Verschleißteil der Weltgeschichte: Wir warten darauf, dass es hell wird. Lange vergeblich. Für Minuten sehen wir nur ins Schwarze - sogar die grün-leuchtenden Fluchtwegschilder sind dunkel. Fluchtwege? Gibt es nicht. Kann es wohl auch nicht geben, wenn man so jung ist wie Goethe, als er dieses Fragment schrieb. Dreiundzwanzig! Das war ungefähr zu derselben Zeit, als er den jungen Werther nicht davor rettete, sich aus vergeblicher Liebe zu Lotte zu töten... Mao im Zirkus: Cao Kefei hockt auf einer Holzbank in einem staubigen Pekinger Hinterhof. Sie stützt die Ellbogen auf die Knie, legt das Kinn auf die geballte Faust. Sie wippt, sie springt auf. Cao ist Chinas eigenwilligste Theaterregisseurin. Das bekommt jetzt ein kleines Mädchen zu spüren. Das Mädchen trägt Turnkleider und zerschlissene Ballettschuhe. Auf dem harten Sandboden des Hinterhofs hat es gerade einen Salto geschlagen. Doch Cao ist nicht zufrieden. Sie redet auf das Mädchen ein. Es dürfe nach dem Salto nicht wie üblich aufspringen, sondern müsse devot den Kopf senken. Sie hat das schon mehrmals erklärt. Doch das Mädchen streckt nach dem Sprung immer wieder den Körper. Cao gibt nicht auf. Sich selbst aufs Spiel setzen: Der alte Mann steht im Profil. Man sieht seinen gerundeten Rücken und, von wenigen weißen Haaren kaum verdeckt, den am Hinterkopf abgeflachten Schädelumriss. Knochen, eng überspannt mit Haut. Hart, glänzend, offenporig. Seine ganze Erscheinung hat diese Zwitteraura aus Zähigkeit, Zartheit und Skulpturalität an sich. Sehr langsam lehnt der Mann sich nach vorn. Der Rücken wird noch runder; die Arme hängen schwer an den Seiten und sinken Richtung Boden zu den Fußspitzen, wo sie jedoch nie ankommen. Die Langsamkeit der Dehnung, die die gesamte Gestalt staucht, und die Unüberwindlichkeit des wachsenden physischen Widerstands scheinen für die Dauer einer simplen Rumpfbeugung die Zeit zu entschleunigen.
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