Alle sind scharf auf private Daten. Der Staat möchte die biologischen Merkmale der Bürger kennen. Die Wirtschaft sammelt Informationen über die Vorlieben ihrer Kunden. Arbeitgeber suchen mit illegalen Überwachungen nach schwarzen Schafen unter ihren Mitarbeitern. Die Warnungen vor Terror und Wirtschaftskriminalität lenken von einer Gefahr ab, die uns allen droht: der transparente Mensch. Bevor es so weit kommt, intervenieren Juli Zeh und Ilija Trojanow mit einer engagierten Kampfschrift. Wie viel sind uns unsere Bürgerrechte noch wert? Wer bedroht unsere Demokratie stärker: militante Islamisten oder die Befürworter einer totalen Überwachung? Wie können wir uns gegen den schleichenden Verlust unserer Freiheit wehren? Dieses Buch, zornig, ironisch, und hoch informativ zugleich, wird viele Menschen aufrütteln, die sich zu lange in falscher Sicherheit wiegten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2009Gefangen im Datennetz
Knapp ist der Platz zum Argumentieren: Ilija Trojanow und Juli Zeh haben eine Kampfschrift gegen die informationelle Ausbeutung des Bürgers verfasst.
Zwei Autoren haben ein wichtiges Anliegen, für das sie ihre Leser wachrütteln wollen: "Angriff auf die Freiheit" lautet das Bedrohungsszenario, der Buchtitel zeigt die verspiegelte Abdeckung einer Überwachungskamera. Zu Recht, denn die Gefahr geht von einer Technik aus, von deren Kontrollpotential Orwell nur träumen konnte: Payback-Karten, DNA-Datenbanken, Mautsysteme, biometrische Ausweise und eben grassierende Videoüberwachung.
Zusammen mit dem Internet kommt da schon einiges an Informationen über uns zusammen. Eine französische Zeitschrift hat sich darauf verlegt, zusammengegoogelte Porträts von Mitbürgern zu veröffentlichen. Die durchweg geschockten Netzbewohner wissen nun, wer sie für andere sind - alleine durch die freiwillige Preisgabe oder Schaustellung von Splittern ihrer Identität. Sehr peinlich! Aber auch konservativere Gemüter, die sich weniger gerne exponieren und elektrifizierte soziale Netzwerke meiden, unterliegen vielfacher staatlicher oder privater Beobachtung. Einreisekontrollen kann man sich eben nicht aussuchen.
Wir lassen es zu, weil wir wünschen, in Sicherheit und Wohlstand zu leben. Das ist ein Fehler, rufen die Schriftsteller Ilija Trojanow und Juli Zeh. Sie sagen: Ihr habt den Wert der Freiheit vergessen, rettet die Selbstbestimmung, passt besser auf eure Daten auf! Auch scheinbare Selbstverständlichkeiten wie die Segnungen der Grundrechte können durch schleichende Aushöhlung verlorengehen, wenn man nicht wachsam ist. Diese nicht ganz falsche Stoßrichtung des Buches erklärt den alarmistischen Ton, die direkte Ansprache des Lesers und die durchweg sehr verkürzten Argumentationen: Es geht um Politik, nicht um akademische Gelehrsamkeit.
Dass das Buch wenig subtil vorgeht, kann demnach aufs selbstgewählte Genre der Kampfschrift zurückgeführt werden. Da es schon auf dem Beipackzettel steht, wird sich vermutlich kein Leser darüber echauffieren. Aber er wird sich auch nicht - und das wiegt schwerer - an dem schmalen Pamphlet derart entzünden, dass er auf die Barrikaden geht. Dafür ist der Zugriff auf das Thema zu wenig eigensinnig. Wo kaum eine Woche vergeht, in der nicht ähnlich gestrickte Aufklärungs- und Mahnschriften erscheinen, liegt die Messlatte für Herausragendes hoch.
Tatsächlich haben Trojanow und Zeh wenig Neues zu bieten. Eine literarische Verarbeitung hätte dem Thema womöglich die Schubkraft verliehen, die sich die Autoren von ihrer Kampfschrift versprochen haben. Dass Juli Zeh das Zeug dazu hat, uns für ein bereits vielfältig diskutiertes Thema noch einmal ganz neu die Augen zu öffnen, zeigt nicht zuletzt ihr jüngster Roman "Corpus delicti", der die Idee der totalen Prävention in einer Gesundheitsdiktatur so beschreibt, dass sie unter die Haut geht (F.A.Z. vom 28. Februar 2009).
Hier jedoch handelt es sich um ein Sachbuch, das der Kraft literarischer Fiktionalisierungen von vornherein enträt. Die Beispiele, die die beiden Autoren aus der schönen neuen Überwachungswelt zusammentragen, sind bekannt. Alles ist auf das Genre der Polemik abgestimmt. So bleibt die Exegese hinter raffinierteren Werken zurück, siehe Dietmar Kammerers im Vorjahr erschienene "Bilder der Überwachung". So, wie dort geschehen, kann man sich auch dem Medien- und Mentalitätswandel nähern und seine kulturellen und technischen Bedingungen aufspüren. Übrigens geschah dies bei Kammerer in eleganterer Prosa als bei dem Schriftstellertandem. Die Eröffnungsszene wiederum, in der ein normal überwachter Tag im Leben des Bürgers entrollt wird, ist geradezu ungeniert an Wolfgang Sofskys "Verteidigung des Privaten" von 2007 angelehnt.
Die andauernde Aktualität des Themas hätte eine Dramatisierung verlangt, die es als Zukunftsthema mit einschneidenden Folgen für den Mentalitätswandel greifbar macht. Es geht um nicht weniger als um die Ausrechenbarkeit des Bürgers für beliebige kommerzielle und ideologische Interessen. Der nächste Datenskandal ist ja nur eine Frage der Zeit oder des genauen Hinsehens; die Schwarzmarktpreise für Entwendetes und Erschlichenes sind nicht hoch. Voraussetzung eines wirksamen Schutzes wäre ein Umdenken aller Betroffenen, und hier sind eben nicht nur Politiker und ihre Wähler die Adressanten, sondern alle Bürger, die sich kritisch fragen lassen müssen, welche Zugewinne an Sicherheit und Wohlstand sie erhoffen und welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit sind. Der Nacktscanner, den die Autoren als die letzte Entblößung eines Sicherheitswahns beschreiben, ist ja dann doch nicht gekommen.
Wenn man diese Fragen reflektiert entscheiden will, muss man sich auf technisch oft schwer zu verstehende Vorgänge einlassen; hinzu kommt die soziale Dimension des Sachsystems Technik, die eine weitere Komplexität einbringt. Und schließlich erfolgt ein - letztlich juristischer - Abwägungsprozess, wenn über Rechtmäßigkeit entschieden werden soll: Welche Sammlungen sollen durch welche Zwecke legitimiert werden? Noch jedes Gesetz und jeder Eingriff formulieren einen Rechtfertigungsnarrativ, aber nicht alle Narrative überzeugen.
Zeh und Trojanow sind da besonders strenge Richter. "Terrorgefahr" ist ihnen eine Worthülse, dem Innenminister, einer der wenigen personifizierten Feinde der Szene, glauben sie kein Wort. Dafür ziehen sie Kontinuitätslinien, an deren Anfang Erinnerungen an die NS-Diktaturen stehen und am Ende datengestützte Präventionsstaaten heraufdämmern. Sie fürchten ein "Recht-und-Ordnung-Spießertum", das als abschüssige Bahn geradewegs hinab in Erziehungslager und Schlimmeres führe.
Bei ihren Rundumschlägen lassen sie in rascher Folge missliebige Genrebilder aus allen Lebens- und Politikbereichen Revue passieren. Manches davon, wie ihre Medienschelte, ist durchaus amüsant formulierte Kritik am Zeitgeist: "Schnulzige Schmöker verklären die Aristokratie; Blockbuster legitimieren Folter und das Recht des Stärkeren." Suggestiv bleibt der Ton aber auch bei heikleren Fragen. Weil der Platz zum Argumentieren knapp ist, werden vermutlich nicht alle Leser die steilen Thesen billigen, etwa dass "uns der Terrorismus allein keinen nachhaltigen Schaden zufügen kann".
Hinter dieser plakativen Aussage verbirgt sich übrigens das große Thema der Wahrnehmung von Risiken und Gefahren, das als Leitmotiv immer wieder auftaucht - leider nur in sehr einseitiger Weise, nämlich in Form von Beschwichtigungen, wir sollten das Sicherheitsproblem lockerer sehen und nicht den Scharfmachern folgen, die dafür unsere Freiheit einsacken wollten. Stürben im Verkehr hierzulande oder in Afrika an Malaria nicht viel mehr Menschen als am emblematischen 9/11? Es sei, so der mahnende Refrain, ein manipulatives Spiel mit Angst, gegründet auf fragwürdige Feindbilder. Heraus kämen Regulierungen: "Hunde an die Leine, Raucher vor die Tür, Computerspiele auf den Index."
Emphatisch schallt dem Leser stattdessen der Ruf "Freiheit!" entgegen. Doch welcher Begriff von Freiheit hier gemeint ist, bleibt ebenso dunkel wie der angemessene Umgang mit konkreten Konflikten. Der Rückzug auf Prinzipienproklamationen entlastet von den Mühen der Ebene, so richtig Beobachtungen über die gesellschaftliche Ausweitung von Verdächtigkeit und die juristische Vorverlagerung der Strafbarkeit sein mögen. Dürftig ist am Ende denn auch die Handlungsanleitung: sich nicht im Internet entblößen, kritisch gegen die Sprachspiele der Unkenrufer sein und den eigenen Bundestagsabgeordneten unter Druck setzen. Das ist dann doch zu wenig, um die kulturellen Veränderungen durchsichtig zu machen, die mit der informationellen Ausbeutung des Bürgers verbunden sind.
Zeh und Trojanow selbst hoffen auf "eine neue Generation von Politikern, die sich rückgratstark zu den Grundsätzen persönlicher Freiheit bekennt". Ist das Teil der Lösung oder nicht vielmehr Teil des Problems? Denn solche Bekenntnisse werden oft bedenken- und folgenlos abgegeben, gerade weil sie so abstrakt sind. Interessanter wäre die Frage, wo und wie Freiheit von Erfassung tatsächlich erlangt werden kann und warum Kontrollinstanzen versagen. Sind es Setzungs- oder Durchsetzungsprobleme? Das klingt spröde, folgt aber nicht minder freiheitlichen Visionen.
MILOS VEC
Ilija Trojanow, Juli Zeh: "Angriff auf die Freiheit". Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte. Carl Hanser Verlag, München 2009. 171 S., br., 14,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Knapp ist der Platz zum Argumentieren: Ilija Trojanow und Juli Zeh haben eine Kampfschrift gegen die informationelle Ausbeutung des Bürgers verfasst.
Zwei Autoren haben ein wichtiges Anliegen, für das sie ihre Leser wachrütteln wollen: "Angriff auf die Freiheit" lautet das Bedrohungsszenario, der Buchtitel zeigt die verspiegelte Abdeckung einer Überwachungskamera. Zu Recht, denn die Gefahr geht von einer Technik aus, von deren Kontrollpotential Orwell nur träumen konnte: Payback-Karten, DNA-Datenbanken, Mautsysteme, biometrische Ausweise und eben grassierende Videoüberwachung.
Zusammen mit dem Internet kommt da schon einiges an Informationen über uns zusammen. Eine französische Zeitschrift hat sich darauf verlegt, zusammengegoogelte Porträts von Mitbürgern zu veröffentlichen. Die durchweg geschockten Netzbewohner wissen nun, wer sie für andere sind - alleine durch die freiwillige Preisgabe oder Schaustellung von Splittern ihrer Identität. Sehr peinlich! Aber auch konservativere Gemüter, die sich weniger gerne exponieren und elektrifizierte soziale Netzwerke meiden, unterliegen vielfacher staatlicher oder privater Beobachtung. Einreisekontrollen kann man sich eben nicht aussuchen.
Wir lassen es zu, weil wir wünschen, in Sicherheit und Wohlstand zu leben. Das ist ein Fehler, rufen die Schriftsteller Ilija Trojanow und Juli Zeh. Sie sagen: Ihr habt den Wert der Freiheit vergessen, rettet die Selbstbestimmung, passt besser auf eure Daten auf! Auch scheinbare Selbstverständlichkeiten wie die Segnungen der Grundrechte können durch schleichende Aushöhlung verlorengehen, wenn man nicht wachsam ist. Diese nicht ganz falsche Stoßrichtung des Buches erklärt den alarmistischen Ton, die direkte Ansprache des Lesers und die durchweg sehr verkürzten Argumentationen: Es geht um Politik, nicht um akademische Gelehrsamkeit.
Dass das Buch wenig subtil vorgeht, kann demnach aufs selbstgewählte Genre der Kampfschrift zurückgeführt werden. Da es schon auf dem Beipackzettel steht, wird sich vermutlich kein Leser darüber echauffieren. Aber er wird sich auch nicht - und das wiegt schwerer - an dem schmalen Pamphlet derart entzünden, dass er auf die Barrikaden geht. Dafür ist der Zugriff auf das Thema zu wenig eigensinnig. Wo kaum eine Woche vergeht, in der nicht ähnlich gestrickte Aufklärungs- und Mahnschriften erscheinen, liegt die Messlatte für Herausragendes hoch.
Tatsächlich haben Trojanow und Zeh wenig Neues zu bieten. Eine literarische Verarbeitung hätte dem Thema womöglich die Schubkraft verliehen, die sich die Autoren von ihrer Kampfschrift versprochen haben. Dass Juli Zeh das Zeug dazu hat, uns für ein bereits vielfältig diskutiertes Thema noch einmal ganz neu die Augen zu öffnen, zeigt nicht zuletzt ihr jüngster Roman "Corpus delicti", der die Idee der totalen Prävention in einer Gesundheitsdiktatur so beschreibt, dass sie unter die Haut geht (F.A.Z. vom 28. Februar 2009).
Hier jedoch handelt es sich um ein Sachbuch, das der Kraft literarischer Fiktionalisierungen von vornherein enträt. Die Beispiele, die die beiden Autoren aus der schönen neuen Überwachungswelt zusammentragen, sind bekannt. Alles ist auf das Genre der Polemik abgestimmt. So bleibt die Exegese hinter raffinierteren Werken zurück, siehe Dietmar Kammerers im Vorjahr erschienene "Bilder der Überwachung". So, wie dort geschehen, kann man sich auch dem Medien- und Mentalitätswandel nähern und seine kulturellen und technischen Bedingungen aufspüren. Übrigens geschah dies bei Kammerer in eleganterer Prosa als bei dem Schriftstellertandem. Die Eröffnungsszene wiederum, in der ein normal überwachter Tag im Leben des Bürgers entrollt wird, ist geradezu ungeniert an Wolfgang Sofskys "Verteidigung des Privaten" von 2007 angelehnt.
Die andauernde Aktualität des Themas hätte eine Dramatisierung verlangt, die es als Zukunftsthema mit einschneidenden Folgen für den Mentalitätswandel greifbar macht. Es geht um nicht weniger als um die Ausrechenbarkeit des Bürgers für beliebige kommerzielle und ideologische Interessen. Der nächste Datenskandal ist ja nur eine Frage der Zeit oder des genauen Hinsehens; die Schwarzmarktpreise für Entwendetes und Erschlichenes sind nicht hoch. Voraussetzung eines wirksamen Schutzes wäre ein Umdenken aller Betroffenen, und hier sind eben nicht nur Politiker und ihre Wähler die Adressanten, sondern alle Bürger, die sich kritisch fragen lassen müssen, welche Zugewinne an Sicherheit und Wohlstand sie erhoffen und welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit sind. Der Nacktscanner, den die Autoren als die letzte Entblößung eines Sicherheitswahns beschreiben, ist ja dann doch nicht gekommen.
Wenn man diese Fragen reflektiert entscheiden will, muss man sich auf technisch oft schwer zu verstehende Vorgänge einlassen; hinzu kommt die soziale Dimension des Sachsystems Technik, die eine weitere Komplexität einbringt. Und schließlich erfolgt ein - letztlich juristischer - Abwägungsprozess, wenn über Rechtmäßigkeit entschieden werden soll: Welche Sammlungen sollen durch welche Zwecke legitimiert werden? Noch jedes Gesetz und jeder Eingriff formulieren einen Rechtfertigungsnarrativ, aber nicht alle Narrative überzeugen.
Zeh und Trojanow sind da besonders strenge Richter. "Terrorgefahr" ist ihnen eine Worthülse, dem Innenminister, einer der wenigen personifizierten Feinde der Szene, glauben sie kein Wort. Dafür ziehen sie Kontinuitätslinien, an deren Anfang Erinnerungen an die NS-Diktaturen stehen und am Ende datengestützte Präventionsstaaten heraufdämmern. Sie fürchten ein "Recht-und-Ordnung-Spießertum", das als abschüssige Bahn geradewegs hinab in Erziehungslager und Schlimmeres führe.
Bei ihren Rundumschlägen lassen sie in rascher Folge missliebige Genrebilder aus allen Lebens- und Politikbereichen Revue passieren. Manches davon, wie ihre Medienschelte, ist durchaus amüsant formulierte Kritik am Zeitgeist: "Schnulzige Schmöker verklären die Aristokratie; Blockbuster legitimieren Folter und das Recht des Stärkeren." Suggestiv bleibt der Ton aber auch bei heikleren Fragen. Weil der Platz zum Argumentieren knapp ist, werden vermutlich nicht alle Leser die steilen Thesen billigen, etwa dass "uns der Terrorismus allein keinen nachhaltigen Schaden zufügen kann".
Hinter dieser plakativen Aussage verbirgt sich übrigens das große Thema der Wahrnehmung von Risiken und Gefahren, das als Leitmotiv immer wieder auftaucht - leider nur in sehr einseitiger Weise, nämlich in Form von Beschwichtigungen, wir sollten das Sicherheitsproblem lockerer sehen und nicht den Scharfmachern folgen, die dafür unsere Freiheit einsacken wollten. Stürben im Verkehr hierzulande oder in Afrika an Malaria nicht viel mehr Menschen als am emblematischen 9/11? Es sei, so der mahnende Refrain, ein manipulatives Spiel mit Angst, gegründet auf fragwürdige Feindbilder. Heraus kämen Regulierungen: "Hunde an die Leine, Raucher vor die Tür, Computerspiele auf den Index."
Emphatisch schallt dem Leser stattdessen der Ruf "Freiheit!" entgegen. Doch welcher Begriff von Freiheit hier gemeint ist, bleibt ebenso dunkel wie der angemessene Umgang mit konkreten Konflikten. Der Rückzug auf Prinzipienproklamationen entlastet von den Mühen der Ebene, so richtig Beobachtungen über die gesellschaftliche Ausweitung von Verdächtigkeit und die juristische Vorverlagerung der Strafbarkeit sein mögen. Dürftig ist am Ende denn auch die Handlungsanleitung: sich nicht im Internet entblößen, kritisch gegen die Sprachspiele der Unkenrufer sein und den eigenen Bundestagsabgeordneten unter Druck setzen. Das ist dann doch zu wenig, um die kulturellen Veränderungen durchsichtig zu machen, die mit der informationellen Ausbeutung des Bürgers verbunden sind.
Zeh und Trojanow selbst hoffen auf "eine neue Generation von Politikern, die sich rückgratstark zu den Grundsätzen persönlicher Freiheit bekennt". Ist das Teil der Lösung oder nicht vielmehr Teil des Problems? Denn solche Bekenntnisse werden oft bedenken- und folgenlos abgegeben, gerade weil sie so abstrakt sind. Interessanter wäre die Frage, wo und wie Freiheit von Erfassung tatsächlich erlangt werden kann und warum Kontrollinstanzen versagen. Sind es Setzungs- oder Durchsetzungsprobleme? Das klingt spröde, folgt aber nicht minder freiheitlichen Visionen.
MILOS VEC
Ilija Trojanow, Juli Zeh: "Angriff auf die Freiheit". Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte. Carl Hanser Verlag, München 2009. 171 S., br., 14,90 [Euro].
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