Von Millionen Lesern sehnsüchtig erwartet – der große neue Roman vom preisgekrönten Autor des Weltbestsellers »Die Bücherdiebin« Dies ist die Geschichte der fünf Dunbar-Brüder. Nach dem Tod der geliebten Mutter und dem Weggang ihres Vaters leben sie nach ihren ganz eigenen Regeln. Sie trauern, sie lieben, sie hassen, sie hoffen und sie suchen. Nach einem Weg mit ihrer Vergangenheit klarzukommen, nach der Wahrheit und nach Vergebung. Schließlich ist es Clay – angetrieben von den Erinnerungen an ihren tragischen Verlust – der beschließt eine Brücke zu bauen. Eine Brücke, die Vergangenheit zu überwinden und so sich selbst, und seine Familie, zu retten. Dafür verlangt er sich alles ab, was er geben kann, und mehr: nichts weniger als ein Wunder. Johannes Klaußner gibt den Dunbar-Brüdern eine Stimme.
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»Johannes Klaußner versteht es, die besondere Erzählstimmung von Markus Zusak großartig zu vertonen.«
Schreibmaschine und Schlangenknochen
Zum Kern der Zwiebel: Der australische Autor Markus Zusak ließ die Leser 14 Jahre auf den Nachfolger seiner "Bücherdiebin" warten. Es hat sich gelohnt.
Ein Mann schleicht sich in das Haus in einer Siedlung an der Peripherie von Sydney, in dem er früher einmal glückliche Jahre verbracht hat. Sonderlich erwünscht ist er dort nicht, und als seine fünf Söhne aus ihren Zimmern kommen und den fremd gewordenen Vater mustern, fehlt nur noch ein Funken zur Explosion: Wut auf den Mann, der nach dem Tod der Mutter einfach gegangen ist und seine Söhne, die meisten von ihnen Teenager oder noch jünger, alleingelassen hat, Wut auf all die Jahre, in denen Lebensträume der Jungen zerstoben sind, weil die Verhältnisse danach waren, und schließlich Wut auf das Schicksal, das ihre Mutter an Krebs erkranken ließ.
Nun steht der Vater vor ihnen und bittet um Hilfe. Er lebt inzwischen auf dem Land, in unmittelbarer Nähe eines ausgetrockneten Flussbetts. Bei starkem Regen wird es einen reißenden Strom in sich führen, eine Brücke muss her, und allein kann sie der Vater nicht bauen. Seine Söhne, die ihn unter sich den "Mörder" nennen, setzen ihn brüsk vor die Tür.
Doch die Brüder - der zwanzigjährige Matthew, es folgen Rory, Henry, Clay und der dreizehnjährige Tommy - kennen einander zu gut, um die Sache mit diesem Rauswurf für abgeschlossen zu halten. Einer von ihnen, der erstaunliche Clay, wird ausscheren, den verfemten Vater aufsuchen, mit ihm zusammen Fachbücher studieren und Bauzeichnungen anfertigen, das Fundament ausheben und schließlich das Werk vollenden, gerade noch rechtzeitig, bevor das Wasser kommt. Und trotzdem den Boden unter den Füßen verlieren.
Der australische Autor Markus Zusak, Jahrgang 1975, der mit seinem 2005 erschienene Roman "Die Bücherdiebin" auch hierzulande bekannt geworden ist, hat sich mit dem Folgeroman viel Zeit gelassen: Erst im Herbst des vergangenen Jahres ist "Bridge of Clay" im Original erschienen, die deutsche Übersetzung liegt seit kurzem unter dem Titel "Nichts weniger als ein Wunder" vor, wohl weil das Wortspiel des Originals - "Lehmbrücke", aber auch "Clays Brücke" - nicht übersetzbar ist. Und während "Die Bücherdiebin" vom Tod höchstselbst erzählt wird, der den Werdegang eines Mädchens in einer deutschen Kleinstadt mitten im Zweiten Weltkrieg schildert, die Verluste ihrer Angehörigen registriert und sie schließlich viele Jahrzehnte später als alte Frau zu sich nimmt, ist hier der älteste Brüder der Erzähler.
Matthew berichtet aus weitem Abstand, ein gutes Jahrzehnt nach der kurzen Rückkehr des Vaters. Er schildert, unter welchen Umständen er erzählt und wie er dafür erst einmal das Haus in einer entfernten Stadt aufsucht, in dem sein Vater aufwuchs und einst im Garten die Schreibmaschine seiner Mutter vergrub, zusammen mit ein paar Hundeknochen sowie den Überresten einer Schlange - die überraschten jetzigen Bewohner verlangen dafür von ihm, dass er nicht nur das Schreibgerät, sondern auch die Knochen mitnimmt.
Er kommt mühsam in Gang, betont immer wieder, dass er gerade erzählt und eben nicht einfach seinem Erinnerungsstrom folgt, und ein Gegenüber wird erwähnt, für das er all dies berichte, ein ungenannter Zuhörer, dem manches offenbar bekannt ist, das Matthew daher übergehen kann, und dem der Erzähler andererseits manche Dinge ausdeuten muss, die er nicht falsch interpretiert sehen will. Die Chronologie ist auf den ersten Blick verworren und auf den zweiten durchaus strukturiert, wenn auch eigenen Gesetzen folgend, und dass Matthew am Ende all diese Fäden zusammenbindet, gleicht tatsächlich einem Wunder: an Bewältigung einer erzählerischen Aufgabe ebenso wie eines Gruppenschicksals, das mehr als einmal die schlimmstmögliche Wendung genommen hat.
Der Blick geht weit zurück, nach Europa im letzten Jahrzehnt des Kalten Krieges, als dessen Ende noch nicht abzusehen war und eine junge polnische Pianistin namens Penelope von ihrem Vater in die Emigration geschickt wird, was sie schließlich nach Australien führt. Ein Klavier, das sie kauft und das falsch zugestellt wird, bringt sie in Sydney - der Name der Stadt wird im Buch nicht genannt, ist aber leicht erschließbar - mit ihrem späteren Mann zusammen, der von seiner ersten Frau verlassen wurde, ein Versehrter auch er. Fünf Söhne werden geboren, drei Jahre lang kämpft die Mutter gegen den Krebs, während ihre Söhne in die Schule gehen, einander stützen und bezanken, sich verlieben, um Geld wetten und immer um Normalität ringen in einem Haus, über dem ein Schatten liegt.
All dies erzählt Matthew in konzentrischen Kreisen, in deren innerstem der Moment liegt, in dem die Mutter stirbt, etwas also, das Schicht um Schicht freigelegt werden muss. "Eine tragische Bruchbude von einer Familie", so nennt Matthew sich und seine Brüder schon früh im Roman und schreibt, dass sie miteinander aussahen "wie Pokale für Zweitplatzierte" - wie es dazu gekommen ist, erzählt er viel später. Und wenn anfangs des Romans das Leben in der Rumpffamilie ohne die Eltern noch einigermaßen funktioniert, dann wird im Verlauf immer deutlicher, wie sehr der zusätzliche Verlust des Vaters die Jungen erschüttert, verstört und erzürnt: "Von unserem Vater erhofften wir uns Hoffnung, glaube ich. Mut und Geborgenheit, wir hofften, dass er uns einen nach dem anderen umarmte und uns wieder aufrichtete. Aber nichts dergleichen geschah." Stattdessen zieht er sich immer weiter zurück, verschwindet vor ihren Augen, "langsam, Stück für Stück". Als er dann eines Morgens auch physisch abwesend ist, zieht Clay, der Zweitjüngste, jeden Morgen barfuß los, um ihn zu suchen.
Es ist sehr leicht, das Buch manieriert, aufgeblasen und effekthascherisch zu finden, die Symbolik des Brückenbaus bemüht oder die Worte der Hebamme bei Clays Geburt ("Herr Jesus!", ruft sie aus) allzu vorausdeutend auf die erlösende Rolle, die der Junge spielen wird. Weiter kommt man, wenn man den nicht zufällig anfangs so genau geschilderten Schreibprozess vor Augen behält, das Bemühen Matthews also, eine Vergangenheit zu bewältigen, die ihn zu Beginn seiner Arbeit zu erdrücken droht. Er sucht und wägt die passenden Worte dafür, spürt im Chaos der Unfälle und Katastrophen einem möglichen Sinn nach und weiß, dass er dabei nur Angebote machen kann, dass es also seinem Gegenüber innerhalb des Romans ebenso wie dem Leser überlassen bleibt, diese Angebote anzunehmen oder auszuschlagen.
Trost finden er, seine Geschwister, seine Eltern und sogar sein Großvater in den Epen Homers, die Penny ihren wilden Jungen vorliest. Wozu aber ein Erzähler in der Lage ist, der damit aufwächst, führt der Roman auf glänzende Weise vor.
TILMAN SPRECKELSEN
Markus Zusak: "Nichts weniger als ein Wunder". Roman.
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst. Limes Verlag, München 2019. 640 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zum Kern der Zwiebel: Der australische Autor Markus Zusak ließ die Leser 14 Jahre auf den Nachfolger seiner "Bücherdiebin" warten. Es hat sich gelohnt.
Ein Mann schleicht sich in das Haus in einer Siedlung an der Peripherie von Sydney, in dem er früher einmal glückliche Jahre verbracht hat. Sonderlich erwünscht ist er dort nicht, und als seine fünf Söhne aus ihren Zimmern kommen und den fremd gewordenen Vater mustern, fehlt nur noch ein Funken zur Explosion: Wut auf den Mann, der nach dem Tod der Mutter einfach gegangen ist und seine Söhne, die meisten von ihnen Teenager oder noch jünger, alleingelassen hat, Wut auf all die Jahre, in denen Lebensträume der Jungen zerstoben sind, weil die Verhältnisse danach waren, und schließlich Wut auf das Schicksal, das ihre Mutter an Krebs erkranken ließ.
Nun steht der Vater vor ihnen und bittet um Hilfe. Er lebt inzwischen auf dem Land, in unmittelbarer Nähe eines ausgetrockneten Flussbetts. Bei starkem Regen wird es einen reißenden Strom in sich führen, eine Brücke muss her, und allein kann sie der Vater nicht bauen. Seine Söhne, die ihn unter sich den "Mörder" nennen, setzen ihn brüsk vor die Tür.
Doch die Brüder - der zwanzigjährige Matthew, es folgen Rory, Henry, Clay und der dreizehnjährige Tommy - kennen einander zu gut, um die Sache mit diesem Rauswurf für abgeschlossen zu halten. Einer von ihnen, der erstaunliche Clay, wird ausscheren, den verfemten Vater aufsuchen, mit ihm zusammen Fachbücher studieren und Bauzeichnungen anfertigen, das Fundament ausheben und schließlich das Werk vollenden, gerade noch rechtzeitig, bevor das Wasser kommt. Und trotzdem den Boden unter den Füßen verlieren.
Der australische Autor Markus Zusak, Jahrgang 1975, der mit seinem 2005 erschienene Roman "Die Bücherdiebin" auch hierzulande bekannt geworden ist, hat sich mit dem Folgeroman viel Zeit gelassen: Erst im Herbst des vergangenen Jahres ist "Bridge of Clay" im Original erschienen, die deutsche Übersetzung liegt seit kurzem unter dem Titel "Nichts weniger als ein Wunder" vor, wohl weil das Wortspiel des Originals - "Lehmbrücke", aber auch "Clays Brücke" - nicht übersetzbar ist. Und während "Die Bücherdiebin" vom Tod höchstselbst erzählt wird, der den Werdegang eines Mädchens in einer deutschen Kleinstadt mitten im Zweiten Weltkrieg schildert, die Verluste ihrer Angehörigen registriert und sie schließlich viele Jahrzehnte später als alte Frau zu sich nimmt, ist hier der älteste Brüder der Erzähler.
Matthew berichtet aus weitem Abstand, ein gutes Jahrzehnt nach der kurzen Rückkehr des Vaters. Er schildert, unter welchen Umständen er erzählt und wie er dafür erst einmal das Haus in einer entfernten Stadt aufsucht, in dem sein Vater aufwuchs und einst im Garten die Schreibmaschine seiner Mutter vergrub, zusammen mit ein paar Hundeknochen sowie den Überresten einer Schlange - die überraschten jetzigen Bewohner verlangen dafür von ihm, dass er nicht nur das Schreibgerät, sondern auch die Knochen mitnimmt.
Er kommt mühsam in Gang, betont immer wieder, dass er gerade erzählt und eben nicht einfach seinem Erinnerungsstrom folgt, und ein Gegenüber wird erwähnt, für das er all dies berichte, ein ungenannter Zuhörer, dem manches offenbar bekannt ist, das Matthew daher übergehen kann, und dem der Erzähler andererseits manche Dinge ausdeuten muss, die er nicht falsch interpretiert sehen will. Die Chronologie ist auf den ersten Blick verworren und auf den zweiten durchaus strukturiert, wenn auch eigenen Gesetzen folgend, und dass Matthew am Ende all diese Fäden zusammenbindet, gleicht tatsächlich einem Wunder: an Bewältigung einer erzählerischen Aufgabe ebenso wie eines Gruppenschicksals, das mehr als einmal die schlimmstmögliche Wendung genommen hat.
Der Blick geht weit zurück, nach Europa im letzten Jahrzehnt des Kalten Krieges, als dessen Ende noch nicht abzusehen war und eine junge polnische Pianistin namens Penelope von ihrem Vater in die Emigration geschickt wird, was sie schließlich nach Australien führt. Ein Klavier, das sie kauft und das falsch zugestellt wird, bringt sie in Sydney - der Name der Stadt wird im Buch nicht genannt, ist aber leicht erschließbar - mit ihrem späteren Mann zusammen, der von seiner ersten Frau verlassen wurde, ein Versehrter auch er. Fünf Söhne werden geboren, drei Jahre lang kämpft die Mutter gegen den Krebs, während ihre Söhne in die Schule gehen, einander stützen und bezanken, sich verlieben, um Geld wetten und immer um Normalität ringen in einem Haus, über dem ein Schatten liegt.
All dies erzählt Matthew in konzentrischen Kreisen, in deren innerstem der Moment liegt, in dem die Mutter stirbt, etwas also, das Schicht um Schicht freigelegt werden muss. "Eine tragische Bruchbude von einer Familie", so nennt Matthew sich und seine Brüder schon früh im Roman und schreibt, dass sie miteinander aussahen "wie Pokale für Zweitplatzierte" - wie es dazu gekommen ist, erzählt er viel später. Und wenn anfangs des Romans das Leben in der Rumpffamilie ohne die Eltern noch einigermaßen funktioniert, dann wird im Verlauf immer deutlicher, wie sehr der zusätzliche Verlust des Vaters die Jungen erschüttert, verstört und erzürnt: "Von unserem Vater erhofften wir uns Hoffnung, glaube ich. Mut und Geborgenheit, wir hofften, dass er uns einen nach dem anderen umarmte und uns wieder aufrichtete. Aber nichts dergleichen geschah." Stattdessen zieht er sich immer weiter zurück, verschwindet vor ihren Augen, "langsam, Stück für Stück". Als er dann eines Morgens auch physisch abwesend ist, zieht Clay, der Zweitjüngste, jeden Morgen barfuß los, um ihn zu suchen.
Es ist sehr leicht, das Buch manieriert, aufgeblasen und effekthascherisch zu finden, die Symbolik des Brückenbaus bemüht oder die Worte der Hebamme bei Clays Geburt ("Herr Jesus!", ruft sie aus) allzu vorausdeutend auf die erlösende Rolle, die der Junge spielen wird. Weiter kommt man, wenn man den nicht zufällig anfangs so genau geschilderten Schreibprozess vor Augen behält, das Bemühen Matthews also, eine Vergangenheit zu bewältigen, die ihn zu Beginn seiner Arbeit zu erdrücken droht. Er sucht und wägt die passenden Worte dafür, spürt im Chaos der Unfälle und Katastrophen einem möglichen Sinn nach und weiß, dass er dabei nur Angebote machen kann, dass es also seinem Gegenüber innerhalb des Romans ebenso wie dem Leser überlassen bleibt, diese Angebote anzunehmen oder auszuschlagen.
Trost finden er, seine Geschwister, seine Eltern und sogar sein Großvater in den Epen Homers, die Penny ihren wilden Jungen vorliest. Wozu aber ein Erzähler in der Lage ist, der damit aufwächst, führt der Roman auf glänzende Weise vor.
TILMAN SPRECKELSEN
Markus Zusak: "Nichts weniger als ein Wunder". Roman.
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst. Limes Verlag, München 2019. 640 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ein großer und emotional kluger Roman über die Kunst der Vergebung." emotion