Ein berührendes Buch über Trauerarbeit
Um näher am Wohnort seines sechsjährigen Sohnes Kurt und seiner Exfrau Jana, mit der er sich das Sorgerecht teilt, zu sein und sich die Erziehung und Betreuung teilen zu können, haben der große Kurt und seine Freundin Lena ein Haus bei Oranienburg in der
Nähe ihrer Heimatstadt Berlin ersteigert. Seit vier Wochen leben sie nun hier und das Zimmer vom…mehrEin berührendes Buch über Trauerarbeit
Um näher am Wohnort seines sechsjährigen Sohnes Kurt und seiner Exfrau Jana, mit der er sich das Sorgerecht teilt, zu sein und sich die Erziehung und Betreuung teilen zu können, haben der große Kurt und seine Freundin Lena ein Haus bei Oranienburg in der Nähe ihrer Heimatstadt Berlin ersteigert. Seit vier Wochen leben sie nun hier und das Zimmer vom kleinen Kurt ist das einzige Zimmer, das schon richtig fertig ist. Überall stehen noch Kartons herum und müssen ausgepackt werden. Lena sieht ihre Aufgabe in erster Linie im Gartenbereich, mutiert aber auch immer mehr zur Heimwerkerin. Dazu kommt noch die neue Rolle als „Stiefmutti“ für den kleinen Kurt, in die sich sich gerne einbringen würde. Da nimmt ihr der große Kurt aber die meiste Verantwortung ab. Doch ehe sich die Drei an ihre neue Patchworkfamilie gewöhnen können, verunglückt der kleine Kurt bei einem Sturz in der Schulpause vom Klettergerüst tödlich. Der große Kurt verzieht sich in seiner Trauer in ein Schneckenhaus, lässt auch Lena kaum mehr an sich heran. Und Lena, die weiß nicht, wie sie mit ihrer Trauer umgehen soll und darf. Und auch nicht, wie sie Kurt helfen kann.
Sarah Kuttner hat ihr Buch „Kurt“, es ist das erste, was ich von ihr lese, in drei Teile gegliedert, die ebenfalls alle Kurt heißen. Weil der große Kurt, ihr Freund, und der kleine Kurt, sein Sohn, auch so heißen. Und weil sich in diesem Buch alles um Kurt, den kleinen und den großen, dreht.
Dieses Buch hat mich sehr beeindruckt, obwohl es auch einiges gibt, was mir nicht so gefällt. Als erstes regt mich die manchmal einfach ins Primitive abdriftende Sprache auf. Was aber die Trauerbewältigung für die Menschen, die hier richtig leiden, vielleicht einfacher und erträglicher macht. Dann mag ich es nicht, wenn zu viel Alkohol und Zigaretten im Spiel sind. Und auch die vielen Sexszenen brauche ich nicht unbedingt.
Dann kommt die Zeit nach dem Tod des kleinen Kurt. Die Trauerarbeit von Lena und Kurt sind so authentisch, voller verschiedenster Emotionen und nachvollziehbar dargestellt, dass es für mich doch ein wirklich tolles Buch geworden ist und ich den Beifall, den es oft bekommt, gut verstehen kann. Ich habe mitgelitten und gehofft, dass die Beiden gut aus dieser für alle schwierigen Situation wieder heil heraus kommen.
Gerade bei Lena, die diese Geschichte erzählt, habe ich die Verzweiflung, wenn sie z.B. einzelne Blätter der Friedhofsverwaltung oder ein von dem kleinen Kurt übermaltes Foto hinter der Waschmaschine versteckt, direkt spüren können. Sie tut mir in ihrer Trauer fast noch mehr leid wie der große Kurt, der sich einfach nur zurückzieht und für sie nicht mehr greifbar ist. Lena weiß einfach nicht, wo sie als „Nicht-Mutter“ steht, was ihr an Trauer zusteht, wie nah sie das alles an sich heran lassen soll und darf. Auf der anderen Seite will sie Kurt aber auch helfen, seine Trauer nicht alleine tragen zu müssen. Für sie eine total schwierige und verfahrene Situation.
Genauso wie die vielen traurigen Momente gibt es aber auch Lebensfreude pur und den manchmal etwas schrägen Humor vom großen Kurt. Und ich bin froh, dass Lena und Kurt Menschen wie Lenas Schwester Laura und den Nachbarn Gauger, dessen Vornamen Lena lange nicht kennt, gibt, die in Sachen Trauerarbeit wirkliche Vorbilder sein können.
Ein sehr emotionales, berührendes Buch, das mich immer wieder an den Tod meines damals 19-jährigen Cousins erinnert hat und an die Zeit der Trauer in unserer Familie. Kinder sollten nie vor ihren Eltern diese Welt verlassen müssen.