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Als Elisabeth (Sisi) durch Heirat zur Kaiserin von Österreich wird, betritt sie eine streng geordnete Welt voll steifer Konventionen und langweiliger Empfänge. Ausbrechen kann sie nur auf ausgedehnten Reisen und bei Aufenthalten auf ihrem ungarischen Schloss Gödöllö. Dort kann sie ungezwungen leben und ihrer größten Leidenschaft nachgehen: wilden Reitjagden. Sisi gehört zu den besten und tollkühnsten Reiterinnen ihrer Zeit. Bei einem Aufenthalt auf Gödöllö lädt Sisi ihre reit- und fechtkundige Nichte Marie Louise von Wallersee zu sich ein. Die 18-jährige Marie erliegt schnell dem...
Als Elisabeth (Sisi) durch Heirat zur Kaiserin von Österreich wird, betritt sie eine streng geordnete Welt voll steifer Konventionen und langweiliger Empfänge. Ausbrechen kann sie nur auf ausgedehnten Reisen und bei Aufenthalten auf ihrem ungarischen Schloss Gödöllö. Dort kann sie ungezwungen leben und ihrer größten Leidenschaft nachgehen: wilden Reitjagden. Sisi gehört zu den besten und tollkühnsten Reiterinnen ihrer Zeit. Bei einem Aufenthalt auf Gödöllö lädt Sisi ihre reit- und fechtkundige Nichte Marie Louise von Wallersee zu sich ein. Die 18-jährige Marie erliegt schnell dem Charme der kaiserlichen Tante und assistiert ihr nur allzu gerne, wenn diese die leidenschaftliche Reiterin und Femme fatale gibt. Doch bald wirkt auch Marie anziehend auf andere, besonders auf die männlichen Adligen. Sisi, daran gewöhnt im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, sieht sich nach einem Ehemann für die lästige Konkurrenz um und beginnt ein intrigantes Spiel aus Verführung und Verrat.
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Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, lebt in der Märkischen Schweiz. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Romane Regenroman (1999), Dies ist kein Liebeslied (2002), Die entführte Prinzessin (2005) und Taxi (2008) waren Bestseller und sind in 14 Sprachen übersetzt. 2011 erschien ihr Selbstversuch Anständig essen, 2014 ihre Streitschrift Warum die Sache schiefgeht. Die Verfilmung ihres Romans Taxi kam 2015 in die Kinos. 2016 sorgte sie mit ihrem Roman Macht für Aufruhr und wurde mit dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (2017) ausgezeichnet. Für ihren Roman Fräulein Nettes kurzer Sommer (2018) wurde Karen Duve mit dem Carl-Amery-Preis, dem Düsseldorfer Literaturpreis und dem Solothurner Literaturpreis ausgezeichnet.
Produktdetails
- Verlag: Tacheles!
- Gesamtlaufzeit: 673 Min.
- Erscheinungstermin: 22. September 2022
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783864847721
- Artikelnr.: 64130471
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensentin Katharina Granzin liest Karen Duves Roman über Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt "Sisi", vor dem Hintergrund der aktuellen Schwemme an Sisi-Content und findet in Marie Kreutzers aktuellem "Sisi"-Film "Corsage" in mancher Hinsicht einen Verbündeten des Romans im Geiste. Zu einer eindeutigen Aussage über die historische Kaiserin will sich die Autorin allerdings nicht hinreißen lassen, beobachtet Granzin: Duves Sisi ist "vielgesichtig, schillernd und ambivalent", was sich vor allem in Form verschiedener Außenperspektiven auf die Figur ergibt. Auch der für Duve typische lakonische Tonfall verhindert eine allzu schnelle Identifikation mit der Monarchistin - wie und ob der bemerkenswert häufig hoch zu Ross spielende Roman, der seine Gemachtheit und Fiktionalität stets spüren lässt, der Kritikerin allerdings gefallen hat, bleibt eher unklar.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Das ist ein extrem gutes Buch! Thea Dorn ZDF Das literarische Quartett 20221202
Unsere Elisabeth
Zwei Serien, zwei Filme und Karen Duves Roman „Sisi“:
Was wollen eigentlich jetzt wieder alle von der dekadenten Kaiserin?
Die Majestäten haben schlechte Zähne. In Marie Kreutzers Film „Corsage“, der diesen Sommer lief, gibt es diese Wahnsinnsszene, in der sich Sisi, die Kaiserin von Österreich, und der bayerische König Ludwig ein bisschen menschliche Wärme spenden inmitten der Kälte der Hocharistokratie. Historisch unwahrscheinlich, aber gefühlt richtig, liegen sie dazu miteinander im Bett. Der Märchenkönig, gespielt von Manuel Rubey, wendet sich ganz nah Kamera und Kaiserin zu, lächelt süßlich, und es kommt ein braunes, fauliges Gebiss heraus.
In Karen Duves Roman „Sisi“ gibt es einige
Zwei Serien, zwei Filme und Karen Duves Roman „Sisi“:
Was wollen eigentlich jetzt wieder alle von der dekadenten Kaiserin?
Die Majestäten haben schlechte Zähne. In Marie Kreutzers Film „Corsage“, der diesen Sommer lief, gibt es diese Wahnsinnsszene, in der sich Sisi, die Kaiserin von Österreich, und der bayerische König Ludwig ein bisschen menschliche Wärme spenden inmitten der Kälte der Hocharistokratie. Historisch unwahrscheinlich, aber gefühlt richtig, liegen sie dazu miteinander im Bett. Der Märchenkönig, gespielt von Manuel Rubey, wendet sich ganz nah Kamera und Kaiserin zu, lächelt süßlich, und es kommt ein braunes, fauliges Gebiss heraus.
In Karen Duves Roman „Sisi“ gibt es einige
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Seiten Aufregung, bevor Elisabeth zum ersten Mal auftritt: „Die Schönheit der Kaiserin ist legendär. Dabei ist sie schon achtunddreißig.“ Die spitze Bemerkung über das Alter sieht einer heutigen Erzählerin nicht ähnlich. Sie ist charakteristisch für eine Perspektive, die Duve aus K.-und-K.-Schmäh und der historischen Distanz zu ihrer Hauptfigur zusammensetzt. Ein enorm unterhaltsames Verfahren und zugleich fast dokumentarisch, der Roman besteht aus Details, die man in Zeitzeugnissen finden kann.
Was die Kaiserin angeht, bleibt es dabei: „Ihre Schönheit ist nicht greifbar, sie scheint einen Meter vor ihr her zu schweben.“ Nur was sie sagt, kann man nicht verstehen: „Sie spricht, ohne die Lippen zu bewegen, damit man ihre Zähne nicht sieht. Die verfärbten, leicht durchsichtigen Zähne sind ihr einziger Makel.“
Das Scharfstellen auf den körperlichen Fehler wirkt in beiden neuen Sisi-Geschichten wie ein Kontrastmittel für die bleibende Faszination einer aristokratischen Gestalt, die sich schon zu Lebzeiten in mythische Bereiche hineintranszendiert hat. Die historische Sisi arbeitete daran bekanntermaßen durch ein hartes Körperregime mit, Gewaltmärsche, Turnübungen, Diäten, stundenlange Pflege ihrer Haare, eisige Bäder. Und, indem sie sich nach ihrem dreißigsten Lebensjahr nicht mehr abbilden, schon gar nicht fotografieren ließ. Zu der Zeit, in der der Roman spielt, hat sie ihr öffentliches Bild dem Hörensagen überlassen, in dem es erwartungsgemäß immer großartiger wird. All das kommt in Film und Buch vor und irgendetwas fesselt ein Publikum daran bis in den Bilderwahnsinn des Instagram-Zeitalters hinein. Wie kann das sein?
Der Stoff ist ja nicht neu. Gabriele D’Annunzio, Hugo von Hofmannsthal, Stefan George haben die Kaiserin besungen. Als man nach dem Zweiten Weltkrieg eine aufgemaschelte Vergangenheit gut gebrauchen konnte, entstanden die ikonischen „Sissi“-Filme von Ernst Marischka mit Romy Schneider. Auch danach geisterte sie durch ungezählte Filme und Musicals. Dazwischen erschienen Biografien und Tagebücher von Zeitzeugen, die sich redlich bemühten, etwas historische Plausibilität in die Figur der Elisabeth von Österreich-Ungarn zu bringen.
Trotzdem gibt es, neben dem charismatisch schlichten Film „Corsage“ und Karen Duves Roman, gerade jetzt auch noch zwei Serien auf RTL und Netflix, die einander seltsam ähnliche Geschichten über die junge Sisi als wilde Bayernprinzessin erzählen. Man traut ihr offensichtlich ein besonders ungestümes Begehren zu. Bei RTL begann „Sisi“ mit der masturbierenden Aristokratin, in beiden Fernsehformaten wird die Heldin von einem rotwangigen Gerechtigkeitsgefühl ins politische Engagement getrieben.
Da ist ein Missverständnis der bürgerlichen Welt am Werke, die nicht mehr einsehen will, was die „zwei Körper“ in der Monarchie bedeutet haben: Via Gottesgnadentum verkörperten der Herrscher und die Herrscherin tatsächlich durch den eigenen Leib den Staatskörper, Souveränität und Macht. Diese Idee leuchtet noch einigermaßen ein, wie man neulich erleben konnte, als Hunderttausende Briten ganze Tage anstanden, um an einem Sarg vorbeizugehen, in dem (mutmaßlich) der Körper der verstorbenen Elisabeth II. lag.
Vollkommen fremd ist dem individualistischen Zeitalter aber der Umstand, dass der blutende, hungernde, aus dem Mund riechende Körper eines ganz konkreten Aristokraten etwas anderes als der repräsentative Körper und für die Monarchie völlig unwichtig ist. Weshalb es nur Sinn ergab, dass der auch schon relativ alte neue britische König eine Woche lang in Uniform und Gleichschritt hinter dem Sarg seiner Mutter her marschierte, ganz Disziplin und Zeremoniell, anstatt sich fotografieren zu lassen, wie ihm seine Frau im Rolls Royce die Tränen abwischt.
Mit der Selbstverwirklichung des Einzelnen sozialisierte Betrachter können eine solche Abstraktion vom besonderen Körper nicht fassen, die etwas Älteres als die heute gewohnte Entfremdung ist. Aus diesem Unverständnis entstehen in Geschichten über Royals aller Art die herrlichsten Fantasien geheimer Liebschaften, Gelüste und der Auflehnung gesunder, gut durchbluteter Herrscherinnen gegen das bleiche Adelsregime. Sisi und Franz stürzen sich bei RTL in rasende Liebesnächte, „Die Kaiserin“ auf Netflix geht inmitten des vor Hunger wütenden Plebs vor Mitgefühl in die Knie.
Weniger kitschige Ideen zum merkwürdigen Problem des gespaltenen Königinnenkörpers können aber gerade ästhetisch aufregend werden, so alt der Stoff ist. Marie Kreutzers Film mit Vicky Krieps als Elisabeth findet beeindruckend moderne Bilder dafür, wie der Körper einer Monarchin, die für den dynastischen Nachwuchs gesorgt hat, lästig wird, überzählig in der Monarchie und anscheinend auch für sich selbst. Als sie vierzig wird, sagt ihr Arzt: In dem Alter sterben die Frauen im Volk. Mit der Kraft, die ihr bleibt, zieht sie andere Frauen zu sich in die Unsichtbarkeit, wie die arme, historische Marie Festetics, der sie das Heiraten verbietet.
Diese Anekdote kommt bei Karen Duve auch vor und noch mehr Beispiele dafür, wie die Kaiserin andere so unglücklich macht, wie sich selbst. Duve zeigt Elisabeth als Heiratspolitikerin, die ihr Mitgefühl ungerecht verteilt und das der anderen stets für sich beansprucht. Das Interesse an Politik und an ihrem Mann Franz Joseph hat sie verloren. Leidenschaftlich ist sie vor allem auf dem Pferd: Von der Kaiserin als bester Reiterin der Welt zu reden, ist unter den Sisi-Narrativen so originell, wie es historisch verbrieft ist.
Der Roman „Sisi“ handelt vom aristokratischen Reitsport im 19. Jahrhundert und seinem irren Materialaufwand. Die diversen Rennen, sowie die Gams-, Hirsch-, Hasen- und Fuchsjagd, Parforcejagd, Cub Hunting, Treibjagd, Versuchsjagd mit den jeweils dafür nötigen Pferden, Kleidern und dem Wild, das im Zweifelsfall mit dem Zug herangeschafft und den Aristokraten vor die Flinte getrieben werden muss: „Nun gilt es, die Gämsen einzusammeln und die Strecke zu legen“, heißt es am Ende eines solchen Ereignisses: „Achtunddreißig tote Tiere sind es diesmal. Das ist ein schöner Ausdruck repräsentativer Lebenslust.“ Duves beißende Ironie stellt die Opfer aus, die die Monarchie nicht nur vom Kaiserinnenkörper, sondern auch von der Umwelt verlangen.
An solchen Geschichten kann man auch erkennen, was die Pointe am Leben der historischen Sisi war: Die Sache mit den zwei Körpern war ihr zwar noch vertraut, aber glauben konnte sie schon nicht mehr daran. In der maßgeblichen Biografie schreibt Brigitte Hamann, Elisabeth sei „im Herzen Republikanerin“ gewesen und „voll krampfhafter, ja verbissener Anstrengungen, sich als Individuum zu profilieren“ – gegen die Logik ihrer aristokratischen Existenz. Eine tragische Figur. Zumal die Monarchie zu ihren Lebzeiten schon angezählt war. Die Germanistin Juliane Vogel hat interpretiert, Sisi habe den Zwang der dekadenten Herrschaftsform zu übertrumpfen versucht mit einem Körper- und Bildregime, „das die Wiener Etikette an Härte weit übertrifft“. Sport, exzessive Beschäftigung mit Taille und Haaren, das Verschwinden hinter einem theatralischen Selbstbild als „Gegenzeremoniell“ in einer schwankenden Welt: Dieses Szenario verstehen Zeitgenossinnen, die mit Bildern etwa von Kim Kardashian leben, womöglich besser als jemals zuvor.
Für das kommende Frühjahr ist denn auch noch „Sisi und ich“ angekündigt, ein Film von Frauke Finsterwalder, an dessen Buch Christian Kracht mitgeschrieben hat. Ein Künstlerpaar, das schon früher eindrucksvoll von merkwürdigen Körperregimen erzählen konnte. Auf deren Version kommt es sogar nach diesem exzessiven Sisi-Jahr noch an.
MARIE SCHMIDT
Die exzessive Beschäftigung mit
Taille, Haut, Haar kennen auch
Zeitgenossinnen Kim Kardashians
Die Liebe zu Pferden und zu Hunden hatte Elisabeth von Österreich-Ungarn mit der verstorbenen britischen Königin Elizabeth gemeinsam.
Foto: SZ Photo
Betont ungeschminkt, fastend, rauchend: Vicky Krieps lässt im Film „Corsage“ die Kaiserin historisch plausibel und modern zugleich wirken.
Foto: dpa/alamode film
Karen Duve:
Sisi.
Roman.
Galiani, Köln 2022.
416 Seiten, 26 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Was die Kaiserin angeht, bleibt es dabei: „Ihre Schönheit ist nicht greifbar, sie scheint einen Meter vor ihr her zu schweben.“ Nur was sie sagt, kann man nicht verstehen: „Sie spricht, ohne die Lippen zu bewegen, damit man ihre Zähne nicht sieht. Die verfärbten, leicht durchsichtigen Zähne sind ihr einziger Makel.“
Das Scharfstellen auf den körperlichen Fehler wirkt in beiden neuen Sisi-Geschichten wie ein Kontrastmittel für die bleibende Faszination einer aristokratischen Gestalt, die sich schon zu Lebzeiten in mythische Bereiche hineintranszendiert hat. Die historische Sisi arbeitete daran bekanntermaßen durch ein hartes Körperregime mit, Gewaltmärsche, Turnübungen, Diäten, stundenlange Pflege ihrer Haare, eisige Bäder. Und, indem sie sich nach ihrem dreißigsten Lebensjahr nicht mehr abbilden, schon gar nicht fotografieren ließ. Zu der Zeit, in der der Roman spielt, hat sie ihr öffentliches Bild dem Hörensagen überlassen, in dem es erwartungsgemäß immer großartiger wird. All das kommt in Film und Buch vor und irgendetwas fesselt ein Publikum daran bis in den Bilderwahnsinn des Instagram-Zeitalters hinein. Wie kann das sein?
Der Stoff ist ja nicht neu. Gabriele D’Annunzio, Hugo von Hofmannsthal, Stefan George haben die Kaiserin besungen. Als man nach dem Zweiten Weltkrieg eine aufgemaschelte Vergangenheit gut gebrauchen konnte, entstanden die ikonischen „Sissi“-Filme von Ernst Marischka mit Romy Schneider. Auch danach geisterte sie durch ungezählte Filme und Musicals. Dazwischen erschienen Biografien und Tagebücher von Zeitzeugen, die sich redlich bemühten, etwas historische Plausibilität in die Figur der Elisabeth von Österreich-Ungarn zu bringen.
Trotzdem gibt es, neben dem charismatisch schlichten Film „Corsage“ und Karen Duves Roman, gerade jetzt auch noch zwei Serien auf RTL und Netflix, die einander seltsam ähnliche Geschichten über die junge Sisi als wilde Bayernprinzessin erzählen. Man traut ihr offensichtlich ein besonders ungestümes Begehren zu. Bei RTL begann „Sisi“ mit der masturbierenden Aristokratin, in beiden Fernsehformaten wird die Heldin von einem rotwangigen Gerechtigkeitsgefühl ins politische Engagement getrieben.
Da ist ein Missverständnis der bürgerlichen Welt am Werke, die nicht mehr einsehen will, was die „zwei Körper“ in der Monarchie bedeutet haben: Via Gottesgnadentum verkörperten der Herrscher und die Herrscherin tatsächlich durch den eigenen Leib den Staatskörper, Souveränität und Macht. Diese Idee leuchtet noch einigermaßen ein, wie man neulich erleben konnte, als Hunderttausende Briten ganze Tage anstanden, um an einem Sarg vorbeizugehen, in dem (mutmaßlich) der Körper der verstorbenen Elisabeth II. lag.
Vollkommen fremd ist dem individualistischen Zeitalter aber der Umstand, dass der blutende, hungernde, aus dem Mund riechende Körper eines ganz konkreten Aristokraten etwas anderes als der repräsentative Körper und für die Monarchie völlig unwichtig ist. Weshalb es nur Sinn ergab, dass der auch schon relativ alte neue britische König eine Woche lang in Uniform und Gleichschritt hinter dem Sarg seiner Mutter her marschierte, ganz Disziplin und Zeremoniell, anstatt sich fotografieren zu lassen, wie ihm seine Frau im Rolls Royce die Tränen abwischt.
Mit der Selbstverwirklichung des Einzelnen sozialisierte Betrachter können eine solche Abstraktion vom besonderen Körper nicht fassen, die etwas Älteres als die heute gewohnte Entfremdung ist. Aus diesem Unverständnis entstehen in Geschichten über Royals aller Art die herrlichsten Fantasien geheimer Liebschaften, Gelüste und der Auflehnung gesunder, gut durchbluteter Herrscherinnen gegen das bleiche Adelsregime. Sisi und Franz stürzen sich bei RTL in rasende Liebesnächte, „Die Kaiserin“ auf Netflix geht inmitten des vor Hunger wütenden Plebs vor Mitgefühl in die Knie.
Weniger kitschige Ideen zum merkwürdigen Problem des gespaltenen Königinnenkörpers können aber gerade ästhetisch aufregend werden, so alt der Stoff ist. Marie Kreutzers Film mit Vicky Krieps als Elisabeth findet beeindruckend moderne Bilder dafür, wie der Körper einer Monarchin, die für den dynastischen Nachwuchs gesorgt hat, lästig wird, überzählig in der Monarchie und anscheinend auch für sich selbst. Als sie vierzig wird, sagt ihr Arzt: In dem Alter sterben die Frauen im Volk. Mit der Kraft, die ihr bleibt, zieht sie andere Frauen zu sich in die Unsichtbarkeit, wie die arme, historische Marie Festetics, der sie das Heiraten verbietet.
Diese Anekdote kommt bei Karen Duve auch vor und noch mehr Beispiele dafür, wie die Kaiserin andere so unglücklich macht, wie sich selbst. Duve zeigt Elisabeth als Heiratspolitikerin, die ihr Mitgefühl ungerecht verteilt und das der anderen stets für sich beansprucht. Das Interesse an Politik und an ihrem Mann Franz Joseph hat sie verloren. Leidenschaftlich ist sie vor allem auf dem Pferd: Von der Kaiserin als bester Reiterin der Welt zu reden, ist unter den Sisi-Narrativen so originell, wie es historisch verbrieft ist.
Der Roman „Sisi“ handelt vom aristokratischen Reitsport im 19. Jahrhundert und seinem irren Materialaufwand. Die diversen Rennen, sowie die Gams-, Hirsch-, Hasen- und Fuchsjagd, Parforcejagd, Cub Hunting, Treibjagd, Versuchsjagd mit den jeweils dafür nötigen Pferden, Kleidern und dem Wild, das im Zweifelsfall mit dem Zug herangeschafft und den Aristokraten vor die Flinte getrieben werden muss: „Nun gilt es, die Gämsen einzusammeln und die Strecke zu legen“, heißt es am Ende eines solchen Ereignisses: „Achtunddreißig tote Tiere sind es diesmal. Das ist ein schöner Ausdruck repräsentativer Lebenslust.“ Duves beißende Ironie stellt die Opfer aus, die die Monarchie nicht nur vom Kaiserinnenkörper, sondern auch von der Umwelt verlangen.
An solchen Geschichten kann man auch erkennen, was die Pointe am Leben der historischen Sisi war: Die Sache mit den zwei Körpern war ihr zwar noch vertraut, aber glauben konnte sie schon nicht mehr daran. In der maßgeblichen Biografie schreibt Brigitte Hamann, Elisabeth sei „im Herzen Republikanerin“ gewesen und „voll krampfhafter, ja verbissener Anstrengungen, sich als Individuum zu profilieren“ – gegen die Logik ihrer aristokratischen Existenz. Eine tragische Figur. Zumal die Monarchie zu ihren Lebzeiten schon angezählt war. Die Germanistin Juliane Vogel hat interpretiert, Sisi habe den Zwang der dekadenten Herrschaftsform zu übertrumpfen versucht mit einem Körper- und Bildregime, „das die Wiener Etikette an Härte weit übertrifft“. Sport, exzessive Beschäftigung mit Taille und Haaren, das Verschwinden hinter einem theatralischen Selbstbild als „Gegenzeremoniell“ in einer schwankenden Welt: Dieses Szenario verstehen Zeitgenossinnen, die mit Bildern etwa von Kim Kardashian leben, womöglich besser als jemals zuvor.
Für das kommende Frühjahr ist denn auch noch „Sisi und ich“ angekündigt, ein Film von Frauke Finsterwalder, an dessen Buch Christian Kracht mitgeschrieben hat. Ein Künstlerpaar, das schon früher eindrucksvoll von merkwürdigen Körperregimen erzählen konnte. Auf deren Version kommt es sogar nach diesem exzessiven Sisi-Jahr noch an.
MARIE SCHMIDT
Die exzessive Beschäftigung mit
Taille, Haut, Haar kennen auch
Zeitgenossinnen Kim Kardashians
Die Liebe zu Pferden und zu Hunden hatte Elisabeth von Österreich-Ungarn mit der verstorbenen britischen Königin Elizabeth gemeinsam.
Foto: SZ Photo
Betont ungeschminkt, fastend, rauchend: Vicky Krieps lässt im Film „Corsage“ die Kaiserin historisch plausibel und modern zugleich wirken.
Foto: dpa/alamode film
Karen Duve:
Sisi.
Roman.
Galiani, Köln 2022.
416 Seiten, 26 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Gebundenes Buch
Ein tolles Buch an kalten Regentagen. Das Leben von Kaiserin Elisabeth wird in diesem Buch aus einer bislang eher unbekannten und wenig beschriebenen Perspektive erzählt. Das Geschehen spielt sich hauptsächlich in England und Ungarn bei ihren geliebten Reitjagden ab und erzählt die …
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Ein tolles Buch an kalten Regentagen. Das Leben von Kaiserin Elisabeth wird in diesem Buch aus einer bislang eher unbekannten und wenig beschriebenen Perspektive erzählt. Das Geschehen spielt sich hauptsächlich in England und Ungarn bei ihren geliebten Reitjagden ab und erzählt die Beziehung von „Sisi“ zu ihrer gesellschaftlich rangniedringen Nichte Marie.
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Gebundenes Buch
Karen Duve hat sich intensiv mit dem Leben der österreichischen Kaiserin Elisabeth befasst. Viele Informationen hat sie aus den ausführlichen Tagebüchern der Hofdame Marie Gräfin von Festetics, die der Kaiserin sehr ergeben war und sogar ihretwegen auf die große Liebe …
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Karen Duve hat sich intensiv mit dem Leben der österreichischen Kaiserin Elisabeth befasst. Viele Informationen hat sie aus den ausführlichen Tagebüchern der Hofdame Marie Gräfin von Festetics, die der Kaiserin sehr ergeben war und sogar ihretwegen auf die große Liebe verzichtet hat. Allerdings hat die Kaiserin auch eine Eheschließung ihrer liebsten Hofdame ausdrücklich untersagt. Dies ist zum Beispiel eine Episode, die einen kritischen Blick auf das Wesen der sagenhaften Sisi wirft. Des Weiteren lernen wir sie als eitle, selbstverliebte Frau kennen, die mit der Gunst der Männer spielt. Ganz besonders können fesche Reiter ihre Aufmerksamkeit erregen, denn sie selbst ist eine wilde Reiterin, die lieber dieser Passion folgt, als sich ihren kaiserlichen Pflichten zu widmen. Im Prinzip ist sie ein Mensch, der in der Trotzphase stecken geblieben ist. Sie will sich nicht anpassen, sondern liebt ihre Freiheit. Andererseits genießt sie auch die Vorteile ihrer Stellung. Die Menschen in ihrem Umfeld müssen tun, was sie will.
Auch wenn die Schriftstellerin sehr neutral erzählt, erhält man ein recht negatives Bild einer Herrscherin, die ansonsten in der Literatur eher kitschig verklärt dargestellt wird. Das Buch besteht aus einer Aneinanderreihung vieler einzelner Episoden, die geschichtlich verbrieft sind, aber von der Autorin in lebendiger Romanform erzählt werden. Ein wirklich spannendes historisches Buch, eng an den Fakten, trotzdem ein Pageturner.
Inhaltlich ist dieses Hörbuch wunderbar, aber wer ist auf die Idee gekommen, den Text durch die Autorin selbst einlesen zu lassen? Eine ausgebildete Stimme hätte dem Text weitaus mehr Lebendigkeit verleihen können. Mit Karin Duve am Mikrofon wirkt es leider ziemlich trocken.
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eBook, ePUB
Kaiserin Elisabeth von Österreich ist vom steifen Wiener Hofzeremoniell gelangweilt und vertreibt sich die Zeit lieber mit ausgiebigen Reisen. Besonders in England gefällt es ihr gut, die risikoreichen Jagdgesellschaften lassen das Herz der passionierten Reiterin höher schlagen. …
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Kaiserin Elisabeth von Österreich ist vom steifen Wiener Hofzeremoniell gelangweilt und vertreibt sich die Zeit lieber mit ausgiebigen Reisen. Besonders in England gefällt es ihr gut, die risikoreichen Jagdgesellschaften lassen das Herz der passionierten Reiterin höher schlagen. Für ihre Reitkünste wird Sisi ebenso sehr bewundert, wie für ihre Schönheit, auch der legendäre Reiter Bay Middleton wurde nach anfänglicher Skepsis in ihren Bann gezogen. Als Sisi ihr Nichte Marie Wallersee, die aus einer nicht standesgemäßen Ehe ihres Bruders mit einer Schauspielerin entstammt, nach Schloss Gödöllö einlädt, steht diese zunächst im Schatten ihrer kaiserlichen Tante. Marie zeigt sich im Sattel genau so tollkühn wie Sisi und wird deren dauerhafte Begleiterin - so dauert es nicht lange, bis die adlige Gesellschaft der jungen Frau eben so viel Aufmerksamkeit entgegen bringt und damit Sisis Unmut erregt.
"Sisi" von Karen Duve ist ein Roman, der sich eng an realen Überlieferungen über die Kaiserin Elisabeth orientiert, allerdings beschränkt sich die Handlung auf einen relativ kurzen Zeitraum ihres Lebens. Zu Beginn der Geschichte ist Sisi bereits 38 Jahre alt und damit weit entfernt von dem kitschigen Backfisch, den uns die berühmte Filmreihe seinerzeit vorgeführt hat, die Autorin zeichnet ein weit weniger illusorisches Bild der schillernden geschichtlichen Figur. Dabei bedient sie sich einer Sprache, die für einen höfischen Chronisten jener Zeit angemessen gewesen wäre, selbstverständlich ist die Kaiserin wunderschön, unendlich liebenswürdig und nahezu unfehlbar, jede ihrer Handlungen wird aus dem Blickwinkel einer Person in Sisis Umfeld gezeigt. Nur mit kleinen, dezenten Sätzen am Ende des entsprechenden Abschnitts, wird der schöne Schein in Frage gestellt. (z.B. nach einer Jagd des Kaisers, als die getöteten Gämsen in einer Linie aufgereiht werden: "Achtunddreißig tote Tiere sind es diesmal. Das ist ein schöner Ausdruck repräsentativer Lebenslust,..")
Mit dieser feinen Ironie hat die Autorin die Schattenseiten des kaiserlichen Glanzes dargestellt, ohne die Kritik in direkte Worte zu fassen, den Schreibstil habe ich recht passend zur höfischen Etikette empfunden. Allerdings ist es mir durch die gestelzte Ausdrucksweise schwer gefallen, tiefer in die Geschichte einzutauchen, oder den Figuren gar emotional näher zu kommen. Wenn ich bedenke, dass es sich nicht um ein geschichtliches Sachbuch, sondern um einen Roman handelt, fehlte mir nicht nur bei der Protagonistin, sondern auch ihrem Umfeld die Lebendigkeit. Da die Kaiserin beinahe ausschließlich durch die Augen dritter betrachtet wurde, wirkte das Buch auf mich eher wie eine etwas ausführlichere Zusammenstellung historischer Fakten. Für eingefleischte Sisi-Fans zeigt Karen Duve sicherlich einen interessanten Ausschnitt aus ihrem bewegten Leben, für mich hatte das Buch leider kaum einen Unterhaltungswert.
Im Prinzip fasst der Klappentext bereits den kompletten Handlungsverlauf zusammen und für meinen Geschmack war der Rest umständliche Umschreibung. Besonders der Anfang hat sich meiner Meinung nach zähe in die Länge gezogen, bei aller Begeisterung, die Sisi selbst für die wilden Jagdritte empfunden haben mag, fand ich es kaum spannend, die ausführlichen Schilderungen der sich beinahe täglich wiederholenden Jagden zu lesen. Als Marie Wallersee in Erscheinung trat, kam mir das Handlungstempo schon angenehmer vor, nichtsdestotrotz kann ich dieses Buch nur begeisterten Anhängern der Kaiserin Elisabeth empfehlen, für alle Anderen ist es eine recht langwierige Lektüre.
Fazit: Der gestelzte Schreibstil hat für mich den Unterhaltungswert des Romans deutlich geschmälert, auch die feine Ironie, mit der die Autorin ihre Abschnitte enden lässt, konnten das Leseerlebnis in meinen Augen nicht retten. Für eingefleischte Sisi-Fans mag dieser Ausschnitt aus ihrem Leben eine durchaus lesenswerte Lektüre darstellen, meine Begeisterung hielt sich leider in Grenzen.
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