Nachkriegsdeutsche Kindheit: schwül, verklemmt, spießig und komisch. Auf dem Dachboden entdeckt der Ich-Erzähler einen Schuhkarton mit alten Fotos, die er Anfang der 60er Jahre mit seiner Agfa Clack geschossen hat. Und plötzlich ist er wieder 16 und mittendrin im Leben in der norddeutschen Provinz, im Haus seiner tyrannischen Großmutter, in den immergleichen Kriegserzählungen des Vaters, der Harmoniesucht der Mutter, seinen unerwiderten Gefühlen und erotischen Phantasien. Als in das Nachbarhaus Italiener einziehen, bekommt sein Sehnen endlich ein Ziel: Clarissa.
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"Klaus Modicks neues Buch [...] überzeugt als bittersüße Geschichte aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. [...] Man schwelgt im Damals bis hin zur unvermeidlich komischen Tanzstunde. Kein Rückblick übrigens in Kitsch, sondern fein durchbrochene Lust an Vergangenheit." -- NWZ online, 13.02.2013
"Klaus Modick hat einen seiner besten Romane geschrieben: Klack. [...] Er beweist einmal mehr, wie angenehm unaufgeregt er erzählen kann, schnörkellos, aber pointenreich, mit viel Gespür für subtile Komik." -- dpa
"Klaus Modick hat einen seiner besten Romane geschrieben: Klack. [...] Er beweist einmal mehr, wie angenehm unaufgeregt er erzählen kann, schnörkellos, aber pointenreich, mit viel Gespür für subtile Komik." -- dpa
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Einen etwas ambivalenten Eindruck hat Klaus Modicks Roman über das Leben in der norddeutschen Provinz in der Wirtschaftswunderzeit bei Christoph Schröder hinterlassen. Die Geschichte um den pupertierenden Markus, der sich in die Tochter einer italienischen Gastarbeiterfamilie verliebt, hat für ihn hohen Wiedererkennungswert. Wie Modick Bilder, Mythen und Vorstellungswelt der Nachkriegszeit evoziert, findet er sehr gelungen. Dennoch ist ihm das "nostalgische Wohlbefinden", das der Roman bis in die Sprache hinein verbreitet, irgendwann zu viel. Der Versuch des Autors, das naive Erzählen des Protagonisten durch Einschübe des erwachsenen Erzählers brechen und zu reflektieren, um so das Klischee zu vermeiden, führt nach Ansicht von Schröder allerdings immer mal wieder zu Allgemeinplätzen. Nichtsdestoweniger attestiert dem Buch eine Menge "starker Momente".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2013Nichts zu lachen
Gebündelte Fotos: Klaus Modicks Roman "Klack" führt ins Jahr 1962
Wer sich für einen Roman des norddeutschen Erzählers Klaus Modick entscheidet, darf in einem Punkt sicher sein: Langweilig wird die Lektüre nicht. Nichts von angeblicher norddeutscher Behäbigkeit und schon gar nicht von alter Spökenkiekerei. Allenfalls wird etwas Seemannsgarn gesponnen. Wenn die Romanhandlung einmal auf Sand zu laufen droht, machen Einfälle sie sofort wieder flott. Die Sprache täuscht keine dunklen Sinntiefen vor, sie tummelt sich im Saloppen, aber mit Witz.
Schon einmal enthüllte Modick die Romanzusammenhänge von einem festen Rahmen her, in "Vierundzwanzig Türen" (2000). Hinter den täglich nacheinander zu öffnenden Fenstern eines Adventskalenders von 1946 warten Zeichnungen, aus denen sich der Handlungsgang erschließen lässt. In Modicks neuem Roman sind es die gefundene alte Kamera und mit grünem Weihnachtsband gebündelten Fotos, die das Jahr 1962 ins Gedächtnis zurückrufen.
Wieder konzentriert sich der Blick auf eine markante geschichtliche Periode. Mit dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 versucht die DDR, die Teilung Deutschlands zu betonieren. Ein Angehöriger der Großfamilie des Ich-Erzählers Markus lebt in Rostock, der übrige Teil im Westen. Die weltpolitische Ost-West-Spannung erreicht ihren Höhepunkt mit dem Versuch der Sowjetunion, Raketen auf Kuba zu stationieren. Die entschlossene Haltung Kennedys und das Einlenken Chruschtschows retten Ende Oktober 1962 den Weltfrieden.
Im Korsett dieser kurzen Zeitspanne bewegt sich die Romanhandlung. Mit strengem Regiment herrscht im Haus der westdeutschen Familie die Großmutter. All ihre Entscheidungen gehorchen noch den stereotypen Mustern der Kaiserzeit: bürgerlich-stockkonservativ, prüde, fremdenfeindlich. Der Vater, Jurist, aber immer noch befangen in seinen Erinnerungen aus der Offizierszeit im Russland-Feldzug, hat das Gehorchen so verinnerlicht, dass er sich der großmütterlichen Diktatur unterwirft. Hanna, Markus' vier Jahre ältere Schwester, ist die Erste, die aus der Lebenswelt erstarrter Muster ausbricht. Herr Lemartin, ein Emissär aus Straßburg, zur Förderung des Französischunterrichts entsandt, hat Quartier in einer freien Dachwohnung des Hauses genommen. Und der Karneval, obwohl 1962 in Norddeutschland noch nicht recht eingebürgert, erlöst Hanna zu freien Entschlüssen: Sie stürzt sich in ein Liebesverhältnis mit Lemartin. Markus ringt zu dieser Zeit noch mit den Dämonen der Pubertät.
Man weiß, wie eng sich Erinnerungen mit Melodien, Evergreens, Schlagern und ihren Sängern verknüpfen. So läuft auch in diesem Roman, wie eine Tonspur, ein ganzes Repertoire von Titeln gehörter Schlager neben den Geschehensberichten her. Auch andere zeitsymptomatische Signale wie die Nachrichten des Fernsehsprechers Karl-Heinz-Köpcke, der Fernsehkrimi und Straßenfeger "Das Halstuch" von Francis Durbridge oder die Große Sturmflut, bei der für den Hamburger Innensenator Helmut Schmidt die Stunde der Bewährung schlug, verdichten die Atmosphäre dieser Jahre.
Für den Ich-Erzähler ändert sich alles, als im Nachbarhaus der Italiener Tinotti einzieht, der in der Stadt ein Eiscafé eröffnen will. Heiß wird es dem jungen Markus beim Anblick von Tinottis Tochter Clarissa. Und obwohl die Großmutter, im Rausch ihrer Empörung über das italienische "Gesindel", eine Mauer zwischen den Grundstücken errichten lässt, ist Markus von nun an Clarissas Vasall und hilft heimlich bei der Einrichtung der Eisdiele mit. Dies ist sein Akt der Befreiung von der Tyrannei der Oma. Clarissa macht ihm zunächst auch Avancen. Aber die Liebesgeschichte kommt nicht vom Fleck und endet im ganz Gewöhnlichen: Das Mädchen entscheidet sich für den jungen Mann, der im neuen Café das Eis zum Mitnehmen in die Waffeln löffelt. Das Happy-End fällt aus. Und die Melancholie schlägt dem Abgewiesenen auf die Gesundheit. Die Nachricht von der Rettung des Weltfriedens muss den verschmähten Liebhaber für seine erste große Enttäuschung entschädigen.
Doch wieder triumphiert in dieser Jugendgeschichte Modicks Erzähllaune. Die Ironie nimmt beschränkte menschliche Mündigkeit ins Visier, wo immer sie sich zeigt. Der Erzähler Modick versorgt sich kräftig und mit spürbarem Selbstgenuss aus dem Arsenal der Umgangssprache und des Jugendjargons und übernimmt sich dabei gelegentlich. Doch das ist der Preis für den Anschein des Authentischen.
WALTER HINCK
Klaus Modick: "Klack". Roman.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013. 223 S., geb., 17,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gebündelte Fotos: Klaus Modicks Roman "Klack" führt ins Jahr 1962
Wer sich für einen Roman des norddeutschen Erzählers Klaus Modick entscheidet, darf in einem Punkt sicher sein: Langweilig wird die Lektüre nicht. Nichts von angeblicher norddeutscher Behäbigkeit und schon gar nicht von alter Spökenkiekerei. Allenfalls wird etwas Seemannsgarn gesponnen. Wenn die Romanhandlung einmal auf Sand zu laufen droht, machen Einfälle sie sofort wieder flott. Die Sprache täuscht keine dunklen Sinntiefen vor, sie tummelt sich im Saloppen, aber mit Witz.
Schon einmal enthüllte Modick die Romanzusammenhänge von einem festen Rahmen her, in "Vierundzwanzig Türen" (2000). Hinter den täglich nacheinander zu öffnenden Fenstern eines Adventskalenders von 1946 warten Zeichnungen, aus denen sich der Handlungsgang erschließen lässt. In Modicks neuem Roman sind es die gefundene alte Kamera und mit grünem Weihnachtsband gebündelten Fotos, die das Jahr 1962 ins Gedächtnis zurückrufen.
Wieder konzentriert sich der Blick auf eine markante geschichtliche Periode. Mit dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 versucht die DDR, die Teilung Deutschlands zu betonieren. Ein Angehöriger der Großfamilie des Ich-Erzählers Markus lebt in Rostock, der übrige Teil im Westen. Die weltpolitische Ost-West-Spannung erreicht ihren Höhepunkt mit dem Versuch der Sowjetunion, Raketen auf Kuba zu stationieren. Die entschlossene Haltung Kennedys und das Einlenken Chruschtschows retten Ende Oktober 1962 den Weltfrieden.
Im Korsett dieser kurzen Zeitspanne bewegt sich die Romanhandlung. Mit strengem Regiment herrscht im Haus der westdeutschen Familie die Großmutter. All ihre Entscheidungen gehorchen noch den stereotypen Mustern der Kaiserzeit: bürgerlich-stockkonservativ, prüde, fremdenfeindlich. Der Vater, Jurist, aber immer noch befangen in seinen Erinnerungen aus der Offizierszeit im Russland-Feldzug, hat das Gehorchen so verinnerlicht, dass er sich der großmütterlichen Diktatur unterwirft. Hanna, Markus' vier Jahre ältere Schwester, ist die Erste, die aus der Lebenswelt erstarrter Muster ausbricht. Herr Lemartin, ein Emissär aus Straßburg, zur Förderung des Französischunterrichts entsandt, hat Quartier in einer freien Dachwohnung des Hauses genommen. Und der Karneval, obwohl 1962 in Norddeutschland noch nicht recht eingebürgert, erlöst Hanna zu freien Entschlüssen: Sie stürzt sich in ein Liebesverhältnis mit Lemartin. Markus ringt zu dieser Zeit noch mit den Dämonen der Pubertät.
Man weiß, wie eng sich Erinnerungen mit Melodien, Evergreens, Schlagern und ihren Sängern verknüpfen. So läuft auch in diesem Roman, wie eine Tonspur, ein ganzes Repertoire von Titeln gehörter Schlager neben den Geschehensberichten her. Auch andere zeitsymptomatische Signale wie die Nachrichten des Fernsehsprechers Karl-Heinz-Köpcke, der Fernsehkrimi und Straßenfeger "Das Halstuch" von Francis Durbridge oder die Große Sturmflut, bei der für den Hamburger Innensenator Helmut Schmidt die Stunde der Bewährung schlug, verdichten die Atmosphäre dieser Jahre.
Für den Ich-Erzähler ändert sich alles, als im Nachbarhaus der Italiener Tinotti einzieht, der in der Stadt ein Eiscafé eröffnen will. Heiß wird es dem jungen Markus beim Anblick von Tinottis Tochter Clarissa. Und obwohl die Großmutter, im Rausch ihrer Empörung über das italienische "Gesindel", eine Mauer zwischen den Grundstücken errichten lässt, ist Markus von nun an Clarissas Vasall und hilft heimlich bei der Einrichtung der Eisdiele mit. Dies ist sein Akt der Befreiung von der Tyrannei der Oma. Clarissa macht ihm zunächst auch Avancen. Aber die Liebesgeschichte kommt nicht vom Fleck und endet im ganz Gewöhnlichen: Das Mädchen entscheidet sich für den jungen Mann, der im neuen Café das Eis zum Mitnehmen in die Waffeln löffelt. Das Happy-End fällt aus. Und die Melancholie schlägt dem Abgewiesenen auf die Gesundheit. Die Nachricht von der Rettung des Weltfriedens muss den verschmähten Liebhaber für seine erste große Enttäuschung entschädigen.
Doch wieder triumphiert in dieser Jugendgeschichte Modicks Erzähllaune. Die Ironie nimmt beschränkte menschliche Mündigkeit ins Visier, wo immer sie sich zeigt. Der Erzähler Modick versorgt sich kräftig und mit spürbarem Selbstgenuss aus dem Arsenal der Umgangssprache und des Jugendjargons und übernimmt sich dabei gelegentlich. Doch das ist der Preis für den Anschein des Authentischen.
WALTER HINCK
Klaus Modick: "Klack". Roman.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013. 223 S., geb., 17,99 [Euro].
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»Deutsche Nachkriegs-Nostalgie mit Witz [...] ein genussvoller Spaß, weil Modick nicht nur präzise erzählt, sondern sich auch traut, zuweilen sehr, sehr komisch zu sein.« Kerstin Herrkind stern 20130516