Vom Verschwinden einer Frau - stimmig konstruierte Geschichte zwischen Fiktion und Biographie
Die berühmte Krimiautorin Agatha Christie verschwindet im Dezember 1926 spurlos für ganze elf Tage. Ihr Wagen wird am Ufer eines Teichs gefunden. Die aufwendige Suchaktion hält nicht nur ihren Ehemann
und ihre Tochter, sondern auch ganz England in Atem. Schließlich taucht Agatha wieder auf - unter…mehrVom Verschwinden einer Frau - stimmig konstruierte Geschichte zwischen Fiktion und Biographie
Die berühmte Krimiautorin Agatha Christie verschwindet im Dezember 1926 spurlos für ganze elf Tage. Ihr Wagen wird am Ufer eines Teichs gefunden. Die aufwendige Suchaktion hält nicht nur ihren Ehemann und ihre Tochter, sondern auch ganz England in Atem. Schließlich taucht Agatha wieder auf - unter ähnlich mysteriösen Umständen wie sie verschwand. Nur Agatha Christie selbst weiß, was damals wirklich geschah.
Autorin Marie Benedict erzählt flüssig und klar in zwei Handlungssträngen. Zunächst schildert sie aus Agathas Sicht in der ersten Person, wie diese ihren späteren Ehemann Archibald Christie kennenlernt und wie sich ihre Ehe, ihr Alltag, ihr Leben danach entwickeln. Parallel dazu erfahren die Leser aber auch, was sich später während Agathas Verschwinden bei ihrem Ehemann und ihrer Familie abspielt. Es werden sukzessive die Gründe offenbart, die zu Agathas Verschwinden führen. Der Einstieg in die Geschichte erfolgt recht unvermittelt, erst nach und nach fügen sich die einzelnen Puzzleteile der Handlung zusammen und alles wird durchschaubarer.
Agatha Christie ist die Hauptfigur des Romans, auch wenn sie mitunter nicht selbst in Aktion tritt, sondern nur Gesprächsthema ist. Durchaus interessant, Agatha noch vor ihrer Schriftstellerkarriere als junge Frau mit Träumen und Hoffnungen zu erleben. Als Agatha ihrer Schwester Madge davon erzählt, dass sie gerne einmal eine Detektivgeschichte schreiben möchte und diese daraufhin antwortet: „Ich glaube nicht, dass du das kannst, Agatha. Das ist ein sehr schwieriges Unterfangen. Ich hatte auch schon mal selbst überlegt, es mal zu versuchen, es ist einfach zu knifflig.“, konnte ich nicht anders, als wissend schmunzeln. Mit ihrer dominanten, wichtigtuerischen Schwester Madge hat es Agatha nun wirklich nicht leicht. Für Agatha sehr befriedigend und absolut verdient, dass sie letztendlich ihrer Schwester und allen sonst beweist, was sie für ein großes Talent hat. An dieser Stelle habe ich mit Agatha mitgefiebert, wünschte ihr, dass sie groß rauskommen würde und ihre überhebliche Schwester in die Schranken weist. Solche Gefühle blieben aber leider die Ausnahme. Als großer Fan der Christie-Romane war für mich die Darstellung der Hauptfigur nicht hundertprozentig gelungen. Ich hätte mir mehr Passagen gewünscht, in denen ich Agatha inbrünstig verteidigen wollte, intensiver mit ihr gefühlt hätte. Stattdessen habe ich leider selten Bezug zu ihr gefunden, sie blieb mir zu blass, zeigte als Charakter für mich zu wenig Tiefe und Stärke, agierte zu passiv. Etwas enttäuscht hat mich zudem, dass Agathas Werk selbst keine größere Rolle in dem Roman einnimmt. Nicht nur Schwester Madge, auch ihr oft selbstsüchtiger, unsensibler Ehemann unterstützen Agatha nicht so, wie Agatha das gebraucht hätte. So nimmt Agatha dann der Tod ihrer überaus geliebten Mutter auch sehr mit.
Ob Marie Benedicts Version der Geschichte die wahre ist?
Das Buch selbst ist zwar kein klassischer Krimi, kommt es doch ohne echten Mord und Blutvergießen aus, ist aber trotzdem krimiartig aufgebaut. Es wird zunehmend enthüllt, was hinter Agathas Verschwinden steckt. Agatha, die sonst in ihren Romanen ihre Figuren verschwinden lässt, wird zur Hauptfigur in ihrer eigenen Geschichte. Die Handlung ist schlüssig, intelligent und nachvollziehbar konstruiert, vielleicht nicht ganz so genial wie Agatha Christie es selbst geschrieben hätte. Nicht nervenaufreibend spannend, anfangs eher gemächlich und ruhig, aber gegen Ende durchaus packend. Ich hätte mir dennoch gewünscht, emotional mehr eingebunden, mehr gefesselt zu werden, Agatha blieb für mich trotz der Offenbarung ihres Innersten auf Distanz. Vielleicht störte mich auch, dass am Ende die Ursachen für ihr Verschwinden zu direkt und wiederholt von ihr selbst erläutert werden. Das alles hätte man als Leser auch ohne dezidierte Erläuterungen selbst herausfinden können. Manchmal braucht eine