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The award-winning poet Anne Carson reinvents a genre in Autobiography of Red, a stunning work that is both a novel and a poem, both an unconventional recreation of an ancient Greek myth and a wholly original coming-of-age story set in the present. Geryon, a young boy who is also a winged red monster, reveals the volcanic terrain of his fragile, tormented soul in an autobiography he begins at the age of five. As he grows older, Geryon escapes his abusive brother and affectionate but ineffectual mother, finding solace behind the lens of his camera and in the arms of a young man named Herakles, a…mehr

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Produktbeschreibung
The award-winning poet Anne Carson reinvents a genre in Autobiography of Red, a stunning work that is both a novel and a poem, both an unconventional recreation of an ancient Greek myth and a wholly original coming-of-age story set in the present. Geryon, a young boy who is also a winged red monster, reveals the volcanic terrain of his fragile, tormented soul in an autobiography he begins at the age of five. As he grows older, Geryon escapes his abusive brother and affectionate but ineffectual mother, finding solace behind the lens of his camera and in the arms of a young man named Herakles, a cavalier drifter who leaves him at the peak of infatuation. When Herakles reappears years later, Geryon confronts again the pain of his desire and embarks on a journey that will unleash his creative imagination to its fullest extent. By turns whimsical and haunting, erudite and accessible, richly layered and deceptively simple, Autobiography of Red is a profoundly moving portrait of an artist coming to terms with the fantastic accident of who he is.
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Autorenporträt
Anne Carson was born in Canada and teaches ancient Greek for a living. Her awards and honors include the Lannan Award, the Pushcart Prize, the Griffin Trust Award for Excellence in Poetry, a Guggenheim fellowship, and the MacArthur Genius Award.
Rezensionen
Anne Carson is, for me, the most exciting poet writing in English today. Autobiography of Red is a wonderful, mongrel work, a strange and ambitious bridge between classical texts and contemporary autobiographical poetry

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2001

Wenn Wörter machen, was sie wollen
Anne Carsons glühende Antike / Von Felicitas von Lovenberg

Dem Mythos zufolge besaß der Riese Geryon auf der Insel Erythia im Meerbusen von Gadira eine Herde schöner rotbrauner Rinder, die zu hüten ein weiterer Riese und sein zweiköpfiger Hund ihm halfen. Geryon selbst wird unterschiedlich beschrieben, mal heißt es, er habe "drei Leiber, drei Köpfe, sechs Arme und sechs Füße" gehabt, dann wieder soll er mit zwei Köpfen und Flügeln ausgestattet gewesen sein. Herakles kam nach Erythia, erschlug den doppelköpfigen Hund und den gewaltigen Rinderhirten mit seiner berühmten Keule und tötete Geryon mit einem Pfeil. Nach dieser, der zehnten seiner zwölf legendären Aufgaben nahm Herakles, wie ihm von Eurystheus geheißen, die Rinder des Geryon und trieb sie quer durch Europa nach Griechenland.

Diese Begebenheit wäre uns nicht so anschaulich überliefert, hätte es nicht Stesichoros gegeben, der, ausgehend vom Geryoneus-Abenteuer, im sechsten Jahrhundert mit seinen Liedern zur Neugestaltung des Herakles-Mythos beitrug. Denn in seinen Dichtungen, von denen nur Fragmente überliefert sind, erscheint die mythische Welt nicht mehr nur als heroisch und vorbildlich, sondern wird in einer zuvor nicht gekannten Gebrochenheit geschildert. Aus Geryons Sicht wird die Brutalität beschrieben, mit der Herakles raubend und mordend über seine Insel herfällt - und plötzlich erkennt man in der vermeintlichen Heldentat des Zivilisationsbringers den zeitlosen Topos von Invasion und Kolonisation. Der merkwürdige Geryon, dessen Anderssein die Hellenen als Zeichen seines Barbarentums auslegten, wird bei Stesichoros zu einer tragischen Figur - und damit letzlich zur Hauptperson.

Bei aller Radikalität des Blicks war Stesichoros jedoch auch ein "Chorordner", dessen Gesang einem (triadisch) genau strukturierten Ablauf folgte. Die Kanadierin Anne Carson dagegen unterwirft sich keinen solchen Zwängen, wenn sie in ihren poetischen Essays die Metamorphosen der antiken Stoffe feiert. Carson ist nicht nur eine gefeierte Lyrikerin der englischsprachigen Gegenwartsliteratur, sondern auch passionierte Classics-Professorin an der McGill Universität in Montréal. Sie weiß also, mit wem sie es zu tun hat, wenn sie sich zur Komplizin des Stesichoros macht. Und in ihrem Fall kann man feststellen: Nur wer seine Vorbilder genau kennt, darf den Mut aufbringen, diese nachzuahmen und zugleich etwas Neues zu schaffen - ohne sich dabei zu blamieren. Für Anne Carson existiert keine Trennung zwischen Antike und Moderne, und so muß sie diese Hürde auch nicht nehmen. Mit ihrem 1998 erschienenen Versroman "Autobiography of Red" wurde sie in ihrer Heimat endgültig zur gefeierten lyrischen Instanz. Jetzt liegt er unter dem Titel "Rot" auch in deutscher Sprache vor.

Ein Versroman ist heute nicht mehr dazu angetan, Leserscharen anzuziehen, auch wenn sich um diese antike Form des Epos, die lange als Ideal der Dichtung galt, längst eigenständige nationale Traditionen ranken. Das, was Georg Lukács einmal als Darstellung "extensiver Totalität" beschrieb, dient seit der Antike als anspruchsvolles dichterisches Mittel, um das eigene Weltbild zu erforschen. Anne Carson hat die Form des Versromans gewählt, um den Geryon-Mythos neu zu erzählen. Entstanden ist ein furioser lyrischer Gesang von zeitloser Modernität.

"Geryon war ein Monster alles an ihm war rot": So beginnt die Geryoneis des Stesichoros, der, wie Carson gleich zu Beginn in charakteristischer Unverfrorenheit bemerkt, "nach Homer und vor Gertrude Stein" kam: "eine schwierige Zeit für einen Dichter". Damit der moderne Leser überhaupt einschätzen kann, was das bedeutet, entführt sie ihn gleich in die phantastische Welt des Stesichoros - mit ihrer eigenen Übersetzung von Fragmenten seiner Geryoneis. Stesichoros habe mit seiner Sprache "das Sein" frei gelassen, tönt sie, denn er habe gewußt: "Wenn man sie läßt, tun Wörter, was sie wollen und was sie müssen." Darauf vertraut auch Carson, die mit Worten nicht eben zimperlich umgeht. Die der grandiosen Stesichoros-Bruchstücke hat sie verinnerlicht, um die Essenz seiner Geryoneis in einen radikal zeitgenössischen Kontext zu versetzen.

Bei Carson tötet Herakles Geryon nicht, sondern er bricht ihm das Herz. "Rot" erzählt die Geschichte von Geryons Kindheit und Jugend. Wir sehen ein Kind, das sich den Weg zur Schule nicht merken kann und als Dummkopf verspottet wird, das der ältere Bruder sexuell mißbraucht und das mit verzweifelter Liebe an der Mutter hängt. "Irgendwie schaffte es Geryon ins Jugendalter": Aus dem spätentwickelten Kind wird in der Pubertät ein Außenseiter, der sich in den charismatischen, rücksichtslosen Herakles verliebt, von ihm jedoch nach einer kurzen, heftigen Liebesgeschichte verlassen wird. Carson hat Geryon die Flügel gelassen und seine rote Farbe, doch erscheint er bei ihr eher als Sonderling denn als Monster. Genau wie Stesichoros geht es ihr darum, daß Geryon anders ist - und um die Reaktionen seiner Umwelt auf dieses Anderssein. Ganz beiläufig werden so auch unsere eigenen Auffassungen von Monstrosität auf die Probe gestellt. Carson ist eine Verbündete von Stesichoros in ihrem Glauben, daß es viele unterschiedliche Daseinsformen gibt, auf die man sich nur einlassen muß, um sie ganz natürlich finden zu können.

Der fragmentarische Charakter des Vorbilds bleibt gewahrt. In kurzen Kapiteln schildert Carson in freien Versen einzelne, meist unzusammenhängende Begebenheiten aus Geryons Leben, die uns ebenso einen Eindruck von ihm geben wie Stesichoros' Bruchstücke. Der kleine Geryon spricht wenig. Er beobachtet die Welt um sich herum und beginnt gleich, nachdem er endlich schreiben gelernt hat, seine Autobiographie: "Geryon war ein Monster alles an ihm war rot". Die Lehrerin ist entsetzt. Wenige Seiten später wird uns lakonisch mitgeteilt, Geryon habe "das Sprechen seit einigen Tagen aufgegeben". Fortan drückt er sich in Bildern aus: Er flieht in die Fotografie, knipsend hält er sein Leben fest, das Vergehen von Zeit (",Woraus besteht die Zeit?', ist eine Frage, die Geryon schon lange beschäftigte"). Herakles hat keinerlei Verständnis dafür ("Ein Foto ist nur eine Anzahl von Lichtstrahlen, die auf eine Platte fallen"), doch für Geryon wird die Fotografie zur einzig adäquaten Ausdrucksform. "Geryon hielt die Kamera in der Hand und sagte nur selten ein Wort. Ich bin dabei zu verschwinden, dachte er, aber die Fotos waren es wert." Eine Weile scheint es Geryon, als könne er mit Herakles endlich er selbst sein. Die Liebe gibt ihm eine Bestimmung. Bis Herakles Schluß macht.

Geryon existiert weiter, jobbt, studiert Philosophie, geht auf Reisen. Er ist immer allein; der Hund, auf den Stesichoros solchen Wert legt, wird nur einmal erwähnt: als längst gestorben. Nach seiner Zeit mit Herakles erscheint Geryon alles taub und stumpfsinnig - bis zu jenem Tag, an dem er dem Angebeteten in Buenos Aires wiederbegegnet. Es kommt zur Katharsis, als Geryon zusammen mit Herakles und dessen neuem Freund Ancash durch Peru reist. Die Dreiecksgeschichte mündet in einen Gewaltausbruch. Doch am Ende begreift Geryon, daß er Herakles nicht mehr braucht. Jahrelang hatte er geglaubt, Herakles sei sein soulmate. Daß er sich neben ihm leer und fremd in der Welt fühlte, hatte Geryon lange Zeit für sein Schicksal gehalten. "Es war nicht die Angst vor Lächerlichkeit - an die war Geryon durch das tägliche Leben als rote Person mit Flügeln schon von klein auf gewöhnt -, sondern die blanke Fahnenflucht seines eigenen Geistes, die ihn verzweifeln ließ." Er erklärt sich die Welt mit Heidegger: "Es ist die Befindlichkeit, die uns offenbart, daß wir Wesen sind, die in etwas anderes geworfen sind." Nur in was? Immer wieder spürt Geryon die vulkanischen Ursprünge in sich brodeln, und voller Pein versucht er, seine rote Natur zu unterdrücken. In einem Dorf in den Anden trifft er Leute, die glauben, Menschen mit Flügeln seien Überlebende, die einen Vulkan von innen gesehen haben und mit Flügeln aus ihm zurückgekehrt sind. So seien all ihre Schwächen weggebrannt - und mit ihnen ihre Sterblichkeit. Carson taucht Geryons ganze Welt in Rottöne. Immer deutlicher treten Geryons Farbe und seine Flügel als Sinnbilder seiner schmerzlichen Kreativität hervor. Denn Carson interessiert sich brennend für Geryons Überleben mit Hilfe der Kunst. Seine Kamera wird zu einem wunderbaren Bild für das, was der Lyrikerin selbst mit "Rot" gelingt: Durch die doppelt geschliffene Linse von klassischer Bildung und Poesie die Welt und ihre Geheimnisse zu beschreiben, ohne sie zu entzaubern. So, wie Stesichoros sein Augenlicht wiederfand durch eine Neufassung des Helena-Mythos, die Palinodie, gelingt es Carson, den antiken Stoff in eine aktuelle Geschichte von Verlust und Selbstfindung zu verwandeln. Am Ende überlebt Geryon seinen inneren Vulkanausbruch: die verzweifelte Passion der ersten Liebe. Die Flügel tragen den wahrhaft Liebenden in die Unsterblichkeit.

Das uns all dies nicht wie ein wirres Gemisch aus klassischem Repertoire, philosophischen Aperçus und postmodernem Reisebericht erscheint, sondern als ergreifende Schilderung einer obsessiven Liebe, verdankt sich Anne Carsons klarer, zupackender Sprache und ihren grandiosen Bildern. Souverän läßt sie ihre Themen anklingen und aufleuchten, läßt Platon, Emily Dickinson oder Paul Celan herübergrüßen. In einem einzigen Satz vermag sie den Ton zu wechseln, von sinnlich zu vergnügt, von wehmütig zu zärtlich. Wie ihrem Vorbild Stesichoros gelingt es ihr, lyrische Konventionen zu durchbrechen - und sich so ihren ganz eigenen Olymp zu schaffen. "Wisdom writer" hat der Literaturwissenschaftler Harold Bloom Carson einmal genannt, und meinte damit wohl ihr Talent, intuitiv Verbindungen zu schaffen, die nur auf den ersten Blick bizarr anmuten. Auf den zweiten zeigt sich, daß die Wörter einfach tun, was sie müssen. Anne Carson hilft ihnen dabei.

Anne Carson: "Rot". Ein Roman in Versen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Karen Lauer. Piper Verlag, München und Zürich 2001. 171 S., geb., 36,03 DM.

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