Željko, Sohn einer Migrantenfamilie aus Bosnien-Herzegowina, ist 15, als er die 25 Jahre ältere Arbeitgeberin seiner Mutter kennenlernt. Martha stammt aus einer Welt, die alles enthält, was Željko in seiner vermisst: Wohlstand, Bildung, aber vor allem Souveränität. Auch Martha, die nicht nur
verheiratet, sondern auch Mutter ist, fühlt sich von dem Jungen angezogen, hält aber Abstand. Erst als…mehrŽeljko, Sohn einer Migrantenfamilie aus Bosnien-Herzegowina, ist 15, als er die 25 Jahre ältere Arbeitgeberin seiner Mutter kennenlernt. Martha stammt aus einer Welt, die alles enthält, was Željko in seiner vermisst: Wohlstand, Bildung, aber vor allem Souveränität. Auch Martha, die nicht nur verheiratet, sondern auch Mutter ist, fühlt sich von dem Jungen angezogen, hält aber Abstand. Erst als Željko Student ist, beginnt die Affäre der beiden richtig, eine ungewöhnliche Beziehung, die aus der Norm fällt, aber beiden zu geben mag, was ihnen fehlt.
Geschichten über Beziehungen mit einem Altersunterschied von 25 Jahren sind kritisch, besonders, wenn ein Teil des Paares besonders jung ist. Sie sind außerdem noch einmal befremdlicher - Emanzipation hin oder her - wenn die Frau der ältere Part ist. Die Konstellation ist riskant, der Grat schmal. Der Autor kann schnell in entweder unerträglichen Kitsch oder psychologische Untiefen mit hohem “Cringe-Faktor” abrutschen. Martin Kordić passiert das in seinem zweiten Roman “Jahre mit Martha” nicht. Kordić bleibt nüchtern, lässt die Banalität, die jeder Liebesbeziehung in der Realität anhaftet, durchschimmern, verzichtet auf den großen Herzschmerz und Gefühlszermürbungen seiner Protagonisten. Das ist ausgesprochen angenehm und schenkt dem Roman einiges an Gewicht.
Dadurch, dass wir das Geschehen aus der Sicht Željkos hören, bleibt Marthas Seite weitestgehend ein schwarzer Fleck. Trotzdem ist sie es, die die Fäden in der Hand hat, die bestimmt, was wann und wo passiert. Oder eben nicht. Auch sie und Željko nutzen einen schmalen Spielraum, in dem die Grenzen zwischen Gefühlen und Bedürfnissen, zwischen Zuneigung, Zweckgemeinschaft und Ausnutzung verwischen.
Aber der Roman ist mehr als nur die Geschichte eines jungen Mannes, der sich in eine um einiges ältere Frau verliebt. Er ist vor allem die eines Menschen, der nach Heimat und Zugehörigkeit sucht. In diesem Sinne ist Martha eher die Verkörperung dessen, was Željko in seinem Leben anstrebt, als die Frau, mit der er dieses teilen möchte. Und dadurch der Roman vielschichtiger, als man auf den ersten Blick meint.
Komplett überzeugen konnte mich “Jahre mit Martha” aber letztendlich nicht. Was mir als Erstes auffiel, war, dass meine inneren Bilder nicht mit der Zeit übereingestimmt haben, in der der Roman tatsächlich spielt. Ob ich unbewusst von dem Cover beeinflusst wurde oder ob es an der Sprache lag, kann ich im Nachhinein nicht sagen. Ich befand mich jedenfalls durchgehend in den 1940er oder 50er Jahren und war verwirrt über den fortschrittlichen Zustand der verwendeten Technik.
Wesentlicher ist aber, dass es mir nicht gelang, einen wirklichen Zugang zu Željko und Martha zu finden. So stabil und dramaturgisch korrekt aufgebaut der Roman auch sein mag, mitgerissen wurde ich nicht.
Dafür bekommt die Hörbuchversion mit Julian Mehne als Sprecher einen eindeutigen Zugewinn. Er ist ein überzeugender Željko, der einen souverän durch die Geschichte führt.
Zusammengefasst hat mich an “Jahre mit Martha” der klare Stil mehr überzeugt, als der Inhalt. Er gehört zu den Romanen, die ich vor allem mit dem Kopf gelesen habe, weil er mich innerlich nicht ganz erreicht hat. Durchaus lesenswert, aber für mich keines der ganz großen Leseerlebnisse.