»Negative Glaubenssätze sickern ins Unterbewusstsein und machen es sich dort bequem, Rollenbilder oder Klischees, seien sie auch noch so absurd, schleichen sich über Jahrzehnte hinweg in unsere Wahrnehmung hinein – und kreieren dort Empfindungen wie Angst und Scham« (S. 145/146).
Warum wird Scham
als normal und geschlechtsneutrale Empfindung beschrieben und gleichzeitig ist sie ein weibliches…mehr»Negative Glaubenssätze sickern ins Unterbewusstsein und machen es sich dort bequem, Rollenbilder oder Klischees, seien sie auch noch so absurd, schleichen sich über Jahrzehnte hinweg in unsere Wahrnehmung hinein – und kreieren dort Empfindungen wie Angst und Scham« (S. 145/146).
Warum wird Scham als normal und geschlechtsneutrale Empfindung beschrieben und gleichzeitig ist sie ein weibliches Phänomen? Dieser Frage geht Anika Landsteiner in ihrem Buch »Sorry not sorry« auf den Grund. Um Antworten zu erhalten zeigt die Autorin sich von einer sehr vulnerablen Seite. Sie schreibt über persönliche Erfahrungen und führt durch Recherche auch Belege externer Quellen an, um ihre Aussagen zu untermauern. Anika Landsteiner beleuchtet weibliche Scham bezogen auf verschiedene Themenbereiche wie Körper, Geld, Beziehungsstatus, Reality-TV, Schwangerschaft, Altern, Periode/Endometriose, Heiraten und sexualisierte Gewalt.
Die Autorin beschreibt ihr Buch nicht nur als »eine persönliche und gesellschaftliche Spurensuche« (S.17), sondern auch als Hand, die sie ausstreckt, »um zu signalisieren: Du bist nicht allein mit dem Gefühl, allein zu sein« (ebd.).
Um ehrlich zu sein – ich habe nicht immer die ganze Hand gesehen, die ausgestreckt wurde. Bei den persönlichen Situationen, die Anika Landsteiner beschreibt, habe ich mich tatsächlich nicht mehr ganz so alleine gefühlt, da ich mir beispielsweise vor ein paar Jahren selbst wegen der 30 in die Bluse gemacht hab, obwohl ich mich aber doch gar nicht so alt fühle, gesellschaftlich gesehen womöglich als gescheiterte Existenz abgestempelt werde, die dann auch noch Falten hat. Anika Landsteiner schreibt offen und sehr reflektiert über ihre eigenen Erlebnisse – dies empfinde ich als unglaublich mutig.
»Mich zu schämen hat mich in meinem ganzen Leben immer wieder ausgebremst. Verunsichert. Beleidigt. Verletzt. Entblößt. Erst indem ich über die Emotionen geschrieben und sie nicht als lästig empfunden habe, kann ich sie als einen Schlüssel zur Selbstreflexion nutzen« (S. 241).
Bei den angegebenen Quellen handelt es sich, bis auf eine Ausnahme, in der auf eine Netflix-Serie verwiesen wird, auf Onlineliteratur. Somit ist die Lektüre sehr populärwissenschaftlich gehalten. Ich hatte andere Erwartungen, habe mir für den Rechercheteil mehr Tiefe und neue Erkenntnisse gewünscht. Im Vorwort werden Namen wie Franziska Schutzbach, Ann-Kristin Tlusty und Laurie Penny und deren literarische Werke genannt. Die Essays in »Sorry not sorry« greifen diese allerdings leider nicht mehr auf. Die Aussagen bleiben bei Anika Landsteiners Buch sehr an der Oberfläche, Altbekanntes wurde aufgegriffen und leichtverständlich wiedergegeben. Der Schreibstil ist angenehm und ich konnte trotz der Kritik ein paar schöne Textstellen für mich herausfiltern.
»Der weibliche Körper wird im Korsett eines heteropatriarchalen Systems nicht nur beschämt und kategorisiert, er wird im Heranwachsen sexualisiert und schließlich von der Weltwirtschaft kapitalisiert« (S. 19).