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Autorenporträt
Wolfgang Büscher, geboren 1951, hat für die "Süddeutsche Zeitung", "Geo" sowie die "Neue Zürcher Zeitung" geschrieben und das Ressort Reportage bei der "Welt" geleitet. Heute ist er Autor der "Zeit". Wolfgang Büscher erhielt zahlreiche Preise, unter anderem den Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik, den Wilhelm-Müller-Literaturpreis, den Theodor-Wolff-Preis sowie den Johann-Gottfried-Seume-Literaturpreis und 2006 den Ludwig-Börne-Preis.

Ulrich Noethen, 1959 in München geboren, Absolvent der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, begann seine Schauspielkarriere 1985 am Freiburger Theater. Nach zwei Jahren im dortigen Ensemble arbeitete er unter anderem am Schauspiel Köln, an der Staatlichen Schauspielbühne Berlin und am Staatstheater Stuttgart. Anfang der 90er Jahre wechselte er zum Fernsehen und spielte u. a. in "Tatort". Seitdem war er in Kinofilmen sowie in unzähligen TV-Produktionen zu sehen. Er wurde mit dem Goldenen Löwen, der Goldenen Kamera, dem Bayerischen Filmpreis, dem Bundesfilmpreis und dem Preis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2008

Diese Sonne glüht nicht franziskanisch

Es muss nicht immer Deutschland sein: Wolfgang Büscher bereist Asien, hat sein Lebensthema aber auch hier immer parat.

Von Hannes Hintermeier

Es gibt die Theorie, dass ein Schriftsteller im Grunde immer nur ein Buch schreibt. Wenn sie zuträfe, hätte sie etwas sehr Bequemes, weil dann die Produktenttäuschung ausbliebe. Und das nicht nur beim Publikum, sondern merkwürdigerweise auch bei der Kritik, denn die ist häufig genauso wenig frei von solchen Gedanken. Sie will wie der gewöhnliche Kunde im Supermarkt gleichbleibende Qualität bei immergleichem Inhalt. Von dieser Kundenzufriedenheit leben weite Teile der belletristischen Produktion, zum Beispiel jener riesige graue Markt von historischen Romanen. Die Verlage wissen genau, welche Jahrhunderte gerade ,gehen' und welche auf keinen Fall.

In eine solche Produktschiene sähe mancher Kritiker gern den Wanderkönig Wolfgang Büscher gedrängt. "Du bist Deutschland!", ruft man ihm tadelnd zu, bleib bei und mit deinen Leisten auf deutschem Boden. Aber Büscher, im Zivilberuf Redakteur der Wochenzeitung "Die Zeit", hat sich Auszeiten in Asien genommen. Und den Deutschland-Begriff hat er in seinen anderen Büchern ohnehin schon stark gedehnt, über den Ural hinaus. Nun also ein schmales Bändchen mit Reiseberichten, der Titel ist eine Verkaufsbremse. "Asiatische Absencen" können und wollen gar nicht mit "Berlin - Moskau" konkurrieren, denn sie sind Fluchten aus dieser teutonischen Festlegung; wann sie stattfanden, verrät uns der Autor höchstens in Andeutungen, ob es nachgereichte Stücke aus der Schublade sind oder frisch erlebte, das soll bewusst keine Rolle spielen. Fünf Geschichten sind versammelt, die längste davon umfasst knapp sechzig Seiten.

"Ein Nachmittag in Indien" zeigt den Autor inmitten eines Fieberschubs durch Nordindien reisend. Unter anderem landet er im Palast eines Maharadschas, der einer Affenhorde auf der Sitar ein Konzert gibt. In "Mekong Mama" entführt ihn ein enigmatischer Fremder erzählend in die Kriegstage von Phnom Penh, in denen er als Jäger und Sammler der Roten Khmer die leere Stadt durchstreifte. Zusammen mit einem vom Gott Shiva faszinierten Ethnologen begibt sich Büscher nach Nepal, um den Spuren von Schamanen zu folgen - was ihm auch eindrucksvoll gelingt. Auf einem viertausend Meter hoch gelegenen Plateau erreicht er eine Kultstätte, und wenngleich er persönlich keinen Kontakt zu Shiva findet, macht er nach seiner Rückkehr aus Wolkenbänken und Entrücktheit der Schamanin Mai auf Knien einen Heiratsantrag. "Man verliebt sich immer in die erste Schamanin", tröstet ihn sein Begleiter. Das sind Szenerien, die weit weg sind von den Exotismen großdeutscher Provinz.

Mit der Exotik ist es nun so eine Sache: Sie fordert den ganzen Schriftsteller, schon die Abbildung des Alltags ist um so viel schwieriger, weil die Bezugsgrößen zur westlichen Lebensform fehlen. Aber der Autor durchlebt eben keinen falschen Film, sondern eine Welt, die sehr viel mehr Ebenen und Daseinsformen kennt als die unsere. Kredit hat dort eine andere Bedeutung: Es ist ein Vorschuss auf die Bereitschaft, sich auf etwas einzulassen, das einen zweifellos verändern wird - in welche Richtung auch immer. Riskant schmal ist der Grat, auf dem dies erzählerisch bewältigt werden kann. Das ist Wolfgang Büscher ebenso bewusst wie der Umstand, dass er jetzt in der Chatwin-Liga spielen muss. Da verkrampft man leicht einmal. Das macht sich gelegentlich in einer Bildsprache bemerkbar, die zu wenig variiert, immer wieder "drischt" der Regen auf die Kreaturen ein.

Hier forscht ein deutsches Gewissen nach dem Moment.

Literatur muss werden, was Reise war. Fünf Sorten Reisende unterscheidet Nietzsche, erster und niedrigster Grad "sind solche, welche reisen und dabei gesehen werden - sie werden eigentlich gereist und sind gleichsam blind; die nächsten sehen wirklich selber in die Welt; die dritten erleben etwas infolge des Sehens; die vierten leben das Erlebte in sich hinein und tragen es mit sich fort; endlich gibt es einige Menschen der höchsten Kraft, welche alles Gesehene, nachdem es erlebt und eingelebt worden ist, endlich auch notwendig wieder aus sich herausleben müssen, in Handlungen und Werken, sobald sie nach Hause zurückgekehrt sind."

Die eindrückliche Geschichte "Der Kricketspieler" kommt zunächst wie die planste und banalste daher. Sie spielt Mitte der neunziger Jahre; der Autor wartet in Dubai auf einen Supertanker, der ihn aufnehmen und mit an seinen Zielort Singapur befördern soll. Nach Mitternacht erhält er einen Anruf, dann fährt man ihn zur Küste Omans. In schwärzester Nacht wird er mit einem kleinen Motorboot auf die arabische See hinausgefahren, wo das Schiff für ihn bremst, das nicht zu sehen ist. Da erscheint ein rotes Zeichen, eine "frische Schweißnaht am Himmel, gezackt. Ich starrte sie an, bis ich begriff: Das Gezackte war eine Kammlinie, das waren Berge. Und das Rote war die aufgehende Sonne hinter den Bergen von Oman. Nichts an diesem Aufgang war rosenfingrig, nichts franziskanisch. Arabiens Sonne war nicht der freundliche Stern unserer Lieder. Sie war nackte, glutrote Gewalt. Jetzt schoß der Glutball herauf, wütend, der Schrecken der Welt. Seine Despotie war in Minuten errichtet, alles beugte den Nacken, bedeckte sich."

Es fällt schwer, sich Wolfgang Büscher als glücklichen Menschen vorzustellen, jedenfalls in jenem unbekümmerten Sinn, in dem angelsächsische Reisende die Welt erobern, indem sie mal eben beschließen, einen kurzen Spaziergang im Hindukusch zu unternehmen. Hier forscht deutsches Gewissen - und es gräbt tief, Humor oder gar Selbstironie kennt diese Selbsterforschung nicht, wohl aber ein uraltes Verlangen: "Eine Sehnsucht faßte mich an, hier zu sein, nur immer hier. Wunsch nach Dauer. Nach Land. Nach Tagen, die enden wie dieser, in diesem roten Königslicht."

Die erzählerische Ökonomie paart sich mit dieser sehr grundsätzlichen Ernsthaftigkeit und lässt dennoch Raum für bloß Angedeutetes. Der leichte Übergang in einen Trancezustand, den man der Absence als Symptom der Epilepsie in der Antike nachsagte, versöhnt mit dieser Schwere: Wolfgang Büscher wird seinem Lebensthema nicht entkommen, er hat es immer im Gepäck. Aber wie er es schultert, ist auch diesmal ein Schauspiel für sich.

Wolfgang Büscher: "Asiatische Absencen". Rowohlt Berlin, Berlin 2008. 159 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sein Lebensthema, das ahnt der Rezensent, nimmt der Verfasser dieser Reiseberichte immer mit, egal, wohin die Reise geht. Dass Wolfgang Büschers Thema kein allzu seichtes ist, sondern mit dem urdeutschen, eher hurmorfreien Topos der Sehnsucht zu tun hat, stellt Hannes Hintermeier mit regelrechter Erleichterung fest. Wer so in die Welt, hier gen Asien, reist, um auf nepalesische Schamaninnen zu treffen oder über Oman eine gewalttätige Sonne aufgehen zu sehen, legt Hintermeier nahe, schafft es womöglich auch, der bloßen Exotik Vielschichtigeres abzugewinnen. Dass der Grat solchen Erzählens schmal ist und die "Chatwin-Liga" weit, weiß Hintermeier und sieht über gelegentliche bildsprachliche Verkrampfungen des Autors darum großzügig hinweg. Ansonsten nämlich herrscht "erzählerische Ökonomie" gepaart mit "grundsätzlicher Ernsthaftigkeit" plus Platz für "bloß Angedeutetes".

© Perlentaucher Medien GmbH