzüge, Liebschaften, Aufstiege und Abstürze der Freundinnen. Doch vom wenig attraktiven Rumoren der Seele möchte man doch lieber verschont bleiben. Ohnehin wird ja in der nächsten Saison wieder ein neues, frisches Gesicht die Bühne betreten.
Man kann diese Haltung unsympathisch finden, sie ist auch ihrerseits eine Pose, doch sie erzeugt die eisige Faszination dieser Erzählungen. Der Weg von erregter Bewunderung zu hocheleganter Arroganz ist nie weit. Fitzgerald schreibt für ihre Leser, nicht für ihre Protagonistinnen. Helena sah für sie nie anders aus als „eine sehr junge Frau mit sehr sauberen Ohren“. Und über Eloise, eine der wenigen, die ihre Träume vom Berühmtwerden begräbt, konstatiert sie maliziös, diese arbeite nun „im örtlichen Kraftwerk, wo sie die Position des hübschen Mädchens bekleidete“. Doch weder macht sie sich wirklich über die Frauen lustig, noch fällt sie ein moralisches Urteil. Ihr Leben ist wie ein sportlicher Wettkampf, den sie abgeklärt und unparteiisch kommentiert.
Und wie im Sport entscheidet außer der Willenskraft vor allem der Körper über Triumph oder Niederlage. An seine Überhöhung und Degradierung zum Objekt, Fetisch und Konsumprodukt hat man sich längst gewöhnt. Doch die Klarheit, mit der Fitzgerald diese Entwicklung vor fast hundert Jahren kommen sah, und ihre Entschlossenheit, diese voranzutreiben, ist erstaunlich. Eine ihrer Heldinnen erinnert sie „an jene kolorierten Damen, die schicke Handschuhschachteln zieren“, andere an „Porzellanpuppen“.
Und wie mit dem Seziermesser zerlegt sie Frauenkörper und arrangiert die Teile zu kunstvollen Installationen: „Ihre zarten Füße mit dem hohen Spann, kühl und glatt wie eine winterliche Schneewehe, steckten im Sommer in weißen Leinenschuhen.“ Dass das Menschliche dabei aus ihnen schwindet, ist eher spannend als beklagenswert: Eine hat Augen „wie blank poliertes Kupfer“, die Augen einer anderen „waren so klar, dass man die Mechanik dahinter zu erkennen glaubte“. Zelda Fitzgerald hat selbst übrigens genauso hoch gepokert wie ihre Protagonistinnen – und verloren. Von New York zogen Zelda und F. Scott nach Paris, wo sich die beiden immer mehr zerrieben. Von 1930 an verbrachte sie fast jedes Jahr Monate in Nervenheilanstalten. In einer von ihnen kam sie 1948 – ihr Mann war da schon acht Jahre tot – bei einem Brand ums Leben.
Statt auf Selbstsuche zu gehen, wie
es heute Pflicht ist, erfinden sich
die Figuren aufregende Biografien
Dieses Bild zeigt, was es nicht gab: Die Fitzgeralds im Format der Familienidylle.
Foto: Hulton Archive / Getty Images
Zelda Fitzgerald:
Himbeeren mit Sahne im Ritz. Erzählungen. Aus dem Englischen von Eva Bonné. Manesse Verlag, München 2016. 224 Seiten, 24,95 Euro. E-Book 19,99 Euro.
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»Ein literarisches Vergnügen - unkonventionell, klug, witzig und sinnlich.« THE NEW YORK TIMES BOOK REVIEW