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Nach »Kaffee und Zigaretten«: neue Erzählungen von Ferdinand von Schirach Ferdinand von Schirach erzählt von milden Frühsommermorgen, verregneten Nachmittagen und schwarzen Nächten. Seine Geschichten spielen in Berlin, Pamplona, Oslo, Tokio, Zürich, New York, Marrakesch, Taipeh und Wien. Es sind kurze Geschichten über die Dinge, die unser Leben verändern, über Zufälle, falsche Entscheidungen und die Flüchtigkeit des Glücks. Schirach erzählt von der Einsamkeit der Menschen, von der Kunst, der Literatur, dem Film und immer auch von der Liebe. Ungekürzte Lesung mit Hanns Zischler 3h 34min

Produktbeschreibung
Nach »Kaffee und Zigaretten«: neue Erzählungen von Ferdinand von Schirach Ferdinand von Schirach erzählt von milden Frühsommermorgen, verregneten Nachmittagen und schwarzen Nächten. Seine Geschichten spielen in Berlin, Pamplona, Oslo, Tokio, Zürich, New York, Marrakesch, Taipeh und Wien. Es sind kurze Geschichten über die Dinge, die unser Leben verändern, über Zufälle, falsche Entscheidungen und die Flüchtigkeit des Glücks. Schirach erzählt von der Einsamkeit der Menschen, von der Kunst, der Literatur, dem Film und immer auch von der Liebe. Ungekürzte Lesung mit Hanns Zischler 3h 34min

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Autorenporträt
Der Spiegel nannte Ferdinand von Schirach einen »großartigen Erzähler«, die New York Times einen »außergewöhnlichen Stilisten«, der Independent verglich ihn mit Kafka und Kleist, der Daily Telegraph schrieb, er sei »eine der markantesten Stimmen der europäischen Literatur«. Seine Bücher wurden vielfach verfilmt und zu millionenfach verkauften internationalen Bestsellern. Sie erschienen in mehr als vierzig Ländern. Die Theaterstücke Terror und Gott zählen zu den erfolgreichsten Dramen unserer Zeit, und Essaybände wie Die Würde des Menschen ist antastbar sowie die Gespräche mit Alexander Kluge Die Herzlichkeit der Vernunft und Trotzdem standen monatelang auf den deutschen Bestsellerlisten. Ferdinand von Schirach wurde vielfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet. Er lebt in Berlin. Zuletzt erschienen von ihm u.a. die Erzählsammlung Nachmittage sowie der Theatermonolog Regen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Felix Stephan bewundert Ferdinand von Schirach dafür, wie der Autor vermittels einer "exquisiten Traurigkeit des Erzählens", die laut Stephan auch die neuen Texte bestimmt, vom Fehlen einer sinnstiftenden Verbindung zwischen der Außenwelt und der Innenwelt seiner "Hochglanzfiguren" berichtet. Die 26 kleinen Notate eines aus den Suiten der teuersten Hotels auf sein Leben zurückblickenden Anwalts scheinen Stephan zwar mitunter "fürchterlich banal", wie ökonomisch Schirach Lebensschicksale zu skizzieren vermag, findet der Rezensent jedoch ein ums andere Mal stark bzw. "makellos". Dass aus dem geschilderten Reichtum der Figuren nichts folgt, hält Stephan allerdings für ein Problem.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.08.2022

Exquisite Traurigkeit
Lieber im Luxushotel weinen als im Armenhaus:
Ferdinand von Schirachs neue Erzählungen
In den Neunzigerjahren wurde der hawaiianische Musiker Israel „IZ“ Kamakawiwo’ole mit einem Medley aus „What a wonderful world“ und „Somewhere over the Rainbow“ berühmt, bei dem er sich selbst auf der Ukulele begleitete. Das hat mit dem neuen Erzählungsband von Ferdinand von Schirach nur indirekt, aber doch zumindest insofern zu tun, als man dort eine ganz ähnliche, richtungslos sehnsuchtsvolle Stimmung antrifft und man deshalb diese Ukulele nun unentwegt im Ohr hat, während man die Erzählungen liest.
Wir betrachten die Welt dort – bei Ferdinand von Schirach – durch die Augen eines Erzählers, der dem Autor zum Verwechseln ähnlich sieht. Seit frühester Jugend hatte er den Wunsch, seiner Familie zu entkommen und zu schreiben, doch zunächst studierte er Jura und arbeitete als Anwalt.
Heute hält er sich häufig in Hotels auf, denkt an flüchtige Begegnungen zurück und lässt sich von der zauberhaften Widersprüchlichkeit des Lebens behaglich berühren. Das Buch besteht aus 26 kleinen Notaten, Lektürefunden und vor allem Anekdoten, die dem Erzähler von Nebenfiguren zugetragen werden, die ihm zufällig am Rande seines Weges begegnen und ansonsten keine weitere Funktion haben.
Gegen dieses Verfahren ist natürlich überhaupt nichts einzuwenden. Es herrscht eine schöne, milde Gesamttraurigkeit in diesen Texten, von jener Art, wie sie auch den Film „Lost in Translation“ durchweht, der in dem Buch einmal als ästhetisches Vorbild herangezogen wird. Die große Leistung dieses Kunstwerks beschreibt Ferdinand von Schirach so: „Die Traurigkeit verschwindet nie ganz, so wie sie im Leben nie ganz verschwindet. Aber hier ist sie leicht und warm, und vor allem ist sie oft unglaublich komisch.“
Damit ist poetologisch schon alles gesagt. Der Erzähler möchte diese Atmosphäre, wenn er schon nicht vollkommen in ihr aufgehen kann, so doch wenigstens bewohnen, weshalb er sich, als er einmal in Tokio ist, in dem Hotel einbucht, in dem der Film spielt.
Dort sitzt er dann allein an einem Tisch und nimmt nach einem langen Tag voller Interviews sein Abendessen ein, als ihm das Schicksal mittels einer missglückten Buchung eine amerikanische Anwältin zuführt, die sich am selben Tisch niederlässt und unversehens eine dieser Schirach’schen Anekdoten vom Stapel lässt, in der Gut und Böse nicht mehr sinnvoll voneinander zu unterscheiden sind.
Diese Unterhaltungen sind oft fürchterlich banal, es fallen Sätze wie diese hier: „Mero war ein Schwein und gleichzeitig ein guter Mensch“, woraufhin der Erzähler nachdenklich zurückgibt: „Das sind wir vermutlich alle ein bisschen.“ Das muss nichts heißen. Literatur, in der banale Sätze gesagt werden, ist noch lange nicht selbst banal. In den Stücken Samuel Becketts zum Beispiel wird auf sehr kunstvolle Weise kein einziger interessanter Satz gesagt. Das Dilemma bei Ferdinand von Schirach aber ist, dass man sich bei seinen Erzählungen nie ganz sicher sein kann, ob die Banalität wirklich zum Programm gehört.
Eine der Grundregeln des Creative Writing lautet, dass der Autor am Anfang einer Erzählung eine bestimmte Anzahl von Bällen in die Luft wirft und diese dann bis zum Ende in der Luft halten muss. In dieser Disziplin hat Ferdinand von Schirach eine besondere Meisterschaft entwickelt. Ganze Biografien und Lebensschicksale skizziert er in wenigen Strichen, und sie lesen sich immer ein wenig wie rechtswissenschaftliche Fallbeispiele. Wenn Lebensläufe anhand von Erbschaften, Scheidungen und Fällen unterlassener Hilfeleistung umrissen werden, surren ganze Biografien auf wenige Augenblicke zusammen und ganze Schicksale auf wenige Zeilen. Die Erzähleffizienz dieser Prosa ist makellos.
Hin und wieder kommt es aber eben vor, dass zwischen den Effekten unversehens auch ein Stück Welt hervortritt, und in diesen Momenten wissen die Erzählungen erstaunlich wenig mit sich anzufangen. Man kann das Problem gut an den Nebenfiguren zeigen: In ihrer großen Mehrzahl sind sie unglaublich wohlhabend. Sie besitzen jahrhundertealte, palastartige Villen in Italien, die sie dem Erzähler großzügig zur Verfügung stellen, sie haben die Unternehmen ihrer Väter geerbt oder ihr Vermögen unter unwahrscheinlichsten Umständen selbst erarbeitet.
Sie tragen Uhren von Cartier, „herrliche Rubinarmbänder“ und verkehren in den besten und teuersten Hotels der Welt. Dort begegnen sie dann dem Erzähler. Einem potenziellen Mörder, den er einmal verteidigt hat, begegnet der Erzähler etwa im Hotel „La Mamounia“ in Marrakesch, wo das günstigste Zimmer für nächste Woche aktuell 641 Euro oder fast zwei Hartz-IV-Sätze kostet und über das er dies hier zu sagen weiß: „Cameron Díaz, Tom Hanks und Gwyneth Platrow sind regelmäßig Gäste.“ Und falls die Figuren nicht außerirdisch reich sind, so sind sie zumindest „eine der bekanntesten Theaterschauspielerinnen ihrer Zeit“ oder als weltbekannte Konzertpianistin ein „Ausnahmetalent“.
Das Problem an dieser Akkumulation an Hochglanzfiguren besteht nicht darin, dass es etwa unrealistisch wäre oder Literatur zwangsläufig ein soziales Bewusstsein bräuchte. Das ist es nicht, und das braucht sie nicht. Das Problem ist vielmehr, dass der Erzähler unentwegt die Vermögensverhältnisse der Figuren ausstellt, ohne dass daraus etwas folgen würde. Sie könnten ebenso gut arm sein oder der Mittelschicht angehören.
Das ist keineswegs ein Detail. Allgemein gesprochen drehte sich die Romankunst im 19. Jahrhundert um moralische Erwägungen, um richtige und falsche Lebensführung und die Frage, wie sich ein ästhetisches mit einem ethischen Leben vereinbaren ließe. Im 20. Jahrhundert wandte sich der Roman dem menschlichen Bewusstsein zu und der schrecklichen Unordnung, die dort herrscht. Und das 21. Jahrhundert beschäftigt sich bislang vor allem mit der Frage, inwiefern vermeintlich externe Kategorien wie race, class und gender im Bewusstsein des Einzelnen weiterwirken.
Ferdinand von Schirachs Erzählungen könnte nichts weniger interessieren. Märchenhafter Reichtum ist darin permanent handlungstreibend, ohne je selbst Gegenstand der Betrachtung zu sein. Diese Auslassung reißt ein klaffendes Loch in das Gewebe der Erzählungen. Es ist eine Binse, dass die Klassenzugehörigkeit bewusstseinsbildend ist. Ferdinand von Schirach aber blendet das aus, er versucht, über den Menschen zu schreiben, ohne über die Welt zu schreiben, die in ihm wirkt.
Hat diese pietätvolle Aussparung am Ende auch mit dem Beruf zu tun, den Ferdinand von Schirach so lange ausgeübt hat? Anwälte haben häufig mit Leuten zu tun, die sich Anwälte leisten können. Bei den Ärzten unter den Weltliteraten, zum Vergleich – bei Döblin, Benn, Céline oder Tschechow – durchdringt die Gesellschaft alles. Machtstrukturen, Hierarchien und sozialpolitische Entscheidungen betreffen die Figuren dort unmittelbar, und häufig sind sie gerade deswegen hoffnungslos verlassen, weil sie in einer Gesellschaft leben. Bei Ferdinand von Schirach kommt diese äußere Welt vor allem als Schauwert vor, der auf dem Weg vom Hotel zum Flieger am Fenster vorbeizieht und melancholisch funkelt.
Dieses Gefühl, die Welt von einer Position gepolsterter Isolation zu betrachten, ist wahrscheinlich verbreiteter, als man glaubt, und Ferdinand von Schirach ist sein Prophet. Die rätselhafte, exquisite Traurigkeit des Erzählers, die all seine Erzählungen grundiert, ist in diesem Sinne kein existenzieller Ausdruck einer universellen Verlorenheit in einer kontingenten Welt oder einer romantischen Melancholie angesichts des Todes.
Er ist viel konkreter ein Ausdruck des Bedauerns, keinerlei sinnstiftende Verbindung zur Außenwelt herstellen zu können, eine seufzende Abwendung ins Innere. Diese persönliche und – weil sie so eng mit dem eigenen Stand verwoben ist – zwangsläufig auch gesellschaftliche Tragödie tritt in diesem Buch als schöner, matter, perlmuttartiger Glanz hervor.
FELIX STEPHAN
Das Schicksal bringt ihm eine der
Anekdoten, in denen sich Gut und
Böse nicht unterscheiden lässt
Märchenhafter Reichtum ist
handlungstreibend, aber nie
Gegenstand der Betrachtung
Schirach versucht,
über den Menschen zu schreiben,
ohne über die Welt zu schreiben
Seine Charaktere wohnen in den besten und teuersten Hotels der Welt. Dort begegnen sie dann dem Erzähler. Etwa im Park Hyatt Hotel Tokyo.
Foto: Roussel Images/mauritius/Alamy
Ferdinand von Schirachs Bücher mit Erzählungen juristischer Fallgeschichten sind große Bestseller.
Foto: Stephan Rabold
Ferdinand von Schirach: Nachmittage.
Luchterhand, München 2022. 176 Seiten,
22 Euro.
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»Ein Sound wie ein gutes trauriges Chanson.« Denis Scheck / Der Tagesspiegel