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Gibt es diese Gestalten wirklich noch, "die gesprächige Alleinreisende", den "landestypisch unrasierten Herrn" oder "Tante Hannelore", diese "unkomplizierte Frohnatur", die man aus "Barmherzigkeit" mit auf Reisen nimmt? Bereitet man auf Campingplätzen noch Ravioli in Dosen zu? Reserviert man noch Liegestühle am Pool mit dem Handtuch? Und falls es diese Protagonisten oder solche Gepflogenheiten noch gibt, eignen sie sich als Quell der Komik, oder ist ihr Witzpotential nicht längst versiegt? Der Autor, der viele Jahre als Reisebegleiter "auf Traumschiffen, Paradiesinseln und in Märchenschlössern" unterwegs war, ist ihnen offenbar überall auf der Welt begegnet, denn er berichtet detailliert und in einem Ton, der niemals die Ebene der ironischen Dauerbelustigung verlässt, von schrecklichen Mitreisenden und blamablen Situationen. Reisen ist durchweg furchtbar, ob pauschal oder individuell, und geht immer schief: Stau, Fraß, Krach, Nepp, Zank und Gestank. Dieser Gag deutet sich in den ersten Zeilen jedes der vierzig Kapitel an und wird bis zum Ende durchdekliniert. Die Haltung erinnert an einen Conferencier, der die Verbrüderung mit seinem Publikum sucht, indem er rhetorisch an die Leute heranredet: "Ist Ihnen das auch schon aufgefallen?" "Sicher haben Sie auch schon ..." Seine Tipps - "Erziehen Sie Ihren Mann, am besten vor Zuschauern" - sind so runzelig wie die Wurstscheiben auf dem Frühstücksbuffet um halb zehn. Und da das Publikum schweigt, beantwortet er seine rhetorischen Fragen eben selbst: "Weshalb tue ich mir das an? Und bezahle auch noch dafür?" "Müssen wir da auch noch hin?" "Nein", beruhigt der Autor, "wir müssen da nicht hin." Muss ich das wirklich alles lesen? Nein, das muss ich nicht.
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"Müssen wir da auch noch hin?" von Dietmar Bittrich. Dtv, München 2019. 208 Seiten. Broschiert, 9,95 Euro.
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