Start der spannenden Thrillerserie um den nigerianischen Psychologen Philip Taiwo In der nigerianischen Universitätsstadt Port Harcourt werden drei junge Studenten von einem Mob verfolgt und brutal umgebracht – ein Video der grausamen Morde kursiert in den sozialen Medien, und den Tätern wird der Prozess gemacht. Zu Prozessbeginn wird der Psychologe Dr. Philip Taiwo vom Vater eines der Opfer damit beauftragt, Licht in das Dunkel der schrecklichen Ereignisse zu bringen, die zum Tod seines Sohnes geführt haben. Taiwo, Spezialist für Massenpsychologie und Gewalt, hat lange im Ausland gelebt. In der abgelegenen Provinzstadt angekommen, muss er feststellen, dass ihm vieles fremd geworden ist in seiner Heimat, noch dazu weit weg von der Hauptstadt Lagos. Die Bewohner begegnen ihm mit Misstrauen. Und schnell wird Taiwo klar: Er ist nicht willkommen – und jemand setzt alles daran zu verhindern, dass er die Wahrheit aufdeckt. Ungekürzte Lesung mit Patrick Abozen 10h 59min
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Sylvia Staude ist in Femi Kayodes Debütroman "Lightseekers" vor allem am Schauplatz des Geschehens interessiert. Der in Nigeria geborene Autor erzählt in diesem Krimi, wie der mit seiner Familie aus den rassistischen USA nach Lagos zurückgezogene Psychologe Dr. Philip Taiwo mit seinem Chauffeur Chika einem Fall auf die Spur geht, bei dem drei Studenten, vermeintlich Diebe und Erpresser, von einem Mob verfolgt, gequält und schließlich getötet wurden, erklärt uns Staude. Dass Kayode mal Creative Writing studiert hat, erkennt sie daran, dass er in dem Buch ihrer Meinung nach noch etwas schematisch vorgeht. Nichtsdestotrotz bekommt sie hier einen spannenden Einblick in die noch arg patriarchalische nigerianische Gesellschaft und die Manipulation von Menschen über Social Media, schließt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2022Die Psychologie hinter dem wütenden Mob
Wenn in Nigeria die Lichter ausgehen: Femi Kayode legt ein ungestümes Debüt über einen Lynchmord vor
Ein Tatort kann oft noch Jahre nach dem Verbrechen neue Erkenntnisse liefern. Deswegen ist er für einen Ermittler ein so zentraler Ort. "Aber das hier ist Okriki. Der Tatort ist eine kleine Lichtung abseits einer Schotterstraße, gerade mal zwölf Minuten holprige Fahrt vom Polizeirevier entfernt. Es gibt keine Häuser in der Nähe. Auch keine Straßenlaternen oder Kameras. Gar nichts." Ausgerechnet dieses gottverlassene Fleckchen geht in den sozialen Medien viral, als ein brutaler Lynchmob dort drei des Diebstahls bezichtigte Studenten jagt, mit Autoreifen behängt, mit Benzin übergießt, anzündet und alles filmt.
Inzwischen ist der Fall offiziell abgeschlossen, ein paar Mittäter stehen vor Gericht. Aber den investigativen Psychologen Dr. Philip Taiwo interessiert weniger, wer die Täter waren, sondern vielmehr die Frage nach dem Warum. Beauftragt von einem der trauernden Väter, um endlich das über Jahre angesammelte theoretische Wissen über die kollektive Psyche von Lynchmobs praktisch anzuwenden, ähnelt er nicht zufällig seinem Erschaffer. Femi Kayode ist selbst klinischer Psychologe und schrieb "Lightseekers" angelehnt an den online verstörend vollständig dokumentierten Fall der "Aluu Four", die 2012 in einem Vorort der nigerianischen Hafenstadt Port Harcourt als vermeintliche Diebe einem Lynchmob zum Opfer fielen.
Kayode legt sein Debüt als breite Analyse der Probleme in seinem Heimatland an und bringt ganz unterschiedliche Dinge zur Sprache: Korruption und Drogenhandel, die grassierende Bandengewalt und das Kultwesen, eine teils miserable Infrastruktur und Grundversorgung sowie Konflikte zwischen den Religionen, vor allem aber ein mangelndes Verantwortungsgefühl auf sämtlichen Verwaltungs- und Regierungsebenen. Besonders für Letzteres ist der Lynchmob ein starkes Symbol: ein Verbrechen, bei dem durch die Dynamik der Ereignisse und die schiere Menge der Beteiligten nicht nur die Verantwortung für das Geschehen verwässert wird, sondern sich hinterher auch alle gegenseitig decken.
Dabei gibt Kayode Einblicke in die nigerianische Kultur, die weit über ein Quantum Lokalkolorit hinausgehen. Dr. Taiwo bezieht seine Erkenntnisse aus spezifischen kulturellen Nuancen, etwa den Implikationen gängiger Höflichkeitsformen in der Anrede, den Unterschieden und Spannungen zwischen verschiedenen Landesteilen. Als sogenannter Americana ist er dafür der ideale Protagonist: Der Begriff, vielen bekannt geworden durch Chimamanda Ngozi Adichies Bestseller "Americanah", bezeichnet Nigerianer, die einen Großteil ihres Lebens in Übersee verbracht haben.
Dr. Taiwo ist ein Einheimischer, seine Jahre an amerikanischen Universitäten haben ihm aber eine gewisse Distanz verschafft, und dass er in Okriki alte Wunden wieder aufzureißen droht, rückt ihn umso weiter in die Außenseiterposition. Unentwegt arbeitet er sich am Vergleich beider Staaten ab, seinen Erfahrungen mit dem systematischen Rassismus, der damit einhergehenden Polizeiwillkür. Einmal kommt ein nigerianisches Gesetz gegen Homosexualität zur Sprache, das die Bürger dazu anstachelt, sich gegenseitig auszuspionieren - und man kommt nicht umhin, auch an die texanischen Kopfgeldklauseln zu denken, die Privatpersonen mit finanziellen Anreizen dazu ermutigen, Verstöße gegen das Abtreibungsgesetz anzuzeigen.
"Lightseekers" gibt in seinen vier Akten - bis auf einige kurze Kapitel, die in Kursivschrift dem Abstieg eines geheimnisvollen Ich-Erzählers in seine ganz persönliche Hölle folgen - die Recherchen von Dr. Taiwo und seinem Assistenten Chika wieder und wandelt sich dabei immer mehr zu einer klassischen, an Twists und falschen Fährten reichen Privatermittlerstory. Zuweilen verschenkt Kayode damit Potential: Dafür, dass Taiwos analytische Fähigkeiten zu seinen größten Stärken zählen, setzt er sie recht selten ein. Womöglich stecken einfach ein paar Ideen zu viel in diesem Thriller, wenn sich auch die offensichtliche Schreibfreude des Autors eins zu eins ins Lesevergnügen überträgt.
Seine vier Akte etwa leitet er durch je einen Zweizeiler über die physikalischen Eigenschaften des Lichts ein. Noch eine passende Symbolik, unter anderem, weil Kayode die in Nigeria notorischen Stromausfälle als Stilmittel zu nutzen versteht. "Licht strahlt in verschiedene Richtungen ab, wenn es auf eine raue Oberfläche trifft", heißt es gleich zu Beginn, und damit ist die Stimmung vorgegeben: "Lightseekers" ist ein ungeschliffener Edelstein, der, sobald man ihn eingehend betrachtet, sein ungestümes Glimmen offenbart. KATRIN DOERKSEN
Femi Kayode: "Lightseekers". Thriller.
Aus dem Englischen von Andreas Jäger. Btb Verlag, München 2022.
464 S., br., 16,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn in Nigeria die Lichter ausgehen: Femi Kayode legt ein ungestümes Debüt über einen Lynchmord vor
Ein Tatort kann oft noch Jahre nach dem Verbrechen neue Erkenntnisse liefern. Deswegen ist er für einen Ermittler ein so zentraler Ort. "Aber das hier ist Okriki. Der Tatort ist eine kleine Lichtung abseits einer Schotterstraße, gerade mal zwölf Minuten holprige Fahrt vom Polizeirevier entfernt. Es gibt keine Häuser in der Nähe. Auch keine Straßenlaternen oder Kameras. Gar nichts." Ausgerechnet dieses gottverlassene Fleckchen geht in den sozialen Medien viral, als ein brutaler Lynchmob dort drei des Diebstahls bezichtigte Studenten jagt, mit Autoreifen behängt, mit Benzin übergießt, anzündet und alles filmt.
Inzwischen ist der Fall offiziell abgeschlossen, ein paar Mittäter stehen vor Gericht. Aber den investigativen Psychologen Dr. Philip Taiwo interessiert weniger, wer die Täter waren, sondern vielmehr die Frage nach dem Warum. Beauftragt von einem der trauernden Väter, um endlich das über Jahre angesammelte theoretische Wissen über die kollektive Psyche von Lynchmobs praktisch anzuwenden, ähnelt er nicht zufällig seinem Erschaffer. Femi Kayode ist selbst klinischer Psychologe und schrieb "Lightseekers" angelehnt an den online verstörend vollständig dokumentierten Fall der "Aluu Four", die 2012 in einem Vorort der nigerianischen Hafenstadt Port Harcourt als vermeintliche Diebe einem Lynchmob zum Opfer fielen.
Kayode legt sein Debüt als breite Analyse der Probleme in seinem Heimatland an und bringt ganz unterschiedliche Dinge zur Sprache: Korruption und Drogenhandel, die grassierende Bandengewalt und das Kultwesen, eine teils miserable Infrastruktur und Grundversorgung sowie Konflikte zwischen den Religionen, vor allem aber ein mangelndes Verantwortungsgefühl auf sämtlichen Verwaltungs- und Regierungsebenen. Besonders für Letzteres ist der Lynchmob ein starkes Symbol: ein Verbrechen, bei dem durch die Dynamik der Ereignisse und die schiere Menge der Beteiligten nicht nur die Verantwortung für das Geschehen verwässert wird, sondern sich hinterher auch alle gegenseitig decken.
Dabei gibt Kayode Einblicke in die nigerianische Kultur, die weit über ein Quantum Lokalkolorit hinausgehen. Dr. Taiwo bezieht seine Erkenntnisse aus spezifischen kulturellen Nuancen, etwa den Implikationen gängiger Höflichkeitsformen in der Anrede, den Unterschieden und Spannungen zwischen verschiedenen Landesteilen. Als sogenannter Americana ist er dafür der ideale Protagonist: Der Begriff, vielen bekannt geworden durch Chimamanda Ngozi Adichies Bestseller "Americanah", bezeichnet Nigerianer, die einen Großteil ihres Lebens in Übersee verbracht haben.
Dr. Taiwo ist ein Einheimischer, seine Jahre an amerikanischen Universitäten haben ihm aber eine gewisse Distanz verschafft, und dass er in Okriki alte Wunden wieder aufzureißen droht, rückt ihn umso weiter in die Außenseiterposition. Unentwegt arbeitet er sich am Vergleich beider Staaten ab, seinen Erfahrungen mit dem systematischen Rassismus, der damit einhergehenden Polizeiwillkür. Einmal kommt ein nigerianisches Gesetz gegen Homosexualität zur Sprache, das die Bürger dazu anstachelt, sich gegenseitig auszuspionieren - und man kommt nicht umhin, auch an die texanischen Kopfgeldklauseln zu denken, die Privatpersonen mit finanziellen Anreizen dazu ermutigen, Verstöße gegen das Abtreibungsgesetz anzuzeigen.
"Lightseekers" gibt in seinen vier Akten - bis auf einige kurze Kapitel, die in Kursivschrift dem Abstieg eines geheimnisvollen Ich-Erzählers in seine ganz persönliche Hölle folgen - die Recherchen von Dr. Taiwo und seinem Assistenten Chika wieder und wandelt sich dabei immer mehr zu einer klassischen, an Twists und falschen Fährten reichen Privatermittlerstory. Zuweilen verschenkt Kayode damit Potential: Dafür, dass Taiwos analytische Fähigkeiten zu seinen größten Stärken zählen, setzt er sie recht selten ein. Womöglich stecken einfach ein paar Ideen zu viel in diesem Thriller, wenn sich auch die offensichtliche Schreibfreude des Autors eins zu eins ins Lesevergnügen überträgt.
Seine vier Akte etwa leitet er durch je einen Zweizeiler über die physikalischen Eigenschaften des Lichts ein. Noch eine passende Symbolik, unter anderem, weil Kayode die in Nigeria notorischen Stromausfälle als Stilmittel zu nutzen versteht. "Licht strahlt in verschiedene Richtungen ab, wenn es auf eine raue Oberfläche trifft", heißt es gleich zu Beginn, und damit ist die Stimmung vorgegeben: "Lightseekers" ist ein ungeschliffener Edelstein, der, sobald man ihn eingehend betrachtet, sein ungestümes Glimmen offenbart. KATRIN DOERKSEN
Femi Kayode: "Lightseekers". Thriller.
Aus dem Englischen von Andreas Jäger. Btb Verlag, München 2022.
464 S., br., 16,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Für uns Westler ist das nigerianische Gewimmel, das Kayode gestaltet, aber noch weitaus faszinierender als der Plot. Krimi erschließt die Welt.« Tobias Gohlis, Deutschlandfunk Kultur