Das große Vermächtnis eines genialen Humoristen und Geschichtenerzählers In Douglas Adams letztem – unvollendetem – Roman lässt der Autor einmal mehr Privatdetektiv Dirk Gently im Dunkeln tappen. Gently wird von jemandem angeheuert, den er nie trifft, um einen Job auszuführen, der nicht spezifiziert wird. (Laufzeit: ca. 9 h 12)
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.02.2004Das Keksduell
Der Witz ist Philosophie: Douglas Adams im Nachlass
Es war ein großer Schock für seine Gemeinde, als Douglas Adams, Verfasser von fünf Bänden „Per Anhalter durch die Galaxis”, vor zwei Jahren mit noch nicht einmal fünfzig an einem Herzinfarkt starb. Ihnen allen macht der Verlag Zweitausendeins jetzt ein Abschiedsgeschenk: Über zweitausend Dokumente seien auf den Computern des Verstorbenen entdeckt worden! Das klingt nach einem unglaublichen Hortfund. Sieht man sich die aus Ansprachen, Interviews, kurzen fiktiven oder autobiografischen Texten, Kundgaben zum gegenwärtigen Stand der Computertechnik gemischten Beiträge dieses Bandes allerdings näher an, stellt man fest, dass das Meiste schon publiziert gewesen ist, in den großen englischen Zeitungen, im „Observer”, im „Independent”, in der „Sunday Tribune”, in den Fachblättern der Computerfreaks, „Wired” und „McUser”, auch an schwerer auffindbaren Orten wie „The American Atheist” oder „The Utterly Utterly Merry Comic Relief Christmas Book”.
Trotz einiger Wiederholungen tut der Sammelsuriums-Charakter dem Lesevergnügen keinen Abbruch, eher im Gegenteil: Douglas’ schrulliger Witz und seine sprunghafte Intelligenz kommen in diesen kleinen Gelegenheitsarbeiten wahrscheinlich besser zur Geltung, als die große geplante Form es ihnen erlauben würde. So zum Beispiel, wenn er sich über die erpresserische Heuchelei des Rauchverbots in Taxis ereifert: „Ich habe nichts dagegen, wenn drauf steht: ,Bitte nicht rauchen’ oder auch direkt ,Rauchen verboten’. Aber ich hasse diese gespreizten ,Danke, dass Sie nicht rauchen’-Schilder. Da will man sich am liebsten sofort eine anstecken und sagen: ,Sie brauchen mir nicht zu danken, ich hatte nicht vor, nicht zu rauchen.’”
Wie warm ist dieser Stuhl
Gelegentlich kann einem dieser aufgekratzte Humor ein wenig auf die Nerven gehen, wenn sich Passagen häufen wie: „Am nächsten Morgen war das Wetter so eklig, dass es kaum diesen Namen verdiente, und Dirk beschloss, es statt dessen Stanley zu nennen.” Aber das ist sozusagen bloß der seitlich wegzischende Überschuss einer viel fruchtbareren Idee, nämlich der, bisher noch nicht kartierte Gefühle mit Namen zu belegen, um sie zum Gegenstand des Dirkurses machen zu können. Es erweist sich, dass die Namen englischer Kleinstädte sich hierfür besonders gut eignen. Zum Beispiel hört der leichte Ekel, der sich einstellt, wenn man auf einem Stuhl sitzt, der von einem anderen Hintern vorgewärmt wurde, auf den Namen „Shoeburyness” – während das ratlose Herumstehen in der Küche „Woking” benannt sein will. „Es ist beruhigend zu erfahren, dass ... es ,Woking’ heißt, wenn wir in der Küche herumstehen und uns fragen, warum wir da überhaupt reingegangen sind.”
Adams’ Witze sind so gut, weil sie immer über einen philosophischen Fundus verfügen. Wir leben in der besten aller möglichen Welten, exakt auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten? Das, so Adams, denke die Pfütze auch, wenn sie ihrem Pfützengott auf Knien danke, dass er das Schlagloch in der Straße, in dem sie zu Hause ist, so zugeschnitten habe, dass sie genau hineinpasst – das kann ja wohl kein Zufall sein! In China, berichtet Adams weiter, sei einmal ein englischer Schriftsteller von der Polizei angehalten worden, weil er Licht an seinem Fahrrad hatte. „,Was wäre’, fragte der Polizist streng, ,wenn alle das machten?’” Da kommt man doch sehr ins Grübeln über den kategorischen Imperativ.
Auf den titelgebenden Lachs muss man allerdings sehr lang warten; das angekündigte Romanfragment umfasst kaum ein Viertel des Bandes und lässt keineswegs erkennen, auf welche Weise die vielen reizvollen Einzelszenarios einmal zu einem Ganzen zusammentreten sollten. Von einem Lachs keine Spur; ein sehr zweifelhafter Fall. Zum Ausgleich enthält das Buch die vielleicht beste Short Short Story aller Zeiten.
Sie heißt „Kekse” und spielt im Jahr 1976 in Cambridge. Der Erzähler kauft sich am Bahnhof eine Zeitung und eine Packung Kekse, setzt sich dann, um zu warten, bis der Zug kommt, in eine kleine Bar und bestellt einen Kaffee. „Stellen Sie sich die Szene bitte genau vor. Es ist sehr wichtig, dass Sie sich ein deutliches Bild davon machen. Da ist der Tisch, die Zeitung, die Tasse Kaffee, die Packung Kekse.” Ihm gegenüber sitzt ein Mann mit Straßenanzug und einer Aktenmappe. Nie würde man ihm etwas Verrücktes zutrauen. Doch dann tut er es: Er reißt die Packung auf, nimmt einen Keks heraus und isst ihn.
Wie geht man mit so etwas um? Gerade ein Engländer ist auf eine solche Situation überhaupt nicht vorbereitet. In Amerika wäre man blitzschnell bei der Gewalt. Aber hier? Irgendwas muss geschehen. Der Erzähler beschließt, den Keksdieb zu ignorieren, und auch einen Keks zu essen: So wird er es ihm zeigen! Aber einen Augenblick später tut der Andere es wieder. Und auch der Erzähler. Sie essen die ganze Packung, immer abwechselnd, alle acht Stück. Es scheint eine Ewigkeit; aber keiner gibt nach. Dann endlich ist die Packung zu Ende, der Andere steht auf, beide werfen sich vielsagende Blicke zu, man trennt sich. Der Erzähler fühlt sich sehr erleichtert.
„Wenig später fuhr mein Zug ein, ich trank schnell meinen Kaffee aus, stand auf, nahm die Zeitung, und unter der Zeitung lagen meine Kekse. Besonders gut gefällt mir an dieser Geschichte die Vorstellung, dass seit einem Vierteljahrhundert irgendwo in England ein ganz normaler Mensch herumläuft, der genau dieselbe Geschichte erlebt hat. Nur fehlt ihm die Pointe.” Wegen dieser Geschichte von anderthalb Seiten Länge allein schon rentiert sich die Anschaffung des Buchs!
BURKHARD MÜLLER
DOUGLAS ADAMS: Lachs im Zweifel. Zum letzten Mal per Anhalter durch die Galaxis. Aus dem Englischen von Benjamin Schwarz. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg 2003, 320 S., 17,90 Euro.
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Der Witz ist Philosophie: Douglas Adams im Nachlass
Es war ein großer Schock für seine Gemeinde, als Douglas Adams, Verfasser von fünf Bänden „Per Anhalter durch die Galaxis”, vor zwei Jahren mit noch nicht einmal fünfzig an einem Herzinfarkt starb. Ihnen allen macht der Verlag Zweitausendeins jetzt ein Abschiedsgeschenk: Über zweitausend Dokumente seien auf den Computern des Verstorbenen entdeckt worden! Das klingt nach einem unglaublichen Hortfund. Sieht man sich die aus Ansprachen, Interviews, kurzen fiktiven oder autobiografischen Texten, Kundgaben zum gegenwärtigen Stand der Computertechnik gemischten Beiträge dieses Bandes allerdings näher an, stellt man fest, dass das Meiste schon publiziert gewesen ist, in den großen englischen Zeitungen, im „Observer”, im „Independent”, in der „Sunday Tribune”, in den Fachblättern der Computerfreaks, „Wired” und „McUser”, auch an schwerer auffindbaren Orten wie „The American Atheist” oder „The Utterly Utterly Merry Comic Relief Christmas Book”.
Trotz einiger Wiederholungen tut der Sammelsuriums-Charakter dem Lesevergnügen keinen Abbruch, eher im Gegenteil: Douglas’ schrulliger Witz und seine sprunghafte Intelligenz kommen in diesen kleinen Gelegenheitsarbeiten wahrscheinlich besser zur Geltung, als die große geplante Form es ihnen erlauben würde. So zum Beispiel, wenn er sich über die erpresserische Heuchelei des Rauchverbots in Taxis ereifert: „Ich habe nichts dagegen, wenn drauf steht: ,Bitte nicht rauchen’ oder auch direkt ,Rauchen verboten’. Aber ich hasse diese gespreizten ,Danke, dass Sie nicht rauchen’-Schilder. Da will man sich am liebsten sofort eine anstecken und sagen: ,Sie brauchen mir nicht zu danken, ich hatte nicht vor, nicht zu rauchen.’”
Wie warm ist dieser Stuhl
Gelegentlich kann einem dieser aufgekratzte Humor ein wenig auf die Nerven gehen, wenn sich Passagen häufen wie: „Am nächsten Morgen war das Wetter so eklig, dass es kaum diesen Namen verdiente, und Dirk beschloss, es statt dessen Stanley zu nennen.” Aber das ist sozusagen bloß der seitlich wegzischende Überschuss einer viel fruchtbareren Idee, nämlich der, bisher noch nicht kartierte Gefühle mit Namen zu belegen, um sie zum Gegenstand des Dirkurses machen zu können. Es erweist sich, dass die Namen englischer Kleinstädte sich hierfür besonders gut eignen. Zum Beispiel hört der leichte Ekel, der sich einstellt, wenn man auf einem Stuhl sitzt, der von einem anderen Hintern vorgewärmt wurde, auf den Namen „Shoeburyness” – während das ratlose Herumstehen in der Küche „Woking” benannt sein will. „Es ist beruhigend zu erfahren, dass ... es ,Woking’ heißt, wenn wir in der Küche herumstehen und uns fragen, warum wir da überhaupt reingegangen sind.”
Adams’ Witze sind so gut, weil sie immer über einen philosophischen Fundus verfügen. Wir leben in der besten aller möglichen Welten, exakt auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten? Das, so Adams, denke die Pfütze auch, wenn sie ihrem Pfützengott auf Knien danke, dass er das Schlagloch in der Straße, in dem sie zu Hause ist, so zugeschnitten habe, dass sie genau hineinpasst – das kann ja wohl kein Zufall sein! In China, berichtet Adams weiter, sei einmal ein englischer Schriftsteller von der Polizei angehalten worden, weil er Licht an seinem Fahrrad hatte. „,Was wäre’, fragte der Polizist streng, ,wenn alle das machten?’” Da kommt man doch sehr ins Grübeln über den kategorischen Imperativ.
Auf den titelgebenden Lachs muss man allerdings sehr lang warten; das angekündigte Romanfragment umfasst kaum ein Viertel des Bandes und lässt keineswegs erkennen, auf welche Weise die vielen reizvollen Einzelszenarios einmal zu einem Ganzen zusammentreten sollten. Von einem Lachs keine Spur; ein sehr zweifelhafter Fall. Zum Ausgleich enthält das Buch die vielleicht beste Short Short Story aller Zeiten.
Sie heißt „Kekse” und spielt im Jahr 1976 in Cambridge. Der Erzähler kauft sich am Bahnhof eine Zeitung und eine Packung Kekse, setzt sich dann, um zu warten, bis der Zug kommt, in eine kleine Bar und bestellt einen Kaffee. „Stellen Sie sich die Szene bitte genau vor. Es ist sehr wichtig, dass Sie sich ein deutliches Bild davon machen. Da ist der Tisch, die Zeitung, die Tasse Kaffee, die Packung Kekse.” Ihm gegenüber sitzt ein Mann mit Straßenanzug und einer Aktenmappe. Nie würde man ihm etwas Verrücktes zutrauen. Doch dann tut er es: Er reißt die Packung auf, nimmt einen Keks heraus und isst ihn.
Wie geht man mit so etwas um? Gerade ein Engländer ist auf eine solche Situation überhaupt nicht vorbereitet. In Amerika wäre man blitzschnell bei der Gewalt. Aber hier? Irgendwas muss geschehen. Der Erzähler beschließt, den Keksdieb zu ignorieren, und auch einen Keks zu essen: So wird er es ihm zeigen! Aber einen Augenblick später tut der Andere es wieder. Und auch der Erzähler. Sie essen die ganze Packung, immer abwechselnd, alle acht Stück. Es scheint eine Ewigkeit; aber keiner gibt nach. Dann endlich ist die Packung zu Ende, der Andere steht auf, beide werfen sich vielsagende Blicke zu, man trennt sich. Der Erzähler fühlt sich sehr erleichtert.
„Wenig später fuhr mein Zug ein, ich trank schnell meinen Kaffee aus, stand auf, nahm die Zeitung, und unter der Zeitung lagen meine Kekse. Besonders gut gefällt mir an dieser Geschichte die Vorstellung, dass seit einem Vierteljahrhundert irgendwo in England ein ganz normaler Mensch herumläuft, der genau dieselbe Geschichte erlebt hat. Nur fehlt ihm die Pointe.” Wegen dieser Geschichte von anderthalb Seiten Länge allein schon rentiert sich die Anschaffung des Buchs!
BURKHARD MÜLLER
DOUGLAS ADAMS: Lachs im Zweifel. Zum letzten Mal per Anhalter durch die Galaxis. Aus dem Englischen von Benjamin Schwarz. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg 2003, 320 S., 17,90 Euro.
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»Unentbehrlich, unübertroffen. Nichts war wie zuvor nach der Lektüre seiner Bücher. Unzählige Stunden ausgelassenen Lesevergnügens verdanken seine leser Douglas Adams. Aber die Welt verdankt ihm noch mehr.«