Jolantha ist im Bergurlaub von ihrer dauerwandernden Familie ebenso genervt wie diese von ihrer anstrengenden Tochter. Doch wer piepst da eigentlich ständig nach ihr? Äußerst merkwürdige und schwatzhafte Boten! Sie führen das Mädchen in eine faszinierende fremde Gegend, wo sie auf einmal Luyánta heißt und verzweifelt erwartet wird: Denn in der Unselben Welt herrscht Krieg zwischen den Fanesleuten und dem Heer des grausamen Adlerprinzen. Weit und gefährlich ist die Reise, aber in der so selbstbewussten wie gewitzten Laleh findet Luyánta unerwartet eine treue Gefährtin. Und ihr Doppelwesen als Prinzessin und Weißes Murmeltier macht sie zu einer einzigartigen Kriegerin. So muss sie abenteuerliche Kämpfe mit einem Feind bestehen, der im Bund mit bizarren dämonischen Kräften ist. Zugleich droht ein verhängnisvoller Fluch Luyánta von innen zu verbrennen. Und was hat es mit den verschwundenen unfehlbaren Pfeilen und dem Weißen Schwert auf sich? Kaum zu bewältigen scheint der Weg bis zum entscheidenden Kampf um das Schicksal der Unselben Welt und um zwei höchst gefährdete Seelen: die eines geliebten Menschen und ihre eigene. Ob man mit Bastian Bux in die "Unendliche Geschichte" eintauchte oder mit Bilbo Beutlin im "Hobbit" aus dem Auenland aufbrach - das Überschreiten der Schwelle zum Erwachsenwerden war schon immer ein Stoff für große Leseerlebnisse. Inspiriert vom Epos um das Fanesvolk der Dolomiten, entführt uns Albrecht Selge mit "Luyánta" in eine fantastische Welt. Die Geschichte eines besonderen Mädchens - und ein außergewöhnliches Abenteuer.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2022Putzige Krieger
Albrecht Selges Roman "Luyánta"
Die zwölfjährige Jolantha ist mit Ansage in ihre persönliche Hölle hineingeschlittert: Wanderurlaub in Südtirol, zwei nervige Brüder, ihr Vater, der sie tadelnd "junge Frau" nennt und ständig ein "Machtwort" spricht, Übernachtungen auf Hütten in Gruppensälen mit einem dünnen Schlafsack, das Klo ist nur ein Loch im Boden - dieser Wanderurlaub ist das Letzte, was sie braucht. Ihre Gedanken sind ständig woanders, und so dauert es, bis sie das tierische Pfeifen wahrnimmt, das sie in eine andere Welt bringen wird.
Wer je als Jugendliche mit den Eltern im Wanderurlaub war, der liest die ersten Seiten von "Luyánta" mit einer Mischung aus Amüsement und Mitleid. Und beneidet Jolantha auch ein wenig: Sie träumt nicht nur davon, vom Erdboden verschluckt zu werden, ihr gelingt die Flucht tatsächlich. Eines Abends haut sie ab und wandert allein den Berg hoch.
Paminer und Struggles, zwei sprechende Murmeltiere, fangen sie ab, sie haben schon tagelang nach ihr gepfiffen. Und Jolantha lernt daraufhin schnell, dass sie sich nicht nur anders fühlt, sondern anders ist: In der sogenannten unselben Welt, in die das Trio nun eintritt, ist sie die Königstochter Luyánta, Anführerin des Fanesvolks. An ihre Rückkehr glaubt unter den Menschen dort fast niemand mehr, sie ist aber die Einzige, die den drohenden Kampf gegen das verfeindete Adlervolk und den Adlerprinzen Amian nicht komplett aussichtslos macht. Die Murmeltiere der Berge sind die Verbündeten des Fanesvolks, Luyánta selbst kann sich in einen Artgenossen mit weißem Fell verwandeln.
Albrecht Selge ist für seinen Debütroman "Wach" über einen schlaflosen Juniormanager ausgezeichnet worden und hat noch weitere Romane geschrieben. "Luyánta" ist ein Jugend-Fantasy-Buch, Vorlage ist laut Verlag eine in den Dolomiten erzählte Legende über das Reich der Fanes. Und so gibt es in der von Selge erdachten "unselben" Welt alles, was ein Fantasy-Reich braucht, in dem trotz aller Magie noch mit Schwertern, Steinschleudern und Pfeilen gekämpft wird: vage finstere Mächte, sprechende Tiere, tödliche Kreaturen namens "Trussaner", eine verschollene Schwester, einen Gegner aus den eigenen Reihen und einen Verräter, der will, dass das Fanesvolk zugrunde geht. In der "unselben" Welt gibt es Berge und Täler, in manchen Gegenden gleißende, das Augenlicht auslöschende Sonnenstrahlen, in anderen Gletscher aus klirrendem Eis. Eine Karte weist dem Leser das "Tal des roten Honigs", den "brennenden Fluss" und den "träumenden Berg" aus. Luyánta muss sich einer Herausforderung nach der anderen stellen. Wie die Gestalten im Buch sprechen, gibt manchmal Rätsel auf. Selge legt Paminer und Struggles die Worte "Alter" und "Bruder" inflationär in den Mund. Luyántas Schlachtruf, um die Murmeltiere einzuheizen, ist: "Los, ihr putzigen Krieger!"
Das Buch ist 776 Seiten lang, bisweilen ist es zäh. Luyántas Reisen und deren Vorbereitung werden ausführlich geschildert, die Gefühle der Protagonisten bleiben dagegen vage. Luyánta kennt und nennt zwar Zweifel und Sorgen, aber die Selbstverständlichkeit, mit der sie urplötzlich ein Volk anführt und schwere Schlachten meistert, ohne darüber zu reflektieren, lässt sie unnahbar erscheinen. Auch erschließt sich dem Leser kein Gefühl für Zeit und Raum in dieser Welt. Sie wird detailliert beschrieben, aber nie ganz rund. Stets gibt es eine neue Figur, einen neuen Teil einer bereits beschriebenen Sage, eine neue magische Wendung, noch mehr Hintergründe. Alles scheint hier ständig möglich - aber durch diese stets auf neue demonstrierte Gesetzlosigkeit fühlt man sich zunehmend von der Fülle des Buches erschlagen.
Dazwischen gibt es eine Figur mit nennenswerter Botschaft: Mit dem Feind hat man in der Regel viel gemeinsam - etwa den sinnlosen Hass auf den jeweils anderen. Dieser Hass aber könnte genauso gut Liebe oder Gleichgültigkeit sein, hätte man sich nicht ganz so sehr in einen Jahrtausende zurückliegenden Vorfall hineingesteigert, sondern nach Versöhnung gesucht. Ob die Protagonisten diese Weisheit beherzigen, erfährt man gewohnt spät - bis das Buch endet, dauert es danach aber noch eine ganze Weile. KIM MAURUS
Albrecht Selge: "Luyánta". Roman.
Rowohlt Berlin, Berlin 2022. 784 S., geb., 25,- Euro. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Albrecht Selges Roman "Luyánta"
Die zwölfjährige Jolantha ist mit Ansage in ihre persönliche Hölle hineingeschlittert: Wanderurlaub in Südtirol, zwei nervige Brüder, ihr Vater, der sie tadelnd "junge Frau" nennt und ständig ein "Machtwort" spricht, Übernachtungen auf Hütten in Gruppensälen mit einem dünnen Schlafsack, das Klo ist nur ein Loch im Boden - dieser Wanderurlaub ist das Letzte, was sie braucht. Ihre Gedanken sind ständig woanders, und so dauert es, bis sie das tierische Pfeifen wahrnimmt, das sie in eine andere Welt bringen wird.
Wer je als Jugendliche mit den Eltern im Wanderurlaub war, der liest die ersten Seiten von "Luyánta" mit einer Mischung aus Amüsement und Mitleid. Und beneidet Jolantha auch ein wenig: Sie träumt nicht nur davon, vom Erdboden verschluckt zu werden, ihr gelingt die Flucht tatsächlich. Eines Abends haut sie ab und wandert allein den Berg hoch.
Paminer und Struggles, zwei sprechende Murmeltiere, fangen sie ab, sie haben schon tagelang nach ihr gepfiffen. Und Jolantha lernt daraufhin schnell, dass sie sich nicht nur anders fühlt, sondern anders ist: In der sogenannten unselben Welt, in die das Trio nun eintritt, ist sie die Königstochter Luyánta, Anführerin des Fanesvolks. An ihre Rückkehr glaubt unter den Menschen dort fast niemand mehr, sie ist aber die Einzige, die den drohenden Kampf gegen das verfeindete Adlervolk und den Adlerprinzen Amian nicht komplett aussichtslos macht. Die Murmeltiere der Berge sind die Verbündeten des Fanesvolks, Luyánta selbst kann sich in einen Artgenossen mit weißem Fell verwandeln.
Albrecht Selge ist für seinen Debütroman "Wach" über einen schlaflosen Juniormanager ausgezeichnet worden und hat noch weitere Romane geschrieben. "Luyánta" ist ein Jugend-Fantasy-Buch, Vorlage ist laut Verlag eine in den Dolomiten erzählte Legende über das Reich der Fanes. Und so gibt es in der von Selge erdachten "unselben" Welt alles, was ein Fantasy-Reich braucht, in dem trotz aller Magie noch mit Schwertern, Steinschleudern und Pfeilen gekämpft wird: vage finstere Mächte, sprechende Tiere, tödliche Kreaturen namens "Trussaner", eine verschollene Schwester, einen Gegner aus den eigenen Reihen und einen Verräter, der will, dass das Fanesvolk zugrunde geht. In der "unselben" Welt gibt es Berge und Täler, in manchen Gegenden gleißende, das Augenlicht auslöschende Sonnenstrahlen, in anderen Gletscher aus klirrendem Eis. Eine Karte weist dem Leser das "Tal des roten Honigs", den "brennenden Fluss" und den "träumenden Berg" aus. Luyánta muss sich einer Herausforderung nach der anderen stellen. Wie die Gestalten im Buch sprechen, gibt manchmal Rätsel auf. Selge legt Paminer und Struggles die Worte "Alter" und "Bruder" inflationär in den Mund. Luyántas Schlachtruf, um die Murmeltiere einzuheizen, ist: "Los, ihr putzigen Krieger!"
Das Buch ist 776 Seiten lang, bisweilen ist es zäh. Luyántas Reisen und deren Vorbereitung werden ausführlich geschildert, die Gefühle der Protagonisten bleiben dagegen vage. Luyánta kennt und nennt zwar Zweifel und Sorgen, aber die Selbstverständlichkeit, mit der sie urplötzlich ein Volk anführt und schwere Schlachten meistert, ohne darüber zu reflektieren, lässt sie unnahbar erscheinen. Auch erschließt sich dem Leser kein Gefühl für Zeit und Raum in dieser Welt. Sie wird detailliert beschrieben, aber nie ganz rund. Stets gibt es eine neue Figur, einen neuen Teil einer bereits beschriebenen Sage, eine neue magische Wendung, noch mehr Hintergründe. Alles scheint hier ständig möglich - aber durch diese stets auf neue demonstrierte Gesetzlosigkeit fühlt man sich zunehmend von der Fülle des Buches erschlagen.
Dazwischen gibt es eine Figur mit nennenswerter Botschaft: Mit dem Feind hat man in der Regel viel gemeinsam - etwa den sinnlosen Hass auf den jeweils anderen. Dieser Hass aber könnte genauso gut Liebe oder Gleichgültigkeit sein, hätte man sich nicht ganz so sehr in einen Jahrtausende zurückliegenden Vorfall hineingesteigert, sondern nach Versöhnung gesucht. Ob die Protagonisten diese Weisheit beherzigen, erfährt man gewohnt spät - bis das Buch endet, dauert es danach aber noch eine ganze Weile. KIM MAURUS
Albrecht Selge: "Luyánta". Roman.
Rowohlt Berlin, Berlin 2022. 784 S., geb., 25,- Euro. Ab 12 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Kim Maurus hat Mühe mit der schieren Länge dieses Jugend-Fantasy-Abenteuers von Albrecht Selge. Die vielen magischen Momente und Wendungen und die Hintergründe der Geschichte um eine vor dem familiären Wanderurlaub ins Fanesreich der Berge entflohene 12-Jährige vermag Maurus irgendwann einfach nicht mehr einzuordnen. Dabei hat die Fanes-Story, in der ein Adlerprinz, finstere Mächte, Steinschleudern und sprechende Tiere vorkommen, sogar ein Vorbild in der Legendenwelt der Dolomiten, meint Maurus. Die Lektüre aber findet sie bisweilen eher zäh.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Mit 'Luyánta' gibt der Schriftsteller Albrecht Selge das Versprechen auf ein unvergessliches Abenteuer. Und: Er hält es. Deutschlandfunk Nova 20220410