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Es gibt also noch wirkliche Heldinnen, ganz ohne Anführungszeichen, denen man auf der Straße begegnen, mit denen man reden, die man kennenlernen kann? In Südfrankreich lebt Anne Beaumanoir, genannt Annette, eine lebhafte Frau mit lichtblauen Augen. Mitglied der kommunistischen Résistance, »Gerechte unter den Völkern «, Neurologin, engagiert auf der Seite der algerischen Unabhängigkeitsbewegung, verurteilt zu zehn Jahren Haft, nach einer abenteuerlichen Flucht beteiligt am Aufbau des algerischen Gesundheitssystems ... und heute 96 Jahre alt. So ihr Leben in ein paar Worten. Wie aber von…mehr

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Produktbeschreibung
Es gibt also noch wirkliche Heldinnen, ganz ohne Anführungszeichen, denen man auf der Straße begegnen, mit denen man reden, die man kennenlernen kann? In Südfrankreich lebt Anne Beaumanoir, genannt Annette, eine lebhafte Frau mit lichtblauen Augen. Mitglied der kommunistischen Résistance, »Gerechte unter den Völkern «, Neurologin, engagiert auf der Seite der algerischen Unabhängigkeitsbewegung, verurteilt zu zehn Jahren Haft, nach einer abenteuerlichen Flucht beteiligt am Aufbau des algerischen Gesundheitssystems ... und heute 96 Jahre alt. So ihr Leben in ein paar Worten. Wie aber von Annettes Sehnen und Trachten, von ihren Zweifeln und Heldentaten erzählen? Müssten diese nicht besser gesungen werden?
Autorenporträt
Die Schriftstellerin und Übersetzerin Anne Weber wurde in Offenbach geboren und lebt seit 1983 in Paris. Ihre Werke wurden mehrfach ausgezeichnet. Die höchste Ehrung erhielt sie für "Annette, Ein Heldinnenepos", für das Sie mit dem Deutschen Buchpreis gewürdigt wurde.
Rezensionen
Das Epos, eine in erzählenden Versen verdichtete Biografie, ist genau die richtige Form der Hommage an eine Frau, die sich konsequent für das ihr richtig erscheinende entschieden hat. (...) Für alles das gebietet Anne Weber über eine Sprache und über Stilmittel, die bezaubern, überzeugen und der Heldin dieses modernen Epos so gerecht werden, wie es Worte überhaupt können. Harald Loch Die Rheinpfalz 20200612

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.07.2020

Die besten Seiten des Sommers
Lied für
eine Heldin
Anne Beaumanoir kam 1923 in einem bretonischen Fischerdorf zur Welt. In der Schule beobachtete sie zwei strebsame Mädchen, die nebeneinander in der ersten Reihe saßen. Immer wieder bestraften die Lehrer das Mädchen aus der armen Familie für die gleichen Vergehen härter als die Tochter aus gutem Hause. Anne Beaumanoir wurde Kommunistin, schloss sich während der deutschen Besatzung der Résistance an, schmuggelte Juden aus dem besetzten Paris und lebte nach Kriegsende einige Zeit in der Überzeugung, das Gute habe gewonnen. Zwanzig Jahre später dann die Ernüchterung, als sie merkt, wie Frankreich im Unabhängigkeitskrieg in Algerien auftritt. Auf einmal waren die Franzosen die Imperialisten. Beaumanoir wechselt die Seiten, geht wieder in den Untergrund, dieses Mal gegen ihr eigenes Land. Wieder führt sie den gerechten Kampf, wieder gewinnt sie und wieder folgt die Ernüchterung: Die sozialistische Utopie, die sie in Algerien mit aufbauen wollte, kippt schnell in eine Militärdiktatur. Heute ist Anne Beaumanoir 96 Jahre alt und lebt in einem südfranzösischen Dorf. Dort ist ihr die deutsche Schriftstellerin Anne Weber über den Weg gelaufen und hat ein Buch über dieses Leben geschrieben, das keine Biografie ist, sondern große Kunst.
FELIX STEPHAN
Anne Weber:
Annette, ein
Heldinnenepos.
Matthes & Seitz,
Berlin 2020.
208 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2020

Annette aus der Bronx
Der Buchpreis für Anne Weber feiert die Renaissance des Versepos

Als Anne Weber am Montagabend den Deutschen Buchpreis für "Annette, ein Heldinnenepos" erhielt, war das nicht nur die Entscheidung für ein fabelhaftes Werk. Es war auch ein Signal. Die Jury, satzungsgemäß angetreten, um den besten Roman des Jahres zu küren, entschied sich unter 187 eingereichten Titeln ausgerechnet für ein Versepos. Für eine Gattung also, die der des Romans eigentlich schroff gegenüberzustehen scheint - hier Lyrik, dort Prosa, vereinfacht gesagt. Wer mit seiner Entscheidung diesen Graben überbrücken will, muss mit dem Anschein rechnen, in Fragen der epischen Form hinter zweihundert Jahre Literaturgeschichte zurückzugehen. Wenn er sich nicht sogar im Mittelalter wiederfindet.

Denn wer um das Jahr 1200 in Europa episch von fiktiven Dingen erzählte, wer von Helden wie Erec, Iwein, Parzival oder Tristan berichtete, der tat dies in der Regel in gebundener Rede: "Ein ritter sô gelêret was / daz er an den buochen las / swaz er dar an geschriben vant / der was Hartmann genant", so rustikal beginnt etwa der "Arme Heinrich" des mittelhochdeutschen Dichters Hartmann von Aue. Und auch wenn die Versmaße bald ausgefeilter wurden, wenn Dante bald nach 1300 für seine "Göttliche Komödie" die Terzine und Torquato Tasso im 16. Jahrhundert für sein "Befreites Jerusalem" die Ottaverime wählte, löste der in Prosa verfasste Roman im Grunde erst im 19. Jahrhundert das Versepos endgültig als geläufigste Form des fiktionalen Erzählens ab. In der langen Zeit des Übergangs entstanden immer mehr parodistische Epen, die sich von der Stoffgeschichte abgrenzten, aber die Form beibehielten - am schönsten vielleicht Karl Immermanns komisches Heldenepos "Tulifäntchen" (1830), das von einem ebenso winzigen wie tapferen Möchtegern-Ritter erzählt, der - wie die versepische Form - nicht mehr recht in seine biedermeierliche Gegenwart passt, die Immermann hellsichtig mit den ersten Dampfrobotern der Literaturgeschichte bevölkert.

Wer von da an noch Versepen schrieb, zielte entweder auf vergangene Zeiten (wie Tennyson mit seinem Artus-Zyklus) oder dichtete in parodistischer Absicht, als modern galt er jedenfalls nur in seltenen Fällen. Als Thomas Mann mit seinem "Erwählten" seit 1948 den "Gregorius" des Hartmann von Aue neu erzählte, gab er ihm ein Vorwort mit, in dem er sich deutlich von der Versform der Vorlage abwandte, und fragt, ob Verse wie etwa "Es war ein Fürst, nommé Grimald, / der Tannewetzel macht' ihn kalt. / Der ließ zurück zween Kinder klar, / Ahî, war das ein Sünderpaar" tatsächlich eine "strengere Form" wären "als die grammatisch gediegene Prosa, in der ich jetzt sogleich meine Gnadenmär vortragen" werde. Das Versepos, so schien es Mitte des 20. Jahrhunderts, hatte mit der Gegenwartsliteratur so gut wie nichts mehr zu tun. Schon gar nicht als Form für literarische Heldenverehrung.

Ist Anne Webers "Annette" also völlig aus der Zeit gefallen, als Exponent einer seit Jahrzehnten beerdigten Gattung? Irritierenderweise häufen sich spätestens seit der Jahrtausendwende die Beispiele für einen neuen, produktiven Umgang mit der gebundenen Form als Mittel, eine Geschichte zu erzählen. Und dies oft genug als Bericht aus der Gegenwart.

Bereits in den siebziger Jahren erschienen die ersten Bände von Aras Örens türkischen Versromanen aus Deutschland, die jüngst als "Berliner Trilogie" neu erschienen sind. Sie erzählen kalkuliert und nüchtern aus dem Leben von Arbeitsmigranten, die sich in West-Berlin durchschlagen und dabei von Erinnerungen an die alte Heimat überfallen werden: "Am Halleschen Tor stieg er aus der U-Bahn, / ging über den Kanal, / zur Praxis von Dr. Ümit Sayim. / Am Zoogeschäft an der Ecke, / als er die weißen Mäuse sah, / hat er sich erinnert an den Tretmühlgaul, / daheim im Gemüsefeld, die Augen verbunden, / das quietschende Rad mit den Wassereimern, / und er, Sabri San, barfuß, kahlgeschoren, / der mit einem Stock / den Arsch des Gauls peitscht."

Hier wie in anderen modernen Romanen in freien Versen wird die umgebende Welt wie in Schnappschüssen festgehalten, die nebeneinander ein Panorama ergeben. Deutlich wird aber schon hier, dass die lyrische Form auf eine Distanz zwischen dem Dargestellten und dem Leser abzielt, dass man die Eindrücke der Protagonisten wie hinter einem leichten Schleier und jedenfalls nicht als selbstverständlich wahrnimmt. Umgekehrt lässt sich auf diese Weise etwa in Anne Carsons ungleich kunstfertigerem Roman "Rot", erschienen zunächst 1998 und erweitert 2013, auch eine mythologische Figur, hier der Herakles-Gegner Geryon, in die Gegenwart versetzen und weiterhin als Fremden zeichnen, auch der Roman "Allein das Meer" von Amos Oz, der lyrische Passagen mit Prosa mischt, entwickelt ein panoramatisches Bild aus dem Israel der Romangegenwart, aber wie aus leicht erhöhter Warte heraus betrachtet.

Bücher wie Christoph Ransmayrs Versroman "Der fliegende Berg" von 2006 dagegen stellen ein anderes Element heraus, das ebenfalls mit dieser Form verbunden ist: Es ist die Nähe zur gesprochenen, also vorgetragenen Sprache, die man in dieser Berg- und Brüdergeschichte lesend ständig zu hören meint: "Mein Atem rasselte, aber er reichte / meine Schritte waren langsam, aber unbeirrbar / und konnten mich noch höher (wie ich dachte), / viel höher führen."

Vollends geläufig aber ist die Form des Versromans inzwischen in der Jugendliteratur. Ausgerechnet hier, wo mancher gern vor allem Konvention vermutet, weil er jungen Lesern nur wenig zutraut, finden sich die aufregendsten Beispiele - Sarah Crossans Migrationsroman "Die Sprache des Wassers" etwa, der von einer jungen Schwimmerin erzählt, Ellen Hopkins' Drogenroman "Crank", der voller verstörender Leerstellen ist, Jason Reynolds' "Long Way Down", der Bericht von einer Rache im Gangmilieu, und vor allem Elizabeth Acevedo mit ihrem Roman "Poet X", der seine Form durch seinen Inhalt erklärt: Er stellt den Bericht der jungen Xiomara dar, deren Mutter aus der Dominikanischen Republik stammt und ihre Tochter im Sündenpfuhl New York mit harter Hand vor allem Übel bewahren will. Im Spoken Word Poetry Club in der Schule entdeckt sie schließlich ihre eigene Stimme, und das vorliegende Buch ist der auf diese Weise verfasste Bericht dieser Befreiung.

Auch dies ein Heldinnenepos, und in manchem vergleichbar mit Anne Webers "Annette". Zum Beispiel darin, dass eine solche Form einer schweren Geschichte Leichtigkeit und Würde zugleich verleihen, Unmittelbarkeit des Erlebens und Distanz zum Augenblick hervorbringen kann. Mag sein, dass diese Auszeichnung für Anne Weber den Blick auch dafür schärfen kann.

TILMAN SPRECKELSEN

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Für Rezensent Alexander Cammann ist Anne Webers Versepos über die Résistance-Heldin Anne Beaumanoir ein Hoffnungsschimmer am Horizont und Triumph des Kunstwillens. So wandlungsfähig Cammann die Autorin, so außergewöhnlich der Stoff und so experimentell ihm das Buch erscheint, so abenteuerlich und "hochspannend" gestaltet sich für ihn die Lektüre. Dass die Verse sich auch noch leicht lesen lassen und Beaumanoir ganz ohne Verklärung als postheroische Heldin aus diesem Gesang aufersteht, hält Cammann für groß.

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