Die neue, etwas andere Beziehungskomödie des Bestsellerautors von »About A Boy« und »High Fidelity« Lucy hat's schwer: Die 41-jährige, geschiedene Englischlehrerin muss sich mit ihrem nutzlosen Ex-Mann rumschlagen und nebenbei noch zwei Jungs großziehen, die am liebsten den ganzen Tag videospielend und chipsfressend auf der Couch verbringen würden. Zu allem Überfluss wollen ihre Freunde sie mit eigenartigen Männern verkuppeln: Ted, der geblümte Hemden trägt und auf der Suche nach einer »schlichten« Frau ist, und Michael, dem Literaten-Fuckboy mit Erektionsstörungen. Während sie gelangweilt in der Schlange beim Metzger steht und sich unappetitliche Sex-Geschichten von ihrer Freundin Emma anhören muss, fällt ihr Blick auf Metzgerei-Fachverkäufer Joseph: 22 Jahre alt, Gelegenheits-Fußballtrainer, -Babysitter, -DJ – und genau Lucys Typ. Kann das gutgehen? Ungekürzte Lesung mit Britta Steffenhagen 9h 41min
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Josef Wirnshofer ist etwas enttäuscht von Nick Hornbys neuem Roman, in dem sich eine 42-jährige, weiße Englischlehrerin und ein 22-jähriger, schwarzer Metzgergehilfe ineinander verlieben. Die Annäherung und auch die Spannungen des ungleichen Paares werden zwar unterhaltsam gestaltet, meint Wirnshofer und freut sich auch einmal mehr über die für Hornby typische Lakonie. Insgesamt jedoch fallen die Dialoge (vor allem die über Politik und Rassismus) zum Teil recht flach, die Handlung vorhersehbar und die Pointen für Hornby ungewohnt lasch aus, bedauert Wirnshofer. Eine zwar "sorgsam ausgepolsterte" und daher bequeme, darüber hinaus aber wenig eindrückliche Geschichte, schließt der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.11.2020Den Verliebten gehört das Jetzt
Nick Hornby pflegt seine gute alte Lakonie im Roman „Just Like You“
Lucy ist 42, weiß, Englischlehrerin. Sie hat zwei Söhne, Dylan und Al, und sie hasst ihren Ex-Mann. Ihre Dates mit anderen Männern verlaufen meistens miserabel, sie bleibt aber selbst dann höflich, wenn sie eigentlich sagen möchte: Halt mal die Klappe. Joseph ist 22, schwarz, Aushilfsmetzger. Nebenher jobbt er im Freizeitzentrum, trainiert die U-12-Jungs der Turnpike Lane im Fußball und tagträumt von einer Karriere als DJ. Die immer gleichen Fragen zu seiner Hautfarbe haben ihn sarkastischer gemacht, als es mit 22 gesund wäre.
Es sind also sehr unterschiedliche Figuren, um die Nick Hornby seinen Roman „Just Like You“ baut, letztlich geht es genau darum: Wie sich zwei Menschen trotz aller Unterschiede verlieben, weiß und schwarz, middle class und working class, jung und nicht mehr ganz so jung. Wie sich Lucy und Joseph verstehen und missverstehen, macht ihre Geschichte auch erst mal aus – erst mal.
Frühjahr 2016, Lucy tastet sich gerade in den Alltag zurück. Ihre Ehe ist zerbrochen, der Alkohol und das Koks hatten erst ihren Mann ruiniert, dann die Familie. Jetzt wohnt sie mit ihren Söhnen in Islington, Londoner Norden, gute Gegend. Jeden Samstag kauft sie bei dem Metzger ein, bei dem Joseph hinterm Tresen steht, Typ junger Denzel Washington, wie eine Freundin durchs Schaufenster analysiert. Nach ein paar Thekengesprächen fragt Lucy ihn, ob er Samstagabend nicht auf Dylan und Al aufpassen könnte? Kann er, mit allem, was dazugehört. Fußball schauen, Xbox zocken, den besoffenen Ex-Mann abwehren.
Je öfter Joseph babysittet, desto mehr merkt Lucy, dass sie sich samstagabends eher auf den Babysitter freut statt auf den netten, aber auch öden Schriftsteller, den sie datet. Sie sitzen immer länger zusammen, schicken sich immer öfter vieldeutige Nachrichten und schlafen natürlich irgendwann miteinander. Oder, wie es im Buch heißt, „der Rest ergab sich“.
Es sind vor allem die Dialoge, in denen Nick Hornby auch diesmal zeigt, dass er ein feiner Lakoniker ist. Beiläufig nähern sich Lucy und Joseph einander an, beide auf ihre Art Gestrandete. Da kommt zum Beispiel der Tag, an dem er ihr einen Track von sich vorspielt, und sich noch in der Sekunde wünscht, es nicht getan zu haben. Als er sie tanzen sieht, erschrickt er, will fliehen, schließt er sich auf der Toilette ein. An ihren Bewegungen merkt er zum ersten Mal, dass Lucy zwanzig Jahre älter ist.
Es ist Hornbys Art, das Große im Kleinen zu finden. Er hat sie in seinen frühen Büchern perfektioniert, „Fever Pitch“ und „High Fidelity“, Nerdbibeln aus Cool Britannia, die eine über Fußball, die andere über Pop. 25 Jahre her, Hornby hat sich seitdem mehrmals gehäutet, hat sich mehr mit dem Erwachsensein beschäftigt als mit dem Erwachsenwerden und mehrere oscarnominierte Drehbücher geschrieben. Aber bis heute schafft er es, im Vorbeigehen kleine Beobachtungen zu machen, die auf etwas Größeres zeigen. Den grübelnden Joseph, der mit dem Bus zu Lucy fährt. Der sich fast zerhirnt darüber, wo das alles hinführen soll, bis er merkt, dass die Verliebten sich nicht um die Zukunft zu scheren brauchen, weil ihnen erst mal die Gegenwart gehört.
Wobei die Zukunft natürlich nicht auf sich warten lässt. Im Frühjahr 2016 droht in Großbritannien schon der Brexit, das Land bereitet sich auf das Referendum vor. Und während Lucy schaudert, dass die Leute sich gegen die EU und für die Populisten entscheiden könnten, kann sich Joseph nicht so recht vorstellen, was der Brexit an seinem Leben ändern sollte. Sie klopft ihre Freunde also danach ab, wofür sie stimmen, er verlässt sich darauf, dass es Fleisch, Fußball und Kinder auch nach dem Brexit noch geben wird – und kreuzt am Ende Ja und Nein an.
Obwohl erst 22, ist Joseph Lucy in vielem voraus, nicht unbedingt in politischen, aber in anderen Fragen. So weiß er etwa, alte Regel, dass man nie den zweiten Schritt vor dem ersten machen sollte, in der Liebe schon gar nicht. Man merkt ihm das an, wenn er mit Lucy über ihre Beziehung diskutiert oder, ganz allgemein, die Qual des Menschseins. Trotzdem schreibt Hornby immer mal wieder schulbuchhafte Erklärsätze in seine Geschichte, „er war ihr geistig voraus“, diese Liga. Auch wenn Lucy und Joseph über Rassismus reden, bleiben die Gespräche meistens flach. Als Joseph von der Polizei kontrolliert wird, diskutieren sie über Racial Profiling, danach spielt der Vorfall keine Rolle mehr. Das Thema scheint auf, die Geschichte setzt sich aber nicht wirklich damit auseinander.
Zumindest das Komische ist bei Nick Hornby sonst gut aufgehoben. Ausgerechnet die Pointen lassen einen diesmal aber zweifeln. Ein Beispiel? Joseph kommt vorbei, um auf die Jungs aufzupassen, macht dazu noch den Abwasch, Lucy denkt sich: „Vielleicht war das Geheimnis einer erfolgreichen Beziehung, jemandem zehn Pfund pro Stunde zu zahlen, und das in jeder einzelnen Stunde.“
Als die Mehrheit der Briten im Herbst 2016 besinnungslos für den Brexit stimmt (und am Horizont schon Donald Trump aufsteigt, es war ein schauderhaftes Jahr), besteht Lucys und Josephs Leben vor allem aus Sex und „Sopranos“-Schauen. Sie leben vor sich hin, happy ever after, und bevor sich die Ödnis nicht nur zwischen den beiden, sondern auch im Buch weiter ausbreitet, bürstet der Autor sein Personal auf den klassischsten aller Konflikte hin: Er lässt den Jungen fremdgehen. Den Erfolg als DJ gibt er ihm obendrauf, und ein bisschen hat man das Gefühl, als hätte Nick Hornby den weiteren Lauf der Dinge am Reißbrett vorgezeichnet.
Man folgt ihm trotzdem, man hat es sich längst bequem gemacht in dieser sorgsam ausgepolsterten Geschichte. Am Ende geht es einem aber wie Lucy ganz am Anfang, während eines ihrer halbherzigen Dates, bevor sie Joseph kennenlernt: Sie weiß, es wird ein netter Abend. Sie weiß aber auch, es wird kein zweites Treffen geben.
JOSEF WIRNSHOFER
Nick Hornby: Just Like You. Aus dem Englischen von Stephan Kleiner. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 384 Seiten, 22 Euro.
Die Zukunft lässt auch nicht auf
sich warten, es ist das
schauderhafte Jahr 2016
Seine großen Themen: Fußball und Liebeskummer. Nick Hornby, geboren 1957 in Redhill.
Foto: Taylor Jewell/Invision/AP
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Nick Hornby pflegt seine gute alte Lakonie im Roman „Just Like You“
Lucy ist 42, weiß, Englischlehrerin. Sie hat zwei Söhne, Dylan und Al, und sie hasst ihren Ex-Mann. Ihre Dates mit anderen Männern verlaufen meistens miserabel, sie bleibt aber selbst dann höflich, wenn sie eigentlich sagen möchte: Halt mal die Klappe. Joseph ist 22, schwarz, Aushilfsmetzger. Nebenher jobbt er im Freizeitzentrum, trainiert die U-12-Jungs der Turnpike Lane im Fußball und tagträumt von einer Karriere als DJ. Die immer gleichen Fragen zu seiner Hautfarbe haben ihn sarkastischer gemacht, als es mit 22 gesund wäre.
Es sind also sehr unterschiedliche Figuren, um die Nick Hornby seinen Roman „Just Like You“ baut, letztlich geht es genau darum: Wie sich zwei Menschen trotz aller Unterschiede verlieben, weiß und schwarz, middle class und working class, jung und nicht mehr ganz so jung. Wie sich Lucy und Joseph verstehen und missverstehen, macht ihre Geschichte auch erst mal aus – erst mal.
Frühjahr 2016, Lucy tastet sich gerade in den Alltag zurück. Ihre Ehe ist zerbrochen, der Alkohol und das Koks hatten erst ihren Mann ruiniert, dann die Familie. Jetzt wohnt sie mit ihren Söhnen in Islington, Londoner Norden, gute Gegend. Jeden Samstag kauft sie bei dem Metzger ein, bei dem Joseph hinterm Tresen steht, Typ junger Denzel Washington, wie eine Freundin durchs Schaufenster analysiert. Nach ein paar Thekengesprächen fragt Lucy ihn, ob er Samstagabend nicht auf Dylan und Al aufpassen könnte? Kann er, mit allem, was dazugehört. Fußball schauen, Xbox zocken, den besoffenen Ex-Mann abwehren.
Je öfter Joseph babysittet, desto mehr merkt Lucy, dass sie sich samstagabends eher auf den Babysitter freut statt auf den netten, aber auch öden Schriftsteller, den sie datet. Sie sitzen immer länger zusammen, schicken sich immer öfter vieldeutige Nachrichten und schlafen natürlich irgendwann miteinander. Oder, wie es im Buch heißt, „der Rest ergab sich“.
Es sind vor allem die Dialoge, in denen Nick Hornby auch diesmal zeigt, dass er ein feiner Lakoniker ist. Beiläufig nähern sich Lucy und Joseph einander an, beide auf ihre Art Gestrandete. Da kommt zum Beispiel der Tag, an dem er ihr einen Track von sich vorspielt, und sich noch in der Sekunde wünscht, es nicht getan zu haben. Als er sie tanzen sieht, erschrickt er, will fliehen, schließt er sich auf der Toilette ein. An ihren Bewegungen merkt er zum ersten Mal, dass Lucy zwanzig Jahre älter ist.
Es ist Hornbys Art, das Große im Kleinen zu finden. Er hat sie in seinen frühen Büchern perfektioniert, „Fever Pitch“ und „High Fidelity“, Nerdbibeln aus Cool Britannia, die eine über Fußball, die andere über Pop. 25 Jahre her, Hornby hat sich seitdem mehrmals gehäutet, hat sich mehr mit dem Erwachsensein beschäftigt als mit dem Erwachsenwerden und mehrere oscarnominierte Drehbücher geschrieben. Aber bis heute schafft er es, im Vorbeigehen kleine Beobachtungen zu machen, die auf etwas Größeres zeigen. Den grübelnden Joseph, der mit dem Bus zu Lucy fährt. Der sich fast zerhirnt darüber, wo das alles hinführen soll, bis er merkt, dass die Verliebten sich nicht um die Zukunft zu scheren brauchen, weil ihnen erst mal die Gegenwart gehört.
Wobei die Zukunft natürlich nicht auf sich warten lässt. Im Frühjahr 2016 droht in Großbritannien schon der Brexit, das Land bereitet sich auf das Referendum vor. Und während Lucy schaudert, dass die Leute sich gegen die EU und für die Populisten entscheiden könnten, kann sich Joseph nicht so recht vorstellen, was der Brexit an seinem Leben ändern sollte. Sie klopft ihre Freunde also danach ab, wofür sie stimmen, er verlässt sich darauf, dass es Fleisch, Fußball und Kinder auch nach dem Brexit noch geben wird – und kreuzt am Ende Ja und Nein an.
Obwohl erst 22, ist Joseph Lucy in vielem voraus, nicht unbedingt in politischen, aber in anderen Fragen. So weiß er etwa, alte Regel, dass man nie den zweiten Schritt vor dem ersten machen sollte, in der Liebe schon gar nicht. Man merkt ihm das an, wenn er mit Lucy über ihre Beziehung diskutiert oder, ganz allgemein, die Qual des Menschseins. Trotzdem schreibt Hornby immer mal wieder schulbuchhafte Erklärsätze in seine Geschichte, „er war ihr geistig voraus“, diese Liga. Auch wenn Lucy und Joseph über Rassismus reden, bleiben die Gespräche meistens flach. Als Joseph von der Polizei kontrolliert wird, diskutieren sie über Racial Profiling, danach spielt der Vorfall keine Rolle mehr. Das Thema scheint auf, die Geschichte setzt sich aber nicht wirklich damit auseinander.
Zumindest das Komische ist bei Nick Hornby sonst gut aufgehoben. Ausgerechnet die Pointen lassen einen diesmal aber zweifeln. Ein Beispiel? Joseph kommt vorbei, um auf die Jungs aufzupassen, macht dazu noch den Abwasch, Lucy denkt sich: „Vielleicht war das Geheimnis einer erfolgreichen Beziehung, jemandem zehn Pfund pro Stunde zu zahlen, und das in jeder einzelnen Stunde.“
Als die Mehrheit der Briten im Herbst 2016 besinnungslos für den Brexit stimmt (und am Horizont schon Donald Trump aufsteigt, es war ein schauderhaftes Jahr), besteht Lucys und Josephs Leben vor allem aus Sex und „Sopranos“-Schauen. Sie leben vor sich hin, happy ever after, und bevor sich die Ödnis nicht nur zwischen den beiden, sondern auch im Buch weiter ausbreitet, bürstet der Autor sein Personal auf den klassischsten aller Konflikte hin: Er lässt den Jungen fremdgehen. Den Erfolg als DJ gibt er ihm obendrauf, und ein bisschen hat man das Gefühl, als hätte Nick Hornby den weiteren Lauf der Dinge am Reißbrett vorgezeichnet.
Man folgt ihm trotzdem, man hat es sich längst bequem gemacht in dieser sorgsam ausgepolsterten Geschichte. Am Ende geht es einem aber wie Lucy ganz am Anfang, während eines ihrer halbherzigen Dates, bevor sie Joseph kennenlernt: Sie weiß, es wird ein netter Abend. Sie weiß aber auch, es wird kein zweites Treffen geben.
JOSEF WIRNSHOFER
Nick Hornby: Just Like You. Aus dem Englischen von Stephan Kleiner. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 384 Seiten, 22 Euro.
Die Zukunft lässt auch nicht auf
sich warten, es ist das
schauderhafte Jahr 2016
Seine großen Themen: Fußball und Liebeskummer. Nick Hornby, geboren 1957 in Redhill.
Foto: Taylor Jewell/Invision/AP
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»Ein typischer Hornby - höchst unterhaltsam und packend erzählt und die gesellschaftlichen Probleme nicht verleugnend.« vormagazin, Österreich 20210215