Knallkopf Wilson gelesen von Heikko Deutschmann 1894 entstand diese wunderbare Gesellschaftssatire, die nun in einer Neuübersetzung von Heikko Deutschmann ungekürzt gelesen wird. Twain kolloriert das Leben in dem kleinen Städtchen Dawson's Landng mit seiner unvergleichlichen Art des Sprachwitzes und seinem spitzfedrigen Humor.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.04.2010Der Mann, der keine Könige mochte
Vor 100 Jahren starb der Dampfschifflotse, Wanderdrucker und erste wahrhaft amerikanische Schriftsteller Mark Twain
Im Alter von dreißig Jahren hatte Samuel Langhorne Clemens schon einiges hinter sich. Aus einem kleinen Dorf am Mississippi stammend, musste er nach dem Tod seines Vaters frühzeitig als Botenjunge und Gehilfe eines Schmieds zum Unterhalt der Familie beitragen, wurde Lehrling in einer Druckerei, brannte mit achtzehn durch, hielt es nirgends lange aus, ging als Drucker, Reporter und Zeitungsmann in den Osten der USA, dann weit in den Westen, der eben erst anfing, der Wilde zu werden, zunächst nach Iowa, dann in die neuen Goldgräberstädte Nevadas und Kaliforniens. Zwischendrin lagen einige Jahre, die er als Lotse auf den Schaufelraddampfern des Mississippi verbrachte, ein Job, der wichtiger und angesehener war als der des Kapitäns, denn beim Lotsen lag die Verantwortung, das Schiff sicher über die wandernden Untiefen des immer launischen Stroms zu führen. Vor kurzem erst hatte er sich ein Pseudonym zugelegt, Mark Twain, und damit der Welt verkündet, dass er sich ihr nunmehr vor allem als Autor zu präsentieren gedachte.
Jetzt, im Jahr 1866, erhielt er eine Gelegenheit, die sich als der Wendepunkt seiner Karriere erweisen sollte: Der „Sacramento Union”, eine kalifornische Zeitung, entsandte ihn auf der soeben eingerichteten Dampfschifflinie quer über den Pazifischen Ozean als Korrespondenten nach Hawaii. (Erst jetzt ist das Journal dieser Reise auf Deutsch beim Mare-Verlag erschienen.) Druckmaschinen und Dampfschiffe: Diese zwei eminenten Vehikel des Fortschritts, diese Beschleuniger des Reisens und Publizierens faszinierten Mark Twain bis an sein Lebensende. Zweiundzwanzigmal wird er zuletzt den Atlantik per Dampfer überquert haben; und noch in reifen Jahren ruinierte er sich vollkommen mit der Investition für eine Druckmaschine, die beim Probelauf auseinanderflog.
In Hawaii liefen die Dinge anders als in den Prairien, wo die Eingeborenen unter die Räder der westwärts vordringenden Planwagen gerieten. Hier hatte es ein einheimischer Häuptling, Kamehameha der Große, geschafft, unter Zuhilfenahme europäischer Feuerwaffen einen zentral regierten Staat zu errichten. Mark Twain berichtet von den hawaianischen Mädchen, die kühn den Strand von Honolulu entlangreiten und nackt in der Brandung baden, ein so gewöhnlicher Anblick, dass nicht einmal mehr die prüden Weißen herschauen.
Doch was ihn wirklich in den Bann schlägt, ist die Tatsache, dass sich dieses Land als Monarchie europäischen Zuschnitts organisiert hat. „Ich hatte noch nie zuvor einen König gesehen.” Den Kronprinzen trifft er sogar persönlich. „Er hatte ein recht freundliches Gesicht und die beste Nase im ganzen Königreich, ob weiß oder braun. Ein prachtvoller Zinken, auf den er stolz sein kann. Er hat allerdings e i n e n großen Fehler – er ist ein Gewohnheitstrinker (. . . ) Wenn ich eine Predigt schreiben könnte, ihn zu bekehren, würde ich dies mit Freuden tun.”
So fasst Mark Twain in einer Geste des Spotts zwei Berufsstände zusammen, zu denen er sein ganzes Leben hindurch ein schwieriges Verhältnis hatte: Monarchen und Geistliche. Das segensreiche Wirken der Missionare auf Hawaii kommentiert er: "Wie entsetzlich, wenn man bedenkt, das Abertausende auf dieser schönen Insel in ihr Grab sanken, ohne zu ahnen, dass es eine Hölle gibt!" Das geschieht nun nicht mehr, die christlichen Kirchen haben festen Fuß gefasst und verleiden den Hawaianern so nach und nach alles, was ihnen Spaß macht.
Seine eigene Bekehrung zum Besseren sollte ihn gleichwohl schon bald ereilen. Hals über Kopf verliebt er sich in eine zehn Jahre jüngere Frau, von der er vorerst nichts als ein Porträt auf einem Porzellan-Medaillon zu sehen bekommt: Olivia Langdon, von ihm zärtlich „Livy” genannt. Sie heiraten 1870. Seine Briefe an sie sind erfüllt von einem romantischen Überschwang, über den zu lästern er in seinen veröffentlichten Werken wohl schwerlich unterlassen hätte, wäre er ihm bei einem Anderen begegnet.
Twain ist damals schon ein renommierter Vortragskünstler, mit seinen Reportagen aus Hawaii hat er den Durchbruch geschafft; in dieser Zeit vor der Erfindung der bild- und tontragenden Massenmedien füllt er die größten Theatersäle. Aber Manieren hat er immer noch keine. Seiner Frau zuliebe bringt er jedoch die größten Opfer. Er schwört ihr, nicht mehr zu fluchen, er sitzt nunmehr anständig auf einem Sessel und fläzt sich nicht mehr nach westlicher Art formlos hinein, er hört auf, Whiskey zu trinken. Nur um Eines fleht er sie an: Sie möge ihm weiterhin das m ä ß i g e Rauchen gestatten.
„Nein, liebe Livy, ich werde das Rauchen ebenso behandeln wie den Zeigefinger meiner linken Hand: Wenn Du mich ernsthaft darum bitten würdest, diesen Finger abzuhacken, & ich wüsste, dass Du es wirklich ernst meinst, & glaubte, dass dieser Finger meinem Wohlergehen auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise im Weg stünde, & wenn es mir klar wäre, dass Du nicht vollkommen zufrieden & glücklich sein könntest, solange er an meiner Hand bliebe, dann gebe ich Dir mein Wort, dass ich ihn abschneiden würde.”
Das heißt: Bitte bitte mich nicht! Livy hatte dann doch ein Einsehen. Für sich und seine wachsende Familie baut er ein großes luxuriöses Haus in Hartford, Connecticut, und mausert sich zum respektierten Bürger der neuenglischen Gesellschaft. Aber noch einmal kehrt er Mitte der 1870er-Jahre an den Ort seines Ursprungs zurück, an den großen Mississippi. Dort findet er die Inspiration für die drei Werke, die seinen dauernden Ruhm begründen sollten: „Life on the Mississippi”, „The Adventures of Tom Sawyer”, „The Adventures of Huckleberry Finn”.
Die Biografie des Stroms fällt für ihn zwei deutlich getrennte Hälften auseinander, eine vorgeschichtliche und eine geschichtliche. Die Vorgeschichte setzt ein im 17. Jahrhundert, als die Europäer, genauer die Franzosen, erstmals den Mississippi befahren und das ganze Gebiet für den Sonnenkönig in Besitz nehmen, ein Anspruch, den Twain für hochfahrend und lächerlich erklärt. Er zieht es vor, statt von Ludwig XIV. von Ludwig dem Fauligen zu sprechen, oder auch vom Sultan von Versailles.
Die Geschichte des Mississippi im engeren Sinn beginnt für ihn erst, als amerikanische Siedler, die die Appalachen überqueren, das Land wahrhaft erschließen und sich fest niederlassen. Denn hier waren es nicht anmaßende Emissäre, sondern die Nation selbst, die sich in Bewegung setzte. Der Hohn, den Mark Twain ziemlich einförmig über die Volksvertreter ausgießt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie tief er an das amerikanische Volk und dessen demokratische Gesinnung glaubte.
Als Twain seine Bücher in den Siebziger- und Achtzigerjahren schreibt, liegt auch diese Zeit der Landnahme schon weit zurück; aber wiederum nicht so weit, dass sie sich für ihn nicht auf wehmütige Weise mit seinen eigenen Kindheits- und Jugenderinnerungen verbände. Die beiden Bücher über Tom Sawyer und Huck Finn gehören eng zusammen, sie werden auch stets im selben Atemzug genannt, und zwar meist so, als wäre das zweite eine Art Anhängsel des ersten. Dabei verhält es sich umgekehrt: Tom Sawyer darf als eine Vorübung und Einleitung gelten. Tom ist zwar ein notorischer Frechdachs, aber letzten Endes doch ein braver Bürgerssohn, eine Art Michel von Lönneberga der Neuen Welt. Ihm steht ein stramm auktorialer Erzähler zur Seite, der schon durch seine manierliche Darstellung dafür sorgt, dass die Dinge nicht aus dem Ruder laufen.
Dagegen erhebt im zweiten Buch der Landstreicher Huck seine unordentliche Stimme. Erstzmals spricht Amerika selbst, ohne des europäisch geschulten Mundstücks zu bedürfen. Und es geht nicht mehr um Jungestreiche, sondern um wirklich wichtige Dinge: Wird es Hucks Begleiter, dem geflohenen schwarzen Sklaven Jim, gelingen, seine Freiheit zu erkämpfen, oder fällt er seinen Verfolgern in die Hände? Huck leidet Gewissensqualen, weil er die ungeheuerliche Sünde begeht, einen Nigger zu stehlen, der doch Eigentum der Witwe Douglas ist. Schließlich entscheidet er sich, er wolle in Gottesnamen zur Hölle fahren - aber Jim lässt er nicht im Stich. So fahren sie weiter versteckt und bei Nacht den großen Strom hinab und leben von der Hand in den Mund. Dabei, sinniert Jim, wäre er doch eigentlich ein reicher Mann; denn er brächte auf dem Markt leicht seine achthundert Dollar ein.
Tom Sawyer macht seinen Übersetzern wenig Mühe, keine größere jedenfalls als den Lehrern in der Sonntagsschule; aber was Huckleberry Finn zu berichten hat, das stellt eine echte Herausforderung dar. Eine Zeitlang lassen sich Huck und Jim von zwei Schwindlern begleiten, die ihr hinterwäldlerisches Publikum beeindrucken, indem sie zum sichersten Mittel überhaupt greifen: Sie behaupten, königlichen Geblütes zu sein! Erst gibt der eine sich als Herzog zu erkennen, was der andere sogleich zu übertrumpfen versucht. Im Original liest sich die Szene so:
„,Bilgewater, kin I trust you?’ says the old man, still sort of sobbing.
,To the bitter death!’ He took the old man by the hand and squeezed it, and says, ,That secret of your being: speak!’
,Bilgewater, I am the late Dauphin!’”
Hier lässt Mark Twain seiner Geringschätzung für die monarchischen Traditionen Europas ebenso wie für den schafsmäßigen Respekt, den seine Landsleute diesen erweisen, freien humoristischen Lauf. Andreas Nohl, der rechtzeitig zu Twains hundertstem Todestag eine Neuübersetzung bei Hanser vorlegt, macht daraus: „,Bilgewater, kann ich Ihnen vertrauen?’, sagte der alte Mann immer noch schluchzend. ,Bis zum bitteren Tod!’ Er nahm die Hand des alten Mannes, drückte sie und sagte: ,Das Geheimnis Ihres Daseins – sprechen Sie!’,Bilgewater, ich bin der ehemalige Delphin!’”
Das ist korrekt und solide, möglicherweise etwas harthörig gegen die feinen Tonkontraste. Originell ist jedoch die Erfindung des „Delphins”, mit dem sich Nohl ein summarisches Äquivalent für die Fehlleistungen der zwei Halunken beim Griff ins hohe Register ausgedacht hat. Der Diogenes-Verlag hat, ebenfalls pünktlich zum Jubiläum, die alte Übersetzung von Lore Krüger wieder zu Ehren gebracht (sie allerdings leider mit den betulichen Bleistift-Zeichnungen von Tatjana Hauptmann illustriert). Dort liest man: „,Bilgewater, kann ich dir trauen?’, fragte der Alte und schluchzte immer noch. ,Bis in den bittren Tod!’ Er nahm den Alten bei der Hand, drückte sie und sagte: ,Das Geheimnis deines Seins: Sprich!’,Bilgewater, ich bin der verstorbene Dauphin!’” Der verstorbene Dauphin, das ist es! Es nimmt der Frechheit der Akteure und der Leichtgläubigkeit der Zuschauer genau jenes Maß, das Twain im Sinn hatte.
Mark Twain schrieb nach dem Huckleberry Finn noch ein Vierteljahrhundert lang viele Bücher, aber dessen Rang dürfte er nicht wieder erreicht haben. Der Manesse-Verlag hat einen vergessenen Roman ausgegraben, den „Knallkopf Wilson” – „Pudd’nhead Wilson”; doch obwohl man natürlich auch hier immer wieder an der Klaue den Löwen erkennt (der sich inzwischen zum an Locken und Brauen stark bebuschten Salonlöwen entwickelt hatte), muss man es dennoch für ein selbstgerechtes Werklein erklären, das die Gleichheit aller Menschen einschließlich der Schwarzen durch einen hochgradig unwahrscheinlichen Verwechslungs-Plot moralisierend zu erweisen sucht.
Das Beste daran sind die Maximen aus Knallkopf Wilsons Hauskalender, von denen die einzelnen Kapitel eingeleitet werden. „Der auffälligste Unterschied zwischen einer Katze und einer Lüge”, heißt es da, „ist, dass eine Katze nur neun Leben hat.” Oder: „Warum freuen wir uns bei einer Geburt und trauern bei einem Begräbnis? Weil wir nicht die Personen sind, um die es geht.”
Den allseits beliebten Humoristen wollte Twain immer weniger geben; der Sarkasmus, seinem Witz immer nah, gewinnt an Schärfe. Noch immer war er berühmt, umworben und prinzipiell sehr wohlhabend; aber er wirtschaftete schlecht, kam aus den Schulden nicht heraus, fühlte sich durch die Vortragsreisen zunehmend ausgelaugt und musste zudem viel privates Unglück tragen. Von den drei Töchtern, die das Kleinkindalter überlebt hatten, starb eine an Hirnhautentzündung, eine andere, die ihm liebste, bei einem epileptischen Anfall in der Badewanne; die dritte ging, zu seinem Schmerz, ihre eigenen Wege. Endlich starb auch noch die geliebte Livy.
Doch wandte er sich in seinen letzten Lebensjahren noch einmal anderen Zielen zu. Nachdrücklicher als zuvor bezog er Stellung zu zeitgenössischen Geschehnissen, zum brutalen Krieg der Engländer gegen die Buren in Südafrika, zur misslingenden amerikanischen Kolonialpolitik auf den Philippinen. Man braucht das Wort „Philippinen” bei Twain nur gegen das andere, „Vietnam”, zu ersetzen, um zu erkennen, dass dieselben Fehler immer wieder gemacht werden wollen. Und vor allem fand er denjenigen, den er vielleicht immer schon gesucht und der sich ihm bis dahin hartnäckig entzogen hatte, den einen großen Feind, den zu hassen sich wahrhaft lohnte. Es war natürlich ein König: Leopold II. von Belgien.
Das heute wenig bekannte „Selbstgespräch König Leopolds” führt den Monarchen vor, wie er in seinen privaten Gemächern mit höchstem Unwillen durch die Pamphlete blättert, die ihm gelten. Leopold hatte in Zentralafrika, mit Duldung und Billigung aller Mächte einschließlich der Vereinigten Staaten, sein Privatreich gegründet, den „Kongo-Freistaat”, in dem ihm schlechterdings alles bis hinab zu den Nahrungsmitteln seiner Untertanen gehörte. Seine Kongo-Gesellschaft plünderte das Land mit grenzenloser Gier, Schätzungen sprachen von zehn bis fünfzehn Millionen Toten durch Exekutionen, Erschöpfung, Hunger und Kannibaliusmus. Dies alles erfährt man aus Mark Twains Text, jedoch stets so, dass es dem König selbst in den Mund gelegt wird. „Und selbst wenn es zuträfe: Es ist doch Verleumdung, wenn man es gegen einen K ö n i g äußert!” Dazu fasst er das schwere Kruzifix, das er um den Hals trägt, und „küsst es hastig”.
An diesem späten Punkt seines Lebens fängt Mark Twain noch einmal etwas ganz Neues an. Twain ist wohl der Erste überhaupt, der zu Hybrid- und Montageformen greift, um das dokumentarische Material des noch jungen finsteren Jahrhunderts zu dramatisieren. Seiner Spur wird ein rundes Jahrzehnt später Karl Kraus folgen (der Mark Twain sonst durchaus nicht schätzte), als er auf den Ersten Weltkrieg mit dem Monsterwerk „Die Letzten Tage der Menschheit” reagiert. Twains Ein-Personen-Dramolett endet mit der Frage: Darf man einen König hängen? Seine Antwort, wenig überraschend: Aber ja!
Am 21. April 1910 ist Mark Twain im Alter von 74 Jahren gestorben.
BURKHARD MÜLLER
MARK TWAIN: Post aus Hawaii. Herausgegeben und aus dem Englischen übersetzt von Alexander Pechmann. Mare Verlag, Hamburg 2010. 355 Seiten, 24 Euro.
MARK TWAIN: Sommerwogen. Eine Liebe in Briefen. Herausgegeben und aus dem Englischen übersetzt von Alexander Pechmann. Aufbau Verlag, Berlin 2010, 303 Seiten, 16,95 Euro.
MARK TWAIN: Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Herausgegeben und aus dem Englischen übersetzt von Andreas Nohl. Hanser Verlag, München 2010. 711 Seiten, 34,90 Euro.
MARK TWAIN: Tom Sawyers Abenteuer / Huckleberry Finns Abenteuer. Aus dem Englischen übersetzt von Lore Krüger. Mit Bildern von Tatjana Hauptmann. Diogenes Verlag, Zürich 2010. 2 Bände, zus. 798 Seiten, 29,90 Euro.
MARK TWAIN: Knallkopf Wilson. Eine Geschichte. Aus dem Englischen übersetzt von Reinhild Böhnke. Mit einem Nachwort von Manfred Pfister. Manesse Verlag, Zürich 2010. 318 Seiten, 19,95 Euro.
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Vor 100 Jahren starb der Dampfschifflotse, Wanderdrucker und erste wahrhaft amerikanische Schriftsteller Mark Twain
Im Alter von dreißig Jahren hatte Samuel Langhorne Clemens schon einiges hinter sich. Aus einem kleinen Dorf am Mississippi stammend, musste er nach dem Tod seines Vaters frühzeitig als Botenjunge und Gehilfe eines Schmieds zum Unterhalt der Familie beitragen, wurde Lehrling in einer Druckerei, brannte mit achtzehn durch, hielt es nirgends lange aus, ging als Drucker, Reporter und Zeitungsmann in den Osten der USA, dann weit in den Westen, der eben erst anfing, der Wilde zu werden, zunächst nach Iowa, dann in die neuen Goldgräberstädte Nevadas und Kaliforniens. Zwischendrin lagen einige Jahre, die er als Lotse auf den Schaufelraddampfern des Mississippi verbrachte, ein Job, der wichtiger und angesehener war als der des Kapitäns, denn beim Lotsen lag die Verantwortung, das Schiff sicher über die wandernden Untiefen des immer launischen Stroms zu führen. Vor kurzem erst hatte er sich ein Pseudonym zugelegt, Mark Twain, und damit der Welt verkündet, dass er sich ihr nunmehr vor allem als Autor zu präsentieren gedachte.
Jetzt, im Jahr 1866, erhielt er eine Gelegenheit, die sich als der Wendepunkt seiner Karriere erweisen sollte: Der „Sacramento Union”, eine kalifornische Zeitung, entsandte ihn auf der soeben eingerichteten Dampfschifflinie quer über den Pazifischen Ozean als Korrespondenten nach Hawaii. (Erst jetzt ist das Journal dieser Reise auf Deutsch beim Mare-Verlag erschienen.) Druckmaschinen und Dampfschiffe: Diese zwei eminenten Vehikel des Fortschritts, diese Beschleuniger des Reisens und Publizierens faszinierten Mark Twain bis an sein Lebensende. Zweiundzwanzigmal wird er zuletzt den Atlantik per Dampfer überquert haben; und noch in reifen Jahren ruinierte er sich vollkommen mit der Investition für eine Druckmaschine, die beim Probelauf auseinanderflog.
In Hawaii liefen die Dinge anders als in den Prairien, wo die Eingeborenen unter die Räder der westwärts vordringenden Planwagen gerieten. Hier hatte es ein einheimischer Häuptling, Kamehameha der Große, geschafft, unter Zuhilfenahme europäischer Feuerwaffen einen zentral regierten Staat zu errichten. Mark Twain berichtet von den hawaianischen Mädchen, die kühn den Strand von Honolulu entlangreiten und nackt in der Brandung baden, ein so gewöhnlicher Anblick, dass nicht einmal mehr die prüden Weißen herschauen.
Doch was ihn wirklich in den Bann schlägt, ist die Tatsache, dass sich dieses Land als Monarchie europäischen Zuschnitts organisiert hat. „Ich hatte noch nie zuvor einen König gesehen.” Den Kronprinzen trifft er sogar persönlich. „Er hatte ein recht freundliches Gesicht und die beste Nase im ganzen Königreich, ob weiß oder braun. Ein prachtvoller Zinken, auf den er stolz sein kann. Er hat allerdings e i n e n großen Fehler – er ist ein Gewohnheitstrinker (. . . ) Wenn ich eine Predigt schreiben könnte, ihn zu bekehren, würde ich dies mit Freuden tun.”
So fasst Mark Twain in einer Geste des Spotts zwei Berufsstände zusammen, zu denen er sein ganzes Leben hindurch ein schwieriges Verhältnis hatte: Monarchen und Geistliche. Das segensreiche Wirken der Missionare auf Hawaii kommentiert er: "Wie entsetzlich, wenn man bedenkt, das Abertausende auf dieser schönen Insel in ihr Grab sanken, ohne zu ahnen, dass es eine Hölle gibt!" Das geschieht nun nicht mehr, die christlichen Kirchen haben festen Fuß gefasst und verleiden den Hawaianern so nach und nach alles, was ihnen Spaß macht.
Seine eigene Bekehrung zum Besseren sollte ihn gleichwohl schon bald ereilen. Hals über Kopf verliebt er sich in eine zehn Jahre jüngere Frau, von der er vorerst nichts als ein Porträt auf einem Porzellan-Medaillon zu sehen bekommt: Olivia Langdon, von ihm zärtlich „Livy” genannt. Sie heiraten 1870. Seine Briefe an sie sind erfüllt von einem romantischen Überschwang, über den zu lästern er in seinen veröffentlichten Werken wohl schwerlich unterlassen hätte, wäre er ihm bei einem Anderen begegnet.
Twain ist damals schon ein renommierter Vortragskünstler, mit seinen Reportagen aus Hawaii hat er den Durchbruch geschafft; in dieser Zeit vor der Erfindung der bild- und tontragenden Massenmedien füllt er die größten Theatersäle. Aber Manieren hat er immer noch keine. Seiner Frau zuliebe bringt er jedoch die größten Opfer. Er schwört ihr, nicht mehr zu fluchen, er sitzt nunmehr anständig auf einem Sessel und fläzt sich nicht mehr nach westlicher Art formlos hinein, er hört auf, Whiskey zu trinken. Nur um Eines fleht er sie an: Sie möge ihm weiterhin das m ä ß i g e Rauchen gestatten.
„Nein, liebe Livy, ich werde das Rauchen ebenso behandeln wie den Zeigefinger meiner linken Hand: Wenn Du mich ernsthaft darum bitten würdest, diesen Finger abzuhacken, & ich wüsste, dass Du es wirklich ernst meinst, & glaubte, dass dieser Finger meinem Wohlergehen auf irgendeine geheimnisvolle Art und Weise im Weg stünde, & wenn es mir klar wäre, dass Du nicht vollkommen zufrieden & glücklich sein könntest, solange er an meiner Hand bliebe, dann gebe ich Dir mein Wort, dass ich ihn abschneiden würde.”
Das heißt: Bitte bitte mich nicht! Livy hatte dann doch ein Einsehen. Für sich und seine wachsende Familie baut er ein großes luxuriöses Haus in Hartford, Connecticut, und mausert sich zum respektierten Bürger der neuenglischen Gesellschaft. Aber noch einmal kehrt er Mitte der 1870er-Jahre an den Ort seines Ursprungs zurück, an den großen Mississippi. Dort findet er die Inspiration für die drei Werke, die seinen dauernden Ruhm begründen sollten: „Life on the Mississippi”, „The Adventures of Tom Sawyer”, „The Adventures of Huckleberry Finn”.
Die Biografie des Stroms fällt für ihn zwei deutlich getrennte Hälften auseinander, eine vorgeschichtliche und eine geschichtliche. Die Vorgeschichte setzt ein im 17. Jahrhundert, als die Europäer, genauer die Franzosen, erstmals den Mississippi befahren und das ganze Gebiet für den Sonnenkönig in Besitz nehmen, ein Anspruch, den Twain für hochfahrend und lächerlich erklärt. Er zieht es vor, statt von Ludwig XIV. von Ludwig dem Fauligen zu sprechen, oder auch vom Sultan von Versailles.
Die Geschichte des Mississippi im engeren Sinn beginnt für ihn erst, als amerikanische Siedler, die die Appalachen überqueren, das Land wahrhaft erschließen und sich fest niederlassen. Denn hier waren es nicht anmaßende Emissäre, sondern die Nation selbst, die sich in Bewegung setzte. Der Hohn, den Mark Twain ziemlich einförmig über die Volksvertreter ausgießt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, wie tief er an das amerikanische Volk und dessen demokratische Gesinnung glaubte.
Als Twain seine Bücher in den Siebziger- und Achtzigerjahren schreibt, liegt auch diese Zeit der Landnahme schon weit zurück; aber wiederum nicht so weit, dass sie sich für ihn nicht auf wehmütige Weise mit seinen eigenen Kindheits- und Jugenderinnerungen verbände. Die beiden Bücher über Tom Sawyer und Huck Finn gehören eng zusammen, sie werden auch stets im selben Atemzug genannt, und zwar meist so, als wäre das zweite eine Art Anhängsel des ersten. Dabei verhält es sich umgekehrt: Tom Sawyer darf als eine Vorübung und Einleitung gelten. Tom ist zwar ein notorischer Frechdachs, aber letzten Endes doch ein braver Bürgerssohn, eine Art Michel von Lönneberga der Neuen Welt. Ihm steht ein stramm auktorialer Erzähler zur Seite, der schon durch seine manierliche Darstellung dafür sorgt, dass die Dinge nicht aus dem Ruder laufen.
Dagegen erhebt im zweiten Buch der Landstreicher Huck seine unordentliche Stimme. Erstzmals spricht Amerika selbst, ohne des europäisch geschulten Mundstücks zu bedürfen. Und es geht nicht mehr um Jungestreiche, sondern um wirklich wichtige Dinge: Wird es Hucks Begleiter, dem geflohenen schwarzen Sklaven Jim, gelingen, seine Freiheit zu erkämpfen, oder fällt er seinen Verfolgern in die Hände? Huck leidet Gewissensqualen, weil er die ungeheuerliche Sünde begeht, einen Nigger zu stehlen, der doch Eigentum der Witwe Douglas ist. Schließlich entscheidet er sich, er wolle in Gottesnamen zur Hölle fahren - aber Jim lässt er nicht im Stich. So fahren sie weiter versteckt und bei Nacht den großen Strom hinab und leben von der Hand in den Mund. Dabei, sinniert Jim, wäre er doch eigentlich ein reicher Mann; denn er brächte auf dem Markt leicht seine achthundert Dollar ein.
Tom Sawyer macht seinen Übersetzern wenig Mühe, keine größere jedenfalls als den Lehrern in der Sonntagsschule; aber was Huckleberry Finn zu berichten hat, das stellt eine echte Herausforderung dar. Eine Zeitlang lassen sich Huck und Jim von zwei Schwindlern begleiten, die ihr hinterwäldlerisches Publikum beeindrucken, indem sie zum sichersten Mittel überhaupt greifen: Sie behaupten, königlichen Geblütes zu sein! Erst gibt der eine sich als Herzog zu erkennen, was der andere sogleich zu übertrumpfen versucht. Im Original liest sich die Szene so:
„,Bilgewater, kin I trust you?’ says the old man, still sort of sobbing.
,To the bitter death!’ He took the old man by the hand and squeezed it, and says, ,That secret of your being: speak!’
,Bilgewater, I am the late Dauphin!’”
Hier lässt Mark Twain seiner Geringschätzung für die monarchischen Traditionen Europas ebenso wie für den schafsmäßigen Respekt, den seine Landsleute diesen erweisen, freien humoristischen Lauf. Andreas Nohl, der rechtzeitig zu Twains hundertstem Todestag eine Neuübersetzung bei Hanser vorlegt, macht daraus: „,Bilgewater, kann ich Ihnen vertrauen?’, sagte der alte Mann immer noch schluchzend. ,Bis zum bitteren Tod!’ Er nahm die Hand des alten Mannes, drückte sie und sagte: ,Das Geheimnis Ihres Daseins – sprechen Sie!’,Bilgewater, ich bin der ehemalige Delphin!’”
Das ist korrekt und solide, möglicherweise etwas harthörig gegen die feinen Tonkontraste. Originell ist jedoch die Erfindung des „Delphins”, mit dem sich Nohl ein summarisches Äquivalent für die Fehlleistungen der zwei Halunken beim Griff ins hohe Register ausgedacht hat. Der Diogenes-Verlag hat, ebenfalls pünktlich zum Jubiläum, die alte Übersetzung von Lore Krüger wieder zu Ehren gebracht (sie allerdings leider mit den betulichen Bleistift-Zeichnungen von Tatjana Hauptmann illustriert). Dort liest man: „,Bilgewater, kann ich dir trauen?’, fragte der Alte und schluchzte immer noch. ,Bis in den bittren Tod!’ Er nahm den Alten bei der Hand, drückte sie und sagte: ,Das Geheimnis deines Seins: Sprich!’,Bilgewater, ich bin der verstorbene Dauphin!’” Der verstorbene Dauphin, das ist es! Es nimmt der Frechheit der Akteure und der Leichtgläubigkeit der Zuschauer genau jenes Maß, das Twain im Sinn hatte.
Mark Twain schrieb nach dem Huckleberry Finn noch ein Vierteljahrhundert lang viele Bücher, aber dessen Rang dürfte er nicht wieder erreicht haben. Der Manesse-Verlag hat einen vergessenen Roman ausgegraben, den „Knallkopf Wilson” – „Pudd’nhead Wilson”; doch obwohl man natürlich auch hier immer wieder an der Klaue den Löwen erkennt (der sich inzwischen zum an Locken und Brauen stark bebuschten Salonlöwen entwickelt hatte), muss man es dennoch für ein selbstgerechtes Werklein erklären, das die Gleichheit aller Menschen einschließlich der Schwarzen durch einen hochgradig unwahrscheinlichen Verwechslungs-Plot moralisierend zu erweisen sucht.
Das Beste daran sind die Maximen aus Knallkopf Wilsons Hauskalender, von denen die einzelnen Kapitel eingeleitet werden. „Der auffälligste Unterschied zwischen einer Katze und einer Lüge”, heißt es da, „ist, dass eine Katze nur neun Leben hat.” Oder: „Warum freuen wir uns bei einer Geburt und trauern bei einem Begräbnis? Weil wir nicht die Personen sind, um die es geht.”
Den allseits beliebten Humoristen wollte Twain immer weniger geben; der Sarkasmus, seinem Witz immer nah, gewinnt an Schärfe. Noch immer war er berühmt, umworben und prinzipiell sehr wohlhabend; aber er wirtschaftete schlecht, kam aus den Schulden nicht heraus, fühlte sich durch die Vortragsreisen zunehmend ausgelaugt und musste zudem viel privates Unglück tragen. Von den drei Töchtern, die das Kleinkindalter überlebt hatten, starb eine an Hirnhautentzündung, eine andere, die ihm liebste, bei einem epileptischen Anfall in der Badewanne; die dritte ging, zu seinem Schmerz, ihre eigenen Wege. Endlich starb auch noch die geliebte Livy.
Doch wandte er sich in seinen letzten Lebensjahren noch einmal anderen Zielen zu. Nachdrücklicher als zuvor bezog er Stellung zu zeitgenössischen Geschehnissen, zum brutalen Krieg der Engländer gegen die Buren in Südafrika, zur misslingenden amerikanischen Kolonialpolitik auf den Philippinen. Man braucht das Wort „Philippinen” bei Twain nur gegen das andere, „Vietnam”, zu ersetzen, um zu erkennen, dass dieselben Fehler immer wieder gemacht werden wollen. Und vor allem fand er denjenigen, den er vielleicht immer schon gesucht und der sich ihm bis dahin hartnäckig entzogen hatte, den einen großen Feind, den zu hassen sich wahrhaft lohnte. Es war natürlich ein König: Leopold II. von Belgien.
Das heute wenig bekannte „Selbstgespräch König Leopolds” führt den Monarchen vor, wie er in seinen privaten Gemächern mit höchstem Unwillen durch die Pamphlete blättert, die ihm gelten. Leopold hatte in Zentralafrika, mit Duldung und Billigung aller Mächte einschließlich der Vereinigten Staaten, sein Privatreich gegründet, den „Kongo-Freistaat”, in dem ihm schlechterdings alles bis hinab zu den Nahrungsmitteln seiner Untertanen gehörte. Seine Kongo-Gesellschaft plünderte das Land mit grenzenloser Gier, Schätzungen sprachen von zehn bis fünfzehn Millionen Toten durch Exekutionen, Erschöpfung, Hunger und Kannibaliusmus. Dies alles erfährt man aus Mark Twains Text, jedoch stets so, dass es dem König selbst in den Mund gelegt wird. „Und selbst wenn es zuträfe: Es ist doch Verleumdung, wenn man es gegen einen K ö n i g äußert!” Dazu fasst er das schwere Kruzifix, das er um den Hals trägt, und „küsst es hastig”.
An diesem späten Punkt seines Lebens fängt Mark Twain noch einmal etwas ganz Neues an. Twain ist wohl der Erste überhaupt, der zu Hybrid- und Montageformen greift, um das dokumentarische Material des noch jungen finsteren Jahrhunderts zu dramatisieren. Seiner Spur wird ein rundes Jahrzehnt später Karl Kraus folgen (der Mark Twain sonst durchaus nicht schätzte), als er auf den Ersten Weltkrieg mit dem Monsterwerk „Die Letzten Tage der Menschheit” reagiert. Twains Ein-Personen-Dramolett endet mit der Frage: Darf man einen König hängen? Seine Antwort, wenig überraschend: Aber ja!
Am 21. April 1910 ist Mark Twain im Alter von 74 Jahren gestorben.
BURKHARD MÜLLER
MARK TWAIN: Post aus Hawaii. Herausgegeben und aus dem Englischen übersetzt von Alexander Pechmann. Mare Verlag, Hamburg 2010. 355 Seiten, 24 Euro.
MARK TWAIN: Sommerwogen. Eine Liebe in Briefen. Herausgegeben und aus dem Englischen übersetzt von Alexander Pechmann. Aufbau Verlag, Berlin 2010, 303 Seiten, 16,95 Euro.
MARK TWAIN: Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Herausgegeben und aus dem Englischen übersetzt von Andreas Nohl. Hanser Verlag, München 2010. 711 Seiten, 34,90 Euro.
MARK TWAIN: Tom Sawyers Abenteuer / Huckleberry Finns Abenteuer. Aus dem Englischen übersetzt von Lore Krüger. Mit Bildern von Tatjana Hauptmann. Diogenes Verlag, Zürich 2010. 2 Bände, zus. 798 Seiten, 29,90 Euro.
MARK TWAIN: Knallkopf Wilson. Eine Geschichte. Aus dem Englischen übersetzt von Reinhild Böhnke. Mit einem Nachwort von Manfred Pfister. Manesse Verlag, Zürich 2010. 318 Seiten, 19,95 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.04.2010Solch ein Kriminalfall ist nur etwas für Knallköpfe
Durch dick und dünn: Auch hundert Jahre nach seinem Tod ist Mark Twain immer noch für Überraschungen gut. In Neuerscheinungen begegnet er uns als Hawaii-Reisender und Verbrecherjäger, als Zwillingsforscher und großer Liebender.
Es gibt unangenehmere Pflichten, als ein paar Monate nach Hawaii zu fahren, um von dort für die "Daily Union" nach Sacramento zu berichten, vor allem für einen Journalisten, der sich mit gerade dreißig Jahren schon ausgebrannt fühlt: "Ich musste", schreibt Samuel Clemens, der sich als Autor Mark Twain nannte, in seinem Erinnerungsbuch "Durch dick und dünn" (1872), vor dieser Reise in San Francisco "tagtäglich ohne Rast und Ruh einen Bericht schreiben, und dessen wurde ich unsäglich überdrüssig. Der Drang zum Vagabundieren überfiel mich mit Macht."
Trotzdem ließ er die erste Gelegenheit, mit dem Dampfer "Ajax" nach Hawaii zu fahren, vorüberstreichen, verbrachte aber schließlich im Frühjahr und Sommer 1866 doch noch fünf Monate auf Hawaii, schrieb in dieser Zeit immerhin 25 Briefe an den Verleger und bereiste die Inselgruppe nach Kräften. Er ließ sich Plantagen zeigen und Strände, besichtigte den Vulkan Kilauea auf Hawaii, prähistorische Tempelruinen und ein Gräberfeld voller Gerippe, von dem sich der respektlose Besucher dann eine beinerne Gerte für sein eigensinniges Pferd stahl. Er interessierte sich ebenso für die hawaiianische Geschichte wie für das komplizierte Miteinander der Einheimischen und der Zuwanderer und zeigte schließlich in seiner Beschreibung der Ermordung Captain Cooks ein knappes Jahrhundert zuvor sogar ein gewisses Verständnis für die Mörder. Teile dieser Briefe nutzte Twain später, um das Manuskript von "Durch dick und dünn" auf die vereinbarte Länge zu bringen, und dort stechen sie auch heraus, indem sie stärker als die übrigen Kapitel die Person Twains und ihre Erlebnisse hinter der geschilderten Umgebung zurücktreten lassen.
Die ungekürzten Reisebriefe, die 1967 in den Vereinigten Staaten als Buch erschienen waren, liegen zum heutigen hundertsten Todestag des Autors nun auch auf Deutsch vor, und während inhaltlich alles Wesentliche auch Eingang in "Durch dick und dünn" gefunden hat, zeigt sich in den Briefen doch formal ein irritierendes Moment, das auf Twains künftiges Werk vorausweist: Der Autor, der seine Leser in Sacramento für den Archipel interessieren will und offen für einen regeren Verkehr zwischen Kalifornien und Hawaii wirbt, behält es sich vor, von den Annehmlichkeiten des insularen Lebens zu sprechen - für unschöne Seiten ist ein kauziger Reisebegleiter namens Brown zuständig, der schon auf der Schiffsreise seine Wunderlichkeit unter Beweis gestellt hatte, indem er ein Stück feinster Seife erst auf seinen Geschmack hin prüfte und dann als ungenießbar über Bord warf. Später wird er in einer langen Suada Twains Reisebericht um die Schilderung diverser Ärgernisse ergänzen ("rote Ameisen, Skorpione, Spinnen, Moskitos und Missionare") und sich überhaupt als ebenso boshaft wie phantasievoll zeigen, wenn es um die Schattenseite der Inseln geht.
Welche kaum zu überschätzende Rolle diese - in "Post aus Hawaii" noch eher trivial verwendete - Struktur für das Gesamtwerk Twains spielt, zeigt Manfred Pfister in seinem Nachwort zu "Knallkopf Wilson", einem weniger bekannten Roman Twains, dessen Neuedition bei Manesse der wichtigste Ertrag des Twain-Jubiläums auf dem deutschsprachigen Buchmarkt ist. Dass Twain es liebt, die eine Gestalt in der anderen zu spiegeln, ist offensichtlich: Das geschieht noch einigermaßen konventionell in den befreundeten Antipoden Tom Sawyer und Huck Finn (F.A.Z. vom 3. April), trägt unheimliche Züge in "Prinz und Bettelknabe", wo die beiden äußerlich kaum zu unterscheidenden Protagonisten zeitweilig jeweils den sozialen Platz des anderen einnehmen, wird als zweiteilige moderne Fabel in den Geschicken des "guten" wie des "bösen" Knaben durchgespielt (der gute scheitert) oder im als Aporie endenden Roman "Ein Yankee an König Artus' Hof" (1889): Dort kämpft der Zauberer Merlin gegen einen zeitreisenden Homo faber namens Hank Morgan, der die Wissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts gegen die Zauberei des sechsten in Stellung bringt - und irritierenderweise in seinem Namen auf die in der Artusepik als Merlins Gegenspielerin tradierte Fee Morgana verweist.
All dies kulminiert im 1894 erschienenen Roman "Knallkopf Wilson" (im Original: "Pudd'nhead Wilson", so dass als deutscher Titel "Matschbirne Wilson" näher gelegen hätte), der gleich zwei bis drei solcher Paarbeziehungen enthält: Da sind zunächst zwei Jungen, die sich zum Verwechseln ähneln und schließlich im Säuglingsalter auch gegeneinander ausgetauscht wurden, obwohl der eine als Sohn einer schwarzen Sklavin unfrei geboren wurde, der andere frei als Sohn eines Aristokraten aus Missouri. Neben diesen falschen treten zwei echte Zwillinge auf sowie drittens der Titelheld, der seinen Mitbürgern als "Knallkopf" gilt und am Ende durch die Errungenschaften moderner Kriminalistik ebenso wie durch seinen scharfen Verstand einen für jedermann sonst unlösbaren Kriminalfall löst. Und schließlich verweist selbst der Titel des Romans auf Edgar Allan Poes Doppelgängergeschichte "William Wilson" von 1839.
Wie im zwölf Jahre zuvor publizierten "Prinz und Bettelknabe" geht es Twain hier um den Nachweis, dass es keine natürliche Befähigung für den einen oder anderen sozialen Stand gibt, in den man geboren wird, dass aber Erziehung und Gewohnheit das Ihre tun, damit sich Menschen in den Platz, den man ihnen zuweist, einfügen können oder eben nicht. Und so ist es die böse Pointe des Romans, dass am Ende der als Gentleman aufgezogene, reichlich liederliche Sohn der Sklavin nunmehr tatsächlich als Sklave verkauft wird, während sich sein zum freien Mann erhobener Doppelgänger beim besten Willen nicht in der Gesellschaft zurechtfinden kann, die ihm durch seine Geburt bestimmt war. Unter anderem deshalb, weil man ihm das Lesen- und Schreibenlernen vorenthalten hat.
Der Gedanke, dass ein Erziehungsprogramm auch im reiferen Alter nicht vollends sinnlos sei, war Twain allerdings nicht fremd - er bildete die Grundlage für seine Ehe. Denn als er sich in Olivia Langdon verliebte (erst in ihr Porträt, dann in sie selbst), war er zweiunddreißig Jahre alt, dem Alkohol zugeneigt, nicht besonders religiös und leidenschaftlicher Raucher. Als die Tochter eines reichen Aufsteigers ihn abwies, einigte man sich statt der Liebe auf ein Bekehrungswerk, das Olivia an Twain durchführen wollte und das 1870 schließlich doch in einer Eheschließung mündete.
Eine Auswahl der Briefe, die Twain an Olivia schrieb, ergänzt durch einige wenige Antwortschreiben sowie andere Briefe aus dem familiären Umfeld, sind jetzt auf Deutsch erschienen. Sie zeigen, wie ernst es Twain mit dieser Ehe meinte und mit allem, was das gemeinsame Leben mit Olivia für ihn bedeutete - und teilen so Twains Existenz in ein Vorher/nachher-Schema ein, wenn nicht gar in eines der Wirklichkeit/Möglichkeit, nach dem ein elender Autor in einer olivialosen Parallelwelt seinem Elend entgegendriftet.
Allerdings scheint Twain seinen Abstinenzlervorsatz nicht absolut eingehalten zu haben. Und ein Brief, in dem er seiner Frau erläutert, warum er ihr Insistieren auf ein Nikotinverbot nicht akzeptieren mag, ist der einzige, der von seiner Seite aus einen schärferen Ton in diesen sonst geradezu berührend zärtlichen Briefwechsel bringt - schon im nächsten Brief entschuldigt er sich für seine Schroffheit.
Das eigentliche Wunder dieses Bandes ist aber, wie auch Olivia sich an Twains Seite wandelt: Es ist diese betont religiöse Frau, die nun von Glaubenszweifeln befallen wird, nicht aber von Zweifeln an ihrem Mann. Wenn sie doch Gott nur so unverbrüchlich lieben könne wie den Gatten, seufzt sie einmal, dann wäre sie ruhiger.
Wer hier unterm Strich das größere Bekehrungswerk verrichtet hat, bliebe zu klären.
TILMAN SPRECKELSEN
Mark Twain: "Knallkopf Wilson". Roman. Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke. Mit einem Nachwort von Manfred Pfister. Manesse Verlag, Zürich 2010. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
Mark Twain: "Sommerwogen". Eine Liebe in Briefen. Herausgegeben und aus dem Englischen von Alexander Pechmann. Aufbau Verlag, Berlin 2010. 304 S., geb., 16,95 [Euro].
Mark Twain: "Ein Yankee an König Artus' Hof". Roman. Aus dem Englischen von Lore Krüger. Mit einem Nachwort von Alexander Pechmann. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2010. 447 S., geb., 9,95 [Euro].
Mark Twain: "Post aus Hawaii". Herausgegeben und aus dem Englischen von Alexander Pechmann. Mare Verlag, Hamburg 2010. 368 S., geb., 24,- [Euro].
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Durch dick und dünn: Auch hundert Jahre nach seinem Tod ist Mark Twain immer noch für Überraschungen gut. In Neuerscheinungen begegnet er uns als Hawaii-Reisender und Verbrecherjäger, als Zwillingsforscher und großer Liebender.
Es gibt unangenehmere Pflichten, als ein paar Monate nach Hawaii zu fahren, um von dort für die "Daily Union" nach Sacramento zu berichten, vor allem für einen Journalisten, der sich mit gerade dreißig Jahren schon ausgebrannt fühlt: "Ich musste", schreibt Samuel Clemens, der sich als Autor Mark Twain nannte, in seinem Erinnerungsbuch "Durch dick und dünn" (1872), vor dieser Reise in San Francisco "tagtäglich ohne Rast und Ruh einen Bericht schreiben, und dessen wurde ich unsäglich überdrüssig. Der Drang zum Vagabundieren überfiel mich mit Macht."
Trotzdem ließ er die erste Gelegenheit, mit dem Dampfer "Ajax" nach Hawaii zu fahren, vorüberstreichen, verbrachte aber schließlich im Frühjahr und Sommer 1866 doch noch fünf Monate auf Hawaii, schrieb in dieser Zeit immerhin 25 Briefe an den Verleger und bereiste die Inselgruppe nach Kräften. Er ließ sich Plantagen zeigen und Strände, besichtigte den Vulkan Kilauea auf Hawaii, prähistorische Tempelruinen und ein Gräberfeld voller Gerippe, von dem sich der respektlose Besucher dann eine beinerne Gerte für sein eigensinniges Pferd stahl. Er interessierte sich ebenso für die hawaiianische Geschichte wie für das komplizierte Miteinander der Einheimischen und der Zuwanderer und zeigte schließlich in seiner Beschreibung der Ermordung Captain Cooks ein knappes Jahrhundert zuvor sogar ein gewisses Verständnis für die Mörder. Teile dieser Briefe nutzte Twain später, um das Manuskript von "Durch dick und dünn" auf die vereinbarte Länge zu bringen, und dort stechen sie auch heraus, indem sie stärker als die übrigen Kapitel die Person Twains und ihre Erlebnisse hinter der geschilderten Umgebung zurücktreten lassen.
Die ungekürzten Reisebriefe, die 1967 in den Vereinigten Staaten als Buch erschienen waren, liegen zum heutigen hundertsten Todestag des Autors nun auch auf Deutsch vor, und während inhaltlich alles Wesentliche auch Eingang in "Durch dick und dünn" gefunden hat, zeigt sich in den Briefen doch formal ein irritierendes Moment, das auf Twains künftiges Werk vorausweist: Der Autor, der seine Leser in Sacramento für den Archipel interessieren will und offen für einen regeren Verkehr zwischen Kalifornien und Hawaii wirbt, behält es sich vor, von den Annehmlichkeiten des insularen Lebens zu sprechen - für unschöne Seiten ist ein kauziger Reisebegleiter namens Brown zuständig, der schon auf der Schiffsreise seine Wunderlichkeit unter Beweis gestellt hatte, indem er ein Stück feinster Seife erst auf seinen Geschmack hin prüfte und dann als ungenießbar über Bord warf. Später wird er in einer langen Suada Twains Reisebericht um die Schilderung diverser Ärgernisse ergänzen ("rote Ameisen, Skorpione, Spinnen, Moskitos und Missionare") und sich überhaupt als ebenso boshaft wie phantasievoll zeigen, wenn es um die Schattenseite der Inseln geht.
Welche kaum zu überschätzende Rolle diese - in "Post aus Hawaii" noch eher trivial verwendete - Struktur für das Gesamtwerk Twains spielt, zeigt Manfred Pfister in seinem Nachwort zu "Knallkopf Wilson", einem weniger bekannten Roman Twains, dessen Neuedition bei Manesse der wichtigste Ertrag des Twain-Jubiläums auf dem deutschsprachigen Buchmarkt ist. Dass Twain es liebt, die eine Gestalt in der anderen zu spiegeln, ist offensichtlich: Das geschieht noch einigermaßen konventionell in den befreundeten Antipoden Tom Sawyer und Huck Finn (F.A.Z. vom 3. April), trägt unheimliche Züge in "Prinz und Bettelknabe", wo die beiden äußerlich kaum zu unterscheidenden Protagonisten zeitweilig jeweils den sozialen Platz des anderen einnehmen, wird als zweiteilige moderne Fabel in den Geschicken des "guten" wie des "bösen" Knaben durchgespielt (der gute scheitert) oder im als Aporie endenden Roman "Ein Yankee an König Artus' Hof" (1889): Dort kämpft der Zauberer Merlin gegen einen zeitreisenden Homo faber namens Hank Morgan, der die Wissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts gegen die Zauberei des sechsten in Stellung bringt - und irritierenderweise in seinem Namen auf die in der Artusepik als Merlins Gegenspielerin tradierte Fee Morgana verweist.
All dies kulminiert im 1894 erschienenen Roman "Knallkopf Wilson" (im Original: "Pudd'nhead Wilson", so dass als deutscher Titel "Matschbirne Wilson" näher gelegen hätte), der gleich zwei bis drei solcher Paarbeziehungen enthält: Da sind zunächst zwei Jungen, die sich zum Verwechseln ähneln und schließlich im Säuglingsalter auch gegeneinander ausgetauscht wurden, obwohl der eine als Sohn einer schwarzen Sklavin unfrei geboren wurde, der andere frei als Sohn eines Aristokraten aus Missouri. Neben diesen falschen treten zwei echte Zwillinge auf sowie drittens der Titelheld, der seinen Mitbürgern als "Knallkopf" gilt und am Ende durch die Errungenschaften moderner Kriminalistik ebenso wie durch seinen scharfen Verstand einen für jedermann sonst unlösbaren Kriminalfall löst. Und schließlich verweist selbst der Titel des Romans auf Edgar Allan Poes Doppelgängergeschichte "William Wilson" von 1839.
Wie im zwölf Jahre zuvor publizierten "Prinz und Bettelknabe" geht es Twain hier um den Nachweis, dass es keine natürliche Befähigung für den einen oder anderen sozialen Stand gibt, in den man geboren wird, dass aber Erziehung und Gewohnheit das Ihre tun, damit sich Menschen in den Platz, den man ihnen zuweist, einfügen können oder eben nicht. Und so ist es die böse Pointe des Romans, dass am Ende der als Gentleman aufgezogene, reichlich liederliche Sohn der Sklavin nunmehr tatsächlich als Sklave verkauft wird, während sich sein zum freien Mann erhobener Doppelgänger beim besten Willen nicht in der Gesellschaft zurechtfinden kann, die ihm durch seine Geburt bestimmt war. Unter anderem deshalb, weil man ihm das Lesen- und Schreibenlernen vorenthalten hat.
Der Gedanke, dass ein Erziehungsprogramm auch im reiferen Alter nicht vollends sinnlos sei, war Twain allerdings nicht fremd - er bildete die Grundlage für seine Ehe. Denn als er sich in Olivia Langdon verliebte (erst in ihr Porträt, dann in sie selbst), war er zweiunddreißig Jahre alt, dem Alkohol zugeneigt, nicht besonders religiös und leidenschaftlicher Raucher. Als die Tochter eines reichen Aufsteigers ihn abwies, einigte man sich statt der Liebe auf ein Bekehrungswerk, das Olivia an Twain durchführen wollte und das 1870 schließlich doch in einer Eheschließung mündete.
Eine Auswahl der Briefe, die Twain an Olivia schrieb, ergänzt durch einige wenige Antwortschreiben sowie andere Briefe aus dem familiären Umfeld, sind jetzt auf Deutsch erschienen. Sie zeigen, wie ernst es Twain mit dieser Ehe meinte und mit allem, was das gemeinsame Leben mit Olivia für ihn bedeutete - und teilen so Twains Existenz in ein Vorher/nachher-Schema ein, wenn nicht gar in eines der Wirklichkeit/Möglichkeit, nach dem ein elender Autor in einer olivialosen Parallelwelt seinem Elend entgegendriftet.
Allerdings scheint Twain seinen Abstinenzlervorsatz nicht absolut eingehalten zu haben. Und ein Brief, in dem er seiner Frau erläutert, warum er ihr Insistieren auf ein Nikotinverbot nicht akzeptieren mag, ist der einzige, der von seiner Seite aus einen schärferen Ton in diesen sonst geradezu berührend zärtlichen Briefwechsel bringt - schon im nächsten Brief entschuldigt er sich für seine Schroffheit.
Das eigentliche Wunder dieses Bandes ist aber, wie auch Olivia sich an Twains Seite wandelt: Es ist diese betont religiöse Frau, die nun von Glaubenszweifeln befallen wird, nicht aber von Zweifeln an ihrem Mann. Wenn sie doch Gott nur so unverbrüchlich lieben könne wie den Gatten, seufzt sie einmal, dann wäre sie ruhiger.
Wer hier unterm Strich das größere Bekehrungswerk verrichtet hat, bliebe zu klären.
TILMAN SPRECKELSEN
Mark Twain: "Knallkopf Wilson". Roman. Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke. Mit einem Nachwort von Manfred Pfister. Manesse Verlag, Zürich 2010. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
Mark Twain: "Sommerwogen". Eine Liebe in Briefen. Herausgegeben und aus dem Englischen von Alexander Pechmann. Aufbau Verlag, Berlin 2010. 304 S., geb., 16,95 [Euro].
Mark Twain: "Ein Yankee an König Artus' Hof". Roman. Aus dem Englischen von Lore Krüger. Mit einem Nachwort von Alexander Pechmann. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2010. 447 S., geb., 9,95 [Euro].
Mark Twain: "Post aus Hawaii". Herausgegeben und aus dem Englischen von Alexander Pechmann. Mare Verlag, Hamburg 2010. 368 S., geb., 24,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Erfreut zeigt sich Susanne Ostwald von dieser Neuübersetzung von Mark Twains Roman "Knallkopf Wilson", die anlässlich des 175. Geburtstags und 100. Todestags des Schriftstellers und Satirikers erschienen ist. Sie liest die "grelle" und "eigentümliche" Detektivgeschichte als "hintersinnigen Kommentar Twains zur Rassenfrage". Besonders lobt sie Reinhild Böhnke für ihre Übersetzung, der es gelingt, der Sklavin Roxy eine stark "dialektal gefärbte Sprechweise" zu verleihen, ohne sie als intellektuell minderbemittelt zu brandmarken. "Knallkopf Wilson" dokumentiert für Ostwald beispielhaft, dass Twain einer der "brillantesten Satiriker der Literaturgeschichte" war.
© Perlentaucher Medien GmbH
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«Ein weniger bekannter Roman Twains, dessen Neuedition bei Manesse der wichtigste Ertrag des Twain-Jubiläums auf dem deutschen Buchmarkt ist.» FAZ