Die intime, kraftvolle und inspirierende Autobiografie der ehemaligen First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika
Mit ihrem bedeutsamen und erfüllten Leben wurde Michelle Obama zu einer der überzeugendsten und beeindruckendsten Frauen der Gegenwart. Als First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika war sie die erste Afro-Amerikanerin in dieser Position und trug in dieser Rolle maßgeblich dazu bei, das wohl gastfreundlichste und offenste Weiße Haus in der Geschichte des Landes zu schaffen. Gleichzeitig wurde sie zu einer mächtigen Fürsprecherin für Frauen und Mädchen in den USA und in der ganzen Welt, trieb in der Familienpolitik den dringend notwendigen gesellschaftlichen Wandel hin zu einem gesünderen und aktiveren Leben voran, und stärkte ihrem Ehemann den Rücken, während dieser Amerika durch einige der schmerzlichsten Momente des Landes führte. Ganz nebenbei zeigte sie uns auch ein paar Moves für die Tanzfläche, glänzte beim "Carpool Karaoke" und schaffte es außerdem, zwei bodenständige Töchter zu erziehen - mitten im gnadenlosen Blitzlichtgewitter der Medien.
Ihre Autobiografie ist nachdenklich und gleichzeitig voller fesselnder Geschichten. Michelle Obama nimmt uns mit in ihre Welt und berichtet von all den Erfahrungen, die sie zu der Person gemacht haben, die sie heute ist - von ihrer Kindheit an der South Side von Chicago über ihre Jahre als Anwältin und leitende Angestellte, in denen sie das Muttersein mit dem Beruf vereinbaren musste, bis hin zu ihrer Zeit in der berühmtesten Adresse der Welt. Gnadenlos ehrlich und mit flottem Witz schreibt sie sowohl über ihre großen Erfolge als auch über ihre Enttäuschungen, privat wie öffentlich. Sie erzählt ihre ureigene Lebensgeschichte - in ihren eigenen Worten und auf ihre ganz eigene Art. Warmherzig, weise und unverblümt, sind BECOMING die ungewöhnlich intimen Erinnerungen einer Frau mit Herz und Substanz, einer Frau, die den Erwartungen, die an sie gestellt wurden, beharrlich getrotzt hat - und deren Geschichte uns dazu ermutigt, es ihr nachzutun.
Gelesen von Katrin Fröhlich.
(2 mp3-CDs, Laufzeit: ca. 18h 42)
Mit ihrem bedeutsamen und erfüllten Leben wurde Michelle Obama zu einer der überzeugendsten und beeindruckendsten Frauen der Gegenwart. Als First Lady der Vereinigten Staaten von Amerika war sie die erste Afro-Amerikanerin in dieser Position und trug in dieser Rolle maßgeblich dazu bei, das wohl gastfreundlichste und offenste Weiße Haus in der Geschichte des Landes zu schaffen. Gleichzeitig wurde sie zu einer mächtigen Fürsprecherin für Frauen und Mädchen in den USA und in der ganzen Welt, trieb in der Familienpolitik den dringend notwendigen gesellschaftlichen Wandel hin zu einem gesünderen und aktiveren Leben voran, und stärkte ihrem Ehemann den Rücken, während dieser Amerika durch einige der schmerzlichsten Momente des Landes führte. Ganz nebenbei zeigte sie uns auch ein paar Moves für die Tanzfläche, glänzte beim "Carpool Karaoke" und schaffte es außerdem, zwei bodenständige Töchter zu erziehen - mitten im gnadenlosen Blitzlichtgewitter der Medien.
Ihre Autobiografie ist nachdenklich und gleichzeitig voller fesselnder Geschichten. Michelle Obama nimmt uns mit in ihre Welt und berichtet von all den Erfahrungen, die sie zu der Person gemacht haben, die sie heute ist - von ihrer Kindheit an der South Side von Chicago über ihre Jahre als Anwältin und leitende Angestellte, in denen sie das Muttersein mit dem Beruf vereinbaren musste, bis hin zu ihrer Zeit in der berühmtesten Adresse der Welt. Gnadenlos ehrlich und mit flottem Witz schreibt sie sowohl über ihre großen Erfolge als auch über ihre Enttäuschungen, privat wie öffentlich. Sie erzählt ihre ureigene Lebensgeschichte - in ihren eigenen Worten und auf ihre ganz eigene Art. Warmherzig, weise und unverblümt, sind BECOMING die ungewöhnlich intimen Erinnerungen einer Frau mit Herz und Substanz, einer Frau, die den Erwartungen, die an sie gestellt wurden, beharrlich getrotzt hat - und deren Geschichte uns dazu ermutigt, es ihr nachzutun.
Gelesen von Katrin Fröhlich.
(2 mp3-CDs, Laufzeit: ca. 18h 42)
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.11.2018Es ist nicht immer
eine fröhliche Geschichte
Michelle Obamas Autobiografie „Becoming“
Vorweg eine Klarstellung, die all jene enttäuschen wird, die auf Michelle Obama nicht nur mit Bewunderung schauen, sondern auch mit Hoffnung: Nein, sie wird nicht kandidieren. Es gibt zwar viele Menschen, die sich das wünschen. Es gibt auch immer wieder Umfragen, in denen die frühere First Lady der Vereinigten Staaten als mögliche demokratische Präsidentschaftskandidatin auftaucht. Und es wäre nicht ungewöhnlich für eine Kandidatin in spe, ihren Wahlkampf dadurch vorzubereiten, dass sie ein Buch über sich schreibt. Barack Obama hat das einst auch so gemacht. Wenn jetzt am Dienstag also Michelle Obamas Buch erscheint, bedeutet das dann nicht, dass vielleicht auch sie . . .?
Nein. Das bedeutet es nicht. „Ich sage es ganz klar“, schreibt Michelle Obama. „Ich habe keine Absicht, jemals für ein Amt zu kandidieren. Ich war nie ein Fan der Politik, und das, was ich in den vergangenen zehn Jahren erlebt habe, hat nicht dazu beigetragen, dass ich meine Meinung geändert hätte.“ Was Obama angeht, kann Washington getrost zum Teufel gehen.
Das Buch, das an diesem Dienstag weltweit in zwei Dutzend Sprachen erscheint – auf Deutsch: „Becoming. Meine Geschichte“, Goldmann – hat eher mit der Vergangenheit zu tun als mit der Zukunft. Im ersten Teil erzählt Obama von ihrer Kindheit und Jugend in Chicago, von ihrer Zeit als Studentin in Princeton und Harvard und ihrer Arbeit als Wirtschaftsanwältin in einer großen Kanzlei. Das klingt nach einer gediegenen Juristenkarriere, aber natürlich ist das nicht alles. Denn es gab im Leben von Michelle Obama drei große Hindernisse, die einer weniger starken und entschlossenen Persönlichkeit diese Karriere leicht hätten verbauen können: Sie wuchs in der South Side von Chicago auf, dem armen Teil der Stadt; sie ist schwarz; und sie ist eine Frau. Und schwarze Frauen von der South Side werden eigentlich keine Anwältinnen mit Harvard-Diplom. Michelle Obama wurde es, und wer sich ein bisschen mit der amerikanischen Gesellschaft auskennt, weiß, was das für eine Leistung ist.
Barack Obama war, als die beiden sich Anfang der Neunzigerjahre in Chicago trafen, im Vergleich zu seiner künftigen Frau eher ein Hallodri. Brillant und ehrgeizig zwar, aber eben auch ein bisschen ein Herumtreiber, der, wie er zugegeben hat, gern kiffte und trank. Michelle Obama erzählt die Geschichte von ihr und Barack im zweiten Teil des Buches. Und es ist längst nicht immer eine fröhliche Geschichte.
Einerseits ist da eine tiefe Liebe. Obama schreibt in dem Buch einen Satz über sich und ihren Mann, wie ihn noch keine ehemalige First Lady geschrieben hat. „In dem Moment, in dem ich zuließ, überhaupt etwas für Barack zu empfinden, überfluteten mich die Gefühle – eine überwältigende Welle von Lust, Dankbarkeit, Erfüllung und Bewunderung.“ So was liest man bei ihren Vorgängerinnen nicht.
Andererseits aber ist da die Politik, Barack Obamas zweite große Leidenschaft und eine gnadenlose Nebenbuhlerin. Der Ehemann kandidiert zunächst für das Parlament des Bundesstaates Illinois, dann für den US-Senat. Kinder zu kriegen, erweist sich als schwieriger als gedacht. Michelle Obamas erste Schwangerschaft endet mit einer Fehlgeburt, ein Schlag, der sie tief erschüttert. Die Töchter Sasha und Malia kommen durch künstlichen Befruchtung zur Welt, eine langwierige Prozedur, die Michelle Obama weitgehend allein bewältigt. Barack macht Politik, Michelle arbeitet in der Kanzlei, sie zieht die Kinder groß und fühlt sich im Stich gelassen. Am Ende rettet eine Paartherapie die Ehe.
Es ist vor diesem Hintergrund keine Überraschung – und es war auch nie ein Geheimnis –, dass Michelle Obama von der Präsidentschaftskandidatur ihres Mannes im Jahr 2008 nichts hielt. „Er wollte es und ich nicht“, schreibt sie. Sie habe schließlich zugestimmt, weil „ich daran geglaubt habe, dass Barack ein großartiger Präsident sein könnte“. Das übrigens sind Sätze, die vermutlich auch Melania Trump unterschreiben würde. Nach allem, was man von ihr weiß, hätte sie auch lieber ihr altes Leben behalten als Präsidentenfrau zu werden. Es kam für beide anders.
Im dritten Teil des Buchs beschreibt Michelle Obama ihre Jahre im Weißen Haus. Sie ist die erste schwarze First Lady – ein Amt, das die US-Verfassung eigentlich gar nicht vorsieht, für das es keine festen Regeln gibt, an das die Amerikaner aber trotzdem alle möglichen Ansprüche stellen. Jeder Halbsatz wird seziert, alles, was sie sagt und tut, kann den Gegnern ihres Mannes als Munition dienen. Obama hat das schon im Wahlkampf erlebt, als sie von den rechten Medien zur „wütenden schwarzen Frau“ stilisiert wurde, um den weißen Wählern Angst zu machen. Als First Lady fängt sie daher bewusst klein an: Sie pflanzt einen Gemüsegarten im Park des Weißen Hauses. Sie versucht, Vorbild zu sein, für Mädchen im ganzen Land, vor allem für schwarze Mädchen, die sehen sollen, dass es keine Grenzen für ihre Träume und Ambitionen gibt. Einfluss auf die Tagespolitik hat sie nicht, und nichts deutet darauf hin, dass sie das gestört hat.
Aber Michelle Obama hat klare Meinungen, und die klarste Meinung äußert sie in ihrem Buch über Donald Trump. Für sie, die Nachfahrin von Sklaven, ist der neue Präsident schlicht ein Sexist, Rassist und Fremdenfeind, seine Wahl ein Rückfall in dunkle Zeiten. Dass Trump immer wieder die verleumderische Verschwörungstheorie befeuert hat, Barack Obama sei kein echter amerikanischer Staatsbürger, hat sie ihm, wie sie schreibt, „nie verziehen“.
Der ätzende, verletzende Ton, der in der amerikanischen Politik herrscht, die Gemeinheit und Rücksichtslosigkeit, mit der Politik betrieben wird – all das findet Michelle Obama empörend und abstoßend. Sie hat sich stets für Zivilität und Respekt eingesetzt, dafür, die Tiefschläge des politischen Gegners durch moralische Überlegenheit zu kontern. „When they go low, we go high“, mahnte sie im Wahlkampf 2016. Trumps Sieg zeigte freilich, dass Hetze, Hass und Wut zuweilen wirkungsvoller sind. Es spricht für Michelle Obama, dass sie nicht in diesen Sumpf waten will.
Michelle Obama wird in den nächsten Wochen mit ihrem Buch in den USA auf Tour gehen. Sie hat große Hallen gebucht, Hunderttausende Fans werden zu den „intimen Gesprächen“ kommen, als die diese Megaevents vermarktet werden. Das zeigt, wie sehr die Amerikaner ihre ehemalige First Lady noch lieben. Es wird nichts ändern am finsteren Zustand der amerikanischen Politik. Aber es wird das Land für ein paar Wochen daran erinnern, dass Trumps Beleidigungen und Lügen nicht zwingend der Maßstab dafür sein müssen, wie man miteinander umgeht.
HUBERT WETZEL
Barack ist ihre große Liebe.
Aber die Politik ist eine
gnadenlose Nebenbuhlerin
Michelle Obama hat klare
Meinungen: Der neue Präsident
ist für sie ein Rassist und Sexist
Privates und die Politik: Michelle Obama hat über ihr Leben geschrieben.
Foto: ap
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
eine fröhliche Geschichte
Michelle Obamas Autobiografie „Becoming“
Vorweg eine Klarstellung, die all jene enttäuschen wird, die auf Michelle Obama nicht nur mit Bewunderung schauen, sondern auch mit Hoffnung: Nein, sie wird nicht kandidieren. Es gibt zwar viele Menschen, die sich das wünschen. Es gibt auch immer wieder Umfragen, in denen die frühere First Lady der Vereinigten Staaten als mögliche demokratische Präsidentschaftskandidatin auftaucht. Und es wäre nicht ungewöhnlich für eine Kandidatin in spe, ihren Wahlkampf dadurch vorzubereiten, dass sie ein Buch über sich schreibt. Barack Obama hat das einst auch so gemacht. Wenn jetzt am Dienstag also Michelle Obamas Buch erscheint, bedeutet das dann nicht, dass vielleicht auch sie . . .?
Nein. Das bedeutet es nicht. „Ich sage es ganz klar“, schreibt Michelle Obama. „Ich habe keine Absicht, jemals für ein Amt zu kandidieren. Ich war nie ein Fan der Politik, und das, was ich in den vergangenen zehn Jahren erlebt habe, hat nicht dazu beigetragen, dass ich meine Meinung geändert hätte.“ Was Obama angeht, kann Washington getrost zum Teufel gehen.
Das Buch, das an diesem Dienstag weltweit in zwei Dutzend Sprachen erscheint – auf Deutsch: „Becoming. Meine Geschichte“, Goldmann – hat eher mit der Vergangenheit zu tun als mit der Zukunft. Im ersten Teil erzählt Obama von ihrer Kindheit und Jugend in Chicago, von ihrer Zeit als Studentin in Princeton und Harvard und ihrer Arbeit als Wirtschaftsanwältin in einer großen Kanzlei. Das klingt nach einer gediegenen Juristenkarriere, aber natürlich ist das nicht alles. Denn es gab im Leben von Michelle Obama drei große Hindernisse, die einer weniger starken und entschlossenen Persönlichkeit diese Karriere leicht hätten verbauen können: Sie wuchs in der South Side von Chicago auf, dem armen Teil der Stadt; sie ist schwarz; und sie ist eine Frau. Und schwarze Frauen von der South Side werden eigentlich keine Anwältinnen mit Harvard-Diplom. Michelle Obama wurde es, und wer sich ein bisschen mit der amerikanischen Gesellschaft auskennt, weiß, was das für eine Leistung ist.
Barack Obama war, als die beiden sich Anfang der Neunzigerjahre in Chicago trafen, im Vergleich zu seiner künftigen Frau eher ein Hallodri. Brillant und ehrgeizig zwar, aber eben auch ein bisschen ein Herumtreiber, der, wie er zugegeben hat, gern kiffte und trank. Michelle Obama erzählt die Geschichte von ihr und Barack im zweiten Teil des Buches. Und es ist längst nicht immer eine fröhliche Geschichte.
Einerseits ist da eine tiefe Liebe. Obama schreibt in dem Buch einen Satz über sich und ihren Mann, wie ihn noch keine ehemalige First Lady geschrieben hat. „In dem Moment, in dem ich zuließ, überhaupt etwas für Barack zu empfinden, überfluteten mich die Gefühle – eine überwältigende Welle von Lust, Dankbarkeit, Erfüllung und Bewunderung.“ So was liest man bei ihren Vorgängerinnen nicht.
Andererseits aber ist da die Politik, Barack Obamas zweite große Leidenschaft und eine gnadenlose Nebenbuhlerin. Der Ehemann kandidiert zunächst für das Parlament des Bundesstaates Illinois, dann für den US-Senat. Kinder zu kriegen, erweist sich als schwieriger als gedacht. Michelle Obamas erste Schwangerschaft endet mit einer Fehlgeburt, ein Schlag, der sie tief erschüttert. Die Töchter Sasha und Malia kommen durch künstlichen Befruchtung zur Welt, eine langwierige Prozedur, die Michelle Obama weitgehend allein bewältigt. Barack macht Politik, Michelle arbeitet in der Kanzlei, sie zieht die Kinder groß und fühlt sich im Stich gelassen. Am Ende rettet eine Paartherapie die Ehe.
Es ist vor diesem Hintergrund keine Überraschung – und es war auch nie ein Geheimnis –, dass Michelle Obama von der Präsidentschaftskandidatur ihres Mannes im Jahr 2008 nichts hielt. „Er wollte es und ich nicht“, schreibt sie. Sie habe schließlich zugestimmt, weil „ich daran geglaubt habe, dass Barack ein großartiger Präsident sein könnte“. Das übrigens sind Sätze, die vermutlich auch Melania Trump unterschreiben würde. Nach allem, was man von ihr weiß, hätte sie auch lieber ihr altes Leben behalten als Präsidentenfrau zu werden. Es kam für beide anders.
Im dritten Teil des Buchs beschreibt Michelle Obama ihre Jahre im Weißen Haus. Sie ist die erste schwarze First Lady – ein Amt, das die US-Verfassung eigentlich gar nicht vorsieht, für das es keine festen Regeln gibt, an das die Amerikaner aber trotzdem alle möglichen Ansprüche stellen. Jeder Halbsatz wird seziert, alles, was sie sagt und tut, kann den Gegnern ihres Mannes als Munition dienen. Obama hat das schon im Wahlkampf erlebt, als sie von den rechten Medien zur „wütenden schwarzen Frau“ stilisiert wurde, um den weißen Wählern Angst zu machen. Als First Lady fängt sie daher bewusst klein an: Sie pflanzt einen Gemüsegarten im Park des Weißen Hauses. Sie versucht, Vorbild zu sein, für Mädchen im ganzen Land, vor allem für schwarze Mädchen, die sehen sollen, dass es keine Grenzen für ihre Träume und Ambitionen gibt. Einfluss auf die Tagespolitik hat sie nicht, und nichts deutet darauf hin, dass sie das gestört hat.
Aber Michelle Obama hat klare Meinungen, und die klarste Meinung äußert sie in ihrem Buch über Donald Trump. Für sie, die Nachfahrin von Sklaven, ist der neue Präsident schlicht ein Sexist, Rassist und Fremdenfeind, seine Wahl ein Rückfall in dunkle Zeiten. Dass Trump immer wieder die verleumderische Verschwörungstheorie befeuert hat, Barack Obama sei kein echter amerikanischer Staatsbürger, hat sie ihm, wie sie schreibt, „nie verziehen“.
Der ätzende, verletzende Ton, der in der amerikanischen Politik herrscht, die Gemeinheit und Rücksichtslosigkeit, mit der Politik betrieben wird – all das findet Michelle Obama empörend und abstoßend. Sie hat sich stets für Zivilität und Respekt eingesetzt, dafür, die Tiefschläge des politischen Gegners durch moralische Überlegenheit zu kontern. „When they go low, we go high“, mahnte sie im Wahlkampf 2016. Trumps Sieg zeigte freilich, dass Hetze, Hass und Wut zuweilen wirkungsvoller sind. Es spricht für Michelle Obama, dass sie nicht in diesen Sumpf waten will.
Michelle Obama wird in den nächsten Wochen mit ihrem Buch in den USA auf Tour gehen. Sie hat große Hallen gebucht, Hunderttausende Fans werden zu den „intimen Gesprächen“ kommen, als die diese Megaevents vermarktet werden. Das zeigt, wie sehr die Amerikaner ihre ehemalige First Lady noch lieben. Es wird nichts ändern am finsteren Zustand der amerikanischen Politik. Aber es wird das Land für ein paar Wochen daran erinnern, dass Trumps Beleidigungen und Lügen nicht zwingend der Maßstab dafür sein müssen, wie man miteinander umgeht.
HUBERT WETZEL
Barack ist ihre große Liebe.
Aber die Politik ist eine
gnadenlose Nebenbuhlerin
Michelle Obama hat klare
Meinungen: Der neue Präsident
ist für sie ein Rassist und Sexist
Privates und die Politik: Michelle Obama hat über ihr Leben geschrieben.
Foto: ap
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2018Die Amerikanerin
Ständig betrat sie Räume, in denen alle anders aussahen als sie selbst. Aber das hat Michelle Obama nicht entmutigt, sondern bestärkt: Über "Becoming", ihre Memoiren
Sie war die Erste. Das gehört zwar zur Stellenbeschreibung einer First Lady, aber im Fall von Michelle Obama, die zwischen 2009 und 2017 mit ihrem Mann, den beiden Töchtern und einer wachsenden Zahl von Hunden im Weißen Haus in Washington, D. C. residiert hat, bedeutet es weit mehr. Es hat historisches Ausmaß: Michelle Obama aus Chicago war die erste schwarze First Lady in der amerikanischen Geschichte. Und sie wird es für immer bleiben.
Was das bedeutet und mit sich gebracht hat, beschreibt Michelle Obama jetzt in ihrer Autobiographie, die "Becoming" heißt; zu Deutsch eine Mischung zwischen "Werden" und "Wachsen". Das Buch erzählt die Geschichte einer Selbstverständlichkeit, die überhaupt nicht selbstverständlich ist und wohl auch niemals werden wird: dass ein Schwarzer zum amerikanischen Präsidenten gewählt werden kann und seine schwarze Familie damit das Land repräsentiert.
Die Möbel der Obamas standen noch nicht mal im Weißen Haus, da hatte der Widerstand gegen den schwarzen Präsidenten schon begonnen. Und er war nicht nur ideologisch motiviert, das ging tiefer, an die Essenz. Die Republikanische Partei war nicht nur fest entschlossen, den neuen demokratischen Präsidenten scheitern zu lassen, wo sie nur konnte: Sie wollte sich das Land zurückholen. "Let's take our country back", das war der Schlachtruf des konservativen, weißen Widerstands. Barack Obama, so die Vorstellung dahinter, mag zwar demokratisch gewählt worden sein. Aber seine Herrschaft ist illegitim, denn das Land gehört uns, nicht denen, die jetzt Obama bejubeln. Deswegen holen wir es uns zurück von diesem Schwarzen, der vielleicht noch nicht mal hier geboren wurde und vielleicht sogar ein Muslim ist, und seiner wütenden, schwarzen Frau, die alle Weißen hasst. Und Amerika überhaupt.
Michelle Obama erzählt in "Becoming" auch davon: von dieser gnadenlosen Verweigerung jeglichen Wohlwollens. Von den rassistischen Verletzungen und Demütigungen, von den Verleumdungen, denen insbesondere sie immer wieder ausgesetzt gewesen ist.
Aber "Becoming" ist ihr Buch, nicht das ihres Mannes (der an seinem gerade auch schreibt). Und auch wenn Michelle Obama Anlass genug dazu hätte, ist ihre Autobiographie keine Abrechnung, weder Anklage noch Verteidigungsschrift. "Becoming" ist auch kein politisches Buch, jedenfalls nicht im Sinne einer Partei oder eines Programms: Zum Schluss stellt Michelle Obama dann auch klar, dass sie niemals für ein politisches Amt kandidieren wird - und nimmt damit all jenen die Hoffnung, die schon eine Präsidentschaftskampagne für "Michelle 2020" gegründet haben.
Nein, was sich hier über fünfhundertfünfzig eng bedruckte Seiten erstreckt, ist vielmehr eine amerikanische Chronik, ein Familienroman, eine Romanze - aber vor allem die Geschichte einer Frau, die überall dort, wo sie hinkommt, die Erste ist, nicht nur als Schwarze, sondern auch als Frau und vor allem: als schwarze Frau. Man sieht diese Vereinigten Staaten von Amerika, die auf das Selbstverständnis bauen, dass hier jeder und jede alles werden kann, mit den Augen einer schwarzen Frau - die, je älter sie wird und je weiter sie kommt, erkennt, dass dieses Selbstverständnis für den einen Teil der Nation selbstverständlich ist, für den anderen aber immer wieder neu erkämpft werden muss.
Im Februar 2009 beispielsweise hält der neue Präsident Obama seine erste Rede vor dem Kongress, also Repräsentantenhaus und Senat, und auch sein Kabinett, der Generalstab, die Richter des Supreme Court sind da - das komplette politische Establishment in einem Saal. Michelle Obama schaut vom Rang auf sie alle hinunter. "Aus meiner ungewöhnlichen Vogelperspektive sah ich die Menschen, die für unser Land verantwortlich waren", erinnert sie sich, "ein Meer aus weißen Männern in dunklen Anzügen. Für ein modernes, multikulturelles Land war dieser Mangel an Vielfalt schon auffällig, wenn nicht sogar hochgradig peinlich. Bei den Republikanern stach das besonders ins Auge. Zu diesem Zeitpunkt saßen im Kongress genau sieben nicht-weiße Republikaner - darunter kein einziger Afroamerikaner - und nur eine Frau. Tatsächlich bestand der Kongress zu über achtzig Prozent aus männlichen Abgeordneten."
Damals, nach der Wahl 2008, gab es Stimmen, die in der Euphorie des Augenblicks erklärten, die Vereinigten Staaten hätten das Zeitalter der Rassentrennung hinter sich gelassen. Michelle Obama sah von dort oben, im Rang, auf einen Blick, wie weit ihr Land davon noch entfernt war. Andersherum war ihr Anblick, Michelle Obama über diesem Meer weißer Männer, für Millionen schwarzer Amerikanerinnen ein Triumph. (Und für alle anderen, die keine weißen amerikanischen Männer sind, auch.)
"Jede schwarze Frau auf dem Titel eines großen Magazins zählt", schreibt Michelle Obama über den Moment, als die "Vogue" sie zum Coverstar machen will und sie mit ihrem Stab darüber debattiert, wie das wirken würde. Und diese Sichtbarkeit der Minderheit ist in einer Demokratie, die auf Repräsentation angelegt ist, essentiell, nicht nur im politischen Raum. Kurz nach der Rede im Kongress vor dem Meer weißer Männer gehen die Obamas auf ihre erste Auslandsreise, zum G-20-Gipfel in London. Im Buckingham Palace umarmt Michelle Obama die Queen, was ein kleiner Skandal wird, weil man so was nicht tut, am Tag danach besucht sie eine ausgezeichnete staatliche Mädchenschule im sozial schwachen Islington: neunhundert Schülerinnen, neunzig Prozent schwarz oder Angehörige einer Minderheit.
Die Mädchen führen Shakespeare für die First Lady auf, ein Chor singt Whitney Houston - und Michelle Obama kommt es plötzlich so vor, als sitze sie in einer Zeitmaschine und schaute sich selbst zu: "Ein Blick in die Gesichter der Mädchen reichte aus, um zu wissen, dass sie sich trotz ihrer Stärken extrem würden anstrengen müssen, um überhaupt wahrgenommen zu werden", schreibt sie. "Sie würden gegen die Unsichtbarkeit ankämpfen müssen, die mit den Merkmalen ,arm', ,weiblich' und ,andere Hautfarbe' einhergingen."
Michelle LaVaughn Robinson, Jahrgang 1964, wächst im Süden von Chicago auf - einer Stadt, die für den derzeitigen Präsidenten Trump so etwas wie das Babylon schwarzer Bandenkriminalität ist, geduldet von korrupten demokratischen Politikern. Michelles Vater arbeitet bei den Wasserwerken, die Mutter als Sekretärin, in ihrem bescheidenen, gepflegten Haus lebt Michelles Tante, die bald auch ihrer Nichte Klavierunterricht gibt. Zur Highschool fährt Michelle im Bus auf die andere Seite Chicagos, anderthalb Stunden hin, anderthalb zurück. Die Schule ist als integratives Projekt angelegt, aber die Weißen haben nicht mitgemacht, also gehören achtzig Prozent der Schülerinnen und Schüler einer Minderheit an. Michelle ist begabt, sie ist ehrgeizig, sie ist rastlos, sie liebt Stevie Wonder und will an einer Ivy-League-Uni studieren, in Princeton, wie ihr Bruder Craig, ein Basketball-Star. Du bist für Princeton nicht gemacht, sagt die Studienberaterin - aber Princeton nimmt sie auf.
Dort, unter weißen Studenten, verändert sich Michelle Robinson: An der Highschool hatte ich für mein Viertel gestanden, schreibt sie, in Princeton für meine Rasse. Immer wieder betritt sie Räume, in denen sie die Einzige ist, die so aussieht wie sie, spürt, dass sie zwar geduldet ist, aber die Ruhe stört. "Wir Angehörige von Minderheiten waren in Princeton so wenige, dass unsere Anwesenheit wohl immer auffiel. Ich fasste das hauptsächlich als Auftrag zu Höchstleistungen auf." Sie schließt das College in Soziologie ab. Wechselt an die Harvard Law School. "Bin ich gut genug?", fragt sie sich immer wieder. "Ja, das bin ich wirklich." Sie kehrt nach dem Examen nach Chicago zurück. In ihrer Anwaltskanzlei betreut sie Praktikanten von den Elite-Unis, die ihre Semesterferien zum Kontakteknüpfen nutzen. Im Sommer 1989 kommt da einer aus Harvard in ihre Kanzlei, dem ein irrer Ruf vorauseilt, ein Wunderkind, der beste Student, der hier je aufgetaucht ist. "Ich blieb skeptisch", schreibt sie. "Meiner Erfahrung nach brauchte man irgendeinen halbwegs intelligenten schwarzen Mann nur in einen Anzug zu stecken, und schon flippten die Weißen aus." Drei Jahre später heiratet sie Barack Hussein Obama.
Er ist der Sohn einer weißen Akademikerin aus dem Mittleren Westen und eines Kenianers; nachdem die Eltern sich getrennt haben, wächst er kurz in Indonesien und später dann in Hawaii bei seinen weißen Großeltern auf. Sie kommt aus einer schwarzen amerikanischen Mittelschichtsfamilie. Ihr Onkel Robbie war Nachtzugportier, "ein angesehener, wenn auch nicht sehr gut bezahlter Beruf, der nur von schwarzen Männern ausgeübt wurde", den Rasen vor dem Haus der Großfamilie in der Euclid Avenue mähte der Onkel auch in der größten Hitze mit Hosenträgern, Schnürschuhen und Hut. Der Großvater ihres Großvaters mütterlicherseits war ein Sklave aus Georgia gewesen und in den zwanziger Jahren nach Norden gezogen - wie so viele andere Schwarze dieser Generation aus dem Süden. Die Stimme ihres Vaters, der schwerkrank mit Mitte fünfzig stirbt, beschreibt sie als "nur gute Laune, Sanftheit und eine winzige Spur Jazz". Jazz ist die Melodie dieser Familie, dieses Lebens. Jazz und Stevie Wonder (der Michelle Obama im Wahlkampf 2008, ohne, dass die beiden sich kennen, eine solidarische SMS schickt, was sie natürlich umhaut).
Als Barack Obama Mitte der neunziger Jahre in die Politik geht, mit Michelle an seiner Seite, die inzwischen im Rathaus von Chicago arbeitet, bekommen die beiden aber aus der schwarzen Community zu hören, er sei nicht schwarz genug. Diese Kritik begleitet Barack Obama bis heute, jener Vorwurf, er habe seine Leute im Stich gelassen und seine beiden Amtszeiten nicht genutzt, habe sich in Kompromissen mit der anderen Seite verzettelt. Barack Obama aber war von Anfang an damit angetreten, der Präsident der gesamten Vereinigten Staaten zu sein, nicht einzelner Teile. Dass Michelle Obama wiederum in diesem Buch wie in all den Jahren im Weißen Haus die schwarze Tradition beschwört, aus der sie kommt, und ihre eigenen Erfahrungen als Angehörige einer Minderheit zur Sprache bringt, wo sie nur kann, ist kein Widerspruch dazu. Im Gegenteil: Es ist das Fundament dieser Haltung, der Garant des sozialen Friedens.
Der Journalist Ta-Nehisi Coates hat das einmal exzellent auf den Punkt gebracht: "Wenn man die schwarze Identität analog zur Südstaaten-Identität oder zur irischen oder italienischen Identität versteht - nicht als separaten Stamm, sondern als einen Ast am amerikanischen Baum, der in einer umfassenderen Erfahrung wurzelt -, dann versteht man, dass die Besonderheiten der schwarzen Identität nicht von den Besonderheiten des Landes zu trennen sind", schreibt er in seinem letzten Buch, einer Sammlung von Reportagen aus den acht Obama-Jahren. "Ein Freund von mir hat mal gesagt, Michelle ,macht Barack schwarz', aber das trifft es nicht. Sie macht Barack nicht einfach schwarz - sie macht ihn zum Amerikaner."
Michelle Obama, die Amerikanerin: "Becoming" ist das Zeugnis einer kompromisslosen Haltung - und warum sollte sie auch Kompromisse machen, sie ist doch Amerikanerin. Selbstverständlich lässt sie sich von niemandem einreden, dass es nicht selbstverständlich sei, dass sie dort angekommen ist, wo sie heute ist, und dass dieser Weg jeder Amerikanerin und jedem Amerikaner, gleich jeder Herkunft, zusteht. Da komme ich her, dort will hin ich, so bin ich auf dem Weg, bis ich angekommen bin. Das bin ich - deal with it. Die Rollen, die Michelle Obama dabei spielt - die erfolgreiche Anwältin, die Mutter zweier Töchter, die Frau eines Politikers, die schwarze Frau eines schwarzen Politikers - verrechnet sie nicht gegeneinander. Sie rechtfertigt sich nicht. Dass sie sich im ersten Präsidentschaftswahlkampf 2008 darum sorgt, wie ihre kleinen Mädchen angezogen sind ("Es dauerte nicht lange, bis ich mir weniger Gedanken darüber machte, ob Sasha und Malia aussahen wie die Töchter eines zukünftigen Präsidenten, als darum, ob sie wenigstens aussahen, als hätten sie eine Mutter."), nimmt ihren politischen Anliegen (Bildungsgerechtigkeit, gesunde Ernährung, Fitness) nichts an Ernst. Sie lässt sich nichts vorschreiben - wie Hillary Clinton, die als First Lady noch öffentlich Plätzchen backen musste, eine Demütigung und Unverschämtheit, an der Clinton bis heute knabbert. Michelle Obama hat einen Gemüsegarten im Weißen Haus angelegt.
Am Tag, als die Obamas dort einziehen, 1600 Pennsylvania Avenue, Washington, D. C., führt Laura Bush sie durch ihr neues Zuhause, während George und Barack den Fitnessraum inspizieren. Wie fühlen Sie sich, fragt Laura Bush. Ein bisschen überwältigt, sagt Michelle. Ich weiß, antwortet Laura, das können Sie mir glauben. "Später habe ich oft an das Gespräch zurückgedacht. Barack und ich wurden Teil einer Gemeinschaft, die lediglich aus den Clintons, den Carters, den beiden Ehepaaren Bush sowie Nancy Reagan und Betty Ford bestand", schreibt Michelle Obama jetzt. "So unterschiedlich wir auch sind, diese Erfahrung wird uns für immer miteinander verbinden." Das Gespür für Repräsentation, für das Amt und die Aufgabe, die nur für kurze Dauer verliehen sind, aber über diese Dauer hinaus Wirkung zeigen, das Verantwortungsgefühl und die Demut, die damit einhergeht: Diese kurze Passage in "Becoming" macht es noch schwerer, im Augenblick auf das Weiße Haus und seine Bewohner zu schauen. Zehn Jahre, nachdem dort der erste schwarze Mann und die erste schwarze Frau mit ihren schwarzen Kindern einzogen, um alle Amerikanerinnen und Amerikaner zu repräsentieren, gleich welcher Hautfarbe.
TOBIAS RÜTHER
Michelle Obama: "Becoming. Meine Geschichte". Übersetzt von Hariett Fricke, Tanja Handels, Elke Link, Andrea O'Brien, Jan Schönherr und Henriette Zeltner. Goldmann-Verlag, 544 Seiten, 26 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ständig betrat sie Räume, in denen alle anders aussahen als sie selbst. Aber das hat Michelle Obama nicht entmutigt, sondern bestärkt: Über "Becoming", ihre Memoiren
Sie war die Erste. Das gehört zwar zur Stellenbeschreibung einer First Lady, aber im Fall von Michelle Obama, die zwischen 2009 und 2017 mit ihrem Mann, den beiden Töchtern und einer wachsenden Zahl von Hunden im Weißen Haus in Washington, D. C. residiert hat, bedeutet es weit mehr. Es hat historisches Ausmaß: Michelle Obama aus Chicago war die erste schwarze First Lady in der amerikanischen Geschichte. Und sie wird es für immer bleiben.
Was das bedeutet und mit sich gebracht hat, beschreibt Michelle Obama jetzt in ihrer Autobiographie, die "Becoming" heißt; zu Deutsch eine Mischung zwischen "Werden" und "Wachsen". Das Buch erzählt die Geschichte einer Selbstverständlichkeit, die überhaupt nicht selbstverständlich ist und wohl auch niemals werden wird: dass ein Schwarzer zum amerikanischen Präsidenten gewählt werden kann und seine schwarze Familie damit das Land repräsentiert.
Die Möbel der Obamas standen noch nicht mal im Weißen Haus, da hatte der Widerstand gegen den schwarzen Präsidenten schon begonnen. Und er war nicht nur ideologisch motiviert, das ging tiefer, an die Essenz. Die Republikanische Partei war nicht nur fest entschlossen, den neuen demokratischen Präsidenten scheitern zu lassen, wo sie nur konnte: Sie wollte sich das Land zurückholen. "Let's take our country back", das war der Schlachtruf des konservativen, weißen Widerstands. Barack Obama, so die Vorstellung dahinter, mag zwar demokratisch gewählt worden sein. Aber seine Herrschaft ist illegitim, denn das Land gehört uns, nicht denen, die jetzt Obama bejubeln. Deswegen holen wir es uns zurück von diesem Schwarzen, der vielleicht noch nicht mal hier geboren wurde und vielleicht sogar ein Muslim ist, und seiner wütenden, schwarzen Frau, die alle Weißen hasst. Und Amerika überhaupt.
Michelle Obama erzählt in "Becoming" auch davon: von dieser gnadenlosen Verweigerung jeglichen Wohlwollens. Von den rassistischen Verletzungen und Demütigungen, von den Verleumdungen, denen insbesondere sie immer wieder ausgesetzt gewesen ist.
Aber "Becoming" ist ihr Buch, nicht das ihres Mannes (der an seinem gerade auch schreibt). Und auch wenn Michelle Obama Anlass genug dazu hätte, ist ihre Autobiographie keine Abrechnung, weder Anklage noch Verteidigungsschrift. "Becoming" ist auch kein politisches Buch, jedenfalls nicht im Sinne einer Partei oder eines Programms: Zum Schluss stellt Michelle Obama dann auch klar, dass sie niemals für ein politisches Amt kandidieren wird - und nimmt damit all jenen die Hoffnung, die schon eine Präsidentschaftskampagne für "Michelle 2020" gegründet haben.
Nein, was sich hier über fünfhundertfünfzig eng bedruckte Seiten erstreckt, ist vielmehr eine amerikanische Chronik, ein Familienroman, eine Romanze - aber vor allem die Geschichte einer Frau, die überall dort, wo sie hinkommt, die Erste ist, nicht nur als Schwarze, sondern auch als Frau und vor allem: als schwarze Frau. Man sieht diese Vereinigten Staaten von Amerika, die auf das Selbstverständnis bauen, dass hier jeder und jede alles werden kann, mit den Augen einer schwarzen Frau - die, je älter sie wird und je weiter sie kommt, erkennt, dass dieses Selbstverständnis für den einen Teil der Nation selbstverständlich ist, für den anderen aber immer wieder neu erkämpft werden muss.
Im Februar 2009 beispielsweise hält der neue Präsident Obama seine erste Rede vor dem Kongress, also Repräsentantenhaus und Senat, und auch sein Kabinett, der Generalstab, die Richter des Supreme Court sind da - das komplette politische Establishment in einem Saal. Michelle Obama schaut vom Rang auf sie alle hinunter. "Aus meiner ungewöhnlichen Vogelperspektive sah ich die Menschen, die für unser Land verantwortlich waren", erinnert sie sich, "ein Meer aus weißen Männern in dunklen Anzügen. Für ein modernes, multikulturelles Land war dieser Mangel an Vielfalt schon auffällig, wenn nicht sogar hochgradig peinlich. Bei den Republikanern stach das besonders ins Auge. Zu diesem Zeitpunkt saßen im Kongress genau sieben nicht-weiße Republikaner - darunter kein einziger Afroamerikaner - und nur eine Frau. Tatsächlich bestand der Kongress zu über achtzig Prozent aus männlichen Abgeordneten."
Damals, nach der Wahl 2008, gab es Stimmen, die in der Euphorie des Augenblicks erklärten, die Vereinigten Staaten hätten das Zeitalter der Rassentrennung hinter sich gelassen. Michelle Obama sah von dort oben, im Rang, auf einen Blick, wie weit ihr Land davon noch entfernt war. Andersherum war ihr Anblick, Michelle Obama über diesem Meer weißer Männer, für Millionen schwarzer Amerikanerinnen ein Triumph. (Und für alle anderen, die keine weißen amerikanischen Männer sind, auch.)
"Jede schwarze Frau auf dem Titel eines großen Magazins zählt", schreibt Michelle Obama über den Moment, als die "Vogue" sie zum Coverstar machen will und sie mit ihrem Stab darüber debattiert, wie das wirken würde. Und diese Sichtbarkeit der Minderheit ist in einer Demokratie, die auf Repräsentation angelegt ist, essentiell, nicht nur im politischen Raum. Kurz nach der Rede im Kongress vor dem Meer weißer Männer gehen die Obamas auf ihre erste Auslandsreise, zum G-20-Gipfel in London. Im Buckingham Palace umarmt Michelle Obama die Queen, was ein kleiner Skandal wird, weil man so was nicht tut, am Tag danach besucht sie eine ausgezeichnete staatliche Mädchenschule im sozial schwachen Islington: neunhundert Schülerinnen, neunzig Prozent schwarz oder Angehörige einer Minderheit.
Die Mädchen führen Shakespeare für die First Lady auf, ein Chor singt Whitney Houston - und Michelle Obama kommt es plötzlich so vor, als sitze sie in einer Zeitmaschine und schaute sich selbst zu: "Ein Blick in die Gesichter der Mädchen reichte aus, um zu wissen, dass sie sich trotz ihrer Stärken extrem würden anstrengen müssen, um überhaupt wahrgenommen zu werden", schreibt sie. "Sie würden gegen die Unsichtbarkeit ankämpfen müssen, die mit den Merkmalen ,arm', ,weiblich' und ,andere Hautfarbe' einhergingen."
Michelle LaVaughn Robinson, Jahrgang 1964, wächst im Süden von Chicago auf - einer Stadt, die für den derzeitigen Präsidenten Trump so etwas wie das Babylon schwarzer Bandenkriminalität ist, geduldet von korrupten demokratischen Politikern. Michelles Vater arbeitet bei den Wasserwerken, die Mutter als Sekretärin, in ihrem bescheidenen, gepflegten Haus lebt Michelles Tante, die bald auch ihrer Nichte Klavierunterricht gibt. Zur Highschool fährt Michelle im Bus auf die andere Seite Chicagos, anderthalb Stunden hin, anderthalb zurück. Die Schule ist als integratives Projekt angelegt, aber die Weißen haben nicht mitgemacht, also gehören achtzig Prozent der Schülerinnen und Schüler einer Minderheit an. Michelle ist begabt, sie ist ehrgeizig, sie ist rastlos, sie liebt Stevie Wonder und will an einer Ivy-League-Uni studieren, in Princeton, wie ihr Bruder Craig, ein Basketball-Star. Du bist für Princeton nicht gemacht, sagt die Studienberaterin - aber Princeton nimmt sie auf.
Dort, unter weißen Studenten, verändert sich Michelle Robinson: An der Highschool hatte ich für mein Viertel gestanden, schreibt sie, in Princeton für meine Rasse. Immer wieder betritt sie Räume, in denen sie die Einzige ist, die so aussieht wie sie, spürt, dass sie zwar geduldet ist, aber die Ruhe stört. "Wir Angehörige von Minderheiten waren in Princeton so wenige, dass unsere Anwesenheit wohl immer auffiel. Ich fasste das hauptsächlich als Auftrag zu Höchstleistungen auf." Sie schließt das College in Soziologie ab. Wechselt an die Harvard Law School. "Bin ich gut genug?", fragt sie sich immer wieder. "Ja, das bin ich wirklich." Sie kehrt nach dem Examen nach Chicago zurück. In ihrer Anwaltskanzlei betreut sie Praktikanten von den Elite-Unis, die ihre Semesterferien zum Kontakteknüpfen nutzen. Im Sommer 1989 kommt da einer aus Harvard in ihre Kanzlei, dem ein irrer Ruf vorauseilt, ein Wunderkind, der beste Student, der hier je aufgetaucht ist. "Ich blieb skeptisch", schreibt sie. "Meiner Erfahrung nach brauchte man irgendeinen halbwegs intelligenten schwarzen Mann nur in einen Anzug zu stecken, und schon flippten die Weißen aus." Drei Jahre später heiratet sie Barack Hussein Obama.
Er ist der Sohn einer weißen Akademikerin aus dem Mittleren Westen und eines Kenianers; nachdem die Eltern sich getrennt haben, wächst er kurz in Indonesien und später dann in Hawaii bei seinen weißen Großeltern auf. Sie kommt aus einer schwarzen amerikanischen Mittelschichtsfamilie. Ihr Onkel Robbie war Nachtzugportier, "ein angesehener, wenn auch nicht sehr gut bezahlter Beruf, der nur von schwarzen Männern ausgeübt wurde", den Rasen vor dem Haus der Großfamilie in der Euclid Avenue mähte der Onkel auch in der größten Hitze mit Hosenträgern, Schnürschuhen und Hut. Der Großvater ihres Großvaters mütterlicherseits war ein Sklave aus Georgia gewesen und in den zwanziger Jahren nach Norden gezogen - wie so viele andere Schwarze dieser Generation aus dem Süden. Die Stimme ihres Vaters, der schwerkrank mit Mitte fünfzig stirbt, beschreibt sie als "nur gute Laune, Sanftheit und eine winzige Spur Jazz". Jazz ist die Melodie dieser Familie, dieses Lebens. Jazz und Stevie Wonder (der Michelle Obama im Wahlkampf 2008, ohne, dass die beiden sich kennen, eine solidarische SMS schickt, was sie natürlich umhaut).
Als Barack Obama Mitte der neunziger Jahre in die Politik geht, mit Michelle an seiner Seite, die inzwischen im Rathaus von Chicago arbeitet, bekommen die beiden aber aus der schwarzen Community zu hören, er sei nicht schwarz genug. Diese Kritik begleitet Barack Obama bis heute, jener Vorwurf, er habe seine Leute im Stich gelassen und seine beiden Amtszeiten nicht genutzt, habe sich in Kompromissen mit der anderen Seite verzettelt. Barack Obama aber war von Anfang an damit angetreten, der Präsident der gesamten Vereinigten Staaten zu sein, nicht einzelner Teile. Dass Michelle Obama wiederum in diesem Buch wie in all den Jahren im Weißen Haus die schwarze Tradition beschwört, aus der sie kommt, und ihre eigenen Erfahrungen als Angehörige einer Minderheit zur Sprache bringt, wo sie nur kann, ist kein Widerspruch dazu. Im Gegenteil: Es ist das Fundament dieser Haltung, der Garant des sozialen Friedens.
Der Journalist Ta-Nehisi Coates hat das einmal exzellent auf den Punkt gebracht: "Wenn man die schwarze Identität analog zur Südstaaten-Identität oder zur irischen oder italienischen Identität versteht - nicht als separaten Stamm, sondern als einen Ast am amerikanischen Baum, der in einer umfassenderen Erfahrung wurzelt -, dann versteht man, dass die Besonderheiten der schwarzen Identität nicht von den Besonderheiten des Landes zu trennen sind", schreibt er in seinem letzten Buch, einer Sammlung von Reportagen aus den acht Obama-Jahren. "Ein Freund von mir hat mal gesagt, Michelle ,macht Barack schwarz', aber das trifft es nicht. Sie macht Barack nicht einfach schwarz - sie macht ihn zum Amerikaner."
Michelle Obama, die Amerikanerin: "Becoming" ist das Zeugnis einer kompromisslosen Haltung - und warum sollte sie auch Kompromisse machen, sie ist doch Amerikanerin. Selbstverständlich lässt sie sich von niemandem einreden, dass es nicht selbstverständlich sei, dass sie dort angekommen ist, wo sie heute ist, und dass dieser Weg jeder Amerikanerin und jedem Amerikaner, gleich jeder Herkunft, zusteht. Da komme ich her, dort will hin ich, so bin ich auf dem Weg, bis ich angekommen bin. Das bin ich - deal with it. Die Rollen, die Michelle Obama dabei spielt - die erfolgreiche Anwältin, die Mutter zweier Töchter, die Frau eines Politikers, die schwarze Frau eines schwarzen Politikers - verrechnet sie nicht gegeneinander. Sie rechtfertigt sich nicht. Dass sie sich im ersten Präsidentschaftswahlkampf 2008 darum sorgt, wie ihre kleinen Mädchen angezogen sind ("Es dauerte nicht lange, bis ich mir weniger Gedanken darüber machte, ob Sasha und Malia aussahen wie die Töchter eines zukünftigen Präsidenten, als darum, ob sie wenigstens aussahen, als hätten sie eine Mutter."), nimmt ihren politischen Anliegen (Bildungsgerechtigkeit, gesunde Ernährung, Fitness) nichts an Ernst. Sie lässt sich nichts vorschreiben - wie Hillary Clinton, die als First Lady noch öffentlich Plätzchen backen musste, eine Demütigung und Unverschämtheit, an der Clinton bis heute knabbert. Michelle Obama hat einen Gemüsegarten im Weißen Haus angelegt.
Am Tag, als die Obamas dort einziehen, 1600 Pennsylvania Avenue, Washington, D. C., führt Laura Bush sie durch ihr neues Zuhause, während George und Barack den Fitnessraum inspizieren. Wie fühlen Sie sich, fragt Laura Bush. Ein bisschen überwältigt, sagt Michelle. Ich weiß, antwortet Laura, das können Sie mir glauben. "Später habe ich oft an das Gespräch zurückgedacht. Barack und ich wurden Teil einer Gemeinschaft, die lediglich aus den Clintons, den Carters, den beiden Ehepaaren Bush sowie Nancy Reagan und Betty Ford bestand", schreibt Michelle Obama jetzt. "So unterschiedlich wir auch sind, diese Erfahrung wird uns für immer miteinander verbinden." Das Gespür für Repräsentation, für das Amt und die Aufgabe, die nur für kurze Dauer verliehen sind, aber über diese Dauer hinaus Wirkung zeigen, das Verantwortungsgefühl und die Demut, die damit einhergeht: Diese kurze Passage in "Becoming" macht es noch schwerer, im Augenblick auf das Weiße Haus und seine Bewohner zu schauen. Zehn Jahre, nachdem dort der erste schwarze Mann und die erste schwarze Frau mit ihren schwarzen Kindern einzogen, um alle Amerikanerinnen und Amerikaner zu repräsentieren, gleich welcher Hautfarbe.
TOBIAS RÜTHER
Michelle Obama: "Becoming. Meine Geschichte". Übersetzt von Hariett Fricke, Tanja Handels, Elke Link, Andrea O'Brien, Jan Schönherr und Henriette Zeltner. Goldmann-Verlag, 544 Seiten, 26 Euro
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