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Angst macht Angst, Angst macht Politik und Angst macht Auflage. Ein Gedichtband, der Fürchten lehrt - und unterhält.
Ein Leben in Angst: alle Menschen führen es. Vollkommen unmöglich, den Ängsten zu entkommen. Kaum ist eine Angst verdrängt, kommt die nächste um die Ecke, springt aus dem Schrank oder lauert nachts unterm Bett. Es wäre ein aussichtsloses Unterfangen, alle Über- und Unterängste zu klassifizieren, die Urängste zu suchen und ihnen Angststammbäume zuzuordnen. Vorgebliche Angstforscher sind oft -hasen, die es nicht wagen, die Sinnlosigkeit ihrer Arbeit und die Übermacht der Angst…mehr

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Produktbeschreibung
Angst macht Angst, Angst macht Politik und Angst macht Auflage. Ein Gedichtband, der Fürchten lehrt - und unterhält.

Ein Leben in Angst: alle Menschen führen es. Vollkommen unmöglich, den Ängsten zu entkommen. Kaum ist eine Angst verdrängt, kommt die nächste um die Ecke, springt aus dem Schrank oder lauert nachts unterm Bett. Es wäre ein aussichtsloses Unterfangen, alle Über- und Unterängste zu klassifizieren, die Urängste zu suchen und ihnen Angststammbäume zuzuordnen. Vorgebliche Angstforscher sind oft -hasen, die es nicht wagen, die Sinnlosigkeit ihrer Arbeit und die Übermacht der Angst anzuerkennen.
Der Lyriker und Titanic-Chefredakteur Moritz Hürtgen hat aus Angst bzw. aus diversen Ängsten (Bedeutungslosigkeit, Armut, Prosa) einen Gedichtband geschrieben, der gar nicht erst versucht, Angst zu definieren oder Ängste zu bannen. Nein, er hat sich von besonders schönen und fürchterlichen Ängsten heimsuchen lassen, um sie zu beschreiben, zu loben und sie mutig genug! - wenigstens kurzzeitig in lyrische Form zu sperren. Ob das gut ausgehen kann?

Fürchtet Mörder und Ganoven,
fürchtet Schlaue wie die Doofen.
Doch wer fürchtet, der vergisst,
dass die Angst am schlimmsten frisst,
wenn es Angst vor Lyrik ist.
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Autorenporträt
Hürtgen, Moritz
Moritz Hürtgen wurde 1989 geboren und ist seit Anfang 2019 Chefredakteur des Satiremagazins Titanic. In dieser Position vermittelt er regelmäßig Falschmeldungen an die Bild, den Focus und sogar die Nachrichtenagentur Reuters. Für seine Bachelorarbeit verglich er zwar erfolgreich die Dichter Robert Gernhardt und Thomas Gsella (unentschieden), das Germanistikstudium in München schloss er aus Faulheit im Nebenfach aber trotzdem nicht ab.

Mädel, Bjarne
Bjarne Mädel ließ sich an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam zum Schauspieler ausbilden. Ab 2004 spielte er die Rolle des Ernie in der Serie Stromberg, die mit dem Deutschen Fernsehpreis als beste Sitcom ausgezeichnet wurde. Seit 2012 verkörpert er die Titelrolle in »Der Tatortreiniger«, für die er den Deutschen Comedypreis gewann. Auf der Kinoleinwand ist Bjarne Mädel unter anderem in »24 Wochen«, »Unsere Zeit ist jetzt« und »25 km/h« zu sehen.

Schubert, Katharina Marie
Katharina Marie Schubert ging nach ihrer Ausbildung am Max Reinhardt Seminar zu ihrem ersten Engagement ans Burgtheater Wien. Von 2001 bis 2008 spielte sie an den Münchner Kammerspielen. Von 2012 bis 2014 war sie festes Ensemblemitglied des Deutschen Theaters in Berlin. 2004 wurde sie mit dem Nachwuchsförderpreis der Münchner Kammerspiele und 2007 mit dem Bayerischen Kunstförderpreis für Darstellende Kunst ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.2019

Großreimemachen im limbischen System
Prächtige Panikgedichte mit therapeutischer Wirkung vom potzblitzgescheiten Humordichter Moritz Hürtgen

Wir müssen mit einer Preisvergabe beginnen, denn so klar, souverän und elegant hat noch niemand das goldene Hirschhausengeweih errungen. Die von Dr. quasi Moritz Hürtgen in straffer Gedichtform vorgelegte Sammlung von mehr als hundert schrecklichen Phobien, viele davon bislang unentdeckt, darf schon jetzt als Standardwerk gelten; die Aufnahme in die ICD-Klassifikation der WHO dürfte nur eine Formalität sein. Denn in der Tat ist die "Angst vor Besuch" oder die "Angst vor konkreter Poesie" der Klaustro- oder Arachnophobie zumindest ebenbürtig. "Schlag's im Hürtgen nach", werden sich Mediziner also bald zurufen und ihren Pschyrembel/Loriot hurtig im Altpapier entsorgen.

Nur die Angst vor Schiffsuntergängen findet sich nicht in diesem Erlkönig-Ritt durch das limbische System, was damit zu tun haben könnte, dass Hürtgen, der sichtlich in der Tradition des lyrisch-humoristischen Feingeists Robert Gernhardt, des köstlichen Haudraufpoeten Thomas Gsella und des Rumpeldichters Goethe steht, seit einem Jahr als Kapitän des Satireblatts "Titanic" agiert. Ansonsten jedoch ist alles vorhanden in dieser ziemlich genauen Vermessung der rundum verschüchterten, sich eisern nach gründlichem Frottiertwerden sehnenden deutschen Seele. Formal geschieht das mal im schlichten Paarreim, mal komplexer, oft als alternierender Vierheber, aber immer mit Neigung zum frechen Regelbruch. So kraftvoll wird selten gedichtet. Mit den grabenden, schürfenden, flözenden, der reimfreien Innerlichkeit in den Tiefen der Natur und Intertextualität nachspürenden Poemen der preiseabräumenden Gegenwartspoesie von Jan Wagner über Nora Bossong, Ann Cotten und Nico Bleutge bis Esther Kinsky will sich dieses Buch gar nicht messen. Es zielt auf den Alltag. Und trifft.

Warum etwa wird uns unwohl, wenn wir an Friedhöfe denken? Doch nicht aus Todesangst, sondern aus Furcht, dass sich wieder mal nichts ändern wird - und wir uns diese galoppierenden Mieten nicht lange leisten werden können. "Tot wird genausotrifiziert", heißt das bei Hürtgen genial knapp: "Wer haust, wird ausgenommen." Der Weg in jenes Luxusquartier ist übrigens kürzer als gedacht, wie uns die "Angst vor Konservativen" deutlich macht. Eben hasste man sie noch, die "schon als Rentner auf die Welt" Gekommenen, da entfleucht uns bereits der kindliche Idealismus, beginnt die Verwandlung: "Gesagtes wird dir gönnerhaft vergeben / Sie warteten die ganze Zeit auf dich. / Du überkompensierst, musst fortan leben, / Als Toter, als ihr Fürst von Metternich."

Hin und wieder wird es, zugegeben, etwas schlicht. Vor Sex, Internet oder Spinnengekrabbel - grob gesehen ein und dasselbe - ließe sich wohl etwas origineller fürchten, auch autoreferentielle Schreibszenenscherze mit verkorksten Reimen gibt es längst genug, aber dann wieder gelingt es dem Autor, das graue, leere, kleine Leben, das schon ganze Generationen ins Depressive und hernach Eruptive niederdrückte, verlustlos in vier Verse zu verpressen: "Der Alltag: Amtsgang, wenig Sex / Und tausend Arschgesichter / Du bist nichts als ein fader Klecks, / Er ist dein Herr und Richter." Ganz so weit entfernt ist das gar nicht von Hölderlins "Lebenslauf", dem "Größers wolltest auch du".

Was wiederum könnte an Stränden zu Panikattacken uns reizen? Der Sand natürlich, aber das nicht aufgrund seiner Tücke: "Es ist ja bloß ein Sediment", genauer gesagt: "Nur Sand halt." Und doch ist da eine Mulmigkeit, die der Psychologe Hürtgen dingfest zu machen versteht: "Gefährlich ist allein die Zahl / Der Körner." Die Kapitulation des Individualismus nämlich wohnt ihnen inne: "Denn wer die Zahl nur denkt, geht drauf / Den nimmt der Teufel höchstselbst auf / die Hörner." Oft springt uns das Überraschende erst in den letzten Zeilen an, wenn etwa klar wird, was die Zimmerpflanzen - "Ihr Plan entstand vor langer Zeit / Sie wollten in die Stuben" - eigentlich im Schilde führen. Es ging ihnen gar nicht nur darum, sich bequem wässern zu lassen, wir erfahren vielmehr: "Dass sie die Menschheit hassen". Kräfte wollen sie schöpfen, entsteigen dann den Töpfen: "uns zu köpfen". Während man darüber noch grinst und der Grünlinie so etwas tatsächlich zutrauen würde, merkt man, dass Hürtgen uns böse eine Parabel über Xenophobie untergeschoben hat, in der wir die Arschgesichter sind.

Noch ein Augenöffner sei erwähnt: das Hausstaub-Gedicht, das an Profundes rührt. Staub sind wir, soweit ist die Sache klar, aber haben wir uns je als Schuppen oder Schamhaar in den Ritzen postum weitervermieteter Wohnungen betrachtet? Niemals geht man so ganz, heißt das: "zu Haus / Leb ich als Staubmaus weiter". Hürtgen weist so dezent auf einen ungeheuren Übersetzungsfehler hin: ". . . und zur Staubmaus wirst Du werden", muss es richtig heißen in 1. Mose 3,19. Und plötzlich fällt alles an seinen Ort: Deshalb ja auch die Sache mit der Schlange. Denn was fräßen Schlangen lieber als Mäuse? Wir sterben gar nicht, verwandeln uns bloß, vermausen in den Ecken. Das Abendland muss umgedichtet, buddhistisiert werden. Und nur einer hat's gemerkt. Chapeau.

Mit der Chuzpe der Fast-noch-Jugend (Hürtgen ist dreißig) wird hier ins Leben gegriffen, "würdig" auf "würd ich" auf "erwürg ich" gereimt (Gernhardt siegt, Metternich siecht) oder die uns alle plagende Entscheidungsschwäche erschütternd lebensnah ausgemalt: "Die Fritten heute mal nur rot / Statt täglich Pommes Schranke? / Wer Majo liebt, ist früher tot. / Ein früher Tod? Nein danke. / Ach wo! Was ist schon einmal mehr? / . . ." Was der krachlustige, potzblitzgescheite, vom "Titanic"-Kollegen Leo Riegel knallig in kaiserlichem Schwarzweißrot illustrierte Band zudem enthält, ist ein wuchtiges Gedicht gegen den Freie-Märkte-Liberalismus, von dem sich die FDP schlechterdings nicht mehr wird erholen können. Aber das müssen Sie selbst lesen.

OLIVER JUNGEN

Moritz Hürtgen: "Angst vor Lyrik". Mit Bildern von Leo Riegel.

Verlag Antje Kunstmann, München 2019. 144 S., geb., 16,- [Euro].

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