Wladimir Kaminer ist und bleibt ein exzellenter Beobachter. Seit dem Erscheinen seines Erstlings "Russendisko" verpasse ich keinen seiner Erzählbände. Seinen neuesten Coup "Rotkäppchen raucht auf dem Balkon" hat er, wie soll es auch anders sein, seiner Familie, genauer seinen Kindern und seiner
Mutter, gewidmet.
Tochter Nicole studiert an der HU Berlin Europäische Ethnologie und feiert gern…mehrWladimir Kaminer ist und bleibt ein exzellenter Beobachter. Seit dem Erscheinen seines Erstlings "Russendisko" verpasse ich keinen seiner Erzählbände. Seinen neuesten Coup "Rotkäppchen raucht auf dem Balkon" hat er, wie soll es auch anders sein, seiner Familie, genauer seinen Kindern und seiner Mutter, gewidmet.
Tochter Nicole studiert an der HU Berlin Europäische Ethnologie und feiert gern ausgelassene Partys. Sohn Sebastian (20) ist noch auf der Suche nach einen Beruf und hat ein Faible für Turnschuhe und Laotse. Und Kaminers rüstige Mutter (88) verwöhnt ihre Main-Coon-Katze nach Strich und Faden und liebt kulturelle Veranstaltungen. Kurzum, Kaminer befasst sich intensiv mit den unterschiedlichen Lebenswelten von Jung und Alt und zieht dabei mitunter verblüffende Vergleiche. Seine feinfühlige und zugleich augenzwinkernde Herangehensweise gefiel mir ausgesprochen gut. Seine "Familiengeschichten" kamen unverstellt und teilweise etwas versponnen daher und trafen damit genau meinen Humor. Was habe ich beispielsweise gelacht, als Oma und Enkelin gemeinsam ein Konzert der Rolling Stones besuchten und der Autor dabei über das Wunder der Unsterblichkeit philosophierte. Auch Kaminers Gedanken über die Studienwahl seiner Tochter und die Prokrastination seines Sohnes waren eine Lektüre wert. Dabei will er seine Kinder nicht belehren, sondern eher zum Leben und weniger Smartphone verleiten. Auch das Aufeinanderprallen von deutscher und russischer Kultur wurde abermals sehr stimmig transportiert.
Alles in allem besinnt sich Wladimir Kaminer in seinem neuesten Buch auf seine Wurzeln zurück und betreibt ausgiebige Generationsstudien. Dabei gerät er charmant ehrlich ins Plaudern und gibt dem interessierten Leser Einblicke in sein buntes Familienleben, was sich angenehm flüssig und leicht liest. Seine Kurzgeschichten umfassen jeweils nicht mehr als 5 Seiten und wechseln sich thematisch gut ab. Immer wenn man denkt der Autor hätte schon alles über sich und seine Familie zum Besten gegeben, zaubert dieser ein neues Buch mit lustigen Anekdoten hervor. Dieses Talent hat nicht jeder.