„Ich habe nichts Neues oder Tiefgründiges zu sagen, nichts, was nicht schon vorher gesagt worden wäre, aber ich weiß, dass Bücher mir geholfen, mich sogar gerettet haben, und vielleicht kann auch dieses Buch anderen dabei helfen, sich gesehen und weniger allein zu fühlen, egal, wer sie sind und auf
welcher Reise sie sich befinden.“ Für mich ist dieser Satz einer der besten in Elliot Pages Buch…mehr„Ich habe nichts Neues oder Tiefgründiges zu sagen, nichts, was nicht schon vorher gesagt worden wäre, aber ich weiß, dass Bücher mir geholfen, mich sogar gerettet haben, und vielleicht kann auch dieses Buch anderen dabei helfen, sich gesehen und weniger allein zu fühlen, egal, wer sie sind und auf welcher Reise sie sich befinden.“ Für mich ist dieser Satz einer der besten in Elliot Pages Buch „Pageboy“. Ich hatte mich auf das Buch aus mehreren Gründen sehr gefreut, denn ich lese gerne (Auto)Biografien und ich lese gerne über die Reise von Menschen zu sich selbst, zumal ich selbst trans bin. Stellenweise fand ich das Buch auch tatsächlich gut und lesenswert, stellenweise erschütternd und erschreckend. Alles in allem fehlt mir aber der rote Faden völlig und das Werk wirkt etwas konfus und sprachlich viel zu wenig ausgefeilt. So ist es für weniger eine Autobiografie als eine chaotische Ansammlung von Gedanken und Anekdoten, schlicht: Elliot Pages ureigener Bericht über die Reise zu sich selbst.
Aber von vorn.
Schon früh im Leben war für Elliot Page klar, dass er sich stark dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlte, obwohl ihm bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen worden war. Mit sechs Jahren fragte er seine Mutter: „Kann ich ein Junge sein?“ Natürlich konnte er das nach Überzeugung der Mutter nicht. Es sollte noch viele Jahre dauern, bis er sich selbst gefunden hatte und der werden konnte, der er schon immer war. Er schreibt schonungslos über das Mobbing in seiner Kindheit in der kanadischen Stadt Halifax, das auch in der Familie stattgefunden hat (seine Stiefmutter bezeichnete ihn als „Plage“ und „Heulsuse“ und genoss es, ihm Schmerz zuzufügen). Er schreibt über traumatische Erlebnisse, seine Ess-Störung, erste Erfahrungen in der Schauspielerei und in der Liebe. Inzwischen hat er sich selbst gefunden und scheint mit sich selbst weitestgehend im Reinen zu sein.
Sprachlich fand ich das Buch gewöhnungsbedürftig, der Verfasser ist Schauspieler und ganz eindeutig kein Schriftsteller. Vor allem die Beschreibungen einiger Intim-Szenen fand ich zu vulgär. Das Buch ist kein literarisches Werk, aber es hätte doch auch für einen ungeübten Autor sicher einen Mittelweg zwischen Literatur und Obszönität gegeben. Leider fehlt dem Buch auch jeglicher roter Faden, die Gedanken sprudeln nur so aus Elliot Page heraus und so bringt er sie zu Papier, ungeordnet und oft ohne einen zeitlichen oder inhaltlichen Zusammenhang. Über seine inzwischen geschiedene Ehe schreibt er so gut wie nichts (möglicherweise um die Privatsphäre seiner ex Frau zu schützen), ob er seine Ess-Störung überwunden hat, ist auch nicht klar und insgesamt schreibt er sehr viel über Jungsklamotten, kurze Haare und Badehosen – aus eigener Erfahrung kann ich sagen: trans zu sein ist noch viel mehr als nur ein „Tomboy“ zu sein.
Elliot Pages Buch zeichnet das Bild eines sehr sensiblen Kindes, das lange braucht, sich selbst zu finden und noch länger braucht, zu sich selbst stehen zu können. Es zeigt, wie homophob die Gesellschaft nach wie vor ist, selbst unter Schauspielern und Filmschaffenden. Er zeigt, wie gefährlich es auch heute noch sein kann, sich als queer zu outen und wie aufreibend es ist, sein wahren Selbst verstecken zu müssen. Obwohl ich das Buch an sich wichtig finde, war es für mich ein zu großes Durcheinander und zu wenig ausgereift. Hätte ich dieselbe Geschichte mit meinem Namen an einen Verlag geschickt, wäre sie mit Sicherheit nicht veröffentlicht worden. Vielleicht schafft Elliot Page es ja irgendwann, eine richtige Biografie zu schreiben und damit dann das zu erreichen, was er damit eigentlich bezweckt hat: dass trans Menschen gesehen und akzeptiert werden. Ich würde das Buch auf jeden Fall lesen. „Pageboy“ schafft es bei mir allerdings leider nur auf 2,5 Sterne, aufgerundet auf drei.