Rezension von Arno Geiger, Anna nicht vergessen, Hanser 2007, 250 Seiten, ISBN 978-3-446-20911-4
Mit dem Roman „Es geht uns gut“ feierte der 1968 geborene österreichische Schriftsteller Arno Geiger vor zwei Jahren einen großen Erfolg, der ihm in der Kritik die allerbesten Noten und den deutschen
Buchpreis für den besten Roman 2005 einbrachte.
In der Zwischenzeit, wohl bis der nächste Roman…mehrRezension von Arno Geiger, Anna nicht vergessen, Hanser 2007, 250 Seiten, ISBN 978-3-446-20911-4
Mit dem Roman „Es geht uns gut“ feierte der 1968 geborene österreichische Schriftsteller Arno Geiger vor zwei Jahren einen großen Erfolg, der ihm in der Kritik die allerbesten Noten und den deutschen Buchpreis für den besten Roman 2005 einbrachte.
In der Zwischenzeit, wohl bis der nächste Roman fertig geworden ist, präsentiert der Hanser Verlag einen ansehnlichen Band von Erzählungen Arno Geigers, die in den letzten Jahren entstanden sind.
Sie erzählen alle von Menschen unserer Zeit; Frauen und Männer, jungen und alten, die auf ihre je eigene Weise, mit den Untiefen des Lebens konfrontiert, versuchen mit dem selben fertig zu werden. Geiger beschreibt ihre Hoffnungen und Sehnsüchte, spürt ihren oft verzweifelten Versuchen nach, am Leben zu bleiben, das heißt, ihrer Existenz irgendeinen, und wenn auch noch so kleinen, Sinn abzugewinnen.
Wie ein langes dreistrophisches Gedicht sind die zwölf Erzählungen zu je vier in Gruppen geordnet: „Tage“, „Jahre“ und „Leben“ – die Überschriften der Teile deuten an, welchen Blickwinkel die einzelnen Erzählungen auf das Leben bzw. einen bestimmten Lebensabschnitt der Menschen einnehmen, von denen sie erzählen.
Da ist in der ersten Erzählung „Anna nicht vergessen“, die dem Buch seinen Titel gab, Ella, die mit ihrer Tochter Anna zusammen lebt und ihren Lebensunterhalt damit bestreitet, daß sie im Auftrag eines Detektivunternehmens versucht Männer zu verführen. Ehefrauen oder Partnerinnen, die Zweifel an der Treue und Zuverlässigkeit ihrer Männer haben, erteilen Ella den Auftrag, sich mit dem Mann zu verabreden bzw. ihn zufällig irgendwo zu treffen und ihm ziemlich bald eindeutige Avancen für ein sexuelles Abenteuer im Bett zu machen. Wenn genug belastendes Tonmaterial auf dem mitgeführten Recorder aufgenommen ist, sucht Ella schnell eine Toilette auf und dann das Weite. Sie kehrt wieder nach Hause zurück, wo ein kleines Mädchen sehnsüchtig auf ihre Mutter wartet, der auch die vielen Merkzettel „Anna nicht vergessen“ überall in der Wohnung nicht wirklich helfen, sich auf das zu konzentrieren, was ihr doch am nächsten sein sollte.
Da wird erzählt von den letzten Stunden, die der junge Lukas in Berlin verbringt, bevor er, abgebrannt und desillusioniert, nach Wien zurückkehrt. Geiger schildert meisterhaft, wie sich ein mögliches gelingendes Leben, die Umsetzung eines Traumes, gestalten könnte. Denn eine Ahnung davon, wie es sein könnte, oder sollte in ihrem Leben, das haben sie alle, auch die vielen anderen Menschen, deren Tage, Jahre und Leben in diesem schönen Erzählungsband geschildert werden; sie alle haben eine Vorstellung davon (gehabt) , was sie mit und aus ihrem Leben machen wollten, und doch haben sie sich in den Alltag von einengenden und krankmachenden Beziehungen eingerichtet und gehen langsam daran zugrunde.
Arno Geigers Geschichten sind eigen; sie werfen einen Blick auf die Schattenseiten menschlicher Existenz, auf die oft armselige Dürftigkeit mancher Lebensalltage. Ihre Sprache ist ansprechend; man ahnt, weshalb dieser Schriftsteller für seinen immer noch lesenswerten Roman 2005 ausgezeichnet wurde. Warten wir gespannt auf seinen nächsten