Die Protagonistin des Hörbuchs, eine Schwarze Ich-Erzählerin, wächst am Rande des Ruhrgebiets auf, in den neunziger Jahren. Zu Hause wütet ein gewalttätiger Stiefvater, in der Schule gibt es wenig Unterstützung, dafür viel Ausgrenzung. Auf einem Kindergeburtstag steht beim Klingelstreich plötzlich ein Neonazi in der Tür. Die Protagonistin weiß, wie es ist, jeden Tag mit dem Schlimmsten zu rechnen, bis das Schlimmste zur Selbstverständlichkeit wird. Wo sich für andere Türen öffnen, schließen sie sich für die Ich-Erzählerin mehr und mehr, bis sie selbst davon überzeugt ist, dass sie der Welt nichts zu bieten hat. Sie gerät in eine gewalttätige Beziehung, zementiert die Abhängigkeit mit mehreren Schwangerschaften. Erst als es schon fast zu spät ist, gelingt es ihr, sich und die Kinder zu befreien. Kuhnkes Hörbuch zeigt, wie Rassismus sich in die Seelen der betroffenen Menschen webt. Es wird niemanden so schnell loslassen, denn es tut weh.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.10.2021Ich hab heute
nicht geträumt
Jasmina Kuhnkes wunderlicher
Roman „Schwarzes Herz“
Zunächst einige Angaben zur Person der Autorin dieses Buches. Jasmina Kuhnke, geboren 1982 in Hagen, arbeitet als Autorin und Aktivistin, sie kommuniziert als Letztere sehr viel bei Twitter unter ihrem Künstlernamen „Quattromilf“, das steht als Selbstbeschreibung für eine vierfache „Mom I’d like to follow“. Zu den wesentlichen Themen Kuhnkes gehören Rassismus und andere Formen der Diskriminierung, ihr geht es dabei einem subjektiven Langzeitleseeindruck nach um die Sache und ebenso häufig um sich selbst.
Kuhnke hat wiederholt existenzielle Angriffe auf ihre Person und teils ihre Familie erlebt. Sie beschreibt solche und andere Herabsetzungen direkt, laut, oft derbe. Wer das anstrengend und nur anstrengend findet, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Schönwetterdiskursmensch zu sein und zum Beispiel Rassismus nicht als das Problem anzuerkennen, das er für dieses Land und alle darin lebenden Menschen ist.
Von diesem Hintergrund nun in den Vordergrund eines soeben erschienenen Buches. „Schwarzes Herz“ ist ausweislich seines Covers ein „Roman“. Auf dieses Cover folgen 59 Kapitel auf 204 Seiten, ihnen vorangestellt eine je einseitige Erklärung unter dem Titel „Was es ist“. Dort steht: „Ich schreibe, um anderen Frauen Hoffnung zu geben ... Ich will, dass du weißt: Du bist nicht allein. ... Ich möchte eine Geschichte erzählen, die meiner ähnelt, die meine sein könnte.“ Ob in diesem Ich noch die Autorin spricht oder bereits die auch im Folgenden namenlose Ich-Erzählerin, wird nicht aufgelöst. Auch sonst kann sich das Buch als „Roman“ nicht behaupten gegen die Präsenz seiner Autorin. Das hat Gründe. Ein wesentlicher ist, dass die Sprache von „Schwarzes Herz“ enorm jener ähnelt, in der Kuhnke zum Beispiel bei Twitter schreibt. Ein anderer ist, dass die Ich-Erzählerin weit mehr De-facto-Parallelen als wirkliche Unterschiede aufweist zur Autorin des Buches, von der in Jugendtagen ausgeübten Sportart bis zur Herkunft der Mutter. Ein dritter Grund schließlich ist der Grundton der Ich-Erzählerin, der ebenfalls dem der meisten öffentlichen Einlassungen Kuhnkes entspricht: Fast alles ist Kampf und Anklage und Vorwurf und Selbstverteidigung.
Dieser Konflikt zwischen omnipräsenter realer Person und dem offensiv formulierten Anspruch, einen „Roman“ hergestellt zu haben, lässt sich nun auf mindestens zwei Arten auflösen. Die eine wäre, dem Buch einen fast genialen formalen Kniff zu unterstellen. Aus dem Tilgen aller Namen und aus der Verwendung des Labels „Roman“ könnte geschlossen werden, hier habe jemand eben nicht in einem Akt der Selbsttherapie einfach „nur“ sein eigenes Leben aufgeschrieben, sondern geschickt ein viele Menschen betreffendes strukturelles Problem skizziert. Die zweite Art, den Konflikt aufzulösen, wäre, das Buch nicht als Roman zu lesen – sondern als einen biografischen Bericht.
„Schwarzes Herz“ beschreibt Rassismus und Misogynie, es ist teilweise so herausfordernd und anstrengend, wie es richtig und nötig bleibt, sich solcher in Deutschland alltäglicher Gewalt lesend auszusetzen im Sinne mindestens einer Bewusstwerdung. Sieht man von dieser Realität ab und versucht, „Schwarzes Herz“ mit den Mitteln der Kunst zu erfassen, wird es dann anstrengend, gleichwohl in anderer, geringfügiger Weise.
Die Sprache dieses Buches – nicht die darin geschilderte Handlung – ist geprägt von schiefen Klischees. Mal gibt die Erzählerin „meinem Herzen einen Ruck“, mal erfüllen Atemzüge „meine krankende Seele mit einem von Endorphinen, Serotonin und Adrenalin geschwängerten Rausch“. Die Handlung wiederum wird von unsauberen Bezügen und Redundanzen geschwächt wie zum Beispiel einem beidseitigen Lungenkollaps, von dem auf zwei Seiten erzählt wird. Zudem geraten die Berichte der Ich-Erzählerin teilweise sehr wunderlich, besonders wenn sie sich sehr genau selbst an früheste Tage erinnert, etwa daran, als Dreijährige in einem konkreten Moment gespürt zu haben, „wie die Anspannung meiner Mama abzufallen“ schien. Anspannung fällt beim Lesen des Buches selten ab – die Spannung jedoch schon.
CORNELIUS POLLMER
Die Sprache dieses Buches
– nicht die Handlung – ist geprägt
von schiefen Klischees
Große biografische Präsenz: Autorin Jasmina Kuhnke.
Foto: Marvin Ruppert
Jasmina Kuhnke:
Schwarzes Herz. Roman. Rowohlt, Hamburg 2021. 208 Seiten, 20 Euro.
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nicht geträumt
Jasmina Kuhnkes wunderlicher
Roman „Schwarzes Herz“
Zunächst einige Angaben zur Person der Autorin dieses Buches. Jasmina Kuhnke, geboren 1982 in Hagen, arbeitet als Autorin und Aktivistin, sie kommuniziert als Letztere sehr viel bei Twitter unter ihrem Künstlernamen „Quattromilf“, das steht als Selbstbeschreibung für eine vierfache „Mom I’d like to follow“. Zu den wesentlichen Themen Kuhnkes gehören Rassismus und andere Formen der Diskriminierung, ihr geht es dabei einem subjektiven Langzeitleseeindruck nach um die Sache und ebenso häufig um sich selbst.
Kuhnke hat wiederholt existenzielle Angriffe auf ihre Person und teils ihre Familie erlebt. Sie beschreibt solche und andere Herabsetzungen direkt, laut, oft derbe. Wer das anstrengend und nur anstrengend findet, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, ein Schönwetterdiskursmensch zu sein und zum Beispiel Rassismus nicht als das Problem anzuerkennen, das er für dieses Land und alle darin lebenden Menschen ist.
Von diesem Hintergrund nun in den Vordergrund eines soeben erschienenen Buches. „Schwarzes Herz“ ist ausweislich seines Covers ein „Roman“. Auf dieses Cover folgen 59 Kapitel auf 204 Seiten, ihnen vorangestellt eine je einseitige Erklärung unter dem Titel „Was es ist“. Dort steht: „Ich schreibe, um anderen Frauen Hoffnung zu geben ... Ich will, dass du weißt: Du bist nicht allein. ... Ich möchte eine Geschichte erzählen, die meiner ähnelt, die meine sein könnte.“ Ob in diesem Ich noch die Autorin spricht oder bereits die auch im Folgenden namenlose Ich-Erzählerin, wird nicht aufgelöst. Auch sonst kann sich das Buch als „Roman“ nicht behaupten gegen die Präsenz seiner Autorin. Das hat Gründe. Ein wesentlicher ist, dass die Sprache von „Schwarzes Herz“ enorm jener ähnelt, in der Kuhnke zum Beispiel bei Twitter schreibt. Ein anderer ist, dass die Ich-Erzählerin weit mehr De-facto-Parallelen als wirkliche Unterschiede aufweist zur Autorin des Buches, von der in Jugendtagen ausgeübten Sportart bis zur Herkunft der Mutter. Ein dritter Grund schließlich ist der Grundton der Ich-Erzählerin, der ebenfalls dem der meisten öffentlichen Einlassungen Kuhnkes entspricht: Fast alles ist Kampf und Anklage und Vorwurf und Selbstverteidigung.
Dieser Konflikt zwischen omnipräsenter realer Person und dem offensiv formulierten Anspruch, einen „Roman“ hergestellt zu haben, lässt sich nun auf mindestens zwei Arten auflösen. Die eine wäre, dem Buch einen fast genialen formalen Kniff zu unterstellen. Aus dem Tilgen aller Namen und aus der Verwendung des Labels „Roman“ könnte geschlossen werden, hier habe jemand eben nicht in einem Akt der Selbsttherapie einfach „nur“ sein eigenes Leben aufgeschrieben, sondern geschickt ein viele Menschen betreffendes strukturelles Problem skizziert. Die zweite Art, den Konflikt aufzulösen, wäre, das Buch nicht als Roman zu lesen – sondern als einen biografischen Bericht.
„Schwarzes Herz“ beschreibt Rassismus und Misogynie, es ist teilweise so herausfordernd und anstrengend, wie es richtig und nötig bleibt, sich solcher in Deutschland alltäglicher Gewalt lesend auszusetzen im Sinne mindestens einer Bewusstwerdung. Sieht man von dieser Realität ab und versucht, „Schwarzes Herz“ mit den Mitteln der Kunst zu erfassen, wird es dann anstrengend, gleichwohl in anderer, geringfügiger Weise.
Die Sprache dieses Buches – nicht die darin geschilderte Handlung – ist geprägt von schiefen Klischees. Mal gibt die Erzählerin „meinem Herzen einen Ruck“, mal erfüllen Atemzüge „meine krankende Seele mit einem von Endorphinen, Serotonin und Adrenalin geschwängerten Rausch“. Die Handlung wiederum wird von unsauberen Bezügen und Redundanzen geschwächt wie zum Beispiel einem beidseitigen Lungenkollaps, von dem auf zwei Seiten erzählt wird. Zudem geraten die Berichte der Ich-Erzählerin teilweise sehr wunderlich, besonders wenn sie sich sehr genau selbst an früheste Tage erinnert, etwa daran, als Dreijährige in einem konkreten Moment gespürt zu haben, „wie die Anspannung meiner Mama abzufallen“ schien. Anspannung fällt beim Lesen des Buches selten ab – die Spannung jedoch schon.
CORNELIUS POLLMER
Die Sprache dieses Buches
– nicht die Handlung – ist geprägt
von schiefen Klischees
Große biografische Präsenz: Autorin Jasmina Kuhnke.
Foto: Marvin Ruppert
Jasmina Kuhnke:
Schwarzes Herz. Roman. Rowohlt, Hamburg 2021. 208 Seiten, 20 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Für Rezensentin Miriam Zeh ist Jasmina Kuhnkes "Schwarzes Herz" eigentlich kein Roman, nicht mal ein besonders gut geschriebenes Buch. Dennoch lohnt es sich, Kuhnkes Debüt näher zu betrachten, fährt die Kritikerin fort - und zwar nicht allein wegen der aufmerksamkeitserzeugenden Absage der Autorin an die Frankfurter Buchmesse. Die Geschichte um eine junge schwarze Frau, die in den Neunzigern in Duisburg aufwächst, sich aus dem Umfeld häuslicher Gewalt befreit und immer wieder Rassismus und Diskriminierung erlebt, scheint Zeh nicht allzu weit entfernt von der Lebensgeschichte der Autorin zu sein, zudem macht die Kritikerin in dem "bekenntnishaften" Text eine ganze Reihe sprachlicher Mängel aus. Aber Kuhnkes Debüt findet dennoch eine Menge Fans, die in den sozialen Medien mit dem Buch posieren, weiß die Kritikerin und vermutet: Der Text, der deutlich zwischen "gut und böse, rassistisch und solidarisch" unterscheidet, lädt seine LeserInnen zur Identifikation ein und macht sie "zum Teil einer Gemeinschaft".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Jasmina Kuhnke hat einen ziemlich guten, rauen, lauten Roman geschrieben (...) Ein Roman über tägliche Demütigungen, über Schmerz, Verachtung, Gewalt und Hass. Von der Sehnsucht, kein Opfer mehr zu sein. Volker ; Adam Weidermann ; SOBOCZYNSKI Die Zeit 20211028