"Zwei Münder vereinigen sich zu einer schönen Sangstimme. Weil sie alles wissen und weil sie alle Lust versprechen,die möglich ist, soll Odysseus das Schiff anlegen, an der Insel. Das sind die beiden Sirenen,die in der späteren ikonographischen Tradition auf den Vasen immer drei sind und immer schreckliche Mischwesen: oben Jungfrauen mit Busen, unten Krallen und Vögel - bei Homer sind es einfach zwei schöne Nymphen."
Friedrich Kittler betreibt experimentelle Philologie, bereist die Sireneninseln und verlebendigt so die Geschichte des Odysseus. Er erzählt von den honigsüß summenden Stimmen der Frauen, der Geburt der Musen, den Ausschweifungen Kirkes, läßt Göttinnen auftreten, Huren und Nymphen - über allem aber schwebt Musik und die Erotik der Mathematik... Es geht um Verzauberung und die Grausamkeit der Verführung, um das "Lächeln im unsterblichen Gesicht" (Sappho) und das Fortdauern des Namens durch die Zeiten, bis er heute seinen Eintrag im "Sprechbuch" findet. Kittler beschwört unser griechisches Erbe,den Ursprung aller Wissenschaften.
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"Mit diesem Sprechbuch, wie Kittler es nennt, geht er hinter die geschliffene Schriftsprache zurück, zum mündlichen Erzählen, woraus alle Literatur entstanden ist. Anders als sein Kollege Peter Wapnewski mit seinen Nacherzählungen des Nibelungenlieds und anderer mittelalterlicher Epen, liest Kittler keinen wohl formulierten Text ab. Er strolcht auf Seitenwegen durch die griechische Mythologie und erzählt gegen jeden Lehrplan, was ihn an den griechischen Helden, ihren Göttern und dem antiken Denken fasziniert. Beiläufig, im Konversationston, plaudert er vor sich hin, zündet sich eine Zigarette an, trinkt, verfertigt hörbar die Gedanken beim Reden, gönnt sich Pausen, ganz so, als säße er am Tisch unter Freunden. Geschliffen Scharfes mischt sich mit krausem Kauderwelsch. Dabei geht es um nichts weniger als um die griechische Variante des Erbes der Menschheit und den Ursprung der Wissenschaften. Es ist amüsant, man fühlt sich gut unterhalten. Kittler benimmt sich wie ein Archäologe, der ein paar Scherben gefunden hat, und so tut, als ließen sie sich zu einer Tasse zusammensetzen. Am Ende steht da ein ganzes Service, man schmeckt förmlich die Getränke, hört die Gespräche, sieht ganze Gastmähler vor sich. Das ist fröhliche Wissenschaft!"