Der elfjährige Moses lebt allein mit seinem Vater, einem verknöcherten Rechtsanwalt, in Paris. Täglich kauft er in Monsieur Ibrahims Laden ein, dem Araber in der Rue Bleue, die so wenig blau ist, wie Monsieur Ibrahim ein Araber. Denn "Araber" bedeutet in der Branche: durchgehend geöffnet, von 8 Uhr bis Mitternacht. Zwischen dem alten Mann und dem Jungen, der am Haushaltsgeld spart, um zu den Huren zu gehen, entspinnt sich eine wunderbare Freundschaft. Mit dieser Erzählung, die auch die Spielarten des muslimischen Glaubens thematisiert, schuf Eric-Emmanuel Schmitt eine zauberhafte Parabel über Toleranz, Weisheit und Fatalismus. Den Überraschungs-Bucherfolg aus Frankreich, der auch in Deutschland die Bestsellerlisten stürmte, liest Matthias Ponnier. Eric-Emmanuel Schmitt, geboren am 28. März 1960 in St-Foy-les-Lyon, studierte Musik in Lyon und Philosophie in Paris. Mit 26 Jahren schloss er seine Dissertation über "Diderot und die Metaphysik" ab. Von 1986 bis 1993 lehrte er Philosophie in Besançon und an der Université de Savoie in Chambéry. Seit Beginn der 90er Jahre arbeitet er als Romancier, Dramatiker und Autor für Theater, Film und Fernsehen. Seit 1991 wurden sechs seiner Theaterstücke uraufgeführt - Eric-Emmanuel Schmitt ist heute neben Yasmina Reza der im In- und Ausland meistgespielte Bühnenautor Frankreichs, seine Stücke sind in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Eric-Emmanuel Schmitt lebt in Paris und Irland. Matthias Ponnier wurde am 26. März 1940 in Berlin geboren. Seine Karriere begann als Theaterschauspieler. Seit über 30 Jahren ist er in zahlreichen Fernsehfilmen und -serien zu sehen, u. a. in "Tatort", "Polizeiruf 110" und "Kinderärztin Leah". Matthias Ponnier gilt gleichzeitig als renommierter Synchron- und vielbeschäftigter Hörspielsprecher, u. a. in "Die fünfte Frau" von Henning Mankell, "Inspektor Jury" von Martha Grimes und J. R. R. Tolkiens "Der Herr der Ringe".
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»Eine Erzählung von lächelnder Gewitztheit, gelehrtem Charme, eleganter Schönheit. Eine Entdeckung.«
(Der Spiegel)
»Wie ein frischer Tropfen in einem Ozean der Gleichgültigkeit.«
(L`Express)
(Der Spiegel)
»Wie ein frischer Tropfen in einem Ozean der Gleichgültigkeit.«
(L`Express)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.12.2002Fahr einfach ohne Führerschein!
Eric-Emmanuel Schmitt vertreibt Lebensweisheiten im Kramladen
Literatur, die einfach Toleranz und Brüderlichkeit verkündet, hat oft einen süßlichen Nachgeschmack. Der kommt auch in dieser Erzählung des erfolgreichen französischen Theaterautors manchmal auf. Der Gemischtwarenladen des Monsieur Ibrahim in der Pariser Rue Bleue ist zum Glück aber so reich bestückt, daß der gutgemeinte Konsens sich unter der Last des Kuriosen durchbiegt. Der arabische Krämer in der jüdischen Straße ist nämlich gar kein Araber, wie der zwölfjährige Moses in der traurigen Anwaltswohnung darüber auch Mohammed heißt - "Momo" taugt als Kürzel für beide Namen. Überhaupt ist die Straße nicht blau, und die Dirnen in der nahe gelegenen Rue de Paradis öffnen nicht unbedingt den Weg in ein solches. "Araber sein" bedeutet in der Krämerbranche einfach: nachts und auch am Sonntag geöffnet.
Zu dem jahraus, jahrein auf seinem Hocker sitzenden Monsieur Ibrahim kommt der Junge täglich, um sich - zahlend oder stibitzend - mit dem einzudecken, was er für den Zweipersonenhaushalt mit seinem deprimierten Vater so braucht. Die Mutter ist längst auf und davon. Eine Episode mit Brigitte Bardot, die in der Rue Bleue gerade einen Film dreht, bringt den Krämer und den kleinen Kunden näher zusammen, was die Romanhandlung zeitlich in den sechziger Jahren ansiedelt, als der Autor selbst etwa das Alter Momos hatte. Der gern und undogmatisch von seiner Koranlektüre zehrende Monsieur Ibrahim bietet dem Jungen jene Lebensschule, die der Vater nicht leisten kann. Zu lernen gibt es Alltagsweisheiten wie die, daß manches krumm gedrehte Dinge im Leben, etwa Autofahren ohne Führerschein, nicht unbedingt vom geraden Weg abführt, daß in der Langsamkeit mehr als in der Geschwindigkeit das Geheimnis zum Glück liegt, und vor allem, daß ein freundliches Lächeln im Alltag fast alle Hindernisse beseitigt. So wendet der Junge, ob in der Schule, bei den Dirnen oder bei den Ämtern, in jeder Angelegenheit mit Erfolg dieses Zaubermittel an: Zack, Lächeln!
Im Fortgang der Erzählung und des Lebens wird dieses auswendige Lächeln aber von einem anderen überhöht: dem des Humors. Wenn Momo am Schluß längst schon den Monsieur Ibrahim im Laden ersetzt hat und seine eigenen Kinder der plötzlich wiederaufgetauchten Mutter inkognito über die Knie klettern läßt, fragt diese besorgt, ob es ihm nicht peinlich sei, daß sie von diesen Oma genannt werde. Nein, antwortet der Sohn: "Ich habe Sinn für Humor." Der macht nicht nur harte Lebensschläge sanfter, sondern auch süffige Lebensweisheit etwas herber und wirft ein paar willkommene Flecken auf die sonst schattenlose, vorzüglich übersetzte Erzählung.
JOSEPH HANIMANN
Eric-Emmanuel Schmitt: "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Korans. Erzählung. Aus dem Französischen übersetzt von Annette und Paul Bäcker. Ammann Verlag, Zürich 2002. 101 S., geb., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eric-Emmanuel Schmitt vertreibt Lebensweisheiten im Kramladen
Literatur, die einfach Toleranz und Brüderlichkeit verkündet, hat oft einen süßlichen Nachgeschmack. Der kommt auch in dieser Erzählung des erfolgreichen französischen Theaterautors manchmal auf. Der Gemischtwarenladen des Monsieur Ibrahim in der Pariser Rue Bleue ist zum Glück aber so reich bestückt, daß der gutgemeinte Konsens sich unter der Last des Kuriosen durchbiegt. Der arabische Krämer in der jüdischen Straße ist nämlich gar kein Araber, wie der zwölfjährige Moses in der traurigen Anwaltswohnung darüber auch Mohammed heißt - "Momo" taugt als Kürzel für beide Namen. Überhaupt ist die Straße nicht blau, und die Dirnen in der nahe gelegenen Rue de Paradis öffnen nicht unbedingt den Weg in ein solches. "Araber sein" bedeutet in der Krämerbranche einfach: nachts und auch am Sonntag geöffnet.
Zu dem jahraus, jahrein auf seinem Hocker sitzenden Monsieur Ibrahim kommt der Junge täglich, um sich - zahlend oder stibitzend - mit dem einzudecken, was er für den Zweipersonenhaushalt mit seinem deprimierten Vater so braucht. Die Mutter ist längst auf und davon. Eine Episode mit Brigitte Bardot, die in der Rue Bleue gerade einen Film dreht, bringt den Krämer und den kleinen Kunden näher zusammen, was die Romanhandlung zeitlich in den sechziger Jahren ansiedelt, als der Autor selbst etwa das Alter Momos hatte. Der gern und undogmatisch von seiner Koranlektüre zehrende Monsieur Ibrahim bietet dem Jungen jene Lebensschule, die der Vater nicht leisten kann. Zu lernen gibt es Alltagsweisheiten wie die, daß manches krumm gedrehte Dinge im Leben, etwa Autofahren ohne Führerschein, nicht unbedingt vom geraden Weg abführt, daß in der Langsamkeit mehr als in der Geschwindigkeit das Geheimnis zum Glück liegt, und vor allem, daß ein freundliches Lächeln im Alltag fast alle Hindernisse beseitigt. So wendet der Junge, ob in der Schule, bei den Dirnen oder bei den Ämtern, in jeder Angelegenheit mit Erfolg dieses Zaubermittel an: Zack, Lächeln!
Im Fortgang der Erzählung und des Lebens wird dieses auswendige Lächeln aber von einem anderen überhöht: dem des Humors. Wenn Momo am Schluß längst schon den Monsieur Ibrahim im Laden ersetzt hat und seine eigenen Kinder der plötzlich wiederaufgetauchten Mutter inkognito über die Knie klettern läßt, fragt diese besorgt, ob es ihm nicht peinlich sei, daß sie von diesen Oma genannt werde. Nein, antwortet der Sohn: "Ich habe Sinn für Humor." Der macht nicht nur harte Lebensschläge sanfter, sondern auch süffige Lebensweisheit etwas herber und wirft ein paar willkommene Flecken auf die sonst schattenlose, vorzüglich übersetzte Erzählung.
JOSEPH HANIMANN
Eric-Emmanuel Schmitt: "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Korans. Erzählung. Aus dem Französischen übersetzt von Annette und Paul Bäcker. Ammann Verlag, Zürich 2002. 101 S., geb., 12,- [Euro].
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