Obgleich im Leben eine sehr bekannte Erscheinung, ist der Commis doch noch niemals zum Gegenstand einer schriftlichen Erörterung gemacht worden. Er ist vielleicht zu alltäglich, zu unschuldig, zu wenig blass und verdorben, zu wenig interessant, der junge schüchterne Mann mit der Schreibfeder und der Rechentafel in der Hand, um den Herrn Dichtern als Stoff zu dienen. Mir indessen dient er gerade. Auch wenn der Begriff Commis heutzutage nicht mehr aktuell erscheint, sind doch die Germers, Helblinge, Meiers vom Land und aus der Stadt in jedem Büro noch immer dieselben: Als kleine Angestellte fechten sie stille Kämpfe mit Vorgesetzten, beäugen sich untereinander, sehnen die Mittagspause herbei und freuen sich aufs Wochenende, an dem sie für einmal der stickigen Büroluft entkommen. Selten ist das Leben in und um die Büros schöner beleuchtet und beobachtet worden als in Robert Walsers Prosastücken.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.12.2011Im Büro mit
Robert Walser
In „Schreibstuben“ kannte er sich aus wie kein anderer Dichter, schließlich hat Robert Walser das Büroleben als junger Bank- und Verlagsangestellter strikt beobachtet. „Der Commis“, ein Essay von 1902, ist die fast pedantische, dabei aber hintersinnige Beschreibung von Tätigkeit und Charakter der „Handlungsgehilfen“ in der Moderne. „Ein guter Rechner ist meistens ein guter Mensch“ – das lässt sich kurzschließen mit der Einschätzung, dass Künstler „so ziemlich alle für liederlich“ gehalten werden. Die unterkühlte Ironie, mit der Walser in Kurztexten die Arbeitswelt der „Herren und Angestellten“, des „Sekretärs“ oder der „Verkäuferin“ vorführt, ergreift leise auch den Leser, der etwa vom „Poetenleben“ anderes erwartet als Hinweise auf ein „ausgezeichnetes Wirken auf Löschpapier“. Poet! – sei „ehrlich, fleißig, pflichtbewusst“!
Wolfgang Schreiber
Robert
Walser:
Im Bureau. Aus dem Leben der Angestellten. Insel Verlag, Berlin 2011, 145 Seiten, 7 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Robert Walser
In „Schreibstuben“ kannte er sich aus wie kein anderer Dichter, schließlich hat Robert Walser das Büroleben als junger Bank- und Verlagsangestellter strikt beobachtet. „Der Commis“, ein Essay von 1902, ist die fast pedantische, dabei aber hintersinnige Beschreibung von Tätigkeit und Charakter der „Handlungsgehilfen“ in der Moderne. „Ein guter Rechner ist meistens ein guter Mensch“ – das lässt sich kurzschließen mit der Einschätzung, dass Künstler „so ziemlich alle für liederlich“ gehalten werden. Die unterkühlte Ironie, mit der Walser in Kurztexten die Arbeitswelt der „Herren und Angestellten“, des „Sekretärs“ oder der „Verkäuferin“ vorführt, ergreift leise auch den Leser, der etwa vom „Poetenleben“ anderes erwartet als Hinweise auf ein „ausgezeichnetes Wirken auf Löschpapier“. Poet! – sei „ehrlich, fleißig, pflichtbewusst“!
Wolfgang Schreiber
Robert
Walser:
Im Bureau. Aus dem Leben der Angestellten. Insel Verlag, Berlin 2011, 145 Seiten, 7 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de