"Zwischen Weinen und Lachen schwingt die Schaukel des Lebens, zwischen Weinen und Lachen fliegt in ihr der Mensch."
Mit diesem Gedichtausschnitt von Christian Morgenstern beginnt die Geschichte rund um den neunjährigen Rascha und seine Familie – Mama, Papa, die kleine Schwester Leni, die gerade
geboren wird und seine geliebte Oma Ida, die er Ima nennt. Der Junge und seine Großmutter sind ein…mehr"Zwischen Weinen und Lachen schwingt die Schaukel des Lebens, zwischen Weinen und Lachen fliegt in ihr der Mensch."
Mit diesem Gedichtausschnitt von Christian Morgenstern beginnt die Geschichte rund um den neunjährigen Rascha und seine Familie – Mama, Papa, die kleine Schwester Leni, die gerade geboren wird und seine geliebte Oma Ida, die er Ima nennt. Der Junge und seine Großmutter sind ein Herz und eine Seele. Es steckt immer ein Lächeln in ihrem Gesicht und um sie herum leuchtet es. Manchmal lässt sie Felsbrockensätze fallen ~ Sätze, an denen keiner vorbeikommt und denen niemand widersprechen kann. Gleich einer Matriarchin ist es sie, die die Familie zusammenhält. Wenn es einmal Streit gibt, backt sie einen Ofenschlupfer, den die gesamte Familie sogleich zusammen am großen Holztisch genießt. Die Meinungsverschiedenheit verschwindet mit jedem Bissen mehr und mehr und ist am Ende der Mahlzeit vergessen.
Doch dann entscheidet sich Ima ins Pflegeheim zu ziehen und die Familie kommt ziemlich durcheinander und muss sich neu finden. Direkt vor der Fastnacht, die alle in Aufregung und Vorfreude bringt, erfahren sie, dass Ima sehr krank ist. Rascha bekommt von Ima sein erstes Narrenkleid geschenkt und kann zum ersten Mal als Narr an der heiß ersehnten Fastnacht teilnehmen. Es wundert ihn nicht, dass seine Oma sich genau zur Fastnacht, in der der Himmel offen ist und die Zeit still steht, zu Opa Karle aufmacht.
Julia Willmanns Buch, welches nicht nur ein Buch für Kinder ist, hat mich sehr berührt und mit einem ganz beseelten Gefühl zurückgelassen. Die Autorin erzählt die Geschehnisse ganz fein, behutsam und mit viel Gespür für Zwischentöne. Das besondere Band zwischen Enkel und Großmutter und ihr wortloses Verstehen und körperliches Mitfühlen mit dem anderen, haben in mir ein wirklich warmes Gefühl erzeugt.
Die Geborgenheit, Liebe und Wärme, die von Oma Ima ausgeht und die in der ganzen Familie herrscht, spürt man förmlich in jeder Zeile. Der Ofenschlupfer, nach dessen Genuss sich Wärme und Zufriedenheit bei den Familienmitgliedern einstellen, ist für mich ein physisches Symbol für Imas Magie und Wirkung. Ebenso der große Holztisch, an dem die Familie gemeinsam isst.
Auch der Rottweiler Fastnachtsbrauch, der im Buch wunderbar lebensnah beschrieben wird, und über den ich noch nicht viel wusste, verbindet die Familie und die anderen Ortsbewohner auf eine schöne Weise. Diese Tradition vor der Fastenzeit hat etwas sehr erdendes und bringt alle Beteiligten ins Hier und Jetzt. Ich fand es hochinteressant, mehr über dieses besondere Fest zu erfahren.
Julia Willmann versteht es vorzüglich, den Leser mit schönen Beschreibungen und oft poetischer Sprache zu erfreuen. So hüpfte mein Sprachherz des Öfteren, z.B. wenn die Rede von "Luft so weich wie ein Federbett" (S. 27) oder von flatternder Freude, "wie ein kleiner Vogel, der fliegen lernt" (S.112), ist.
Die Unterhaltungen zwischen Rascha und Ima haben meistens etwas Philosophisches an sich und erinnern uns daran, dass zum Lachen auch das Weinen gehört, und dass Altes, das endet auch stets etwas Neues beginnen lässt. Dieses Bild des Alten und Neuen, des Abschieds und des Neubeginns, des Lachens und des Weinens findet sich symbolisch an vielen Stellen des Buches und eröffnet neben der vordergründigen Handlung noch eine viel tiefere Ebene des Lesens:
Das goldige Geschwisterchen Leni wird geboren und Oma Ima geht. Das Blau des Himmels am Abend, das zwischen Tag und Nacht liegt, und bei dem Rascha nie weiß, ob etwas gerade anfängt oder aufhört. Die Straßen in Raschas Wohnort, auf denen er mit seinem Roller fährt, und die auf und ab gehen. Ganz so wie das menschliche Leben hier auf Erden, bei dem die einzige Konstante der Wandel ist, und bei dem Freude und Trauer oft so eng beieinander liegen. Für Rascha ist der Tod von Ima etwas ganz Selbstverständliches und gehört zum Leben dazu. Wie viele Kinder kann er dem Tod natürlicher begegnen als die Erwachsenen um ihn herum.
Jen