"Warum überhaupt Wahrheit ?"– wenn, wie Nietzsche in diesem Stück aus den ›Nachgelassenen Schriften‹ betont, der Intellekt "als ein Mittel zur Erhaltung des Individuums, (...) seine Hauptkräfte in der Verstellung [entfaltet]". Auch die Sprache als vermeintliche Erfassung der Dinge be- schreibt Nietzsche als vitale Illussion und ein "bewegliches Heer von Metaphern". Nebenher bereitet er hiermit die bahnbrechende Sprachkritik Wittgensteins vor.
Aber gleichwohl beschreibt Nietzsche auch einen "Trieb zur Wahrheit". Und wenn er einerseits die Frage nach dem ›Warum von Wahrheit‹, mit dem alten Sassaniden-Motiv "Nichts ist wahr; alles ist erlaubt" auf die Spitze treibt, deutet er dabei nicht nur den Bezug von ›etwas wie Wahr- heit‹ zu einer ethischen Dimension an. Mit Begriffen wie ›Wahrhaftigkeit‹, ›Redlichkeit‹ und ›Rechtschaffenheit‹ verbindet er später ›Wahrheit‹ mit durchaus unmittelbar erfahrbaren, vor allem auch auch physiologischen Momenten der Gestik und Mimik: "Man lügt wohl mit dem Munde, aber mit dem Maule dass man dabei macht, sagt man doch noch die Wahrheit." Mit dieser erfahrbaren, offenen aber stets auch ethischen Musikalität gibt
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er sich als ein Bekenner von Wahrheit und ebenso – "im aussermoralischen Sinne" – als Moralist zu erkennen: »Was ist mir Gutherzigkeit, Feinheit und Genie, wenn der Mensch dieser Tugenden schlaffe Gefühle im Glau- ben und Urteilen bei sich duldet, wenn das Verlangen nach Gewissheit ihm nicht als die innerste Begierde und tiefste Not gilt – ... inmitten der ganzen wundervollen Ungewißheit und Vieldeutigkeit des Daseins stehen und nicht fragen ... das ist es was ich als verächtlich empfinde.« »die Leidenschaft für das trotz aller Rücksichten »Wahre« ist die höchste – und darum seltenste bisher!«
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Seine Klasse fördert das Verstehen von der schriftstellerischen Meisterschaft Nietzsches von dessen an französischer Schule geübten Klarheit des Stils. Dafür öffnet Grube die Sinne. Durch akribisches Erkunden der spachlichen Feinheiten in gekonnter Betonung und Pausensetzung, durch den weich-federnden Rhythmus der Stimmführung, der der Musikalität dieser Sprache zu ihrem Recht verhilft. Hinzu kommt eine Sprechhaltung, die davon absieht, die Kraft der Worte durch Dramatisierung zu überzeichnen.