Ohne Frage: Wir stehen näher am globalen Kollaps als die meisten glauben. Schade nur, dass in Politik und Wirtschaft immer noch meist diejenigen das Sagen haben, die am allerwenigsten dazu geeignet sind. In Zeiten von Klimawandel, Artensterben, Atombomben, Überbevölkerung, mulitresistenten Keimen und unregulierten Finanzmärkten ist das eine Katastrophe. Karen Duve haut auf den Tisch und ihrem Zuhörer die Fakten um die Ohren, die nicht nur zeigen, wie viel mehr in der hunderttausendjährigen Menschheitsgeschichte drin gewesen wäre, sondern auch, dass endlich mal die anderen dran sein sollten.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Karen Duves wütender Brandrede "Warum die Sache schief geht" kann Rezensentin Ursula Scheer nun wirklich gar nichts abgewinnen. In bester Stammtisch-Manier donnere die Autorin hier gegen Politiker, Banker, Bauern und was sich sonst noch als Stereotyp anbiete, um Umwelt-, Wirtschafts- und sonstige Sünder zu benennen, berichtet die Kritikerin, die hier zwar eine Vielzahl von eindimensional betrachteten Feindbildern vorfindet, leider aber nur wenig sachliche Argumente. Geht auch gar nicht, meint Scheer, denn die Autorin hat sich ja nicht mit einem der von ihr Angeklagten unterhalten. Lieber verliere sie sich in "weltverschwörerischem Vulgärmanichäismus" und schimpfe auf rücksichtslose, gewissenlose und nahezu psychopathische Männer in Führungspositionen, schreibt die Kritikerin, die diesem Buch außer einer gehörigen Portion Fatalismus nicht viel entnommen hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2014Weg mit den irren Alphamännchen!
Bevor die Menschheit ausstirbt: Die Schriftstellerin Karen Duve glaubt zu wissen, wie die Welt ein besserer Ort wird
Karen Duve ist wütend, richtig wütend, und deshalb hat sie eine Brandrede geschrieben, die so unter Dampf steht wie sonst nur ein Haufen Stammtischbrüder nach dem vierten Bier und in der die Schriftstellerin uns mal klipp und klar sagt "Warum die Sache schiefgeht: Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen" - so der Titel ihres Buchs. Die Sache ist die mit der Weltrettung. Global betrachtet, schaut es so aus: Der Planet geht den Bach runter. Ressourcenausbeutung, Umweltvernichtung, Klimakatastrophe - das Ende ist nah, aber doch so fern, dass erst kommende Generationen die Rechnung für unsere Wohlstandszeche zahlen müssen, und das ist eine Riesensauerei. So weit, so anschlussfähig. Zumal, wenn noch lokale Betrachtungen wie diese nachgeschoben werden: "Die Nachbarn lassen es richtig krachen, fahren fette Autos, werfen Pfandflaschen in die Abfalltonne, halten Grillfeste und Shoppingtouren für die Grundpfeiler des Glücks - und ich, das engagierte Individuum, soll hinter ihnen herwischen."
Womit klar wäre, wie Karen Duves J'accuse, das an ihren Selbstversuch "Anständig essen" anknüpft, gestrickt ist: immer eins rechts, eins links, da die Guten, Friedfertigen, Empathischen, Verantwortungsvollen, Sozialen - zu denen die Autorin sich selbst zählt -, dort die Bösen, die das Gegenteil all dessen sind und bei ihr hauptsächlich einen Namen tragen: männliches Alphatier. Es ist alles ganz einfach. Zumindest, wenn man Karen Duves Argumentation folgt. Die Machtmännchen in den Chefetagen von Politik und Wirtschaft sind daran schuld, dass wir der Selbstauslöschung entgegentreiben wie massenweise sich in einer Petrischale vermehrende Bakterien - was die Autorin gar nicht so übel fände. "Wenn man die menschliche Perspektive einmal kurz aufgibt, ist es eigentlich ein ganz erfrischender Gedanke, dass Homo sapiens demnächst ausstirbt", schreibt sie.
Es steckt eine gewaltige Portion Menschenhass in der atemlos im Schnodderton vorgetragenen Philippika. Dem Selbsthass, in den er notwendig umschlagen müsste, weil auch die Verfasserin der von ihr beschriebenen zerstörerischen Spezies angehört, entgeht sie, indem sie klare Feindbilder aufrichtet. Den Banker. Den Politiker. Den Bauern. Stereotype, denn Karen Duve hat für das Buch mit keinem einzigen zockenden Banker, keinem kurzsichtigen Politiker und mit keinem die Konsumenten mit Antibiotika verseuchenden Bauern gesprochen. Aber sie weiß vermeintlich genau, was diese Typen denken, wollen und tun; sie zitiert ein paar Studien und haut aus sicherem Abstand immer feste drauf auf die Machtbesessenen da oben.
Das ist wohlfeil, weil es eine echte und vor allem sachliche Auseinandersetzung scheut, eine, die sich den Problemen zuwendete, statt eine bestimmte Personengruppen zum entscheidenden Problem zu erklären. Es ist vor allem ärgerlich, weil sie zahlreiche Punkte berührt, die eine ernsthafte Debatte verdienen, seien es die ökologischen Folgekosten der Unternehmensgewinne von heute oder das ewige Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Doch über den Leisten geschlagen, den Karen Duve anlegt, verlieren diese Punkte jede Substanz.
In unserem Wirtschaftssystem an die Spitze gespült werde nun mal, wer besonders rücksichts- und gewissenlos sei, dafür aber vor Einsatzbereitschaft, Risikofreude, Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen strotze. Männliche Tugenden, Unternehmertugenden, Verbrechertugenden, alles eins. Deshalb - auch hierfür gibt es eine Studie - sei der Anteil der Psychopathen unter den Chefs besonders groß. Geistesgestörte Männer ohne Gewissen säßen überproportional oft an den Hebeln der Macht. Sie entsprächen dem "personifizierten Bösen" - und sorgten dafür, dass wir alle hopsgehen.
Eine Kampfrede lebt davon, dass sie zuspitzt, statt auf die Goldwaage zu legen. Karen Duve versteigt sich in ihrem weltverschwörerischen Vulgärmanichäismus nicht dazu, dass alle Männer irre Vernichter und alle Frauen Personifizierungen der Nachhaltigkeit seien. Dennoch, man stelle sich vor, ein Mann würde Vergleichbares über Frauen schreiben oder ein Weißer über Schwarze. "Emotionale Minderbemitteltheit, ethische Leichtfertigkeit, Geldgier und Machtversessenheit wird man bei Männern viel leichter finden", schreibt Karen Duve. Deshalb könne der Ausstieg aus dem turbokapitalistischen Weltvernichtungssystem nur mit einer Frauenquote gelingen. Fünfzig Prozent Frauen, mindestens, sofort, überall, und die Welt geht nicht unter.
Vielleicht. Weil die Monokultur der Mächtigen aufgebrochen würde. Das mag stimmen. Es kalkuliert aber nicht ein, dass der Irrenanteil bei Frauen und Männern gleich hoch sein dürfte. Doch Karen Duve geht ohnehin davon aus, dass selbst in neuen, verantwortungsvollen Führungsriegen bald wieder die unsozialen Männer die Macht an sich reißen würden. "Es liegt in der Natur der Sache." Danach die Sintflut. Wer so fatalistisch ist, braucht auch keine Wut mehr.
URSULA SCHEER
Karen Duve: "Warum die Sache schiefgeht". Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen.
Galiani Berlin Verlag, Berlin 2014. 181 S., geb., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bevor die Menschheit ausstirbt: Die Schriftstellerin Karen Duve glaubt zu wissen, wie die Welt ein besserer Ort wird
Karen Duve ist wütend, richtig wütend, und deshalb hat sie eine Brandrede geschrieben, die so unter Dampf steht wie sonst nur ein Haufen Stammtischbrüder nach dem vierten Bier und in der die Schriftstellerin uns mal klipp und klar sagt "Warum die Sache schiefgeht: Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen" - so der Titel ihres Buchs. Die Sache ist die mit der Weltrettung. Global betrachtet, schaut es so aus: Der Planet geht den Bach runter. Ressourcenausbeutung, Umweltvernichtung, Klimakatastrophe - das Ende ist nah, aber doch so fern, dass erst kommende Generationen die Rechnung für unsere Wohlstandszeche zahlen müssen, und das ist eine Riesensauerei. So weit, so anschlussfähig. Zumal, wenn noch lokale Betrachtungen wie diese nachgeschoben werden: "Die Nachbarn lassen es richtig krachen, fahren fette Autos, werfen Pfandflaschen in die Abfalltonne, halten Grillfeste und Shoppingtouren für die Grundpfeiler des Glücks - und ich, das engagierte Individuum, soll hinter ihnen herwischen."
Womit klar wäre, wie Karen Duves J'accuse, das an ihren Selbstversuch "Anständig essen" anknüpft, gestrickt ist: immer eins rechts, eins links, da die Guten, Friedfertigen, Empathischen, Verantwortungsvollen, Sozialen - zu denen die Autorin sich selbst zählt -, dort die Bösen, die das Gegenteil all dessen sind und bei ihr hauptsächlich einen Namen tragen: männliches Alphatier. Es ist alles ganz einfach. Zumindest, wenn man Karen Duves Argumentation folgt. Die Machtmännchen in den Chefetagen von Politik und Wirtschaft sind daran schuld, dass wir der Selbstauslöschung entgegentreiben wie massenweise sich in einer Petrischale vermehrende Bakterien - was die Autorin gar nicht so übel fände. "Wenn man die menschliche Perspektive einmal kurz aufgibt, ist es eigentlich ein ganz erfrischender Gedanke, dass Homo sapiens demnächst ausstirbt", schreibt sie.
Es steckt eine gewaltige Portion Menschenhass in der atemlos im Schnodderton vorgetragenen Philippika. Dem Selbsthass, in den er notwendig umschlagen müsste, weil auch die Verfasserin der von ihr beschriebenen zerstörerischen Spezies angehört, entgeht sie, indem sie klare Feindbilder aufrichtet. Den Banker. Den Politiker. Den Bauern. Stereotype, denn Karen Duve hat für das Buch mit keinem einzigen zockenden Banker, keinem kurzsichtigen Politiker und mit keinem die Konsumenten mit Antibiotika verseuchenden Bauern gesprochen. Aber sie weiß vermeintlich genau, was diese Typen denken, wollen und tun; sie zitiert ein paar Studien und haut aus sicherem Abstand immer feste drauf auf die Machtbesessenen da oben.
Das ist wohlfeil, weil es eine echte und vor allem sachliche Auseinandersetzung scheut, eine, die sich den Problemen zuwendete, statt eine bestimmte Personengruppen zum entscheidenden Problem zu erklären. Es ist vor allem ärgerlich, weil sie zahlreiche Punkte berührt, die eine ernsthafte Debatte verdienen, seien es die ökologischen Folgekosten der Unternehmensgewinne von heute oder das ewige Thema der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Doch über den Leisten geschlagen, den Karen Duve anlegt, verlieren diese Punkte jede Substanz.
In unserem Wirtschaftssystem an die Spitze gespült werde nun mal, wer besonders rücksichts- und gewissenlos sei, dafür aber vor Einsatzbereitschaft, Risikofreude, Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen strotze. Männliche Tugenden, Unternehmertugenden, Verbrechertugenden, alles eins. Deshalb - auch hierfür gibt es eine Studie - sei der Anteil der Psychopathen unter den Chefs besonders groß. Geistesgestörte Männer ohne Gewissen säßen überproportional oft an den Hebeln der Macht. Sie entsprächen dem "personifizierten Bösen" - und sorgten dafür, dass wir alle hopsgehen.
Eine Kampfrede lebt davon, dass sie zuspitzt, statt auf die Goldwaage zu legen. Karen Duve versteigt sich in ihrem weltverschwörerischen Vulgärmanichäismus nicht dazu, dass alle Männer irre Vernichter und alle Frauen Personifizierungen der Nachhaltigkeit seien. Dennoch, man stelle sich vor, ein Mann würde Vergleichbares über Frauen schreiben oder ein Weißer über Schwarze. "Emotionale Minderbemitteltheit, ethische Leichtfertigkeit, Geldgier und Machtversessenheit wird man bei Männern viel leichter finden", schreibt Karen Duve. Deshalb könne der Ausstieg aus dem turbokapitalistischen Weltvernichtungssystem nur mit einer Frauenquote gelingen. Fünfzig Prozent Frauen, mindestens, sofort, überall, und die Welt geht nicht unter.
Vielleicht. Weil die Monokultur der Mächtigen aufgebrochen würde. Das mag stimmen. Es kalkuliert aber nicht ein, dass der Irrenanteil bei Frauen und Männern gleich hoch sein dürfte. Doch Karen Duve geht ohnehin davon aus, dass selbst in neuen, verantwortungsvollen Führungsriegen bald wieder die unsozialen Männer die Macht an sich reißen würden. "Es liegt in der Natur der Sache." Danach die Sintflut. Wer so fatalistisch ist, braucht auch keine Wut mehr.
URSULA SCHEER
Karen Duve: "Warum die Sache schiefgeht". Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen.
Galiani Berlin Verlag, Berlin 2014. 181 S., geb., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Karen Duves wütender Brandrede "Warum die Sache schief geht" kann Rezensentin Ursula Scheer nun wirklich gar nichts abgewinnen. In bester Stammtisch-Manier donnere die Autorin hier gegen Politiker, Banker, Bauern und was sich sonst noch als Stereotyp anbiete, um Umwelt-, Wirtschafts- und sonstige Sünder zu benennen, berichtet die Kritikerin, die hier zwar eine Vielzahl von eindimensional betrachteten Feindbildern vorfindet, leider aber nur wenig sachliche Argumente. Geht auch gar nicht, meint Scheer, denn die Autorin hat sich ja nicht mit einem der von ihr Angeklagten unterhalten. Lieber verliere sie sich in "weltverschwörerischem Vulgärmanichäismus" und schimpfe auf rücksichtslose, gewissenlose und nahezu psychopathische Männer in Führungspositionen, schreibt die Kritikerin, die diesem Buch außer einer gehörigen Portion Fatalismus nicht viel entnommen hat.
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