Eine unterkühlte Hotelbar am Hamburger Hafen. Unten an den Docks glitzern die Lichter, oben sind die Tische eher dünn besetzt. Plötzlich gehen die Türen auf, zwölf schwerbewaffnete Männer kapern die Bar, nehmen Gäste und Personal in Geiselhaft. Mittendrin: Chastity Riley, die sich eigentlich auf ein schmerzhaftes Wiedersehen mit alten Freunden eingestellt hatte, jetzt aber gemeinsam mit allen anderen Geiseln lernen muss, dass es Verletzungen gibt, die sich einfach nicht mehr reparieren lassen ... Der Kiez in den 80ern, ein junger Mann will raus. Er nimmt ein Schiff nach Kolumbien und lernt am Strand von Cartagena, was passiert, wenn man mit den falschen Leuten feiert. Auf die große Party folgt die Hölle. Erst das ganz große Drogengeschäft, dann Verrat, Flucht, Untertauchen. Später dann: die Chance auf Vergeltung. Der inzwischen gar nicht mehr so junge Mann beschließt, sie zu ergreifen. Und so wird St. Pauli von einer spektakulären Geiselnahme erschüttert. Die Polizei steht draußen und scheint zum Zuschauen verdammt, während Staatsanwältin Chastity Riley ihren inneren John McClane aktivieren muss.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.2020Mr. Marple in Bielefeld
Krimis in Kürze: Simone Buchholz, Alan Parks, Matthias Löwe
Beim neunten Mal wird zwar nicht alles anders, aber es sieht ganz so aus, als habe Simone Buchholz mit ihrer Heldin Chastity Riley etwas Neues ausprobieren wollen. Die Hamburger Staatsanwältin, deren Vorname noch nie Programm war, kommt einem zwar immer noch unterhaltsam genug vor, aber ihre Erfinderin gönnt ihr in "Hotel Cartagena" (Suhrkamp, 228 S., br., 15,95 [Euro]) eine parallele deutsch-kolumbianische Story mit einem zweiten Protagonisten und einigen Rückblenden, um beide Handlungsstränge schließlich im obersten Stock eines Hotels am Hafen zusammenzuführen.
Dort feiert Ermittler Faller seinen fünfundsechzigsten Geburtstag, die altbekannten Polizeikollegen, darunter Rileys Ex- oder Noch-Liebhaber, sitzen zusammen - nur Stepanovic ist noch unterwegs, als eine Gruppe von zwölf Geiselnehmern die Bar stürmt. Nun läuft das übliche Programm ab: Die Polizei umstellt das Haus, Befreiungspläne werden gemacht, die Gruppendynamik unter den Geiseln nimmt Fahrt auf, Stück für Stück werden Täter und Tatmotiv sichtbar. Aber da wir uns in einem Roman von Simone Buchholz befinden, wird nicht einfach die Routine exekutiert. Hier spielt eine Ananasscheibe auf einer Piña Colada eine Rolle, Riley greift zu, und "die drachenzahnscharfen Blätter oder Dornen oder was auch immer das ist reißen die Innenseite meines Daumens auf".
Ein Riss mit Folgen, vom Alkohol noch verstärkt: In Fiebertrance flirtet Riley nicht nur mit dem Chef der Entführer, sie hat auch Halluzinationen, "die Geiselnehmer sprechen als Mannschaft, sie hören sich an wie ein Chor" (was im Buch gesetzt ist wie ein Prosagedicht). Weil Simone Buchholz diesen schnoddrigen lässigen Tonfall gut drauf hat, ist das schon ganz amüsant, aber manchmal dann eben doch überspannter, als es der Geschichte guttut.
Auch der Schotte Alan Parks ist kein Neuling im Geschäft. Auf "Blutiger Januar" (F.A.Z. vom 2. September 2018) folgt nun "Tod im Februar" (Heyne, 432 S., br., 16,- [Euro]), ein weiterer düsterer Ausflug ins Glasgow der frühen siebziger Jahre, an einen Ort, an dem man nicht würde wohnen wollen, bei dessen Beschreibung man auch weniger an Noir denkt als an trostloses Schmuddelgrau. Detective Harry McCoy ist einer dieser Ermittler, die zu viel trinken, mal zu viel grübeln und mal zu wenig darüber nachdenken, welche Folgen ihr Handeln jenseits des Dienstwegs hat.
Ein Killer, der seinen Opfern Botschaften mit dem Messer in die Brust "schreibt", beschäftigt McCoy, aber auch seine Vergangenheit in Gestalt des Gauners Stevie Cooper, mit dem er als Kind im Heim war, dazu der örtliche Obergangster, dessen so kapriziöse wie gefährliche Tochter und ein verrückter ehemaliger Arzt, der auf Lobotomie schwört. Es ist eine Welt ohne Mitleid, doch mitunter kommt es einem vor, als sei die Hartgesottenheit zu forciert, als müsse der nicht maßlos spannende Plot mit einem früh bekannten, aber flüchtigen Täter, dessen Wahngebilde man in kurzen, eingeschobenen Passagen besichtigen kann, mit Blut und ausgesuchten Grausamkeiten gepusht werden. Schade ist das schon, denn Parks kann durchaus gut und klar erzählen. Aber wenn das mit McCoy im März und April so weitergeht, wird man kaum bis zum Sommer bleiben.
Dass man sich in der Welt eines Buches gern aufhält, ist nicht immer ein Qualitätsmerkmal. Aber man sollte diesen Aspekt nie ganz außer Acht lassen. Der Lokalpatriot im Rezensenten hat ein großes Herz für Bielefeld, und das ist bei "Leinewebertod" (Pendragon, 384 S., br., 13,90 [Euro]) von Matthias Löwe (im Brotberuf Mathematikprofessor) hilfreich. Bröker, die Hauptfigur, ist schon das fünfte Mal unterwegs, man nennt ihn den "Mr. Marple von der Sparrenburg", das signalisiert eine angenehme ironische Tönung. Ostwestfalens Unterwelt ist auch nicht so furchterregend, dass man sich als Teuto-Chandler aufspielen müsste. Löwe erzählt gediegen. Und Privatier Bröker ist nicht cool, er hat Gewichtsprobleme, ist aber so "stur, hartnäckig, kämpferisch", wie es der Slogan des Fußballclubs Arminia von allen Ostwestfalen behauptet, wenn er herausfinden will, warum ein junger Techniker von einem Gerüst stürzte. So geht Heimatkunde im Krimi.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Simone Buchholz, Alan Parks, Matthias Löwe
Beim neunten Mal wird zwar nicht alles anders, aber es sieht ganz so aus, als habe Simone Buchholz mit ihrer Heldin Chastity Riley etwas Neues ausprobieren wollen. Die Hamburger Staatsanwältin, deren Vorname noch nie Programm war, kommt einem zwar immer noch unterhaltsam genug vor, aber ihre Erfinderin gönnt ihr in "Hotel Cartagena" (Suhrkamp, 228 S., br., 15,95 [Euro]) eine parallele deutsch-kolumbianische Story mit einem zweiten Protagonisten und einigen Rückblenden, um beide Handlungsstränge schließlich im obersten Stock eines Hotels am Hafen zusammenzuführen.
Dort feiert Ermittler Faller seinen fünfundsechzigsten Geburtstag, die altbekannten Polizeikollegen, darunter Rileys Ex- oder Noch-Liebhaber, sitzen zusammen - nur Stepanovic ist noch unterwegs, als eine Gruppe von zwölf Geiselnehmern die Bar stürmt. Nun läuft das übliche Programm ab: Die Polizei umstellt das Haus, Befreiungspläne werden gemacht, die Gruppendynamik unter den Geiseln nimmt Fahrt auf, Stück für Stück werden Täter und Tatmotiv sichtbar. Aber da wir uns in einem Roman von Simone Buchholz befinden, wird nicht einfach die Routine exekutiert. Hier spielt eine Ananasscheibe auf einer Piña Colada eine Rolle, Riley greift zu, und "die drachenzahnscharfen Blätter oder Dornen oder was auch immer das ist reißen die Innenseite meines Daumens auf".
Ein Riss mit Folgen, vom Alkohol noch verstärkt: In Fiebertrance flirtet Riley nicht nur mit dem Chef der Entführer, sie hat auch Halluzinationen, "die Geiselnehmer sprechen als Mannschaft, sie hören sich an wie ein Chor" (was im Buch gesetzt ist wie ein Prosagedicht). Weil Simone Buchholz diesen schnoddrigen lässigen Tonfall gut drauf hat, ist das schon ganz amüsant, aber manchmal dann eben doch überspannter, als es der Geschichte guttut.
Auch der Schotte Alan Parks ist kein Neuling im Geschäft. Auf "Blutiger Januar" (F.A.Z. vom 2. September 2018) folgt nun "Tod im Februar" (Heyne, 432 S., br., 16,- [Euro]), ein weiterer düsterer Ausflug ins Glasgow der frühen siebziger Jahre, an einen Ort, an dem man nicht würde wohnen wollen, bei dessen Beschreibung man auch weniger an Noir denkt als an trostloses Schmuddelgrau. Detective Harry McCoy ist einer dieser Ermittler, die zu viel trinken, mal zu viel grübeln und mal zu wenig darüber nachdenken, welche Folgen ihr Handeln jenseits des Dienstwegs hat.
Ein Killer, der seinen Opfern Botschaften mit dem Messer in die Brust "schreibt", beschäftigt McCoy, aber auch seine Vergangenheit in Gestalt des Gauners Stevie Cooper, mit dem er als Kind im Heim war, dazu der örtliche Obergangster, dessen so kapriziöse wie gefährliche Tochter und ein verrückter ehemaliger Arzt, der auf Lobotomie schwört. Es ist eine Welt ohne Mitleid, doch mitunter kommt es einem vor, als sei die Hartgesottenheit zu forciert, als müsse der nicht maßlos spannende Plot mit einem früh bekannten, aber flüchtigen Täter, dessen Wahngebilde man in kurzen, eingeschobenen Passagen besichtigen kann, mit Blut und ausgesuchten Grausamkeiten gepusht werden. Schade ist das schon, denn Parks kann durchaus gut und klar erzählen. Aber wenn das mit McCoy im März und April so weitergeht, wird man kaum bis zum Sommer bleiben.
Dass man sich in der Welt eines Buches gern aufhält, ist nicht immer ein Qualitätsmerkmal. Aber man sollte diesen Aspekt nie ganz außer Acht lassen. Der Lokalpatriot im Rezensenten hat ein großes Herz für Bielefeld, und das ist bei "Leinewebertod" (Pendragon, 384 S., br., 13,90 [Euro]) von Matthias Löwe (im Brotberuf Mathematikprofessor) hilfreich. Bröker, die Hauptfigur, ist schon das fünfte Mal unterwegs, man nennt ihn den "Mr. Marple von der Sparrenburg", das signalisiert eine angenehme ironische Tönung. Ostwestfalens Unterwelt ist auch nicht so furchterregend, dass man sich als Teuto-Chandler aufspielen müsste. Löwe erzählt gediegen. Und Privatier Bröker ist nicht cool, er hat Gewichtsprobleme, ist aber so "stur, hartnäckig, kämpferisch", wie es der Slogan des Fußballclubs Arminia von allen Ostwestfalen behauptet, wenn er herausfinden will, warum ein junger Techniker von einem Gerüst stürzte. So geht Heimatkunde im Krimi.
PETER KÖRTE
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»Keiner und keine kann es in Sachen Schnauze, im Dialog-Nahkampf mit Riley aufnehmen, sie ist der coolste Arm des Gesetzes nördlich von Frankfurt, aber unter aller Coolness schimmert immer ihr Herz.« Sylvia Staude Frankfurter Rundschau 20191212