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Kae Tempests erster großer Essay ist zugleich intimes Selbstporträt, hellsichtige Zeitdiagnose und mitreißendes Plädoyer für mehr Selbstsorge, Empathie und Gemeinsinn. Verletzlich und unverstellt erzählt das literarische und musikalische Ausnahmetalent von Ängsten, Rauschzuständen und dem zerstörerischen Wunsch nach Anerkennung - und fragt nach nicht weniger als dem richtigen Leben: Wie erkenne ich meinen Selbstwert in einer Welt, die vor allem auf Gewinn aus ist? Wie könnte eine Gesellschaft aussehen, die nicht von Leistung und Selbstoptimierung, sondern von Nähe und Miteinander geprägt ist?…mehr

Produktbeschreibung
Kae Tempests erster großer Essay ist zugleich intimes Selbstporträt, hellsichtige Zeitdiagnose und mitreißendes Plädoyer für mehr Selbstsorge, Empathie und Gemeinsinn. Verletzlich und unverstellt erzählt das literarische und musikalische Ausnahmetalent von Ängsten, Rauschzuständen und dem zerstörerischen Wunsch nach Anerkennung - und fragt nach nicht weniger als dem richtigen Leben: Wie erkenne ich meinen Selbstwert in einer Welt, die vor allem auf Gewinn aus ist? Wie könnte eine Gesellschaft aussehen, die nicht von Leistung und Selbstoptimierung, sondern von Nähe und Miteinander geprägt ist? Wie lässt sich Apathie in Hingabe und Neugier verwandeln? Antworten findet Kae Tempest in einer Politik des Mitgefühls und der schöpferischen Kraft: Wo Einsamkeit und Isolation um sich greifen, können Kunst und Kultur auf besondere Weise gemeinschaftsstiftend wirken und inniges Verbundensein spürbar machen - Verbundensein mit uns selbst, unseren Nächsten und dem gesellschaftlichen Umfeld.

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Autorenporträt
Kae Tempest, geboren 1985 in Süd-London, ist Rapper:in, Lyriker:in, Theater- und Romanautor:in. Für das Lyrikdebüt Brand New Ancients wurde Tempest 2012 mit dem Ted Hughes Award for New Work in Poetry ausgezeichnet, einem der wichtigsten Lyrikpreise Großbritanniens. 2021 erhielt Tempest den Silbernen Löwen der Biennale von Venedig.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Karin Janker nimmt das Erscheinen von "Verbundensein" sowie ihren Besuch beim ersten Auftritt von Kae Tempest nach dem Outing als non-binäre Person zum Anlass für ein Loblied auf Tempests Fähigkeit, durch Dichtung Mitgefühl zu erzeugen und durch Mitgefühl Verbindungen herzustellen. Genau um dieses Potenzial der Kunst gehe es auch in "Verbundensein": die Funktion der Kunst, gesellschaftliche Gräben zu überbrücken. Ein "ästhetisches und politisches Manifest" nennt Janker dieses Buch daher, in dem Tempest unter anderem von aufhaltsamen Versuchen erzählt, sich vor der eigenen Identität zu verstecken, und davon, welche Probleme und toxischen, nur vermeintlichen Problemlösungen dies mit sich brachte. Das Buch ist also zum einen Zeugnis einer schmerzhaften Identitätssuche oder vielmehr -annahme, zum anderen aber auch ein Appell für gegenseitiges Verständnis, für Empathie und gegen "identitätspolitischen Tribalismus" - gefasst in die schönsten und berührensten Worte, so die begeisterte Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.05.2021

Und der Herzschlag gleicht sich an
Kae Tempest steht zum ersten Mal wieder in Barcelona auf der Bühne –
nach einem Outing und einem Essay über die Kraft der Kunst
VON KARIN JANKER
Es gibt Abende, an denen stimmt einfach alles. Die Brise, die die Luft vom Meer hereinträgt, die gut gelaunten Menschen mit ihren Stoffmasken in der Schlange vor dem Casino l’Aliança del Poblenou, einem alten Theater in Barcelona. Eine Mutter stillt vor dem Einlass ihr Baby, Freunde fallen sich um den Hals, so lange nicht gesehen. Die Menschenschlange kringelt sich auch dann noch um den Platz vor der Aliança, als um halb neun eigentlich schon der Auftritt beginnen soll. Das Fiebermessen am Eingang hält alles auf, aber eilig hat es ohnehin niemand. Man wartet ja schon so lange.
„It’s been a long time“, mit diesen Worten betritt Kae Tempest wenig später die Bühne. Eine Floskel, aber wie viel Erleichterung spricht aus diesem Satz. Seit mehr als einem Jahr ist Tempest nun wie alle Künstler nicht aufgetreten, hat nicht Worte in einen Raum voller Menschen gesprochen und nicht den Applaus des Publikums gehört. Die Tour zum Album „The Book of Traps and Lessons“ wurde von der Pandemie jäh unterbrochen. Nun also ein Comeback: Kae Tempest eröffnet das Lyrik-Festival „Barcelona Poesía“. Dabei ist es kein Zufall, dass Tempests erster Auftritt gerade hier stattfindet. Spanien stellt sich derzeit europaweit an die Spitze, was die Wiederbelebung der Kultur angeht – und das, obwohl das Land in Sachen Inzidenz und Impffortschritt gleichauf mit Deutschland liegt. In Madrid wird Abend für Abend Oper gespielt; Barcelona ermöglicht Popkonzerte mit 5 000 tanzenden Fans.
Erst wenn man diese Momente wieder erlebt, wird klar, warum sie fehlten: weil sich im besten Sinne selbst vergessen kann, wer sich mit anderen Menschen in einem Raum zusammenfindet, um nicht nur Zeuge, sondern Teil von Kunst zu werden. Und es trifft sich besonders gut, dass Kae Tempest gerade ein Buch veröffentlicht hat, das eben diese Kraft des Versenkens als künstlerisches und politisches Konzept wieder ins Spiel bringt. „Verbundensein“, so der deutsche Titel, kreist um die Frage, wie Kunst dabei helfen kann, Gräben in der Gesellschaft zu überwinden.
Tempest zitiert darin eine psychologische Studie, die belegt, dass die Pulsfrequenzen der Zuschauer eines Theaterstücks sich einander angleichen. Dass Herzschläge in Einklang kommen, wenn man sich gemeinsam in ein Kunstwerk vertieft. Es war eine kleine Studie von Forschern des University College London. Für Tempest jedoch beweist das Experiment, wie wichtig solche Augenblicke nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes sind. „Verbundensein“ ist ein ästhetisches und politisches Manifest, geschrieben für eine Post-Lockdown-Gesellschaft, die den Wert und Stellenwert der Kunst neu definieren müssen wird.
Einer der schönen, euphorisierenden Sätze des Buchs: „Manchmal müssen wir uns der Gnade einer überschwänglicheren Macht ausliefern, als der alltägliche Trott eine ist, und uns ihr unter die Hufe werfen.“
In Barcelona liegt „Verbundensein“ in zwei Übersetzungen auf dem Büchertisch am Einlass: auf Spanisch und auf Katalanisch. So viel zum Thema Verbundensein. Tempest wird an diesem Abend unter Beweis stellen, was im Buch geschrieben steht. Nur sind die Hufe diesmal Worte, genauer: Spoken Word Poetry, also doch mehr als Worte, nämlich auch vortragender Körper. In einer atemlosen Stunde trägt Tempest in Barcelona das aktuelle Album „The Book of Traps and Lessons“ als zusammenhängendes Gedicht vor. Ohne Pause, ohne Musik. Nur einmal, da unterbricht ein „Fuck“ das Wortgewitter, ein Hänger im Text. Doch die Konzentration ist gleich wieder da. Den Rhythmus geben die Worte vor, die Beine nehmen ihn auf, treten von einem Fuß auf den anderen, stehen still, der Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen. Die klare Stimme moduliert die Worte zurückhaltend, tritt stets hinter ihrem Gehalt zurück. Da säuselt niemand, da schreit oder winselt niemand. Kae Tempest, kurzes Haar, weites Jeanshemd, trägt Lyrik vor und die Gesten sind so zurückhaltend, wie sie für einen Rapper nur sein können. Tempest spricht mit „zitternden Händen“ und in dem „dringenden Bedürfnis, Verbindung aufzunehmen“, so heißt es in „Verbundensein“, und auch wenn man das Buch vorher nicht gelesen hat, man spürt das.
Was zur Einzigartigkeit des Abends beiträgt: Es ist der letzte vor dem Ende des Alarmzustandes in Spanien. Die letzte Nacht mit offizieller Ausgangssperre. Die Spannung ist überall in der Stadt spürbar, in der kommenden Nacht wird sie sich in Freudenschreien entladen.
Für Kae Tempest ist es auch die erste Show nach dem Outing. Im August erklärte Tempest, bis dahin unter dem Künstlernamen Kate Tempest bekannt, sich als non-binär, also keinem der beiden Geschlechter zugehörig: „From Kate to Kae. From she/her to they/them“, hieß es in einem Post auf der Facebook-Seite. „Ich kämpfe seit Langem darum, mich selbst so zu akzeptieren, wie ich bin, dieses Versteckspiel vor mir führte zu allen möglichen Schwierigkeiten in meinem Leben.“
Das neue Buch erzählt von diesen Schwierigkeiten, von Alkohol, Drogen, Missbrauch. Aber nicht nur davon. Kae Tempest stellt darin eine kapitalismus- und konsumkritische Zeitdiagnose und sucht nach Antworten aus künstlerischer Perspektive. Eine der wichtigsten ist von Susan Sontag inspiriert, wenn sie auch nicht direkt zitiert wird: Wie entgeht man der völligen Abstumpfung in einer brutalen Lebens- und Medienrealität, in der ein gewisses Maß an Abstumpfung die letzte Rettung vor der Selbstaufgabe ist? Tempests Antwort wiederholt sich in Variationen: durch die Kunst und ihr Vermögen, Empathie zu erzeugen.
Das Buch speist sich aus den Erfahrungen einer queeren Identität, erschöpft sich aber nicht in diesen. „Verbundensein“ ist ein Plädoyer gegen identitätspolitischen Tribalismus, gegen das Zerfallen in Gruppen, innerhalb derer sich alle einig sind und die sich in Abgrenzung definieren. Tempest relativiert die Unterschiede zwischen den Identitäten nicht und auch nicht den Schmerz, den es erzeugt, sie zu formen. 1985 in South London geboren, einer „shitty“ Gegend, rangiert Tempest schon lange in der ersten Reihe britischer Sprachkünstler. Poetry Slam und Rap waren nur die Anfänge, bald folgten renommierte Literaturpreise wie der Ted Hughes Award, den Tempest 2013 als erster nicht-männlicher Lyriker unter 40 erhielt. 2016 erschien der Roman „Worauf du dich verlassen kannst“ auf Deutsch, ein Werk wie ein Aufschrei gegen Zynismus und Ungerechtigkeit.
Für größeren Wirbel sorgte zuletzt, dass der Name Kate Tempest in einer 2015 veröffentlichten Unterzeichnerliste der britischen Organisation „Artists for Palestine“ auftauchte, die erklärte, keine professionellen Engagements in Israel anzunehmen. Tempest, selbst jüdischer Abstammung, sagte, dass es dabei um Solidarität mit den Palästinensern ging. Aber auch, dass es vermutlich „naiv“ war, die Strahlkraft einer solchen Erklärung etwa in Deutschland zu unterschätzen. Einen Auftritt in Berlin sagte Tempest 2017 wegen Drohungen ab.
Mit 14 begann Tempest, zu schreiben, Theaterstücke, Gedichtbände und Rap-Alben zu veröffentlichen, das jüngste produziert von Rick Rubin, der auch mit Johnny Cash und Public Enemy zusammenarbeitete. In wenigen Wochen wird Tempest auf der Biennale in Venedig mit dem Silbernen Löwen in der Sparte Theater ausgezeichnet. Die Begründung der Jury: Tempest verstehe es, „mit leuchtender Kühnheit reflexiv wirkende Zeitbomben zu platzieren“ und Wut mit Zärtlichkeit zu Poesie zu verschmelzen. Von außen betrachtet eine Künstlerbiografie, die nur eine Richtung kennt: nach oben. Und doch erzeuge jeder Auftritt ein Gefühl des Scheiterns, schreibt Tempest. „Auf künstlerisches Handwerk kann ich jederzeit zurückgreifen“, heißt es im Buch, „aber niemals auf die Bühne gehen und per Knopfdruck ein Gefühl von Verbundensein erzeugen.“ Nie hänge es vom Künstler selbst ab, ob der Strom fließe, immer auch vom Publikum.
Der Abend in Barcelona endet mit dem Stück „People’s Faces“, das mit Zartheit von der Kraft der Empathie erzählt. Es schließt mit dem lapidaren Satz „I love people’s faces“. Er klingt lange nach. Tempest ist schon fast von der Bühne verschwunden, als Applaus und Fußgetrampel aufbranden. Einmal kommt Tempest zurück, um zu sagen: „I felt you with me.“
Atemlos trägt Tempest
die Texte vor, ohne Pause
und fast ohne Stolpern
Das Buch ist ein Plädoyer
gegen das Zerfallen in Gruppen,
in denen sich alle einig sind
Kae Tempest (hier im März 2020 in London) glaubt daran, dass Kunst Menschen verbinden kann.
Foto: Jim Dyson / Getty Images
Kae Tempest:
Verbundensein. Aus dem Englischen von Conny Lösch. Suhrkamp,
Berlin 2021.
138 Seiten, 12 Euro.
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»Ein Gegengift zum toxischen Zynismus unserer Zeit.« Nicole Strecker WDR 3 20210706»Tempest gefühlsmutige Sätze verstecken sich nicht hinter einem modischen 'man', sondern wagen ein entschiedenes Ich, Du und Wir.«
Marie-Luise Goldmann, Welt am Sonntag 11.04.2021
»Tempest gefühlsmutige Sätze verstecken sich nicht hinter einem modischen 'man', sondern wagen ein entschiedenes Ich, Du und Wir.«
Marie-Luise Goldmann, Welt am Sonntag 11.04.2021»Ein Gegengift zum toxischen Zynismus unserer Zeit.« Nicole Strecker WDR 3 20210706