Am 28. Mai 2014 trafen sich die Literatunten, um über Herman Bangs Roman “Michael” zu diskutieren.
Schnell waren sich die Anwesenden einig, dass die literarische Qualität des Werkes eher zweifelhaft ist. Es erschien uns zu schwülstig. Jeder Satz hat eine pathetische Bedeutung und so wirkt es trotz
der vielen Dialoge sehr stummfilmhaft. Aus schwuler, literaturhistorischer Sicht dagegen bietet es…mehrAm 28. Mai 2014 trafen sich die Literatunten, um über Herman Bangs Roman “Michael” zu diskutieren.
Schnell waren sich die Anwesenden einig, dass die literarische Qualität des Werkes eher zweifelhaft ist. Es erschien uns zu schwülstig. Jeder Satz hat eine pathetische Bedeutung und so wirkt es trotz der vielen Dialoge sehr stummfilmhaft. Aus schwuler, literaturhistorischer Sicht dagegen bietet es interessante Aspekte, die für eine Leseempfehlung aus unserer Sicht jedoch nicht ausreichen.
Hauptsächlich drehte sich die Diskussion um die Frage, ob das Buch überhaupt zur “Schwulen Literatur” zu zählen sei. Wenn man die biografischen Bezüge zu seinem Autor nicht kennt, kann man den Roman auch völlig arglos als Lehrer-Schüler- oder (Zieh-)Vater-(Zieh-)Sohn-Beziehung lesen. Am ehesten liefert die Spiegelung des Verhältnisses Meister – Michael in der Liebesbeziehung Herr von Monthieux – Frau Adelskjold einen Hinweis, wie das Buch zu lesen ist. Sollte Bang weitere, damals vielleicht zumindest in schwulen Kreisen verständliche Chiffren verwendet haben, können wir sie heute nicht mehr verstehen,
Erst mit dem Wissen um Bangs Biografie und seine ähnlich verlaufende Beziehung zu einem in Prag (!) kennengelernten Schauspielschüler lässt keinen Zweifel mehr an der Art des Meister-Michael-Verhältnisses. Im wahren Leben war Bang wesentlich weniger diskret im Umgang mit seiner Homosexualität als in seinen Romanen und Erzählungen.