Ein Fleckchen Erzgebirge blieb 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der bedingungslosen deutschen Kapitulation 42 Tage unbesetzt. Der Krieg war aus. Und niemand kam nach Schwarzenberg – weder die Amerikaner noch die Rote Armee marschierten ein. Offenbar interessierte sich keine der
Besatzungsmächte für die Region. Und so blieb Schwarzenberg über einen Monat lang sich selbst überlassen, also…mehrEin Fleckchen Erzgebirge blieb 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs der bedingungslosen deutschen Kapitulation 42 Tage unbesetzt. Der Krieg war aus. Und niemand kam nach Schwarzenberg – weder die Amerikaner noch die Rote Armee marschierten ein. Offenbar interessierte sich keine der Besatzungsmächte für die Region. Und so blieb Schwarzenberg über einen Monat lang sich selbst überlassen, also Niemandsland. Jahre später stellte der Schriftsteller Stefan Heym diese Zeitspanne ins Zentrum seines utopischen Romans, in dem Bewohner der Region die „Republik Schwarzenberg“ ausrufen und den Landstrich über mehrere Tage basisdemokratisch selbst verwalten. Schließlich zogen am 24. Juni die sowjetischen Truppen in die Region ein.
Im Mittelpunkt der Handlung steht ein bunt gemischter Aktionsausschuss, der Sicherstellung von Lebensmitteln, Trümmerbeseitigung regelt und Verhandlungen mit beiden Besatzungsmächten führt. Heym entwickelt in seinem Roman Vorstellungen von einer Staatseinrichtung, welche einer Räterepublik so nahe wie möglich kommt. Doch der Versuch, eine Demokratie einzurichten, die diesen Namen verdient, glückt nicht. Er ist eine Fiktion. Die Republik Schwarzenberg wird bald von der Politik der Großmächte eingeholt. In den Romantext eingebaut sind – als Ich-Erzählung – die Erinnerungen des Zeitgenossen und Genossen Ernst Kadletz, die dieser für Heym auf Tonband gesprochen hatte. „Schwarzenberg“ ist weder Tatsachenbericht noch historischer Roman; Heym verknüpfte hier Fiktives mit Historischem, sodass eine spannende Lektüre entsteht.
Heyms Roman über eine kuriose Episode in der deutschen Nachkriegsgeschichte, der 1984 in der BRD erschien, konnte in der DDR erst nach dem Mauerfall erscheinen. Jetzt liegt der Roman als preiswertes Taschenbuch in der Stefan-Heym-Werkausgabe des Penguin Verlages vor.