„Ich habe immer den Verdacht, das richtige, das wirkliche, das eigentliche Leben spielt sich ganz woanders ab, das sieht ganz anders aus. Wenn man nicht dazu gehört, dann ist es gar nicht so leicht, hineinzukommen, verstehen Sie?“
(Menschen im Hotel, 2. Kapitel)
Berlin in den 1920ern. Wir
befinden uns in einem Hotel der gehobenen Klasse, in dem sich, wie es in Hotels aller Klassen üblich…mehr„Ich habe immer den Verdacht, das richtige, das wirkliche, das eigentliche Leben spielt sich ganz woanders ab, das sieht ganz anders aus. Wenn man nicht dazu gehört, dann ist es gar nicht so leicht, hineinzukommen, verstehen Sie?“
(Menschen im Hotel, 2. Kapitel)
Berlin in den 1920ern. Wir befinden uns in einem Hotel der gehobenen Klasse, in dem sich, wie es in Hotels aller Klassen üblich ist, die Wege der unterschiedlichsten Individuen kreuzen. Da wäre Dr. Otternschlag, der als Dauergast stets auf gepackten Koffern sitzt, dann aber doch die Tage, anstatt weiterzureisen, in der Lobby des Hotels verbringt und die anderen Gäste im Blick behält. Der Aufenthalt der berühmten Balletttänzerin Grusinskaya hingegen ist klar abgesteckt, ihr sich im Sinken befindender Stern wird schon bald in einem anderen Theater erwartet. Weitestgehend unbemerkt ständig in ihrer Nähe finden wir Baron von Gaigern, einen Hoteldieb, der es auf die Perlen der Grusinskaya abgesehen hat.
Außerdem befindet sich Direktor Preysing im Haus, der auf Geschäftsreisen nach Berlin immer hier absteigt, sich dieses Mal aber in der schwierigen Situation befindet, seine Firma vor dem Bankrott retten zu müssen. Fast unmöglich wird es für Otto Kringelein, einen Angestellten des Preysingschen Unternehmens, ein Zimmer zu bekommen. Er ist ohne das Wissen seines Chefs in der Stadt und will nicht in das Bild des Empfangspersonals, wie ein Gast des noblen Etablissements auszusehen hat, passen. Aber Kringelein ist unheilbar krank und wild entschlossen, seine letzten Tage mit seinem Ersparten ein Leben zu führen, von dem er bisher nur träumen konnte.
Alle diese Gäste sind auf ihre Weise auf der Suche nach etwas, aber können nicht ahnen, dass die Begegnungen untereinander vieles ändern werden.
Vicki Baum gehört zu jenen Autoren, an denen sich die Geister, besonders der Fachwelt, scheiden. Die einen zählen sie zur gehobenen Unterhaltungsliteratur, andere würden um keinen Preis der Welt ihre Bücher auch nur anfassen. Sie selbst soll sich als „erstklassige Schriftstellerin zweiter Güte“, bezeichnet haben, die sich nie eingebildet hat, dass „meine Bücher mich überleben werden“ (Quelle: Wikipedia). Zumindest mit letzterer Aussage lag sie eindeutig falsch.
Ich bin keine Literaturwissenschaftlerin, doch ich muss sagen, dass mich Baums Stil in „Menschen im Hotel“ öfters an Mario Simmel erinnert hat, von dem ich zugegebenermaßen nur ein Buch gelesen habe, welches ich aber ziemlich schrecklich fand. Simmel hatte für mich etwas angestaubtes und stereotypes, das mich über sehr, sehr lange Strecken gelangweilt hat. Und hier kann und möchte ich für Vicki Baum eine Lanze brechen. Ich kann nicht behaupten, dass ihre Figuren nicht stereotyp sind, aber sie sind es mit Tiefe und Hintergrund, und das macht sie interessant und menschlich individuell, während sie gleichzeitig eine große Fläche zur Identifikation bieten. Mir hat jeder ihrer Charaktere bis hinunter zum Liftboy Freude gemacht. Längen hatte ihr Roman bei ein oder zwei Gelegenheiten allerdings auch, aber in einem gut erträglichen Maß. Es sei ihr verziehen, zumal mich im Gegenzug ein oder zwei Wendungen der Geschichte tatsächlich überrascht haben.
Ausgesprochen charmant ist auch Baums subtiler Humor, der unter dem gesamten Roman, wie tragisch es auch wird, liegt. Mir kam es wie ein Sinnbild dafür vor, wie wichtig wir uns selbst immer wieder nehmen, obwohl wir für das große Weltgeschehen kaum eine Rolle spielen.
Bin ich nach der Lektüre von „Menschen im Hotel“ ein großer Vicki Baum Fan geworden, der sofort und auf der Stelle alle ihre Bücher lesen möchte? Nein, so weit würde ich nicht gehen. Aber ich werde mich auf jeden Fall auf die Seite derer schlagen, die ihr Werk als gehobene Unterhaltung betrachten, und mich nicht schämen, auch in der Öffentlichkeit mit einem ihrer Romane in der Hand gesehen zu werden.