»Sind Sie ein alter weißer Mann und wenn ja - warum?«
Sophie Passmann ist Feministin und so gar nicht einverstanden mit der Plattitüde, der alte weiße Mann sei an allem schuld. Es wurde auch nie genau geklärt, was der alte weiße Mann eigentlich genau ist. Sie will wissen, was hinter diesem Klischeebild steckt und geht der Sache auf den Grund. Im Gespräch mit u. a.: Kai Diekmann, Kevin Kühnert, Robert Habeck, Sascha Lobo, Micky Beisenherz, Rainer Langhans, Peter Tauber, Christoph Amend und natürlich: Papa Passmann.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Sophie Passmann ist Feministin und so gar nicht einverstanden mit der Plattitüde, der alte weiße Mann sei an allem schuld. Es wurde auch nie genau geklärt, was der alte weiße Mann eigentlich genau ist. Sie will wissen, was hinter diesem Klischeebild steckt und geht der Sache auf den Grund. Im Gespräch mit u. a.: Kai Diekmann, Kevin Kühnert, Robert Habeck, Sascha Lobo, Micky Beisenherz, Rainer Langhans, Peter Tauber, Christoph Amend und natürlich: Papa Passmann.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.03.2019Die netten, klugen Mächtigen
Die Moderatorin Sophie Passmann hat sich für ihr Buch mit Männern über Feminismus unterhalten - mit erstaunlichen Ergebnissen
Die Feministin Sophie Passmann liebt Männer - erfolgreiche, mit Macht. Das und nichts anderes beweist ihr neues Buch. Die Kolumnistin und Moderatorin, Mitglied im Ensemble der "Neo Magazin Royale"-Show von Jan Böhmermann hat es mit den drei Wörtern "Alte weiße Männer" überschrieben. Und dieser Titel ist selbstverständlich ein Problem. Wenn deutsche Menschen, so wie Sophie Passmann, auf einmal Menschen in weiße und in nichtweiße aufteilen, klingt das für nicht-so-deutsche Menschen unlogisch und verdächtig. Das Feindbild, das die Feministin mit ihrem Titel malen will, ist aus Amerika übernommen, heißt da angry white men und ist was anderes als in Deutschland. Denn dieses Land hat keine horrorhafte, lange Geschichte von Sklaverei, von Rassentrennung hinter sich. In Deutschland sind die meisten weiß, die meisten Ausländer, Migranten, Flüchtlinge, Aussiedler auch. Was also will so eine Wortreihung in Deutschland? Klar, provozieren. Passmann schreibt deshalb auch im Vorwort von einem "radikalen Akt", und ihrer Meinung nach kann das schon eine Unterhaltung sein. Darum hat sie sich unterhalten. Mit Männern, einen Sommer lang. Sie interviewte sechzehn Mächtige, Egale und Halbmächtige, die oft in Talkshows sitzen und sprechen. Aus diesen Interviews zitiert sie jetzt in ihrem Buch, und jeder Mann bekommt ein eigenes Kapitel.
Worum es geht? Darum, wie man diesen Geschlechterkampf beenden kann, steht auf der Rückseite von "Alte weiße Männer". Doch auf den Buchseiten steht etwas anderes, steht immer wieder Gleiches: Männer sind schlau und/oder trainiert, sympathisch, nett. Im Buch hört sich das so an: "Jedes Wort" des Autors Sascha Lobo "ist überlegt und klug". Der "Zeitmagazin"-Chef Christoph Amend "strahlt so ein sanftes Verständnis für alles und jeden in der Welt aus, das weit über journalistische Pflichterfüllung hinausgeht". Der Kopf von Robert Habeck scheint voll zu sein mit "superklugen Gedanken" oder "schlauen", ja, er "ist einer von den Guten". Und auch Kai Diekmann bekommt ein Kompliment: "Ich bewundere diese Art von Selbstbewusstsein in diesem Moment ganz unironisch." Der Moderator "Micky Beisenherz ist sehr witzig und klug" und sieht "noch irre gut" aus, denn er ist "durchtrainiert" und "braun gebrannt", und er "hat volles Haar". "Klug" und "sehr reflektiert" ist auch der Modeblogger Carl Jakob Haupt. Und der Ex-CDU-Generalsekretär Peter Tauber? Er "wirkt wie einer, der meistens viel zu gebildet für sein Umfeld ist und sich ständig zurückhalten muss, um seine Umwelt nicht zu überfordern". Genug? Nein. Noch ein bisschen. Noch kurz zu Kevin Kühnert, der "viel zu bescheiden" ist "für seine Klugheit".
Was soll das alles? Ist das noch Feminismus? Kann sein, weil Feminismus nicht bedeutet, dass Frauen Männer hassen. Was aber wäre, wenn ein Mann, der von sich sagt, er sei jung, wild und feministisch (das sagt Sophie Passmann im ersten Text über sich selbst), ein Buch veröffentlichte, das "Alte weiße Frauen" hieße, und darin über die trainierten Körper und die klugen Sätze alter Frauen schriebe? Dann würden viele - vielleicht zu Recht, vielleicht zu Unrecht - laut "Sexismus" schreien. Das aber ist kein Anti-Passmann-Argument, da man das Männer-Frauen-Ding nicht einfach umdrehen kann, denn die Benachteiligten sind immer und am Ende Frauen.
Deshalb dann doch noch einmal zum eigentlichen Thema dieses Buchs: Feminismus, genauer: Männlichkeit, die sich von ihm bedroht fühlt. Passmanns Gespräche wollen der "Versuch einer Annäherung an die Männlichkeit im 21. Jahrhundert" sein. Was also sagen die Männer des 21. Jahrhunderts? Zuerst und oft Banales übers Altsein. Amend zum Beispiel das: "Was alt bedeutet, kommt immer auch auf die Perspektive des Betrachters oder der Betrachterin an." Ähnliches sagen andere auch. Ja, das Wort "alt" im Feinbild "alte weiße Männer" provoziert in dem Passmann-Buch die meisten Interviewten, es ist für viele ein größeres Problem als das Wort "weiß", vielleicht weil Deutsche hier mit einer Deutschen sprechen - Ausnahme ist nur Sascha Lobo, sein Vater ist aus Argentinien, das sagt er auch. Zurück zum Feinbild. Es trifft auf die zu, die gegen Wandel sind. Das sagt Passmann und sagen einige der Interviewten, sie geben sich oft gegenseitig recht. Das Ja-ja-ja der Männer wirkt manchmal echt und manchmal nicht.
Dass Sophie Passmann die meisten dann für "schlau", "klug", "superklug" hält, dass sie ihnen immer Komplimente macht, ist nicht das wahrhaft Schlechte und Problematische am Buch. Es ist die Haltung, die Passmann im Gespräch einnimmt. Sie macht sich klein, bedeutungslos - und so den Feminismus auch. Sie sagt mehrmals, wie toll es sei, dass sich die Männer mit ihr träfen, weil die ja Wichtigeres machen müssten. Vor der Verabredung mit "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt schreibt sie zum Beispiel: "Erst also trifft Poschardt die Spitzenpolitikerin einer der Regierungsparteien, dann mich. Es ist ein brachialer Abstieg für einen Vormittag."
Okay, vielleicht nimmt sie sich einfach selbst nicht ernst. Aber absichtlich?, fragt man sich. Ist das alles Ironie? Soll man das ganze Buch so lesen, so verstehen? Nein. Denn sie hat eine feministische Agenda, das schreibt sie auch im Vorwort: "Jede Frau, die Feminismus ernsthaft betreibt, muss sich von der Idee verabschieden, sich damit bei einem Großteil der Männer beliebt zu machen. Feminismus ist, wenn er radikal im eigentlichen Sinne des Wortes betrieben wird, unbequem, anstrengend, omnipräsent und lästig." Ja, absolut. Doch das, was sie vom Feminismus will, kann sie selbst nicht erfüllen, das weiß man, weil man der 25-Jährigen gequält, getroffen zusehen muss, wie sie den Männern zuhört: sehr oft sehr hilflos. Wahrscheinlich weiß sie das auch selbst, denn sie schreibt ihre Hilflosigkeit immer auf. "Ich nicke sicherheitshalber sehr wissend" oder "Ich kneife konzentriert die Augen zusammen", schreibt sie wie eine halbunernste und halbernste Entschuldigung für diese Rolle, die sie in den Gesprächen spielt.
Der Tiefpunkt ihrer Unterwerfung steht im Kapitel "Lunch mit Rainer Langhans". Den Ex von Uschi Obermaier, "Kommune 1"-Mitgründer, Alt-68er trifft Passmann in einem Biorestaurant. Dort spricht er vollkommen Irres über die #MeToo-Bewegung aus, spricht von einem sogenannten "Opfer-Feminismus". Er ist der Erste und der Einzige im Buch, der wirklich Skandalöses sagt. "Irgendwann muss doch das Opfer lernen, für das Verantwortung zu übernehmen, was es mit seinem Verhalten die ganze Zeit über hervorgebracht hat", sagt er ernsthaft. Die Feministin Passmann aber steht nicht auf und geht. Nein, sie teilt am Ende mit ihm auch noch Essen, isst seine Aubergine, er ihren Hummus. Ihr größter Akt des Widerstandes ist es, Langhans kein Kompliment zu machen. "Schlaue Gedanken" hat er im Gegensatz zu anderen nicht. Doch Rainer Langhans ist schließlich nicht so mächtig, nicht so wichtig wie die anderen.
Und deshalb ist auch klar, was Passmann will: den Mächtigen gefallen. Was ein Problem ist für den Feminismus. Die Angst der Frauen, nicht zu gefallen, ist der Beton, der die patriarchale Ordnung stabil hält. Jetzt aber alle Frauen aufzufordern, mit dem Gefallenwollen Schluss zu machen, das ist banal, ist unehrlich. Es wäre wieder eine Vorschrift, wie eine Frau zu sein hat. Von diesen Vorschriften gibt es schon viel zu viele. Sie machen nicht nur Frauenfeinde, sondern sogar auch Feministen. Fast jeder Mensch hat eine Meinung, wie eine Frau sich zu verhalten hat und was sie denken soll über die Frauenquote und über Sex und über Männer. Nein, so geht kein Feminismus, weil er vor allem die Idee ist von einem Leben ohne Zuschreibung. Und deshalb ist es auch so kopflos für eine, die sagt, sie sei Feministin, ein Buch zu schreiben, das ein zu altes Rollenbild reproduziert: Der mächtige Mann spricht, die Frau hört unterwürfig zu.
Doch was ist mit den Mächtigen? Den Männern, die im Passmann-Buch mitmachen? Sie wissen, dass ihnen nichts passiert, wenn sie mit einer jungen Frau Gespräche führen, die fest in einer alten Rolle sitzt, auch wenn sie selbst das Gegenteil von sich behaupten. Sie spielen das Spiel mit, weil es in Wahrheit nach ihren Regeln läuft. Sie sagen Ja-ja-ja, und dann bekommen sie einen süßen Sophie-Passmann-Feministen-Sticker. Doch warum überhaupt wollen sie so einen Aufkleber bekommen? Weil er auf diese Passmann-Art geschenkt ist, er kostet keine Kraft, kein Nachdenken über sich selbst und über Macht und über Männer, über Frauen. Außerdem sind sich heutzutage alle - endlich, ehrlich und unehrlich - bewusst, was frauenfeindlich ist und was sexistisch. Ja, in den Zeiten nach #MeToo regiert ein Pseudofeminismus, der jeden Mann jetzt zwingt, ordentlich mit Frauen umzugehen, zumindest zum Schein. Das wissen diese Männer, denn sie sind schließlich "klug" und "superklug" und "schlau".
ANNA PRIZKAU
Sophie Passmann: "Alte weiße Männer. Ein Schlichtungsversuch". Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 12 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Moderatorin Sophie Passmann hat sich für ihr Buch mit Männern über Feminismus unterhalten - mit erstaunlichen Ergebnissen
Die Feministin Sophie Passmann liebt Männer - erfolgreiche, mit Macht. Das und nichts anderes beweist ihr neues Buch. Die Kolumnistin und Moderatorin, Mitglied im Ensemble der "Neo Magazin Royale"-Show von Jan Böhmermann hat es mit den drei Wörtern "Alte weiße Männer" überschrieben. Und dieser Titel ist selbstverständlich ein Problem. Wenn deutsche Menschen, so wie Sophie Passmann, auf einmal Menschen in weiße und in nichtweiße aufteilen, klingt das für nicht-so-deutsche Menschen unlogisch und verdächtig. Das Feindbild, das die Feministin mit ihrem Titel malen will, ist aus Amerika übernommen, heißt da angry white men und ist was anderes als in Deutschland. Denn dieses Land hat keine horrorhafte, lange Geschichte von Sklaverei, von Rassentrennung hinter sich. In Deutschland sind die meisten weiß, die meisten Ausländer, Migranten, Flüchtlinge, Aussiedler auch. Was also will so eine Wortreihung in Deutschland? Klar, provozieren. Passmann schreibt deshalb auch im Vorwort von einem "radikalen Akt", und ihrer Meinung nach kann das schon eine Unterhaltung sein. Darum hat sie sich unterhalten. Mit Männern, einen Sommer lang. Sie interviewte sechzehn Mächtige, Egale und Halbmächtige, die oft in Talkshows sitzen und sprechen. Aus diesen Interviews zitiert sie jetzt in ihrem Buch, und jeder Mann bekommt ein eigenes Kapitel.
Worum es geht? Darum, wie man diesen Geschlechterkampf beenden kann, steht auf der Rückseite von "Alte weiße Männer". Doch auf den Buchseiten steht etwas anderes, steht immer wieder Gleiches: Männer sind schlau und/oder trainiert, sympathisch, nett. Im Buch hört sich das so an: "Jedes Wort" des Autors Sascha Lobo "ist überlegt und klug". Der "Zeitmagazin"-Chef Christoph Amend "strahlt so ein sanftes Verständnis für alles und jeden in der Welt aus, das weit über journalistische Pflichterfüllung hinausgeht". Der Kopf von Robert Habeck scheint voll zu sein mit "superklugen Gedanken" oder "schlauen", ja, er "ist einer von den Guten". Und auch Kai Diekmann bekommt ein Kompliment: "Ich bewundere diese Art von Selbstbewusstsein in diesem Moment ganz unironisch." Der Moderator "Micky Beisenherz ist sehr witzig und klug" und sieht "noch irre gut" aus, denn er ist "durchtrainiert" und "braun gebrannt", und er "hat volles Haar". "Klug" und "sehr reflektiert" ist auch der Modeblogger Carl Jakob Haupt. Und der Ex-CDU-Generalsekretär Peter Tauber? Er "wirkt wie einer, der meistens viel zu gebildet für sein Umfeld ist und sich ständig zurückhalten muss, um seine Umwelt nicht zu überfordern". Genug? Nein. Noch ein bisschen. Noch kurz zu Kevin Kühnert, der "viel zu bescheiden" ist "für seine Klugheit".
Was soll das alles? Ist das noch Feminismus? Kann sein, weil Feminismus nicht bedeutet, dass Frauen Männer hassen. Was aber wäre, wenn ein Mann, der von sich sagt, er sei jung, wild und feministisch (das sagt Sophie Passmann im ersten Text über sich selbst), ein Buch veröffentlichte, das "Alte weiße Frauen" hieße, und darin über die trainierten Körper und die klugen Sätze alter Frauen schriebe? Dann würden viele - vielleicht zu Recht, vielleicht zu Unrecht - laut "Sexismus" schreien. Das aber ist kein Anti-Passmann-Argument, da man das Männer-Frauen-Ding nicht einfach umdrehen kann, denn die Benachteiligten sind immer und am Ende Frauen.
Deshalb dann doch noch einmal zum eigentlichen Thema dieses Buchs: Feminismus, genauer: Männlichkeit, die sich von ihm bedroht fühlt. Passmanns Gespräche wollen der "Versuch einer Annäherung an die Männlichkeit im 21. Jahrhundert" sein. Was also sagen die Männer des 21. Jahrhunderts? Zuerst und oft Banales übers Altsein. Amend zum Beispiel das: "Was alt bedeutet, kommt immer auch auf die Perspektive des Betrachters oder der Betrachterin an." Ähnliches sagen andere auch. Ja, das Wort "alt" im Feinbild "alte weiße Männer" provoziert in dem Passmann-Buch die meisten Interviewten, es ist für viele ein größeres Problem als das Wort "weiß", vielleicht weil Deutsche hier mit einer Deutschen sprechen - Ausnahme ist nur Sascha Lobo, sein Vater ist aus Argentinien, das sagt er auch. Zurück zum Feinbild. Es trifft auf die zu, die gegen Wandel sind. Das sagt Passmann und sagen einige der Interviewten, sie geben sich oft gegenseitig recht. Das Ja-ja-ja der Männer wirkt manchmal echt und manchmal nicht.
Dass Sophie Passmann die meisten dann für "schlau", "klug", "superklug" hält, dass sie ihnen immer Komplimente macht, ist nicht das wahrhaft Schlechte und Problematische am Buch. Es ist die Haltung, die Passmann im Gespräch einnimmt. Sie macht sich klein, bedeutungslos - und so den Feminismus auch. Sie sagt mehrmals, wie toll es sei, dass sich die Männer mit ihr träfen, weil die ja Wichtigeres machen müssten. Vor der Verabredung mit "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt schreibt sie zum Beispiel: "Erst also trifft Poschardt die Spitzenpolitikerin einer der Regierungsparteien, dann mich. Es ist ein brachialer Abstieg für einen Vormittag."
Okay, vielleicht nimmt sie sich einfach selbst nicht ernst. Aber absichtlich?, fragt man sich. Ist das alles Ironie? Soll man das ganze Buch so lesen, so verstehen? Nein. Denn sie hat eine feministische Agenda, das schreibt sie auch im Vorwort: "Jede Frau, die Feminismus ernsthaft betreibt, muss sich von der Idee verabschieden, sich damit bei einem Großteil der Männer beliebt zu machen. Feminismus ist, wenn er radikal im eigentlichen Sinne des Wortes betrieben wird, unbequem, anstrengend, omnipräsent und lästig." Ja, absolut. Doch das, was sie vom Feminismus will, kann sie selbst nicht erfüllen, das weiß man, weil man der 25-Jährigen gequält, getroffen zusehen muss, wie sie den Männern zuhört: sehr oft sehr hilflos. Wahrscheinlich weiß sie das auch selbst, denn sie schreibt ihre Hilflosigkeit immer auf. "Ich nicke sicherheitshalber sehr wissend" oder "Ich kneife konzentriert die Augen zusammen", schreibt sie wie eine halbunernste und halbernste Entschuldigung für diese Rolle, die sie in den Gesprächen spielt.
Der Tiefpunkt ihrer Unterwerfung steht im Kapitel "Lunch mit Rainer Langhans". Den Ex von Uschi Obermaier, "Kommune 1"-Mitgründer, Alt-68er trifft Passmann in einem Biorestaurant. Dort spricht er vollkommen Irres über die #MeToo-Bewegung aus, spricht von einem sogenannten "Opfer-Feminismus". Er ist der Erste und der Einzige im Buch, der wirklich Skandalöses sagt. "Irgendwann muss doch das Opfer lernen, für das Verantwortung zu übernehmen, was es mit seinem Verhalten die ganze Zeit über hervorgebracht hat", sagt er ernsthaft. Die Feministin Passmann aber steht nicht auf und geht. Nein, sie teilt am Ende mit ihm auch noch Essen, isst seine Aubergine, er ihren Hummus. Ihr größter Akt des Widerstandes ist es, Langhans kein Kompliment zu machen. "Schlaue Gedanken" hat er im Gegensatz zu anderen nicht. Doch Rainer Langhans ist schließlich nicht so mächtig, nicht so wichtig wie die anderen.
Und deshalb ist auch klar, was Passmann will: den Mächtigen gefallen. Was ein Problem ist für den Feminismus. Die Angst der Frauen, nicht zu gefallen, ist der Beton, der die patriarchale Ordnung stabil hält. Jetzt aber alle Frauen aufzufordern, mit dem Gefallenwollen Schluss zu machen, das ist banal, ist unehrlich. Es wäre wieder eine Vorschrift, wie eine Frau zu sein hat. Von diesen Vorschriften gibt es schon viel zu viele. Sie machen nicht nur Frauenfeinde, sondern sogar auch Feministen. Fast jeder Mensch hat eine Meinung, wie eine Frau sich zu verhalten hat und was sie denken soll über die Frauenquote und über Sex und über Männer. Nein, so geht kein Feminismus, weil er vor allem die Idee ist von einem Leben ohne Zuschreibung. Und deshalb ist es auch so kopflos für eine, die sagt, sie sei Feministin, ein Buch zu schreiben, das ein zu altes Rollenbild reproduziert: Der mächtige Mann spricht, die Frau hört unterwürfig zu.
Doch was ist mit den Mächtigen? Den Männern, die im Passmann-Buch mitmachen? Sie wissen, dass ihnen nichts passiert, wenn sie mit einer jungen Frau Gespräche führen, die fest in einer alten Rolle sitzt, auch wenn sie selbst das Gegenteil von sich behaupten. Sie spielen das Spiel mit, weil es in Wahrheit nach ihren Regeln läuft. Sie sagen Ja-ja-ja, und dann bekommen sie einen süßen Sophie-Passmann-Feministen-Sticker. Doch warum überhaupt wollen sie so einen Aufkleber bekommen? Weil er auf diese Passmann-Art geschenkt ist, er kostet keine Kraft, kein Nachdenken über sich selbst und über Macht und über Männer, über Frauen. Außerdem sind sich heutzutage alle - endlich, ehrlich und unehrlich - bewusst, was frauenfeindlich ist und was sexistisch. Ja, in den Zeiten nach #MeToo regiert ein Pseudofeminismus, der jeden Mann jetzt zwingt, ordentlich mit Frauen umzugehen, zumindest zum Schein. Das wissen diese Männer, denn sie sind schließlich "klug" und "superklug" und "schlau".
ANNA PRIZKAU
Sophie Passmann: "Alte weiße Männer. Ein Schlichtungsversuch". Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 12 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Sophie Passmann liefert mit ihrem neuen Buch keine Thesen und keine neuen Argumente, stellt Rezensentin Änne Seidel fest, auch keine Definitionen, keine abschließenden Antworten und keine wissenschaftliche Abhandlung. Aber der Begeisterung der Rezensentin tut das keinen Abbruch. Denn sie bekommt Humor, Ironie und Denkanstöße. Wenn die Autorin sich mit Politikern, Journalisten und anderen Prominenten trifft, um über männliche Privilegien zu plaudern, dann findet sie die Machtfrage ungeheuer charmant gestellt. Wenn Passmanns Gesprächspartner allerdings "grundlegende Regeln der Höflichkeit" missachten, wie etwa Kai Diekmann, dann ist die Rezensentin regelrecht empört.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»[...] Passmanns Buch ist nicht nur eine sehr kluge, passmanntypisch, selbstironische und oft hochkomische Meditation auf eine wichtige Frage, es ist ein überzeugendes Plädoyer für den Dialog.« Katharina Frohne Weser-Kurier 20190407