In zwölf virtuosen Erzählungen widmet sich Judith Schalansky dem, was das Verlorene hinterlässt: Gerüchte und Legenden, Auslassungszeichen und Phantomschmerzen. Ihre Protagonisten kämpfen auf unterschiedlichste Weise gegen die Vergänglichkeit: ein alter Mann, der das Wissen der Menschheit hortet, ein Ruinenmaler, der die Vergangenheit erschafft, wie sie niemals war, die gealterte Greta Garbo, die durch Manhattan streift und sich fragt, wann genau sie wohl gestorben sein mag, und Schalansky selbst, die in den Leerstellen ihrer eigenen Kindheit die Geschichtslosigkeit der DDR aufspürt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2018Wenn eine wie sie laviert, dann hat man etwas davon
Judith Schalanskys neues Buch ist eine Erzählungssammlung unter einem großen Thema: dem des Verlusts. Was wir dabei jedoch gewinnen, ist Literatur, wie man sie nur selten findet.
Worum handelt es sich bei diesem Buch? Vom Verlag wird Judith Schalanskys "Verzeichnis einiger Verluste" keinem Genre zugewiesen, aber schon vor Erscheinen hat es den Wilhelm-Raabe-Preis zugesprochen bekommen, eine der renommiertesten literarischen Auszeichnungen in Deutschland, die in den zehn Jahren zuvor ausschließlich an Romane vergeben wurde. Die Jury spricht von "sehr heterogenen Texten", aber sie vermeidet die Bezeichnung "Erzählungen". Judith Schalansky selbst tut das nicht. Man muss dazu allerdings bis zur allerletzten Seite des Buchs kommen, dem Bild- und Quellenverzeichnis. Da heißt es zu einem der Texte: "Diese Erzählung ist eine Montage." Die anderen sind das nicht, aber es sind alles Erzählungen.
Und zwar Erzählungen, die einem Formprinzip gehorchen, das von anderer Gestalt ist, als man es gemeinhin vermutet. Wenn man aber weiß - und man kann es dem wunderschön gesetzten und gebundenen "Verzeichnis einiger Verluste" wieder einmal ansehen -, dass die Schriftstellerin Judith Schalansky auch Buchgestalterin ist, dann wird man auf die Symmetrie dieses Werks aufmerksam. Etwa darauf, dass sämtliche zwölf darin enthaltenen Erzählungen exakt die gleiche Seitenzahl aufweisen (sechzehn).
Und auch das Vorwort hat diesen Umfang. Das Schreiben der ach so heterogenen Texte unterlag also einer strengen Vorgabe, die sich dem erschließt, der das gesamte Buch nicht nur als ein anthologisches Verlustverzeichnis betrachtet, sondern als ein weiteres Kapitel seiner selbst. Zusammen mit Vorwort, Vorbemerkung, Personen- und Quellenverzeichnis besteht "Verzeichnis einiger Verluste" nämlich wiederum aus sechzehn Abschnitten. Und wovon es als Ganzes erzählt, ist auch ein Verschwinden, das desto schmerzlicher auffällt, je mehr man die Sorgfalt bewundert, mit der hier alles abgerundet wurde: dem der guten Buchgestaltung.
In jeder Hinsicht ist "Verzeichnis einiger Verluste" eine Summa des noch jungen Lebens der 1980 geborenen Judith Schalansky. Ein autobiographisches Buch etwa, in dem vier Erzählungen die Ich-Perspektive der Autorin einnehmen, wovon zwei wiederum in ihre Heimatregion führen: das Land um die vorpommersche Hafenstadt Greifswald. Darunter der poetischste Text, "Hafen von Greifswald", der aus den Eindrücken dreier Spazier- oder, besser: Erkundungsgänge entlang des Flüsschens Ryck besteht, das diesen Hafen speist. Was dabei als verloren thematisiert wird, ist ein der Erzählung seinen Titel gebendes Gemälde von Caspar David Friedrich, das 1931 verbrannte, doch es ist nur der Auslöser einer Natur- und Kulturlandschaftsbeschreibung von höchster Konzentration und Präzision. Was hier gewonnen wird - und in jeder der zwölf Erzählungen wird viel mehr gewonnen als verloren -, ist ein Erzählton, der Judith Schalansky selbst zur wichtigsten aktuellen Protagonistin jenes Literaturzweigs macht, den sie jüngst beinahe im Alleingang für Deutschland wiederbelebt hat: das nature writing, verkörpert in der von ihr herausgegebenen Reihe "Naturkunden" im Verlag Matthes & Seitz.
Dazu ein Beispiel aus einer anderen Erzählung, eine vollkommene Passage, gewonnen aber nicht aus eigener Anschauung, sondern aus Archivstudien: "Bis zum Untergang der Sonne steuerten die Schiffe auf den unbekannten, in der Ferne pulsierenden Streifen Land zu und lavierten die ganze Nacht bis zum Morgengrauen, in dem sie sich der Insel auf etwa vier Meilen genähert hatten, deren Südseite im Licht der aus den Fluten steigenden Sonne ein erschütternd liebreizendes Bild geboten haben muss. Vom überirdischen Anblick aufs Tiefste berührt, griffen gleich mehrere Besatzungsmitglieder zu Pinsel und Feder, um das verheißungsvolle Panorama mit wässrigen Farben und mehr oder weniger geübten Strichen nicht nur in der trügerischen Erinnerung zu bewahren." Allein schon die Verwendung des nautischen Begriffs "lavieren", kurz bevor dann unausgesprochen beim Zeichnen laviert wird, zeigt das ganze sprachzauberische Vermögen Judith Schalanskys.
Ihre Tonfälle aber variieren, und das entgegengesetzte Extrem stellt die Erzählung zu den verlorenen Versen der griechischen Dichterin Sappho dar, in jeder Hinsicht das Herzstück des Buchs, obwohl hier de forma ein durch Einteilung in kurze thetische Abschnitte zu rhythmischem Stakkato getriebener Essay zu lesen ist. Er singt ein Loblied auf die Liebe unter Frauen - ein Motiv, das Schalansky in ihrem bislang schönsten Buch, dem kleinen Roman "Blau steht dir nicht" von 2008, durch androgyne Figuren schon einmal anklingen ließ und nun in einem weiteren Kapitel ihres neuen Buchs auf einen grotesken Höhepunkt führt: in einem inneren Monolog, einer Suada, die von Schalansky dem großen Filmstar Greta Garbo in den Kopf gelegt wird - ausgehend von dem verlorenen Debütfilm des von der Garbo bewunderten Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau. "Der Knabe in Blau" hieß dieser Film und heißt nun die Erzählung. Über die Farbe knüpft Schalansky an den eigenen Matrosenroman von vor zehn Jahren an.
Quer durchs Buch spürt man die Faszinationen seiner Verfasserin, sei es für ferne Eilande, wie es sich schon im ersten Erfolg dieser Schriftstellerin, dem 2009 erschienenen, mehrfach aufgelegten und in zahlreiche Sprachen übersetzten "Atlas der abgelegenen Inseln" gezeigt hat, sei es für eine mentalitätskundlich-fiktionale Erkundung des Lebens in der DDR, wie sie sie in ihrem bislang größten Erfolg, dem 2011 erschienen Roman "Der Hals der Giraffe", betrieben hat. Die Erzählung, die nun daran anknüpft, heißt "Palast der Republik" und ist von atemraubender Prägnanz. Die "Atlas"-Stimmung dagegen findet sich in der Auftakterzählung "Tuanaki" über ein im neunzehnten Jahrhundert nach einem Seebeben untergegangenes Atoll wieder: "Noch ein letztes Mal fiel mein Blick auf den blassblauen Globus. Schnell fand ich die Position. Genau dort, südlich des Äquators, zwischen ein paar verstreuten Inseln, hatte dieses vollkommene Stück Land gelegen, abseits der Welt, von der es alles, was es einmal wusste, vergessen hatte. Die Welt aber trauert nur um das Bekannte und ahnt nicht, was ihr mit jener winzigen Insel verlorenging, obgleich die irdische Kugelgestalt es diesem verlorenen Flecken ebenso gestatte hätte, ihr Nabel zu sein, auch wenn ihn nicht das feste Tauwerk des Handels und der Kriege, sondern das ungleich feiner gesponnene Garn eines Traumes mit ihr verband. Denn der Mythos ist die höchste aller Wirklichkeiten und, so dachte ich für einen Moment, die Bibliothek der wahre Schauplatz des Weltgeschehens."
Gewiss gilt das für eine Bibliothek, in die Judith Schalanskys neues Buch zu stehen kommt.
ANDREAS PLATTHAUS
Judith Schalansky: "Verzeichnis einiger Verluste".
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 252 S., 12 Abb., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Judith Schalanskys neues Buch ist eine Erzählungssammlung unter einem großen Thema: dem des Verlusts. Was wir dabei jedoch gewinnen, ist Literatur, wie man sie nur selten findet.
Worum handelt es sich bei diesem Buch? Vom Verlag wird Judith Schalanskys "Verzeichnis einiger Verluste" keinem Genre zugewiesen, aber schon vor Erscheinen hat es den Wilhelm-Raabe-Preis zugesprochen bekommen, eine der renommiertesten literarischen Auszeichnungen in Deutschland, die in den zehn Jahren zuvor ausschließlich an Romane vergeben wurde. Die Jury spricht von "sehr heterogenen Texten", aber sie vermeidet die Bezeichnung "Erzählungen". Judith Schalansky selbst tut das nicht. Man muss dazu allerdings bis zur allerletzten Seite des Buchs kommen, dem Bild- und Quellenverzeichnis. Da heißt es zu einem der Texte: "Diese Erzählung ist eine Montage." Die anderen sind das nicht, aber es sind alles Erzählungen.
Und zwar Erzählungen, die einem Formprinzip gehorchen, das von anderer Gestalt ist, als man es gemeinhin vermutet. Wenn man aber weiß - und man kann es dem wunderschön gesetzten und gebundenen "Verzeichnis einiger Verluste" wieder einmal ansehen -, dass die Schriftstellerin Judith Schalansky auch Buchgestalterin ist, dann wird man auf die Symmetrie dieses Werks aufmerksam. Etwa darauf, dass sämtliche zwölf darin enthaltenen Erzählungen exakt die gleiche Seitenzahl aufweisen (sechzehn).
Und auch das Vorwort hat diesen Umfang. Das Schreiben der ach so heterogenen Texte unterlag also einer strengen Vorgabe, die sich dem erschließt, der das gesamte Buch nicht nur als ein anthologisches Verlustverzeichnis betrachtet, sondern als ein weiteres Kapitel seiner selbst. Zusammen mit Vorwort, Vorbemerkung, Personen- und Quellenverzeichnis besteht "Verzeichnis einiger Verluste" nämlich wiederum aus sechzehn Abschnitten. Und wovon es als Ganzes erzählt, ist auch ein Verschwinden, das desto schmerzlicher auffällt, je mehr man die Sorgfalt bewundert, mit der hier alles abgerundet wurde: dem der guten Buchgestaltung.
In jeder Hinsicht ist "Verzeichnis einiger Verluste" eine Summa des noch jungen Lebens der 1980 geborenen Judith Schalansky. Ein autobiographisches Buch etwa, in dem vier Erzählungen die Ich-Perspektive der Autorin einnehmen, wovon zwei wiederum in ihre Heimatregion führen: das Land um die vorpommersche Hafenstadt Greifswald. Darunter der poetischste Text, "Hafen von Greifswald", der aus den Eindrücken dreier Spazier- oder, besser: Erkundungsgänge entlang des Flüsschens Ryck besteht, das diesen Hafen speist. Was dabei als verloren thematisiert wird, ist ein der Erzählung seinen Titel gebendes Gemälde von Caspar David Friedrich, das 1931 verbrannte, doch es ist nur der Auslöser einer Natur- und Kulturlandschaftsbeschreibung von höchster Konzentration und Präzision. Was hier gewonnen wird - und in jeder der zwölf Erzählungen wird viel mehr gewonnen als verloren -, ist ein Erzählton, der Judith Schalansky selbst zur wichtigsten aktuellen Protagonistin jenes Literaturzweigs macht, den sie jüngst beinahe im Alleingang für Deutschland wiederbelebt hat: das nature writing, verkörpert in der von ihr herausgegebenen Reihe "Naturkunden" im Verlag Matthes & Seitz.
Dazu ein Beispiel aus einer anderen Erzählung, eine vollkommene Passage, gewonnen aber nicht aus eigener Anschauung, sondern aus Archivstudien: "Bis zum Untergang der Sonne steuerten die Schiffe auf den unbekannten, in der Ferne pulsierenden Streifen Land zu und lavierten die ganze Nacht bis zum Morgengrauen, in dem sie sich der Insel auf etwa vier Meilen genähert hatten, deren Südseite im Licht der aus den Fluten steigenden Sonne ein erschütternd liebreizendes Bild geboten haben muss. Vom überirdischen Anblick aufs Tiefste berührt, griffen gleich mehrere Besatzungsmitglieder zu Pinsel und Feder, um das verheißungsvolle Panorama mit wässrigen Farben und mehr oder weniger geübten Strichen nicht nur in der trügerischen Erinnerung zu bewahren." Allein schon die Verwendung des nautischen Begriffs "lavieren", kurz bevor dann unausgesprochen beim Zeichnen laviert wird, zeigt das ganze sprachzauberische Vermögen Judith Schalanskys.
Ihre Tonfälle aber variieren, und das entgegengesetzte Extrem stellt die Erzählung zu den verlorenen Versen der griechischen Dichterin Sappho dar, in jeder Hinsicht das Herzstück des Buchs, obwohl hier de forma ein durch Einteilung in kurze thetische Abschnitte zu rhythmischem Stakkato getriebener Essay zu lesen ist. Er singt ein Loblied auf die Liebe unter Frauen - ein Motiv, das Schalansky in ihrem bislang schönsten Buch, dem kleinen Roman "Blau steht dir nicht" von 2008, durch androgyne Figuren schon einmal anklingen ließ und nun in einem weiteren Kapitel ihres neuen Buchs auf einen grotesken Höhepunkt führt: in einem inneren Monolog, einer Suada, die von Schalansky dem großen Filmstar Greta Garbo in den Kopf gelegt wird - ausgehend von dem verlorenen Debütfilm des von der Garbo bewunderten Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau. "Der Knabe in Blau" hieß dieser Film und heißt nun die Erzählung. Über die Farbe knüpft Schalansky an den eigenen Matrosenroman von vor zehn Jahren an.
Quer durchs Buch spürt man die Faszinationen seiner Verfasserin, sei es für ferne Eilande, wie es sich schon im ersten Erfolg dieser Schriftstellerin, dem 2009 erschienenen, mehrfach aufgelegten und in zahlreiche Sprachen übersetzten "Atlas der abgelegenen Inseln" gezeigt hat, sei es für eine mentalitätskundlich-fiktionale Erkundung des Lebens in der DDR, wie sie sie in ihrem bislang größten Erfolg, dem 2011 erschienen Roman "Der Hals der Giraffe", betrieben hat. Die Erzählung, die nun daran anknüpft, heißt "Palast der Republik" und ist von atemraubender Prägnanz. Die "Atlas"-Stimmung dagegen findet sich in der Auftakterzählung "Tuanaki" über ein im neunzehnten Jahrhundert nach einem Seebeben untergegangenes Atoll wieder: "Noch ein letztes Mal fiel mein Blick auf den blassblauen Globus. Schnell fand ich die Position. Genau dort, südlich des Äquators, zwischen ein paar verstreuten Inseln, hatte dieses vollkommene Stück Land gelegen, abseits der Welt, von der es alles, was es einmal wusste, vergessen hatte. Die Welt aber trauert nur um das Bekannte und ahnt nicht, was ihr mit jener winzigen Insel verlorenging, obgleich die irdische Kugelgestalt es diesem verlorenen Flecken ebenso gestatte hätte, ihr Nabel zu sein, auch wenn ihn nicht das feste Tauwerk des Handels und der Kriege, sondern das ungleich feiner gesponnene Garn eines Traumes mit ihr verband. Denn der Mythos ist die höchste aller Wirklichkeiten und, so dachte ich für einen Moment, die Bibliothek der wahre Schauplatz des Weltgeschehens."
Gewiss gilt das für eine Bibliothek, in die Judith Schalanskys neues Buch zu stehen kommt.
ANDREAS PLATTHAUS
Judith Schalansky: "Verzeichnis einiger Verluste".
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 252 S., 12 Abb., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.11.2018Wo das Einhorn lebt
Judith Schalansky baut in ihrem „Verzeichnis einiger Verluste“ ein lebendiges Archiv
für versunkene Inseln, ausgestorbene Tiere und verlorene Dinge
VON JÖRG MAGENAU
Am Leben zu sein bedeutet, mit Verlusten fertigwerden zu müssen. Am Ende verliert jeder Mensch sein Leben, und vielleicht üben wir bis dahin nur für diesen ultimativen Verlust, wenn die Dinge zerbröseln oder im Sand verschwinden und wenn Ruinen sich zu Staub zersetzen. „Letztlich ist alles, was noch da ist, schlichtweg das, was übrig geblieben ist“, schreibt Judith Schalansky im Vorwort zu ihrem „Verzeichnis einiger Verluste“. Auch sie geht vom Tod als dem ultimativen Verlust aus. Totenklage und Trauerritual sind Versuche der Rückholung, doch betrauert werden kann nur das, was zumindest ein Zeichen oder eine Erinnerung hinterließ, also nicht ganz und gar spurlos verschwunden ist. Solche Trauerarbeit leistet sie in zwölf Kapiteln, die sich so unterschiedlichen Phänomenen wie der versunkenen Südseeinsel Tuanaki, dem ausgestorbenen kaspischen Tiger, den nur in Fragmenten überlieferten Liebesliedern Sapphos, dem Einhorn, der alternden, ihrer Jugend nachtrauernden Filmdiva Greta Garbo oder der in der Geschichte versunkenen Religion des Manichäismus widmen.
Jedes dieser Kapitel ist exakt 18 Seiten lang. Da waltet ein strenger Ordnungssinn wie in einem Archiv, das in den immer gleichen Ordnern und Kästen die wunderlichsten Exponate birgt. Schalansky weiß aber sehr wohl, dass alles Sammeln ein Auswählen ist und vor allem im Weglassen des Überflüssigen besteht, also vielleicht weniger bewahrt als vernichtet. „Man muss lesen, um zu ordnen. Und alles, was man ordnet, muss erst einmal abgeschrieben werden“, sagt der Schweizer Künstler Armand Schulthess, dem Schalansky ihre Stimme leiht. Er zog sich im Alter von 50 Jahren aus seinem Leben als Büroangestellter in Zürich in ein abgelegenes Tal im Tessin zurück. Dort verwandelte er Haus, Garten und einen nahen Kastanienhain in eine „Enzyklopädie des Waldes“, indem er das Wissen der Menschheit sammelte und auf viele Tausend kleine Täfelchen schrieb, die er in spezifischer Ordnung in die Bäume hängte. Wissen war für ihn etwas Organisches, ein naturnaher und unabschließbarer Wachstumsprozess.
Schulthess war ein Messie des Wissens, der nichts verloren geben wollte. Sein Wahnsinn hatte Methode. Schalansky macht aus ihm einen von sexuellen Obsessionen angetriebenen Eremiten, den sie in einem inneren Monolog über den Zusammenhang von Zeichen und Bedeutung, von Äußerem und Innerem nachdenken lässt, „so wie die äußeren Geschlechtsteile des Mannes und die inneren des Weibes zwei Ausformulierungen des Gleichen sind“. Seine Sammellust und Ordnungssehnsucht wird zum Ausdruck eines Begehrens, das „uferlos und schwer zu fassen ist“. Am Ende aber ist es so vergeblich wie jeglicher Tand auf Erden: Die Erben konnten nach seinem Tod im Herbst 1972 mit seiner Hinterlassenschaft nichts anfangen. Sie hielten den Verstorbenen für verrückt, betrachteten das Großkunstwerk als Müll und entsorgten es. Nur wenig blieb übrig.
Schalanskys strenge Ordnung ist eine feste Form zur Aufbewahrung der verlorenen Dinge, innerhalb derer aber alles möglich ist. Für jedes Kapitel – mal Erzählung, mal Essay, mal autobiografisches Bruchstück, mal freie Fantasie – findet sie einen eigenen Stil. Manche Stücke bleiben dicht an ihrem Gegenstand, andere, wie das über den Ostberliner „Palast der Republik“, nehmen ihn nur zum Anlass für eine Geschichte, die einen ganz anderen Verlust verzeichnet: in diesem Fall den Verlust der Liebe zwischen zwei Menschen. Das Fragmentarische ist Prinzip, geht es doch stets darum, aus Bruchstücken ein Ganzes zu formen, so wie von Sapphos Gedichten nur einzelne Worte übrig geblieben sind, die „wie ein Formular nach Ergänzung verlangen“. Der Begriff „Divinatio“ bezeichnete einmal, wie man nebenbei erfährt, die Orakelkunst, etwa durch die Deutung des Vogelzugs. In der Papyrologie bedeutet der Begriff heute das Entziffern verblasster Bruchstücke.
Judith Schalansky, 1980 in Greifswald geboren, wurde als Schriftstellerin mit ihrem Roman „Der Hals der Giraffe“ bekannt. Auch da ging es schon um die Vorläufigkeit des Menschengeschlechts im Allgemeinen und konkret um Verlustgefühle im deutschen Nachwende-Osten. Sie hat Erzählungen geschrieben und ein Buch über fünfzig abgelegene Inseln verfasst, auf denen sie nie gewesen ist. Sie ist Buchgestalterin und hat an der Potsdamer Hochschule Typografie unterrichtet.
Viel gelobt wurde und wird sie als Herausgeberin der Naturkunde-Reihe im Verlag Matthes und Seitz. Sie ist eine Grenzgängerin zwischen Kunst und Wissenschaft, für die Poesie und Sachkunde keine Gegensätze sind. Sie kann, wie in dem Kapitel über Caspar David Friedrichs verbranntes Bild „Der Hafen von Greifswald“, eine schwelgerische Naturbeschreibungsprosa produzieren, die ihren Reiz aus sehr speziellen Worten und Namen bezieht. Wer nicht weiß, was eine Hutung ist, wie eine Bachstelze aussieht, wie man sich Pferdekopfpumpen oder das Zungenbecken einer Moränenlandschaft vorzustellen hat, wird in dieser Benennungslust fremdeln.
Doch die Magie der Worte dient bei ihr nicht dazu, billiges Wissen zu verbreiten, sondern der Entzauberung der Welt durch die Wissenschaft etwas entgegenzusetzen. „Das magische Denken eines Kindes ist stärker als jede Statistik, jeder Erfahrungswert“, schreibt sie und lässt nebenbei den verlorenen Zauber wiedererstehen. Darin ist sie eine direkte Nachfolgerin Ernst Jüngers, der einer der letzten großen Schriftsteller in der Goethetradition der Naturforschung gewesen ist.
Für Jünger war der Mann im Mond durch keine Mondkunde auszutreiben, der magische Blick des Kindes hatte für ihn durch alle Wissenschaft hindurch Bestand. So auch Schalansky, wenn sie die bis auf wenige Reste verschollenen Mondkraterkarten des Suhler Pfarrers Gottfried Adolf Kinau vorstellt und hinter ihm einen unauffindbaren Namensvetter erkennen lässt, der vielleicht der wahre Urheber der Zeichnungen gewesen ist. In dieser abschließenden Erzählung emigriert der Hobbyforscher auf den Mond, wo er in einer Gesellschaft der Mondsüchtigen in einem tiefen, finsteren Krater auf der Rückseite des Erdtrabanten ein Mondarchiv anlegt – das naturgemäß im Nichts verschwindet. Schalansky weitet ihr kleines Inventurverzeichnis ins Surreale und bleibt doch im Bereich der Messbarkeiten. „Denn das Nahe ist das Ferne“, schreibt sie und klingt dabei tatsächlich wie Ernst Jünger, „und die höhere Wahrheit offenbart sich in der unscheinbarsten der Kreaturen ebenso wie in der allerfernsten – unter dem Mikroskop wie im Fernrohr.“
Das „Verzeichnis einiger Verluste“ ist ein disparates, eigenwilliges, spielerisches Buch voller Überraschungen. Es widmet sich einem überzeitlichen Phänomen, weil Untergang, Zerstörung und Tod in allen Kulturen immer auch Bedingung des Neuen und – wie der neuzeitliche Fortschrittsglaube vergeblich hofft – des Besseren ist. Doch die Gegenwart des 21. Jahrhunderts ist besonders reich an Verlusten, von Heimat, von Sicherheit, von Natur und natürlichen Gewissheiten wie der, dass es in unseren Breiten einen Winter gibt. In einer Vorbemerkung listet sie auf, was während der Arbeit an ihrem Buch verloren gegangen ist, sei es die Raumsonde Cassini, eine Boeing 777 zwischen Kuala Lumpur und Peking, die Tempelanlage in Palmyra oder der Kopf der Leiche von Friedrich Wilhelm Murnau. Zugleich gab es aber auch Wiederentdeckungen: ein Haarbüschel George Washingtons, ein unbekannter Roman Walt Whitmans, das doch eigentlich ausgestorbene brasilianische Blauaugentäubchen oder, 1400 Lichtjahre entfernt, ein Planet, auf dem Leben vorstellbar wäre.
Wer Geschichte erforscht, weiß, dass nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit der größere Möglichkeitsraum ist. Alles was ist, wird einmal gewesen sein. Dann gilt es, das verloren Gegangene zu sammeln, zu benennen und zu deuten. Nichts anderes macht Judith Schalansky. Sie verwandelt die vielen wissenswerten Kleinigkeiten in ein Panoptikum des Staunens. Man durchquert dieses Buch atemlos wie einen Zoo, in dem lauter ausgestorbene Lebewesen versammelt sind.
Judith Schalansky: Verzeichnis einiger Verluste. Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 252 Seiten, 24 Euro.
Der entlaufene Büroangestellte
Armand Schulthess war
ein Messie des Wissens
Nicht die Zukunft, sondern
die Vergangenheit ist der
größere Möglichkeitsraum
Mit dem Roman „Der Hals der Giraffe“ wurde sie bekannt, der Naturkunde ist sie treu geblieben: Judith Schalansky im Gewächshaus.
Foto: imago/Lichtgut
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Judith Schalansky baut in ihrem „Verzeichnis einiger Verluste“ ein lebendiges Archiv
für versunkene Inseln, ausgestorbene Tiere und verlorene Dinge
VON JÖRG MAGENAU
Am Leben zu sein bedeutet, mit Verlusten fertigwerden zu müssen. Am Ende verliert jeder Mensch sein Leben, und vielleicht üben wir bis dahin nur für diesen ultimativen Verlust, wenn die Dinge zerbröseln oder im Sand verschwinden und wenn Ruinen sich zu Staub zersetzen. „Letztlich ist alles, was noch da ist, schlichtweg das, was übrig geblieben ist“, schreibt Judith Schalansky im Vorwort zu ihrem „Verzeichnis einiger Verluste“. Auch sie geht vom Tod als dem ultimativen Verlust aus. Totenklage und Trauerritual sind Versuche der Rückholung, doch betrauert werden kann nur das, was zumindest ein Zeichen oder eine Erinnerung hinterließ, also nicht ganz und gar spurlos verschwunden ist. Solche Trauerarbeit leistet sie in zwölf Kapiteln, die sich so unterschiedlichen Phänomenen wie der versunkenen Südseeinsel Tuanaki, dem ausgestorbenen kaspischen Tiger, den nur in Fragmenten überlieferten Liebesliedern Sapphos, dem Einhorn, der alternden, ihrer Jugend nachtrauernden Filmdiva Greta Garbo oder der in der Geschichte versunkenen Religion des Manichäismus widmen.
Jedes dieser Kapitel ist exakt 18 Seiten lang. Da waltet ein strenger Ordnungssinn wie in einem Archiv, das in den immer gleichen Ordnern und Kästen die wunderlichsten Exponate birgt. Schalansky weiß aber sehr wohl, dass alles Sammeln ein Auswählen ist und vor allem im Weglassen des Überflüssigen besteht, also vielleicht weniger bewahrt als vernichtet. „Man muss lesen, um zu ordnen. Und alles, was man ordnet, muss erst einmal abgeschrieben werden“, sagt der Schweizer Künstler Armand Schulthess, dem Schalansky ihre Stimme leiht. Er zog sich im Alter von 50 Jahren aus seinem Leben als Büroangestellter in Zürich in ein abgelegenes Tal im Tessin zurück. Dort verwandelte er Haus, Garten und einen nahen Kastanienhain in eine „Enzyklopädie des Waldes“, indem er das Wissen der Menschheit sammelte und auf viele Tausend kleine Täfelchen schrieb, die er in spezifischer Ordnung in die Bäume hängte. Wissen war für ihn etwas Organisches, ein naturnaher und unabschließbarer Wachstumsprozess.
Schulthess war ein Messie des Wissens, der nichts verloren geben wollte. Sein Wahnsinn hatte Methode. Schalansky macht aus ihm einen von sexuellen Obsessionen angetriebenen Eremiten, den sie in einem inneren Monolog über den Zusammenhang von Zeichen und Bedeutung, von Äußerem und Innerem nachdenken lässt, „so wie die äußeren Geschlechtsteile des Mannes und die inneren des Weibes zwei Ausformulierungen des Gleichen sind“. Seine Sammellust und Ordnungssehnsucht wird zum Ausdruck eines Begehrens, das „uferlos und schwer zu fassen ist“. Am Ende aber ist es so vergeblich wie jeglicher Tand auf Erden: Die Erben konnten nach seinem Tod im Herbst 1972 mit seiner Hinterlassenschaft nichts anfangen. Sie hielten den Verstorbenen für verrückt, betrachteten das Großkunstwerk als Müll und entsorgten es. Nur wenig blieb übrig.
Schalanskys strenge Ordnung ist eine feste Form zur Aufbewahrung der verlorenen Dinge, innerhalb derer aber alles möglich ist. Für jedes Kapitel – mal Erzählung, mal Essay, mal autobiografisches Bruchstück, mal freie Fantasie – findet sie einen eigenen Stil. Manche Stücke bleiben dicht an ihrem Gegenstand, andere, wie das über den Ostberliner „Palast der Republik“, nehmen ihn nur zum Anlass für eine Geschichte, die einen ganz anderen Verlust verzeichnet: in diesem Fall den Verlust der Liebe zwischen zwei Menschen. Das Fragmentarische ist Prinzip, geht es doch stets darum, aus Bruchstücken ein Ganzes zu formen, so wie von Sapphos Gedichten nur einzelne Worte übrig geblieben sind, die „wie ein Formular nach Ergänzung verlangen“. Der Begriff „Divinatio“ bezeichnete einmal, wie man nebenbei erfährt, die Orakelkunst, etwa durch die Deutung des Vogelzugs. In der Papyrologie bedeutet der Begriff heute das Entziffern verblasster Bruchstücke.
Judith Schalansky, 1980 in Greifswald geboren, wurde als Schriftstellerin mit ihrem Roman „Der Hals der Giraffe“ bekannt. Auch da ging es schon um die Vorläufigkeit des Menschengeschlechts im Allgemeinen und konkret um Verlustgefühle im deutschen Nachwende-Osten. Sie hat Erzählungen geschrieben und ein Buch über fünfzig abgelegene Inseln verfasst, auf denen sie nie gewesen ist. Sie ist Buchgestalterin und hat an der Potsdamer Hochschule Typografie unterrichtet.
Viel gelobt wurde und wird sie als Herausgeberin der Naturkunde-Reihe im Verlag Matthes und Seitz. Sie ist eine Grenzgängerin zwischen Kunst und Wissenschaft, für die Poesie und Sachkunde keine Gegensätze sind. Sie kann, wie in dem Kapitel über Caspar David Friedrichs verbranntes Bild „Der Hafen von Greifswald“, eine schwelgerische Naturbeschreibungsprosa produzieren, die ihren Reiz aus sehr speziellen Worten und Namen bezieht. Wer nicht weiß, was eine Hutung ist, wie eine Bachstelze aussieht, wie man sich Pferdekopfpumpen oder das Zungenbecken einer Moränenlandschaft vorzustellen hat, wird in dieser Benennungslust fremdeln.
Doch die Magie der Worte dient bei ihr nicht dazu, billiges Wissen zu verbreiten, sondern der Entzauberung der Welt durch die Wissenschaft etwas entgegenzusetzen. „Das magische Denken eines Kindes ist stärker als jede Statistik, jeder Erfahrungswert“, schreibt sie und lässt nebenbei den verlorenen Zauber wiedererstehen. Darin ist sie eine direkte Nachfolgerin Ernst Jüngers, der einer der letzten großen Schriftsteller in der Goethetradition der Naturforschung gewesen ist.
Für Jünger war der Mann im Mond durch keine Mondkunde auszutreiben, der magische Blick des Kindes hatte für ihn durch alle Wissenschaft hindurch Bestand. So auch Schalansky, wenn sie die bis auf wenige Reste verschollenen Mondkraterkarten des Suhler Pfarrers Gottfried Adolf Kinau vorstellt und hinter ihm einen unauffindbaren Namensvetter erkennen lässt, der vielleicht der wahre Urheber der Zeichnungen gewesen ist. In dieser abschließenden Erzählung emigriert der Hobbyforscher auf den Mond, wo er in einer Gesellschaft der Mondsüchtigen in einem tiefen, finsteren Krater auf der Rückseite des Erdtrabanten ein Mondarchiv anlegt – das naturgemäß im Nichts verschwindet. Schalansky weitet ihr kleines Inventurverzeichnis ins Surreale und bleibt doch im Bereich der Messbarkeiten. „Denn das Nahe ist das Ferne“, schreibt sie und klingt dabei tatsächlich wie Ernst Jünger, „und die höhere Wahrheit offenbart sich in der unscheinbarsten der Kreaturen ebenso wie in der allerfernsten – unter dem Mikroskop wie im Fernrohr.“
Das „Verzeichnis einiger Verluste“ ist ein disparates, eigenwilliges, spielerisches Buch voller Überraschungen. Es widmet sich einem überzeitlichen Phänomen, weil Untergang, Zerstörung und Tod in allen Kulturen immer auch Bedingung des Neuen und – wie der neuzeitliche Fortschrittsglaube vergeblich hofft – des Besseren ist. Doch die Gegenwart des 21. Jahrhunderts ist besonders reich an Verlusten, von Heimat, von Sicherheit, von Natur und natürlichen Gewissheiten wie der, dass es in unseren Breiten einen Winter gibt. In einer Vorbemerkung listet sie auf, was während der Arbeit an ihrem Buch verloren gegangen ist, sei es die Raumsonde Cassini, eine Boeing 777 zwischen Kuala Lumpur und Peking, die Tempelanlage in Palmyra oder der Kopf der Leiche von Friedrich Wilhelm Murnau. Zugleich gab es aber auch Wiederentdeckungen: ein Haarbüschel George Washingtons, ein unbekannter Roman Walt Whitmans, das doch eigentlich ausgestorbene brasilianische Blauaugentäubchen oder, 1400 Lichtjahre entfernt, ein Planet, auf dem Leben vorstellbar wäre.
Wer Geschichte erforscht, weiß, dass nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit der größere Möglichkeitsraum ist. Alles was ist, wird einmal gewesen sein. Dann gilt es, das verloren Gegangene zu sammeln, zu benennen und zu deuten. Nichts anderes macht Judith Schalansky. Sie verwandelt die vielen wissenswerten Kleinigkeiten in ein Panoptikum des Staunens. Man durchquert dieses Buch atemlos wie einen Zoo, in dem lauter ausgestorbene Lebewesen versammelt sind.
Judith Schalansky: Verzeichnis einiger Verluste. Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 252 Seiten, 24 Euro.
Der entlaufene Büroangestellte
Armand Schulthess war
ein Messie des Wissens
Nicht die Zukunft, sondern
die Vergangenheit ist der
größere Möglichkeitsraum
Mit dem Roman „Der Hals der Giraffe“ wurde sie bekannt, der Naturkunde ist sie treu geblieben: Judith Schalansky im Gewächshaus.
Foto: imago/Lichtgut
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Judith von Sternburg bewundert das neue Buchkunstwerk der Autorin und Herausgeberin Judith Schalansky. Von Verlusten, etwa des Kaspischen Tigers, untergegangenen Inseln, Ruinen oder Caspar David Friedrichs 1931 verbranntem Werk "Hafen von Greifswald bei Sonnenuntergang" erzählt ihr Schalansky eingeleitet von enzyklopädischen Texten, knapp, reflektions- und assoziationsreich, dabei stets "sprachlich virtuos". Wie die Autorin es schafft, Sprünge von Friedrich Murnaus verschollenem Film "Der Knabe in Blau" hin zu einer durch Manhattan irrenden Greta Garbo zu machen, hat die Rezensentin ebenso beeindruckt wie die prächtige, schwarze Bebilderung, die dem Betrachter allerdings einige Konzentration abverlange, wie sie hinzufügt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Judith Schalanskys fabelhaftes Verzeichnis einiger Verluste kann aus dem Vollen schöpfen.« Judith von Sternburg Frankfurter Rundschau 20190301