"Der fesselndste Thriller, den ich seit Gone Girl gelesen habe. A.J. Finn ist ein kühner Debütautor – meisterhaft." Tess Gerritsen Anna Fox lebt allein. Ihr schönes großes Haus in New York wirkt leer. Trotzdem verlässt sie nach einem traumatischen Erlebnis ihre Wohnung nicht mehr. Anna verbringt ihre Tage damit, mit Fremden online zu chatten, zu viel zu trinken – und ihre Nachbarn durchs Fenster zu beobachten. Bis eines Tages die Russels ins Haus gegenüber einziehen – Vater, Mutter und Sohn. Bei dem Anblick vermisst Anna mehr denn je ihr früheres Leben, vor allem, als die neue Nachbarin sie besucht. Kurze Zeit später wird sie Zeugin eines brutalen Überfalls. Sie will helfen. Doch sie traut sich nach wie vor nicht, das Haus zu verlassen. Die Panik holt sie ein. Ihr wird schwarz vor Augen. Als sie aus ihrer Ohnmacht erwacht, will ihr niemand glauben. Angeblich ist nichts passiert ... Meisterhaft und nuanciert gelesen von Nina Kunzendorf
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A. J. Finn "The Woman in the Window"
Sie wohnt in einem großen Haus in New Yorks bester Lage. Sie hat einen Mann und eine kleine Tochter. Frei von finanziellen Sorgen kann sie ihrem Beruf nach Lust und Laune von zu Hause nachgehen. Alte Schwarz-Weiß-Filme sieht sie für ihr Leben gern, wozu siemit Vorliebe einen guten Rotwein trinkt. Auf den ersten Blick wirkt das Leben von Anna Fox geradezu perfekt. Doch tatsächlich ist es die Hölle. Sie leidet an Agoraphobie, an der Unfähigkeit, große Plätze zu überqueren. Mitten in New York, wo alles irgendwie zu groß ist, macht sie das zu einer Gefangenen in ihrer eigenen Wohnung. Allein der Gedanke, einen Schritt vor die Tür zu gehen, löst in ihr schon Panik aus. Seit etwa einem Jahr war sie nicht mehr draußen. Zu ihrem Mann und ihrer Tochter, die mittlerweile in eine eigene Wohnung ein paar Straßen weiter gezogen sind, hält sie nur noch telefonisch Kontakt. Anna versinkt in Depressionen und betäubt sich mit einem Cocktail aus Tabletten und Rotwein. Sicher fühlt sie sich nur, wenn sie ihre Schwarz-Weiß-Filme sieht, vor allem Klassiker von Alfred Hitchcock, die sie nahezu komplett mitsprechen kann.
Bis hierhin könnte "The Woman in the Window", das empathisch und lebensnah geschriebene Debüt des US-amerikanischen Autors A. J. Finn, eher wie ein melancholisches Seelendrama wirken. Wäre da nicht die Nikon, eine Kamera mit hervorragendem Zoomobjektiv, durch die Anna ihre Nachbarschaft im Haus gegenüber beobachtet. Man muss Hitchcocks "Das Fenster zum Hof" nicht kennen, um zu ahnen, welchen Weg die Geschichte nun einschlägt. In dem genialen Thriller aus dem Jahr 1954 war James Stewart als Fotojournalist gezwungen, sein gebrochenes Bein zu Hause auszukurieren. Aus reiner Langeweile nahm er mit seiner Kamera das Leben seiner Nachbarn unter die Lupe, bis ihm dabei eines Tages ein Mord vor die Linse kam. Oder etwas, was wie ein Mord aussah. Anna Fox ergeht es ähnlich. Allerdings ist ihr Fenster zum Hof nicht der einzige permanente Kontakt zur Außenwelt. Sie lebt im Hier und Jetzt, im Zeitalter des Internets. Eines Tages glaubt sie zu sehen, wie ihre Nachbarin, die blonde Jane Russell, ermordet wird.
Anna war ihr zuvor nur einmal an einem feuchtfröhlichen Abend begegnet. Aber über das Leben der Familie Russel ist sie trotzdem bestens informiert - jedenfalls über das, was die Suchmaschinen so über sie hergeben. Soverbinden sich Annas Internetrecherchen, ihre heimlichen Beobachtungen durch die Kamera, ihr psychologischer Sachverstand und nicht zuletzt ihr desolater Zustand zu einem Kopfzirkus des Schreckens, in dem sie zwischen der Realität und dem, was sie aus ihren Filmen kennt, immer weniger zu unterscheiden vermag. Die gerufene Polizei sieht keinen Anlass, Anna zu glauben, zumal am nächsten Tag in der Wohnung gegenüber eine brünette Frau auftaucht und sich als Mrs. Russel ausgibt. Als würde das nicht reichen, scheint Annas gut aussehender Untermieter ein düsteres Geheimnis mit sich herumzuschleppen. Alleinauf Lizzie ist noch Verlass: eine ältere Dame, die sich Anna in einem Chatroom für Depressive vorstellt und mit großer Dankbarkeit Annas professionelle Ratschläge annimmt. Oder vielleicht doch nicht?
A. J. Finn, ein Pseudonym, hinter dem sich der ehemalige Lektor Daniel Mallory verbirgt, spielt in seinem Debütroman mit der Wahrnehmung seiner Protagonistin und seiner Leserschaft. Er zieht ihnen auf überraschende Weise immer wieder den Boden der Gewissheit unter den Füßen weg. Letztlich lädt er aber auf kluge und einfühlsame Weise dazu ein, den Glauben an sich selbst niemals zu verlieren.
Sie wohnt in einem großen Haus in New Yorks bester Lage. Sie hat einen Mann und eine kleine Tochter. Frei von finanziellen Sorgen kann sie ihrem Beruf nach Lust und Laune von zu Hause nachgehen. Alte Schwarz-Weiß-Filme sieht sie für ihr Leben gern, wozu siemit Vorliebe einen guten Rotwein trinkt. Auf den ersten Blick wirkt das Leben von Anna Fox geradezu perfekt. Doch tatsächlich ist es die Hölle. Sie leidet an Agoraphobie, an der Unfähigkeit, große Plätze zu überqueren. Mitten in New York, wo alles irgendwie zu groß ist, macht sie das zu einer Gefangenen in ihrer eigenen Wohnung. Allein der Gedanke, einen Schritt vor die Tür zu gehen, löst in ihr schon Panik aus. Seit etwa einem Jahr war sie nicht mehr draußen. Zu ihrem Mann und ihrer Tochter, die mittlerweile in eine eigene Wohnung ein paar Straßen weiter gezogen sind, hält sie nur noch telefonisch Kontakt. Anna versinkt in Depressionen und betäubt sich mit einem Cocktail aus Tabletten und Rotwein. Sicher fühlt sie sich nur, wenn sie ihre Schwarz-Weiß-Filme sieht, vor allem Klassiker von Alfred Hitchcock, die sie nahezu komplett mitsprechen kann.
Bis hierhin könnte "The Woman in the Window", das empathisch und lebensnah geschriebene Debüt des US-amerikanischen Autors A. J. Finn, eher wie ein melancholisches Seelendrama wirken. Wäre da nicht die Nikon, eine Kamera mit hervorragendem Zoomobjektiv, durch die Anna ihre Nachbarschaft im Haus gegenüber beobachtet. Man muss Hitchcocks "Das Fenster zum Hof" nicht kennen, um zu ahnen, welchen Weg die Geschichte nun einschlägt. In dem genialen Thriller aus dem Jahr 1954 war James Stewart als Fotojournalist gezwungen, sein gebrochenes Bein zu Hause auszukurieren. Aus reiner Langeweile nahm er mit seiner Kamera das Leben seiner Nachbarn unter die Lupe, bis ihm dabei eines Tages ein Mord vor die Linse kam. Oder etwas, was wie ein Mord aussah. Anna Fox ergeht es ähnlich. Allerdings ist ihr Fenster zum Hof nicht der einzige permanente Kontakt zur Außenwelt. Sie lebt im Hier und Jetzt, im Zeitalter des Internets. Eines Tages glaubt sie zu sehen, wie ihre Nachbarin, die blonde Jane Russell, ermordet wird.
Anna war ihr zuvor nur einmal an einem feuchtfröhlichen Abend begegnet. Aber über das Leben der Familie Russel ist sie trotzdem bestens informiert - jedenfalls über das, was die Suchmaschinen so über sie hergeben. Soverbinden sich Annas Internetrecherchen, ihre heimlichen Beobachtungen durch die Kamera, ihr psychologischer Sachverstand und nicht zuletzt ihr desolater Zustand zu einem Kopfzirkus des Schreckens, in dem sie zwischen der Realität und dem, was sie aus ihren Filmen kennt, immer weniger zu unterscheiden vermag. Die gerufene Polizei sieht keinen Anlass, Anna zu glauben, zumal am nächsten Tag in der Wohnung gegenüber eine brünette Frau auftaucht und sich als Mrs. Russel ausgibt. Als würde das nicht reichen, scheint Annas gut aussehender Untermieter ein düsteres Geheimnis mit sich herumzuschleppen. Alleinauf Lizzie ist noch Verlass: eine ältere Dame, die sich Anna in einem Chatroom für Depressive vorstellt und mit großer Dankbarkeit Annas professionelle Ratschläge annimmt. Oder vielleicht doch nicht?
A. J. Finn, ein Pseudonym, hinter dem sich der ehemalige Lektor Daniel Mallory verbirgt, spielt in seinem Debütroman mit der Wahrnehmung seiner Protagonistin und seiner Leserschaft. Er zieht ihnen auf überraschende Weise immer wieder den Boden der Gewissheit unter den Füßen weg. Letztlich lädt er aber auf kluge und einfühlsame Weise dazu ein, den Glauben an sich selbst niemals zu verlieren.