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Als der Stein die Windschutzscheibe durchschlägt, ist seine Mutter sofort tot. Kai, 11, überlebt. Entschlossen, sich von nichts mehr abhängig zumachen, läuft er verletzt durch den nahegelegenen Wald, bis er auf einen abgehalfterten Zirkusclan trifft. Und auf Samantha, die zu der Gruppe Jugendlicher gehört, die 24 Stunden zuvor den Stein von der Autobahnbrücke geworfen haben. Cecile, 17, Kokainproblem, glaubt Detlev zu lieben und zieht bei ihm ein. Dort trifft sie auf den Sohn, der seit kurzem bei ihm lebt – er heißt Kai. Inzwischen ist er 13 und immer noch liebt er Samantha. Mit Cecile macht Kai sich auf die Suche nach ihr.…mehr

  • Format: mp3
  • Größe: 358MB
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Produktbeschreibung
Als der Stein die Windschutzscheibe durchschlägt, ist seine Mutter sofort tot. Kai, 11, überlebt. Entschlossen, sich von nichts mehr abhängig zumachen, läuft er verletzt durch den nahegelegenen Wald, bis er auf einen abgehalfterten Zirkusclan trifft. Und auf Samantha, die zu der Gruppe Jugendlicher gehört, die 24 Stunden zuvor den Stein von der Autobahnbrücke geworfen haben. Cecile, 17, Kokainproblem, glaubt Detlev zu lieben und zieht bei ihm ein. Dort trifft sie auf den Sohn, der seit kurzem bei ihm lebt – er heißt Kai. Inzwischen ist er 13 und immer noch liebt er Samantha. Mit Cecile macht Kai sich auf die Suche nach ihr.

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Autorenporträt
Helene Hegemann, 1992 geboren, lebt in Berlin. 2010 debütierte sie als Autorin mit dem Roman "Axolotl Roadkill", der in 20 Sprachen übersetzt wurde. Die Verfilmung, bei der sie selbst Regie führte, wurde beim Sundance Festival 2017 mit dem World Cinema Dramatic Special Jury Award for Cinematography ausgezeichnet. Bei Hanser Berlin erschien von ihr zuletzt der Roman "Jage zwei Tiger".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2013

Wahnsinn und Größe

Die Drogenpassagen ihres ersten Romans hatte sie aus meinem Buch kopiert. In ihrem neuen Werk geht Helene Hegemann allein auf rasender Fahrt durch eine leere Welt

Von Airen

Eine Sache zu erleben oder eine Sache zu verpassen - wenn du es nur bewusst genug tust, ist es dasselbe Gefühl in derselben Intensität, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Wenn du etwas nicht erreichen kannst, sollst du umso konsequenter scheitern", steht da in so einer Kifferszene in meinem zweiten Roman "I Am Airen Man".

Der neue Roman von Helene Hegemann beginnt mit den Worten: "Der Jäger, der zwei Hasen jagt, verfehlt beide. Wenn du schon scheitern musst, scheitere glanzvoll. Jage zwei Tiger." Abgeschrieben? Nein, der Text stammt von der Industrial-Band Laibach, das Zitat ist im Anhang mit einer Quellenangabe versehen.

Vor dreieinhalb Jahren war es ein ziemlich großes Thema, was nun gerade von wem war. Helene Hegemann war mit ihrem Debütroman "Axolotl Roadkill" über Nacht berühmt geworden, einer wilden Odyssee ihrer Protagonistin Mifti durch die Clubs von Berlin, es gab viel Sex, viel Drogen, vieles, was verstörend klang aus dem Mund einer 17-Jährigen. Die Kritiker feierten die Autorin als Wunderkind, das Buch stieg auf Platz 2 in die "Spiegel"-Bestsellerliste ein. Dem Blogger Deef Pirmasens fiel auf, dass manche Passagen in "Axolotl Roadkill" aus meinem Buch "Strobo" stammen mussten. "Strobo" war ein halbes Jahr zuvor in einem kleinen Berliner Verlag erschienen, wir hatten, glaube ich, 15o Exemplare verkauft in der Zeit. Auch in "Strobo" ging es um Sex und Drogen und Techno, es basierte auf einem Blog, das ich damals führte, einer Art Techno-Tagebuch. Für das deutsche Feuilleton wurde die Sache jetzt erst richtig interessant: Man hatte nun nicht nur ein Wunderkind entdeckt, sondern einen handfesten Literaturskandal, der über Monate andauerte.

Vielleicht war das übertrieben. "Axolotl Roadkill" war über 200 Seiten lang, und hätten die kopierten Passagen gefehlt - das Buch wäre wohl das gleiche geblieben und hätte trotzdem gute Kritiken bekommen. Vielleicht war es auch nicht hilfreich, dass Helene sich vehement gegen den Stempel "Plagiat" wehrte und ihr Vorgehen als neue Schreibtechnik verteidigte. Für sie war das alles ein "Remix", das Verwenden anderer Autoren "Intertextualität". Je beharrlicher sie sich rechtfertigte, desto verbissener schrieben die Zeitungen gegen sie an. Der Preis der Leipziger Buchmesse, für den auch "Axolotl Roadkill" nominiert war, ging dann an Georg Klein, und das Thema war medial beendet.

Ihr Wille zum Roman

Was blieb, war der schale Eindruck, dass hier ein turbogeladenes "Feuchtgebiete" geschaffen werden sollte: Noch jünger, noch kaputter, noch mehr Sex und Drogen. Mit Kalkül in den Hinterstuben des Kunstestablishments ausgeheckt und ein junges Gesicht draufgesetzt. Es ist schwer, sich einen schlechteren Start für eine Schriftstellerkarrierre vorzustellen.

Nun hat Helene Hegemann in ihrem jungen Leben vieles ausprobiert. Sie hat geschauspielert, Regie geführt und Theaterstücke geschrieben. Sie hätte das "Axolotl"- Intermezzo einfach hinter sich lassen, sich wieder auf die Bühne konzentrieren können. Den Skandal vergessen, woanders weitermachen. Das wäre einfach gewesen.

Sie hat sich dagegen entschieden und ein zweites Buch geschrieben, und sie setzt sich damit bewusst einer stressigen Situation aus: Wieder wird sie auf den Plagiatsskandal um "Axolotl Roadkill" und "Strobo" angesprochen werden, wieder wird sie sich rechtfertigen müssen, und die Kritiker werden dieses Mal ganz genau hinschauen. Aber sie wehrt sich damit auch gegen alle, die ihr damals die Fähigkeit absprachen, überhaupt ein Buch schreiben zu können. Dass sie nun einen zweiten Roman veröffentlicht, verdient also erst einmal Respekt.

Was ist das also für ein Buch? "Jage zwei Tiger" spielt nicht mehr in Berlin; und Sex und Drogen spielen diesmal nur eine Nebenrolle. Es ist vor allem das Porträt einer oberflächlichen und inhaltslosen Erwachsenenwelt, in der jeder irgendwie kreativ ist und Geld ohne Ende hat, letztlich aber lieblos und zynisch durchs Leben geht. Geschildert wird diese Welt aus der Sicht zweier Teenager, dem 13-jährigen Kai und der 17-jährigen Cecile.

Kai rast mit seiner alkoholkranken und schizophrenen Mutter über die Autobahn, als plötzlich ein Stein die Windschutzscheibe durchschlägt. Die Mutter ist auf der Stelle tot, Kai rettet sich schwer verletzt in ein Waldstück und kollabiert vor einem Zirkus. Das Zirkusmädchen Samantha findet ihn und bringt ihn ins Krankenhaus. Kai zieht zu seinem Vater, einem zynischen Galeristen, zu dem er bislang kaum Kontakt hatte, zum ersten Mal lernen sich die beiden wirklich kennen. Die Freunde des Vaters, seine Affairen - alles sarkastische Egotypen, desillusioniert und kalt. Je mehr Kai von dieser oberflächlichen Gesellschaft zu sehen bekommt, desto mehr erinnert er sich an die bodenständige Samantha.

Ein Hauch von Platin

Cecile, 17, Tochter reicher Eltern, wohlstandsverwahrlost und mit einem Schuss Borderline. Sie wechselt von Internat zu Internat, fliegt zu Kunstausstellungen, ist magersüchtig und nimmt Kokain. Die Eltern leben in einem Anwesen hinter drei Reihen Zaun, innerhalb des Hauses kommuniziert die Familie per SMS. Es sind auch hier Innenansichten einer kunstbeflissenen Oberschicht, Leute mit zu viel Geld und einem nur dem Klassenbewusstsein geschuldeten Interesse an Kultur. Bis ins Detail wird diese absurde Oberflächlichkeit geschildert - über Seiten hinweg lassen sich da die Eltern über die Hässlichkeit eines Lederschlüsselbundes aus -, schon als Leser möchte man einfach nur raus aus dieser Umgebung.

Auch die Kinder sehen sich dieser Welt ziemlich alleingelassen gegenüber. Sie verstehen die Banalität, aber da ist keine Hoffnung, kein jugendlicher Idealismus, nur Resignation, vielleicht Drogen. Ziemlich tristes Szenario eigentlich.

So trist kommt es beim Lesen aber gar nicht rüber. Hegemann haut wieder ihre überbordenden Endlossätze aufs Papier, voller Fremdworte, Jugendsprache und Anglizismen. Manchmal ist es ein Adjektiv-Overkill mit zügellosem Name- und Branddropping, eine angestrengt zur Schau getragene Eloquenz, zuweilen sogar ein zeilenschindender Krampf. So wimmelt es von "unter Hüftgelenksdysplasie leidenden Chihuahuamischlingen", "volleyballversessenen Anorektikerinnen" und "auf Edelgestüten aufgewachsenen Nagelstudiobesitzerinnen". Eine überkandidelte Sprache, die Hegemann all ihren Akteuren in den Mund legt, vom Schuljungen bis zur Pennerin. Kais 13-jähriger Kumpel Jonas: "Kennst du diesen komischen Film, in dem Nicolas Cage so ein romantischer Exknastbruder ist und ständig die kleinen Vollzugsbeamtinnen anbaggert, völlig beknackt?" So reden 13-Jährige eben nicht.

Aber man findet auch kluge Beobachtungssplitter, die brandenburgische Landschaft beschreibt sie als einen "schlecht beleuchteten horizontalen Aschebrei", der Sternenhimmel besteht bei ihr aus "ungeordneten Sternenbündeln, Feilstaub, wie von einem einzigen Hauch auseinandergetriebenem Platin". Gut wird das Buch vor allem in seinen unaufgeregteren Passagen, etwa in den einfühlsamen Gesprächen zwischen Vater und Sohn über die verstorbene Mutter. Und wie wortgewandt Hegemann gegen Schluss ein Madonnakonzert zum Gottesdienst erhöht, das ist großes Feuilleton.

Zwischen Flashbacks und Ausflügen mäandert das Buch sich so durch die gescheiterten Biographien funktionierender, erfolgreicher Soziopathen. Diese Boheme, die Hegemann hier schildert, ist sinnentkernt, von Leben und Realität schmerzhaft abgeschnitten, eine Welt, in der nichts echt ist.

Leicht zu lesen ist das nicht. Die komplette Biographie jedes noch so unbedeutenden Nebencharakters wird in absurden Szenarien ausgewalzt, noch dem letzten Hausmeister wird in lähmender Detailversessenheit eine französische Abstammung und eine Tänzerkarriere in Argentinien angedichtet. Warum? Warum, das fragt man sich oft, wenn man sich durch die sperrigeren Passagen kämpft.

Warum? Warum? Warum?

Warum muss man sich ellenlang die erfundenen Lebenswege von Ceciles neuen Mitschülern antun, wenn die das Internat auf der nächsten Seite schon wieder verlassen? Warum die wikipediamäßigen Ausflüge über den Dampfdiffusionswiderstand von Glaswolle oder die anatomische Beschaffenheit des Pandabärendaumens? Auf einer Autofahrt hört Cecile "redundantesten Gabbasound einer Electropunkband aus Versailles, dachte derweil an im Rahmen von Völkermorden abgeschnittene äußere Geschlechtsmerkmale". Warum, warum, warum?! Manchmal ist "Jage zwei Tiger" einfach nur aufgesetzt wirkende, kontextfreie Provokation. Cecile jedenfalls, die reiche Tochter, hat irgendwann genug und reißt aus. Mit einer 500 000 Dollar teuren Elefantenskulptur verschwindet sie in die Kiffer-WG einer Freundin, macht sich mit ein paar Rastajungs auf nach Venedig und verkauft Kokain auf VIP-Partys. Nach einer flüchtigen lesbischen Liaison mit einer Kunstmäzenin lernt sie Kais Vater kennen, verliebt sich und zieht bei ihm ein. Sie freundet sich mit Kai an und überredet ihn, ebenfalls von zu Hause auszureißen und sich auf die Suche nach Samantha zu machen. Beide fahren nach Berlin und finden das Zirkusmädchen. Das Treffen ist belanglos, Kai enttäuscht. Schließlich heiraten Kai und Cecile.

Was soll man von diesem Buch halten? Langweilig, konventionell und nichtssagend ist "Jage zwei Tiger" sicher nicht. Es steckt viel schreiberische Energie, viel Erfindungsreichtum in diesem Buch, und in Helene Hegemann sicher eine gute Autorin. Auch wenn sie ungern auf ihr Alter reduziert wird - sie schreibt besser, als die meisten großen Autoren mit 21 geschrieben haben. "Jage zwei Tiger" ist das bittere Sittengemälde einer abgehobenen Boheme, wohl auch der Welt, in der die Autorin jeden Tag lebt. Noch ist sie viel zu besoffen von dieser Welt und schreibt sie viel zu verliebt, als dass man ihr den Wunsch auszubrechen wirklich abnehmen könnte.

Helene Hegemann ist weiterhin größenwahnsinnig auf der Suche nach ihrem Stil - hoffentlich auf der Jagd nach einem Tiger.

Helene Hegemann: "Jage zwei Tiger". Hanser Berlin, 315 Seiten, 19,90 Euro

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